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Beilagezu Rr ISS de« Auer La-eblett« und Anzeiger» für da« Erzgebirge Montag, London Pari», die nordfranzöst scheu und die belgischen Städte anrufen. Es soll jetzt versucht werden, ob die Verständigung von London Ibis Marseille möglich ist. Wenn die Experimente den Erwartungen entsprechen, so wird in den nächsten Wochen auch der Anschluhan Deutschland hergestellt, nach dessen Boll, «ndung man auch zwischen Berlin und London telephonisch ver. kehreri können wird. * LOO-Jah rsrier der Vereinigung Livland» mit Rußland. Anläßlich der gestrigen 200-Jahrfeier der Vereinigung Livlands mit Rußland wurde in Riga in Gegenwart des Zaren ein DenkmalPetersdesGroßen enthüllt. — Kaiser Niko, laus besuchte das Ritterhaus. Landmarschall Pilar von Pil- chau begrüßte den Gast und sagt«, der Adel halte es für seine Ehrenpflicht, den Peter dem Großen und seinen Nachfolgern ge leisteten Eid der Treue den künftigen Generationen als Heilig tum zu vererben. Der Kaiser dankte für die Ergebenheit und für die Liebe desltvländischenAdelszumKaiserund dem gemeinsamen Vaterland. Er schätze st« gleich seinen Vorgängern und bedauere, daß eine Unpäßlichkeit die Kaiserin an einem Besuch im gastlichen Ritterhaus verhindert habe. * Ehetragödi« aus offener Straß«. Sonnalbend früh gegen 7 Uhr lauerte in Kiel der Produktenhändler Bartels aus der Wörther Straße seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau auf und machte ihr zunächst Vorwürfe über ihre Untreue, verlangte dann aber, daß sie wieder zu ihm zurückkehre. Als die Frau dies ablehnte, ging Bartels mit einem Revolver auf sie los und feuerte fünf Schüsse auf die Frau ab, so daß sie blutend zu Boden sank. Dann richtete er den Revolver gegen sichselb st; die Kugel durchbohrte den Kehlkopf und verletzte ihn so schwer, daß er im Sterben liegt. — Ein geohrfeigter französischer Kaivallerieoffizier. Im Bahn hof von Ferrecire stieg ein Kavallerieoffizier in ein Abteil erster Klasse. In dasselbe Abteil stiegen nach dem Offizier zwei an getrunkene Soldaten in Begleitung eines Zivilisten und einer Frau. Kurz nach der Abfahrt des Zuges fingen die Soldaten an, den Offizier zu hänseln und zu beleidigen. Als der Offi zier sich das entschieden verbat, stürzte sich die Frau auf ihn und ohrfeigte ihn. Nun hieb der Offizier mit seiner Peitsche aus die Frau ein, wobei er sie im Gesicht ziemlich schwer verletzte. Er konnte sich schließlich seiner Angreifer erwehren und in ein anderes Abteil steigen. Eine strenge Untersuchung über den un erhörten Vorfall ist eingeleitet. * Ein Kind von Ratten schwer verletzt. In große Auf regung wurde am Sonnabend ein Ehepaar in Linz a. Rhein versetzt, das, von einem Ausgange zurückkehrend, im Schlafzimmer ihr Kind in einer Blutlache liegend, vorfanv. Der sofort hinzu gezogene Arzt konstatierte, daß Ratten die Schlagader des Kindes durchbissen und dem Kiude weitere schwere Bißwunden am ganzen Kö per bcigebracht hatten. Der Zustand des Kinde» ist infolge des großen Blutverlustes besorgniserregend. * Im Moabiter Untersuchungsgefängnis entleibt. Martin Ball, der frühere Direktor der Berliner Ausstellungsgalerien, der sich gegenwärtig wegen Meineids und Mcineidsoerlcitung vor dem Schwurgericht zu verantworten hatte uid in d n letzten Tagen mehrfach Ohnmächten simulierte, machte in der Nacht zum gestrigen Sonntag im Moabiter Untersuchungsgefängnis seinem Leben durch Erhängen ein Ende. Nach 120 Stunden dem Leben wiedergegeben. Gestern nachmittag ist es den Rettungsmannschaften gelungen, die beiden verschütteten Bergleute auf der Zeche Prinz-Regent in Bochum zu Tage zu für d er n. Die G retteten, di: ISO Stunden unter der Erde zugebracht haben, sind zwar erschöpft, aber sonst gesund. Sie wurden alsbalo nach dem Krankenhaus Bergmannshril gebucht, wo sie sich zunächst