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Montag, 18. Juli. lstiidenst 4000 »will Ikiintm. Ar. ISS. Fünfter Jahrgang. und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur- Vrft H >d»ia. Lür di» Inserate verantwortlich: Walter Nr«««. Beide in Aue i. Lrzgeb. Sprechstunde der RedaVae». mit Aufnahme der Sonntag» nachmittag» von »—5 Uhr. — Telegramm-Adreff«: Tageblatt Au«. — Lernsprecher Lür unverlangt eingesandt« Manuskript« kann Gew Ihr nicht geleistet werden. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. u."üe^m,»«k, IN. b. ff. in Aue i. Erzgeb. 8«zug»pr«i,: Durch unser« Boten frei in» Sau» monatlich so psg. Bei der SeschSstrstell« abgebolt monatlich )0 psg. und wöchentlich ,o psg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich «.so Mk. — Durch den Briefträger frei in, kau» vierteliährlich ,.-2 Mk. — Einzelne Nummer io pfg. — Deutscher Postzeitung»- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Au»nahm« von Sonn- und Leiertagen. Annahm« von Anzeigen bi, spätesten» g'/, Uhr vormittag». Lstr Aufnahme von grdßrren Anzeigen an bestimmt«» Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn st« am Lag« vorher bet un» eingehen. Jnsertiou,preis: Di« fiebengespalten« Aorpu»zril« oder deren Raum ,o Pfg., Reklamen r» Pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechend« Rabatt. viel« N»»er »»laßt b Zeiteo Das Wichtigste vom Lage. Die beiden verschütteten Bergarbeiter auf Zeche Prinz-Regent wurden, nachdem sie 123 Stunden eingeschlossen waren, gerettet. (S. N. a. a. Welt u. Tel.) Die S t r a sp r o z e ß k o m m i s s i o n hat sich bis zum 20. September vertagt. * In Riga wurde gestern anläßlich der 200-Jahrfeier der Vereinigung Lip lands mit Rußland in Gegenwart des Zaren ein Denkmal Peters des G r o ß e n e n t h ül l t. (S. N. a. a. Well) ^'i^j i ! !s,.. * Der nächste internationale Eisenbahnkon greß wird in Berlin abgehalten werden. In Albanien fanden wieder mehrere Kämpfe der türkischen Truppen mit den Aufständisch en statt. (S. pol. Tagessch.) IMU- Mutmaßlich» Witterung am IS. Juli: Westwind, wol kig kälter, zeitweise Niederschlag. Deutschland und England. Erst wenige Tage find es her, daß von englischen Blät tern wieder einmal eine liebliche Hetze gegen Deutschland insze niert wurde. Zum Glück geschah das mit mäßigem Erfolge, zu mal die offiziellen Stellen keinen Zweifel darüber ließen, daß sie die Anschauungen, die in jener Mache vertreten waren, in keiner Weise teilten. Im Hinblick auf dieses Treiben gewisser unverantwortlicher Stellen hat es wohl der augenblicklich lei tende Staatsmann Englands, Herr Asquith, unternommen, gelegentlich einer parlamentarischen Campagne die herzlichsten Worte zu wählen, um dem Standpunkt der Regierung gegenüber Deutschland Ausdruck zu geben. Anläßlich der Beratung des Flottenbauetats hat der Premierminister eine glänzende Rede gehalten, die das Verhältnis England? zu Deutschland und die Flottenpolitik beider Mächte beleuchtet. Selten hat man von dieser Stelle so freund liche Worte gefunden, wie in der Donnerstagssitzung des Unterhauses. Auf das Entschiedenste be tonte Herr Asquith, daß die englische Flottenverstärkung unter keinen Umständen als ein feindseliger Akt gegen die befreundete deutsche Nation angesehen werden dürfe. Der Kabinettschef be gnügte sich aber nicht mit dieser Feststellung, er knüpfte daran noch weitere Ausführungen, in denen er sich über dieAnnäh e- rungbeiderMächte eingehend ausließ, und die zunehmende Wärme und Einigkeit konstatierte. Er begrüßte die Bemühun gen zwischen beiden Völkern, eine gegenseitige Verständigung zu erzielen, aus das Freundlichste und vergaß nicht, zu betonen, daß man auch die deutschen Flottenrüstungen unter keinen Umständen als