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Bella-« zu Ne. ISS de« Surr Tageblatt«» und Anzeiger» für da» Erzgebirge. Mittwoch, dm 6. Juli 1910. ist -«ute erschossen worden. lveckert, der Ilan-W an dtzr deut- fchenGesandt schäft in Santiago wa, und sich Unterschla gungen von rund 45000 Marl an Gesandtschaftsgeldern hatte zuschulden kommen lassen, halt« am S. Februar 1909 den Gesandt» schaftodiener Tapia ermordet und da» Gesandtschaftsarchiv in-Brand gesteckt. Gr hatte dabei Tapia seine Kleider angezogen, um den Anschein zu evwecken, daß er selbst in den Flammen um- g^omznen sei. Die» gelang ihm auch zunächst. Erst die Unter suchung de» Gebisse» des verkohlten Leichnam» durch einen chileni schen Arzt ergab ein« völlige Aufklärung de» Verbrechen». Am IS. Februar 1909 wurde Beckert im Passe von Lonquimai in mitten der Kordilleren aus der Flucht nach Argentinien verhaftet und ihm später in Santiago der Prozeh gemacht. — Nachklänge zum Boxkampf. Die Summen, die auf die beiden Vorkämpfer verwettet worden sind, belaufen sich auf Mil lionen. Beispielsweise hat ein Herr Fri-ee in Chicago 10 000 Dollar gegen 8000 auf Jeffries gesetzt. Kurz vor Beginn de» Wettkampfe» kam es in der Arena zutumultarifchenSze- nen, es fielen auch mehrere Revolverschüsse, obgleich die Be sucher auf das Vorhandensein von Waffen polizeilich untersucht worden waren. Mehrere Personen sind verhaftet worden, andere wurden aus der Arena verwiesen. — Anläßlich des Sieges dis Negers Johnson kam «», wie berichtet, in mehreren Städten, besonders im Süden, zu blutigen Krawallen. Die Weihen, die über den Sieg des Negers aufgebracht waren, griffen vielfach die Neger in ihren Wohnungen an. Gerüchtweise ver lautet, dah die Stadt Koyston (Westvirginia) sich in den Hän den der Neger befindet. Die Polizei sei ohnmächtig, die Ruhe wivder herzustellen. Aehnliche Unruhen find in Philadelphia, St. Louis, Atlanta usw. ausgebrochen. — Opfer der Hitze. Ganz No r d a m e r i k a hat noch immer unter der furchtbaren Hitze zu leiden. Die Temperatur ist an dauernd fast unerträglich. In zwölf Städten des Staates Neu- york sind insgesamt 171 Personen der Hitze erlegen. Die Einwohner, die sich nach den Bergen oder dem Strande begeben können, verbringen die Nächte auherhalb ihrer Wohnungen auf offener Strohe, in den Parks usw., wo sie Abkühlung suchen. Die letzte Köpeuickiade. Ein Atredale-Terrier, und zwar ein direkter Abkömm ling von Abdul Hamids Lieblingshund, spielt« die Hauptrolle bei einem amüsanten Zwischenfall, der sogar Anlatz zu diplomati schen Vorstellungen der Berliner Botschaft der Vereinigten Staa ten beim Auswärtigen Amt gegeben hat. Auch Großbritan nien wäre beinahe in die Sache verwickelt worden, da einer der Sekretäre der britischen Botschaft dabei beteiligt war, ebenso wie die Türkei und Frankreich. Es handelt sich um folgendes: Vor wenigen Tagen unternahm Herr Langhlin, der Sekre tär der Berliner amerikanischen Botschaft, zusammen mit dem türkischen Botschafter Rizami Pascha und mit Herrn Sey- Mvur von der britischen Botschaft «ine Automobilsahrt, di« auch durch Köpenick führte. Hier fiel e» dem Terrier (der jetzt Herrn Langhlin gehört) plötzlich ein, au» dem Wagen zu sprin, gen. Da Hunde ohne Maulkovb aber in Köpenick ebensowenig wie in Berlin und seinen Vororten gelitten sind, war da» ein« willkommene Gelegenheit für