erholen sollen. * Eisenbahnunsälle, Gestern nachmittag wurde auf einem Bahnübergang bei Psrlach ein Miichtuhrwerk von einem Personen zug überfahren. Der Lenker und dessen Sohn wurden getötet, eine aridere Person schwer verletzt. — Bei Purkersdorf (Oester reich) entgleiste gestern nachmittag ein Personenzug, zwölf Passagiere wurden mehr oder weniger schwer verletzt. — Gefährliche Windhose. Aus Henderson (Staat Massa chusetts) wird unterm 17. Juli telegraphiert: Eine starke Wind hose, die gestern über Handerson hinstreifte, hat für mehrere Millionen Dollars Schaden an der Ernte, namentlich in den Getreide-, Wein- und Tabakfeldern- angerichtet. * Feuer in den Naphthawerken von Baku. Auf den Naphtha werken von Schibajew sind gestern 300 000 Pud Oel und Pe ¬ tro leumin Brand geraten. Da» Feuer ist auch auf die Werke der Kaukasischen Gesellschaft übergvgangen, wo ein Reservoir aus gebrannt ist. llm Mittag war da» Feuer noch nicht gelöscht. * Sech» Menschen in einer Stromschnell« ertrunken. Inden Stromschnellen de» Meong bei Saigon ist eine Schaluppe unter gegangen. General d« Beylie, Militärarzt Roufs,ian. di», der Chef de» Gesundheitsdienste» Labs und drei einge borene Matrosen sind ertrunken. * Eröffnung de» großen eidgenössischen Schützenfeste». Ge stern wurde in Bor n das bis zum 31. Juli dauernde große eid genössische Schützenfest eröffnet, an welchen S7V Vereine mit drei- ßigtausend Schützen, darunter vielen Ausländern, besonders Deut schen und Franzosen, teilnahmen. Die Ehrengaben, unter denen sich ein silbervergoldeter Pokal desDeutschenKaisersund eine Sdvres-Vase des Präsidenten Falliöre» befinden, stellen «inen Mert über 200 OOO Francs dar. Die Züge brachten eine ungeheuere Menschenmenge, auch viele Fremde, die dem Festzuge und der Schnellschießkonkurrenz beiwohnten, womit das Fest er öffnet wurde. * Mahnung an der Kirchenkür. Folgenden Erlaß hat der Seelsorger von Vier sch ach (in Tirol) an seine der modernen Hygiene abholden Pfarrkinder gerichtet und an der Kirchentür anbringen lassen: Betritt mit Andacht dieses Haus Und geh' stets schweigsam ein und aus. Blick' nicht auf andre kreuz und quer Und spuck' nicht auf den Boden her. Bedenke e», mein lieber Christ, Daß Gottes Haus kein Spucknapf ist. Kinderwitz und Kinderweißheit. Das Newyorker Morgenjournal icilt folgend:, von Müttern ausgezeichnete Aeußerungen von Kindern mit: Ich putze Erdbeeren in de. Küche, während mein dreijähriger Junge vor der Tür spielte. Alle paar Minuten kam er und bettelte um Beeren. Beim vierten Male sagte ich: Nun kommst Du aber nicht wieder, worauf der kleine K^icps sagte: Nein, Mama, nun bleibe ich ganz hier. Als wir eines Tages von Geldangelegenheiten sprachen, sagte der kleine Herbert: Nicht wahr, Mama, wenn ich groß bin und Geld verdienen kann, dann brauchen wir keinen Papa mehr! Zum Sonntagnachmittag gab's Schweinebraten, den der kleine Anton nicht liebt. Kein Zureden half. Du Racker I sagte da der Papa: In deinem Alter war ich froh, wenn ich überhaupt Fletsch zu essen bekam, ganz egal, was es «ar. — Da hast du es gut getroffen, daß du zu uns gekommen bist, wir haben j-den Tag Fleisch, antwortete der Junge. Gerichtssaal. * Entmündigung der Frau v. Schönebeck. Die Affäre der Frau v. Schönebeck-Webei ist in ein neues Stadium getreten. Der Erste Staatsanwalt bei dem Landgericht lll hat das Ent mündigungsverfahren wegen Geistesschwäche bei dem Amtsgericht Charlottenburg beantragt. Dieses hat jetzt das Ent mündigungsverfahren eingeleitet und dcn Beschluß der Frau Weber zugrstcllt. — Bekanntlich war die früher gegen sie ringe- leitete Pflegschaft vom Landgericht Allenstein aufgehoben worden. Frau v. Schönebeck ist gegenwärtig in einem Sanatorium in Schlachtensee untergebracht. * Das Urteil im neuen Bombastus-Prozeh. Aus Dresden wird berichtet: Der neue Bombastus-Prozeß