gegen England gerichtet betrachten dürfe. So aufrichtig hat sich bisher noch kein englischer Staatsmann gegenüber Deutschland geäußert und uns volle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Betonte Loch Herr Asquith ausdrücklich, daß Deutschland seine eigene Politik verfolge und seine In teressen zu wahren habe. Er wies darauf hin, daß Deutschland eine große Weltmacht mit weit entfernten Kolonien sei, sein Handel wachse überall und die deutschen Staatsmänner und das deutsche Volk hätten ein R e ch,t darauf zu glauben, daß sie ihre Stellung als große Weltmacht und ihre wachsenden Interessen in allen Weltteilen nicht ohne Vergrößerung ihrer Flottenmacht verteidigen könne. Sonst betonte man von englischer Seite im mer nur Las Recht Englands, seine Flotte zu verstärken, unter ließ es aber stets wohlweislich, diese Berechtigung auch anderen Mächten zuzuerkennen. Man wird sich der Worte des Herrn Asquith freuen dür fen, da sie ersichtlich von aufrichtigem Herzen kommen und die Stimmung der englischen Regierungskreise wiederspiegeln. Ge wiß fehlt es in England nicht an einer einflußreichen Strömung, die von Deutschland nichts wissen will und in ihm lediglich Len Rivalen auf allen Gebieten erblickt. So lange die Regierung diesen Einflüsterungen kein Gehör schenkt und sich von chauvini stischen Erregungen freihält, kann man ohne Besorgnis in die Zu kunft blicken, damit jenen Leuten mehr und mehr das Terrain abgegraben würde, welche die Verhetzung gegen Deutschland gleichsam zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben. Deutscherseits hegt man nirgends irgendwelche feindseligen Gesinnungen gegen über England, es ist ein Märchen, wenn jenseits des Kanals er zählt wird, der Deutsche betrachte England gewissermaßen als Erbfeind und wenn zuweilen auch deutsche Blätter eine scharfe Sprache gegenüber England führen, so geschieht dies immer nur nach dem Grundsätze: Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch wieder heraus. Gerade in Deutschland würde man es durchaus begrüßen, wenn eine gewisse Ständigkeit in die Be ziehungen zu England eintreten würde, die nur im beiderseiti gen Interesse auf allen Gebieten liegen könnte. Jur Frage der Schiffahrttabzaben. In einer kritischen Besprechung untersucht die Sächsische Industrie, Organ des Verbandes Sächsischer Industrieller, in ihrer Nr. 19 vom 10. Juli d. I., den vom Bundesrat vor kurzem vorgenommenen Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Schiffahrtsabgaben. In dem Aufsätze wird zunächst der Energie und Festigkeit gedacht, mit der die sächsische Regierung jahrelang sich gegen die Erhebung von Abgaben auf den freien Strömen gewendet hat und es werden weiter die Gründe gewürdigt, die für das endliche Nachgeben der sächsischen Regierung maßgebend gewesen sind. Bei der Behandlung der Zugeständnisse, die Preu ßen für die Aufgabe dos Widerstandes gemacht hat, hebt die Sächsische Industrie zunächst hervor, daß die versprochene Ver tiefung der Fahrtrinne der Elbe eigentlich unter die Zahl der Zugeständnisse nicht gerechnet werden kann, da man ekne solche Vertiefung der Fahrtrinne der Elbe in Sachsen nicht nur nicht wünscht, sondern für die bestehenden Verhältnisse der Elbschiff- fahrt direkt für nachteilig, abgesehen davon, daß an ihrer Durch führbarkeit starke Zweifel bestehen. Mas die Vertretung der In teressen Sachsens in den für die Anwendung und Durchführung Les Gesetzes geschaffenen Organen betrifft, so wird zwar die Ver tretung Sachsens im Elbeverband als ausreichend erachtet, die Vertretung in dem Strombeirat der Interessen ten jedoch als völlig ungenügend bezeichnet. Die Stim menverhältnisse sind nach dem Entwurf solche, daß Sachsen nicht in der Lage ist, in diesem