den städtischen Hundefänger, der die Eskapade beobachtet hatte und nun seinen beruflichen Pflichten nachkommen wollte. Bevor er aber noch den Terrier einfangen konnte, hatte der Chauffeur de» Automobils, ein Fran zose, den Flüchtling schon wieder ergriffen und im Wagen verstaut. Herr Langhlin legitimierte und erbot sich, die übliche Strafe für den maulkorblosen Hund zu entrichten. Aber aus irgend einem Grunde gab sich der Hundefänger damit nicht zufrieden und ver suchte, den Terrier mitEewaltaus dem Automobil zu ziehen: ja, er drängte sich selbst in den Wagen, aus dem ihn der Eng länder mit ein paar Boxerstöhen entfernte. Wütend hier über, attackierte der Köpenicker nun den Amerikaner, der nun seinerseits ins Handgemenge kam und den Hunde fänger so weit kampfunfähig machte, dah das Automobil fürder hin unbelästigt seine Weiterfahrt antreten konnte. Am nächsten Tage bereits führte di« amerikanische Botschaft beim Auswär tigen Amt Klage über den Angriff eines freien amerikanischen Bürger,? durch den Angehörigen einer befreundeten Macht. Das Ergebnis dieser diplomatischen Aktion war prompt: Es bestand in einer höflichen Entschuldigung des Polizeigewalti gen von Köpenick mit der gleichzeitigen Benachrichtigung, daß der unglückliche Hundefänger, der beinahe Veranlassung zu einer deutsch-englisch-türkifch-französisch-amerikanischen Querelle diplomatiqu« gegeben hätte . . . . entlassen worden sei. Datz der Mann entlassen werden mutzte, ist übrigens nicht recht ein- zusehen, denn im Grunde genommen hat er sich doch nur des übertriebenen Diensteifers schuldig gemacht, eines Vergehens also, das gelegentlich auch andere, höher Bewürbet« begehen, ohne indessen darum gleich entlassen zu werden. Milttiirftriifling Hofrichter. Der frühere Oberleutnant Adolf Hofrichter, der die ihm zudiktierte zwanzigjährige Kerkerstrafe gegenwärtig in der Mili tärstrafanstalt Möllersdorf verbüßt, wird, wie in Men verlau tet, voraussichtlich binnen kurzem nach dem Festungsgefängnis inArad gebracht werden zwecks Miterverbüßung feiner Straf zeit. Hofrichter ist in Möllersdorf in einer im Parterre gelege nen Mannschafts-, anstatt in einer Offizierszelle unterge bracht, und zwar aus dem Grunde, weil in der genannten Anstalt zurzeit sämtliche Offizierszellen besetzt sind. Für die Internie rung von Militärsträiflingen kommen außer der Strafanstalt Möllersdorf noch die Festungen Josefftadt, Arad, Peterwardein und Theresienstadt in Betracht. Mit Ausnahme von Arad, wo gegemvärttg nur Wei Offiziere ihr« Strafen verbüßen, find über« all die Offizier, besetzt. Für Hofrtchter würde die UebevfWwng nach Arad insofern «in« gewisse Erleichterung bilden, al« Möl lersdorf al» die düsterste aller Militärstrafanstalten gilt. Wie übrigen» entgegen anderslautenden Meldungen jetzt bekannt wird, darf Hofrtchter im ersten Jahre seiner Internie rung überhaupt nicht« arbeiten. GO später wird er zu Handarbeiten oder zum Kanzleidienst verwendet . Von dem Geldbetrag, der, wie wir meldeten, für ihn zur Aufbesserung sei ner Kost beim Anstaltskommando hinterlegt worden ist, Wir er nach den bestehenden Vorschriften zunächst wenig oder gar nicht» profitHren. Er erhält vielmehr im allgemeinen dieselbe Kost wie alle anderen Sträfling« und darf sich diese höchstens einmal in der Woche etwa» aufbessern. Im zweiten Drittel seiner Haft hat er dies« Vergünstigung, gute