wurde Sonnabend nachmittag zu Ende gefüh t. Verfasser und Verbreiter der Bom- bastus-Broschüre gegen den Geheimen Kommerzienrat Lingner wurden wegen Beleidigung zu Freiheits- bezw. Geldstrafen verur teilt und zwar der Direktor der Bombastuswerke Bergmann zu 6 Wochen, Kühn, Däberitz, Braune, Reibisch, Jser zu je vier Wochen Gefängnis, sowie Dorsch zu 300 Mk. und Schulz zu 100 Mark Geldstrafe. Die übrigen Angeklagten wurden fiti gesprochen, ebenso Lingner und Justizrat Dr. Proppor als Wider beklagte. Der Angeklagte Däberitz teilte mit, daß von den An geklagten fünf Strafanzeigen wegen Meineids er stattet worden seien. Es scheint demnach, daß sich eine ganze Anzahl von Prozessen aus dem eben beendeten entwickeln wird. * Luthers erdichteter Selbstmord vor Gericht. Ein Mün- chener Wochenblatt hatte eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, in den 18 Juli 1V10. denen der Verfasser nachzuwetsen versuchte, daß Luther Selbstmord verübt habe. In diefin Artikeln wurde ein grober Unfug erblickt und der Herausgeber de» Blatte» hatte sich daher vor dem dortigen Schöffengericht zu verantworten. Der Angeklagte wurde zu drei Tagen Haft verurteilt. Die Urteil-begründung be zeichnet eS al» unzulässig, derartige Behauptungen in aufdringlicher und marktschreierischer Weise in die große Menge zu werfen. Da könnte schon im Interesse de» konfessionellen Frie dens selbst dann nicht geduldet werde»,, wenn die Wahrheit solcher Behauptungen feststände. Der konfessionelle Friede sei ein viel zu kostbares Gut, als daß solche Angriffe ans ihn ungeahndet bleiben dürfte», die geeignet seien, in ung bildeten und leicht er regbaren Menschen die Flamme der konfessionellen Gehässigkeit zu schüren und dadurch das friedliche Zusammenleben der Angehörigen der verschiedenen Bekenntnisse zu gefährden Sport. —- Ballontaufe in Dresden. Gestern vormittag fand auf der neuen Radrennbahn in Gegenwart des Bürgermeisters Dr. May, des Vorstandes des Vereins für Radwettfahren, des Vorstandes des königl. sächsischen Vereins für Luftschiffochrt sowie zahlreicher Ehrengäste die Taufe des neuen Ballons Elbe statt. Die Tauf rede hielt Frau Kommerzienrat Wjillingto n-Herr mann. Im Anschluß hieran wurde eine Ballon-Juchsjagd ver anstaltet. Der Ballon Dresden stieg um 11 Uhr 13 Minuten als Juchs auf. Es folgten in kurzen Abständen der neu getaufte Ballon Elbe, ferner Hilde, Leipzig und Chemnitz. Die Ballons trieben über Dresden hinweg in der Richtung nach Meißen. Der voraussichtliche Sieger dürfte der Ballon Chemnitz sein. — Radrennen um den Preis vom Großen Garsten. Gestern nachmittag fand auf der Radrennbahn in Dresden das Ren nen um den Preis vom Großen Garten über 100 Kilometer in zwei Läufen zu SO Kilometer statt. Das Rennen gewann Theila in großem Stil gegen Demke, Butler und Hickentmann. " Havarie des Parseval V. Der Lenkballon Parseval Vi stieg Sonnabend morgen 8 Uhr in Kudowa zur Rückfahrt nach Breslau auf. Er mußte des heftigen Windes wegen in Glatz eine Zwischenlandung machen. Me gemeldet wird, wollte er gegen 3 Uhr nachmittags die Fahrt fortsetzen, mußte aber, da der Gegen wind sich als zu stark erwies, nach 20 Minuten unter Anwen dung der Reißleine wieder niedergehen. Er wurde dar aufhin abmontiert und per Bahn nach Breslau geschafft. —- Schwere Ausschreitungen bei einem Ringkampf in Bierlin. Schwere Ausschreitungen zeitigten am Sonnabend die Ring kämpfe im Etablissement Kistenmachjer. Es fand daselbst ein großes Ringkampf-Matsch zwischen Sturm und Koch statt. Der Kampf fand nicht den Beifall der Zuschauer. Die Stimmung der Menge wurde durch das flaue Ringen immer gereizter, zumal der Kampf wegen der Polizeistunde abgebrochen werden mußte. Die Versuch, die Störenfriede aus dem Garten zu weisen, löste schließlich einen Entrüstungssturm aus. Gläser und Stühle wur den geworfen und