Strombeirat einen seinen Interessen entsprechenden Einfluß auszuüben. Die bedenklichsten Mängel des Gesetzes liegen aber darin, daß keine Zusicherungen darüber abgegeben worden find, daß Abgaben auf Rhein uill Elbe Lez. auf allen deutschen Strömen nur gleichzeitig erhoben werden dürfen und daß die Einführung von Schiffahrtsabgaben nur dann erfolgen soll, wenn Oesterreich und Holland zu stim men. In dieser Beziehung heißt es in dem Aussatz: Nachdrücklich verlangt muß ferner die Zusicherung werden, daß die Abgaben nicht eher erhoben werden, als bis Holland und Oesterreich zugestimmt haben. Eine solche Bestimmung fehlt ebenfalls in dem Entwurf, und darin liegt entschieden eine große Gefahr. Es wird daher nötig sein, bei den weiteren gesetzgebe rischen Verhandlungen Wer den Entwurf auf der Aufnahme einer solchen Bestimmung in das Gesetz unbedingt zu bestehen. Der ganze Verlauf der Schiffahrtsabgabenfrage hat gezeigt, daß man sich auf Zusicherungen nicht verlassen kann. Hat ja nicht einmal die Reichsversassung au?gereicht, um das Zustandekommen dieses Gesetzes zu verhindern! Wie Oesterreich und Holland sich stellen, ist vorläufig noch ungewiß. In der Praxis werden teilweise widersprechende Nachrichten verbreitet. Um so notwendiger ist es aber, daß das Gesetz selbst die nötigen Kautelen enthält, die Was Alles auf Reifen vergessen wird. Eine Betrachtung von A. Oskar Klaußmann. Nachdruck verboten. Hs gibt eine Zeit im Jahre, wo die menschliche Vergeßlich keit wahre Orgien feiert. Das ist die Reisezeit. Schon beim Verlassen der ilvohnung beginnt das Vergessen. Leider belehrt uns die ungalante Statistik mit aller nur erdenkbaren Deutlich keit, daß das Vergessen bei dem weiblichen Geschlecht viel häufiger vorkommt als beim männlichen. Auf zehn vergeßliche Frauen kommen ungefähr erst zwei vergeßliche Männer, ausgenommen sind natürlich die Professoren, die seit Jahrzehnten das durch die Witzblätter verbriefte Recht haben, ihre Regenschirme zu vergessen. Das Vergessen beginnt also schon mit dem Verlassen der Wohnung. Es wird wirklich vergessen, Gasflammen aus zulöschen, so daß sie wochenlang zwecklos brennen; es wird ver gessen, Wasserleitungshähne zu schließen, so daß Ueberschwemmun- in der verlassenen Wohnung entstehen. Es wird vergessen, das Frühstück abzubestellen, das in Form von frischem Gebäck durch eine Klappe in den Korridor geworfen wird, und Lei der Rück kehr fällt der Wohnungsinhaber im Korridor über einen Berg altbackener Semmeln. Auf der Treppe kehrt beim Fortgang die vergeßliche Hausfrau noch dreimal um, und wenn sie Glück hat, muß sie, bereits auf dem Bahnhof angelangt, noch in einer Droschke abermals nach Hause rasen, weil sie etwas sehr Wich tig«: da» bereit» vorher gellste Billett öder das Reisegeld ver gessen Hat- Aber nehmen wir an, wir säßen tm Auge und führen tn da» Land hinein. Hier beginnt da» Vergessen von neuem. Wer sich davon überzeugen will, was vergessen wird, der gehe nur in die Riesenlagerstätteti der deutschen Eisenbahndirektionen, wo die Fundgegenstände aufbewahrt werden, und er wird sich über die Menschliche Vergeßlichkeit entsetzen und erfahren, daß naturgemäß während der Reisezeit die Fundgegenstände sich besonder» stark vermehren. Bei dieser Gelegenheit sei aber Leserinnen und Lesern das folgende wichtige Resultat milgeteilt: Sowohl in den Fund stellen aller Verkehrsanstalten, wie in den Hotels ergibt sich die Erfahrung, daß die wertvollsten Fundobjekte nie mals abgeholt werden, wohl aber die Gegenstände, die ge ringen oder qar keinen Wert haben, wie «besonders alte Regen schirme und Spazierstöcke. Aus dieser Erfahrung mögen Leserin und Leser die wichtige Lehre ziehen, daß sie bei größeren Ver lusten auf der Reise, die durch das