Führung vorausgesetzt, wöchentlich zweimal, und im letzten Drittel wöchentlich dreimal. Briefe darf Hofrichter nur einmal im Monat schreiben. Nachrichten vom Standesamt Neuwelt auf die Zeit vom 1. bi» 30. Juni 1910. Geburten: Eine Tochter dein Klempner Gustav Emil Zwicker^ dem Klempner Johann Eisenkolb, dem Kutscher Oswald Bernhard Unger, dem Fabrikbesitzer Guido Bruno Reinwart und eine un eheliche Geburt. Aufgebote: Der Wirtschaftsgehilfe Paul Wigand Unger hier mit der Stepperin Johanne Ella Epperlein hier. Eheschließungen: Der EmaillierwerkSarbeiter Eduard Höhlig hier mit der Emaillierwerksarbeiterin Johanne Toni Althof hier. Sterbefälle; Emil Max, Sohn des Klempner» Gustav Emil Zwicker 6 I. 4 M. 30 T. (Schluß de» redaktionellen Teils.) Agsrrbv«Mürb»WM nur erster birmen empfehlen knien L Oo. Visvkß., Itzue, Mlantt 8. llerren- M Knalien-koiMM. krttuanä Seidel, Zwickau ZViein ckieMknzei- Lnossen I^äumunxs-V enkauk bietet xnnr »USSSNVNÜSNlUOkS VONlellS beim Linkaul von erwacht. Sprich! Erzähle! Aber verlange nicht, Laß ich dir anworte!" klagte sie wehmütig. „Erzählen? — Ich muß ja meine Gedanken erst sammeln. Wohin ich mich von hier scheidend wandte, das weißt du ja." „Nichts weiß ich — nichts." „Aber doch! Ich teilte dir ja mit " „Nein, nein, nichts hast du mir mitgeteilt. Aber erzähle doch! — Ich möchte dich immer nur sprechen hören. Du stehst ja, daß ich wie betäulbt und keines klaren Gedankens fähig bin. Ganz von vorn mußt du anfangen, von jenem Augenblicke an, wo wir auseinandergingen!" „Da du es aus meinem eigenen Munds hören willst, dann also. — Ich reiste zu meinem Onkel Han? Wenger, der mich gut aufnahm, obwohl ich ihm nicht des geringste von jenem unseligen Vorfall verschwieg. Er redete mir zu, mich an seinem Wohnort niederzulassen, und glaubte, daß ich eine große Landpraxis haben würde. Das war es aber nicht, was ich wollte! Ich konnte der Selbstvorwürfe nicht Herr werden, ich mußte eine Tat vollbrin gen, die mich frei machte. In Rußland brach eine verheerende Seuche aus, die Pest. Sie wütete entsetzlich. Ich bewarb mich und wurde angenommen. Und in den gräßlichsten Schlupfwinkeln der Armut und menschlichen Verkommenheit weilte ich dann Tag und Nacht. Der Tod ging dort um und forderte viele Opfer. Für das eine durch meine Schuld verloren gegangene Leben habe ich so manches vom Tode gerettet. Allmählich verstummten die Vorwürfe, mein Gewissen wurde ruhig. Ich fühlte wieder, wie ich ein Mensch wurde, der jedem frei und stolz ins Antlitz blicken konnte. Eins aber hat mich aufrecht erhalten, hat meine Kraft und meinen Willen gestählt, der Gedanke an dich, Anguta, und an da,s Glück, das meiner in der fernen Heimat harrte. Drei Jahre der Gefahr, der Entbehrung, der rastlosen Arbeit half mir dieser Gedanke überstehen. Drei lange schwere Jahre. Mit einem Gefühle unbeschreiblicher Seligkeit trat ich die Rückreise an; aber je näher ich der Heimat kam, desto mehr hatte ich die seltsame Empfindung, als wälze sich mir ein Alp auf die Brust. Es war fast.wie eine traurige Ahnung. Als der Zug des Abends hier hielt ,si«l mein erster Blick auf das Liebste, was ich auf der Welt besitze, auf dich! Da war es, als ginge mir die Sonne hell und strahlend auf, als verscheuchte sie alle Nebel und finste ren Molken. Aber Lu, du Anguta, du sprichst ja gar nicht. — Warum bist du so still? Warum