alle Beleuchtungskörper und Tische zerstört. Erst mit polizeilicher Hilfe war es möglich, die Monge aus dem Garten zu drängen. Auf der Straße setzten sich die Szenen fort. Die Umfriedigung des Garten» wurde zerstört. Die Polizei mußte mehrere Verhaftungen vornehmen. Es gelang schließlich, die Menge zu zerstreuen. * Die Frankfurter Sportausstellung ein Mißerfolg. Die In ternationale Ausstellung für Sport und Spiel in Frankfurt a. M. wird heute bestimmt geschlossen. Ihr finanzielles Ergebnis ist sehr ungünstig, so daß die Garantiezeichner mit einem erheb lichen Prozentsatz zur Deckung herangezogen werden müssen. Der Grund hierfür ist die allgemeine Ausstellungswütigkeit, aber auch das geringe Interesse für Sport und Spiel beim großen Pu blikum, sowie auch das schlechte Wetter. * Mit dem Fallschirm verunglückt. Bei Versuchen mit einem Fallschirm ist Sonnabend mittag auf dem Flugplatz zu Mil- helmsruh bei Breslau ein Herr verunglückt. Er stürzte aus meh reren Metern Höhe herab und erlitt erhebliche innere Ver letzungen, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Schloß Rechlinghausen in den Klulbs und auf Len Rennplätzen bekannt. Er hielt zwar selbst keinen Rennstall, aber er wettete mit Leidenschaft, und am Kartentische verbrachte er so manche Nacht. Dame Fortuna war ihm nicht immer hold, und ost waren die Taschen am Morgen leer. Langsam, aber sicher, drohte der Zusammenbruch. „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen." Dieses Wort Goethes hätte Karl- Detleff von Rechlinghausen beherzigen müssen, er hätte dem Leichtsinn beizeiten Einhalt gebieten sollen und da zu erwerben bestrebt sein müssen, wo er als Herr hingestellt war. Es ist nicht immer ein Glück, mit goldenen Löffeln geboren zu werden, das durch harte Arbeit Errungene hat mehr Mett und wird höher geachtet, als das mühelos ererbte Hab und Gut. Vielleicht hätte er sich aus eigener Kraft emporgearbeitet, aber als ver wöhnte» Schoßkind des Glückes verstand er nicht, mit dem Haus zu halten, was eine gütige Vorsehung ihm geschenkt hatte. Ms überaus zärtlicher Gatte und Vater war er bestrebt, den Seinen die Sorgen fernzuhalten, weder Frau Veronika noch die Kinder ahnten, wie schlimm es stand. Die flotte Wienerin hätte die herrlichen, braunen Augen erstaunt aufgerissen, wenn Karl Detlefs ihr gesagt hätte, daß sie sich ihrerseits einschränken müsse. „Sind wir denn nicht reich?" hatte sie einmal erstaunt aus gerufen, als ihr Mann sich mißbilligend über die Rechnung ihres Wiener Schneiders geäußert hatte. „Es ist doch spaßig, daß du darüber ein finsteres Gesichte! machst .ich kann mich nur in Wien kleiden lassen. Gelt, du gibst mir die paar lumpigen Mark." Sie schlang die weichen Arm« um seinen Nacken und küßte ihn zärtlich. * Mist halt mein guter Karl-Detleff, ich habe dich ja auch zum Fressen lieb." Er unterdrückte einen Seufzer und zwang sich -um Lachen. Der Zauber, den Veronika auf ihn ausübte, Bestand noch immer, trotzdem sie nun schon fünfundzwanzig Jahre verheiratet waren. Die Ehe des Paare» war mit vier Kindern gesegnet. Wilma, die älteste Tochter war schon seit sieben Jahren an den Ober leutnant Franz von Stössel verheiratet und besaß selbst zwei klein« Mädchen. E, war eine Liebesheirat gewesen. Die an sehnliche Zulage, di« der Vater der jungen Frau gewährte, hatte den Bund der Herzen ermöglicht. Stössels lebten in Breslau, wo das Infanterieregiment stand, in dem Franz jetzt Hauptmann werden sollte. Fast die Hälfte ihrer Zeit verbrachte Wilma in Rechlinghausen, das Wohlleben daselbst war ihr Element; sie entbehrte vieles in der eigenen Häuslichkeit und lieble es ewig zu klagen. Eine stolze Frauennatur trägt ihre Enttäuschungen und Sorgen still für sich und findet gerade darin Stärke und Halt, Wilma sprach gern über das, was sie entbehrte, und holte sich überall Rat. Stössel