Vergessen wertvoller Gegen stände entstehen, nach den verlorenen Gegenständen wieder holt an den zuständigen Stellen, also in den Fundstellen der Verkehisinstitut« und in den Bureaus der Hotels nachfragen. An scheinend begnügt man sich mit der einmaligen Nachfrage. Der gefundene Gegenstand ist aber entweder noch nicht gefunden, oder er ist noch nicht bis an die Fundstelle gelangt, und trotz dem dies später geschieht, kommt er nie wieder in die Hände des Besitzers, weil Liefer es nicht für nötig hält, nach einiger Zeit wiederholt anzufragen. Im Eisenbahxzuge vergessen werden vor allem die Gegen stände die man aus der Hand logt, also: Spazierstöcke, Regen- fchirme, Krimstecher, Reisetaschen, Koffer, einzelne Pakete, Zi garrentaschen, Zigarrenspitzen, Tabakspfeifen, Brillen, Kneifer, Bücher, Plaids, Reiseschuhe, Shwals, zahllose Handtaschen und Pompadeurs, Fächer, Handschuhe, Taschentücher. Dazu kommen die meist wertvollen Sachen, die man aus den Taschen verliert: Schlüssellunde, Portemonnaies, Brieftaschen (oft mit sehr rei chem Inhalt an Banknoten), Taschenmesser, Notizbücher, Uhren (in staunenswerter Menge) und darunter kostbare goldene Stücke. Dr kommen dazu die Gegenstände, die einem vom Leibe fal len, ohne daß man in der Erregung des Reisefieber» oder im Gedränge des Ein- und Aussteigen» etwas davon merkt Solche Gegenchstände sind meist kostbar und bestehen aus Armbändern, Broschen, Anhängseln, Haarkämmen in kostbarem Metall, Damen uhren, Busennadeln, Fingerringen, die zu lose sitzen, Gürteln mit kostbaren Schnallen, Orden und Ehrenzeichen usw. Manch« dieser Gegenstände rutschen so tief in die Polsterzwischenräume erster und zweiter Klasse, daß sie erst nach Jahren gesunden wer den, wenn der Wagen zum Zweck einer größeren Reparatur oder Generalreinigung zum Teil auseinandergenommen wird. Es wird manchem Leser übertrieben erscheinen, daß jemand seine Reisetasche oder seinen Reisekoffer vergißt. Er wird das für geradezu unmöglich halten, weil erstens jeder Menschen beim Verlassen des Wagens an fein Gepäck denkt, dann aber auch weil diese Gepäckstücke, die das ganze mit auf die Reise genommene Hab und Gut des Reisenden enthalten, so wichtig sind, daß man sie gar nicht vergessen kann. Wer so denkt, kennt eben die menschliche Vergeßlichkeit nicht. Der gehe aber in eines der Fundmagazine und sehe sich dort die Bevge von Hunderten von vergessenen Koffern und Reisetaschen an, die überhaupt nie mals wieder abgefordert werden. Es steht aber statistisch fest, daß z. B. in einem Jahre auf den Bahnhöfen in London 280S lederne Reisetaschen wertvoller Art und mit wertvollem Inhalt aufgefunden worden sind, die von den Reisenden in den Eisen bahnwagen vergessen worden waren. Aber es werden ja nicht nur Reisetaschen von den Passagieren vergessen, sondern auch lebende Kinder. Daß die Mutter, die im Wagenabteil den Säug ling im Steckkissen beiseite gelegt hat, sich so ausgezeichnet mit Mitreisenden unterhält, daß sie beim Aussteigen den Säugling liegen läßt, ist wiederholt »orgekommen Aber ebenso wurden Kinder Lis zu sechs und acht Jahren, die im Wagen oder im Wartesaal eingeschlafen waren, von ihren Angehörigen vollstän- big vergessen. Im Oktober 1906 hat eine mit dem westfälischen Zuge in Kassel eintreffende Mutter ihre beiden kleinen Kin der, die eingeschlafen waren, beim Ausstetgen vollständig ver gessen. Diese Leistung dürste alleckings den Rekord der Retse- vergeßlichkett darstellen. Es ist eben nicht» so wertvoll, daß es nicht vergessen werden könnte. Man hat in den Gepäcknetzen der Eisenbahnwagen, aus den Sitzen der Straßenbahnwagen Pa kete mit Wertpapiere im Werte von vielen Hunderttausend«» ge funden, welch« die Besitzer einfach vergessen hatten. Auch auf