starrst du mich an, a^s wäre ich dem Grabe entstiegen?!" „Mil du es für mich wirklich bist. — Ich glaubte nicht mehr an deine Wiederkehr!" Sie sagte das langsam und mit bebender Stimme. „Konntest du wirklich zweifeln? Sieh — die Rosenknospe, die du mir damals zuwarfst, ich besitze sie heute noch." „Rolf — es gab eine Stunde, da wollte ich dir alles zum Opfer bringen, was ich mein nannte; mich selbst zuerst. Du stießest es zurück." „Weil ich der schon begangenen Schuld nicht noch eine neue hinzusügen wollte." „Aber ich flehte dich doch an: „Nimm mich mit dir! Gib meinem Leben Zweck! Laß mich nicht allein und unbeschützt. Ich kenne meine Schwäche und weiß, daß ich nichts bin ohne dich. — Hast du das vergessen?" „Nein; was dein Mund in jener Stund« sprach, konnte ich nie, niemals vergessen!" „Und du galbst meiner Bitte kein Gehör und ließest mich hier allein — anstatt deine Arme mir zu öffnen und mich hinauszu tragen in die weite Welt; ich bat dich so aus tiefster Seele her aus. Du aber gingst — und ich wartete, wartete; kein Zeichen kam mir von dir!" „Ich hätte „Meine Seele hungerte und dürstete nach dir, du gabst kein Zeichen. Da wurde meine Seele des schweren Kampfes müde — so müde " Während sie sprach, rannen heiße Tränen über ihre blassen Wangen. Sie schien es nicht zu fühlen, und auch ihre schlaff herabhängenden Hände machten keine Bewegung, sic zu trocknen. „Was ich tat, geschah eben, weil ich dich hoch hielt," sagte Rolf. Aber ein Zeichen gab ich dir, und dessen mußt du dich auch erinnern." „Nein! Kein Zeichen drang zu mir!" „Besinne dich, Anguta. Zwei Jahre sind es jetzt her, da schrieb ich dir, kurz vor dem Antritt meiner Reise. Ich sandte den Bries an den ehemaligen Waldwärter Huber. Er muß ihn dir überbracht haben." „Er überbrachte mir nichts." „Wie? Diesen Beweis von Anhänglichkeit hätte er ver weigert?" „Ich erhielt keine Zeile — kein Wort von dir — o Gott, daß es so kommen mußte!" „Was liegt daran? Jetzt ist ja alles gut!" „Es ist zu spät Rolf, zu spät." „Jener Brief, auf den ich allerdings keine Antwort ver langte " „Ich habe ihn nicht erhalten." „Unerklärlich. - Und du hast zweifeln können — oh, oh! Aber jetzt bin ich ja hier, jetzt darf ich dich wohl von deiner Mutter erbitten?" „Das ist nun — vorbei!" „Vorbei?" „Wir beide haben nichts mehr zu hoffen. Uns trennen die drei Jahre auf immer. Sie führten unsere Woge auseinander, und trennten auch uns. „Aber weshalb denn?" „Mil ich nicht mehr frei bin!" „Anguta!!" Me ein Schrei tönte e? durch den stillen Wald. Anguta schwieg und streifte von der rechten Hand den Hand schuh. Da sah Rolf an ihrem Finger den Ehering. „Du bist —" Stoßweise rangen sich ihm die Worte aus der Kehle. „Du bist—" „Verheiratet? Ja, das bin ich!" „Mit wem?" „Mit Lothar!" Rolf taumelte förmlich zurück. Aus seinen Augen zuckte es wie das grelle Aufflackcrn eines Blitzes. Der Jähzorn wollte ihn wieder überfallen. Doch dann bezwang er sich. „Sei glücklich mit ihm!" sagte er kurz und hart. Dann wandte er sich ab und ging. Anguta eilte ihm nach: „Nein, nein! Laß uns nicht so schei den. Nur eine Zeile, nur ein Lobenszeichen von dir — und nichts auf der Welt hätte mich von dir gezwungen. Aber so — wo jeder Tag trostlos an mir vorüberzog, wo ich immer nur hören mußte: „Er denkt nicht mehr an dich." Da — da — Ich hatte keine Kraft mehr." (Fortsetzung folgt)