war eine rauhe Soldatennatur, aber im Grunde ein kreuzbraver Mensch, nur verstand er nicht, den schmachtenden Seladon zu spielen, und brauste leicht auf. Wilma war von krankhafter Empfindlichkeit und sehr unpraktisch er zogen; sie verstand es nicht, ihr Haus zu führen. Da gab es denn oft Mißstimmungen zwischen den Eheleuten, die ihren trüben Schatten auf das Zusammenleben warfen. Die beiden kleinen Töchter verzog die Mutter und duldete des Gatten Einmischung nicht. „Gut, daß es keine Jungen sind," sagte Franz Stössel ost, „die würde ich erziehen." Um des lieben Frieden^ willen ließ er fünf gerade gehen und drückte ein Auge zu. Nur ein Jahr jünger als Wilma war Karl-Detleff, der in Lichterfelde das Kadettenkorps besuchte und jetzt Leutnant war. Auch er lag schwer auf dem väterlichen Säckel. Seine Zulage wollte fast nie reichen ,und der ältere Rechlinghausen mußte die Schulden des Sohnes bezahlen, der sein Liebling und der Stolz Leider Eltern war. Dabei war der Leutnant nicht eigentlich leichtsinnig, er hatte nur einen großen Maßstab, den Maßstab, an den er im Vaterhause gewöhnt war. Es war ja kleinlich, jedes Markstück erst zweimal umzudrehen, ehe man sich erlaubte, es auszugeben. So sah der Sohn es Leim Vater, so machte auch er es. Von Herzen gut .mäßig begabt, ohne Ehrgeiz und Ener gie, aber ein treuer Freund, so ungefähr lautete die Charakteri stik Karl-Detleff», de» Jüngeren. Als Mann hätte er mehr Mark in den Knochen, mehr Ellen im Charakter haben müssen. Eine leidenschaftliche Heimatliebe band ihn an Rechlinghausen: es ging ihm nichts Über da» alte Schloß, in dem er geboren war, an da» sich hundert traute Erinnerungen knüpften. Der siebzehnjährige Ernst war in Breslau Gymnasiast. Er war der zweite Sohn Veronikas, ein aufgeweckter, muntere« Junge, der es oft an dem nötigen Fleiße fehlen ließ. Schon früh zeigte er eine entschiedene Begabung für technische Sachen. Er bastelte schon als Knabe allerlei zusammen und interessierte sich für alle Maschinen. „Schade," dachte der Vater, „der Ernst würde ein tüchtiger Mechaniker werden, wenn er in einem anderen Stande geboren wäre. Er hat einen klugen Kopf für alles, was in dieses Fach schlägt.« Das jüngste Kind des Freiherrn Karl-Detleff hieß wie die Mutter, Veronika, wurde aber zum Unterschied Vroni genannt. Sie war sechzehn Jahre alt, halb Kind, halb Jungfrau, pikant und teinperamentooll, es schlummerte eine glühende, noch ver steckte Leidenschaftlichkeit unter der zarten Hülle. Rötliches Haar umwallte in weichem Eekräusel das reizende Gesichtchen, wie mit dem Pinsel gezeichnet waren die schwarzen Brauen, und die lan gen, dunklen Wimpern «beschatteten ein Paar grünlich schillernde, mandelförmig geschnittene Augen, wahre Nixenaugen, die zu locken verstanden, die bald zärtlich schmachtend blickten, bald zor nig aufblitzten und in Momenten der Erregung fast schwarz er schienen. Dazu kam eine tannenschlanke, graziöse Figur. Stet» schlagfertig und heiter, war das junge Mädchen überall beliebt, und di« Herren schwärmten für den „reizenden «Käfer". „Sie wird mehr als einem gefährlich werden," so lautete! das allgemeine Urteil über die jüngste Tochter des Freiherr» Karl-Detleff von Rechlinghausen. Und Vroni wurden diese Worte von den Freundinnen getreulich wiederholt; sie nsihtten ihre Eitelkeit und Gefallsucht. Sie wurde sich früh ihrer Macht als Weib bewußt und war entschlossen, sie auszuüben. Heute stand sie vo, dem großen Spiegel in ihrem Ankleide zimmer und probierte das neue, hellseidene Kleid an, das vo» der Schneiderin aus Breslau gekommen war. Der meergrüne, leuchtende Stoff sah wunderhübsch aus zu den kupferroten Haaren und dem blittenzarten Teint de» pikanten Gesichtchen». Ägleich da» Kleid tadellos saß, zupfte Fräulein Vroni doch unzufrieden an der Taille umher und dacht« dabei: , /Fortsetzung folgt.