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Nr. 208. Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge. Montag, den 7. September 1908. war, die deutschen Stämme der langersehnten Einheit zuzu- fiihren. Herrlich waren die Erfolge, freilich unter recht schweren Opsvrn, denti'groß mar die Zahl derü, di« im Kampf« unter lagen. Mancher unserer deutschen Brüder, der voller Hoffnung rchvs deutschen Mptrs in din uns aufgezwungenen Kampf zog, kchpte nicht wieder z«rü>» zu dem heimischen Htrde, er starb den HeGentod für» Vaterland. Aüch unserm Auertal blieb» Ver luste nicht erspart. Von den 09 Kameraden, die mit hinauszogen in den Kampf, blieben vier auf dem Felde der Ehr«. Der erste Gang an unserem 20jährigen Jubiläum gelte dieser zum ehren den Gedächtnisse der treuen und tapferen Helden geweihten Stätte, diesem Denkmal aus Stein und Erz. Dankerfüllt«« Herzens nahen wir uns beute Euch im Geiste und g«lobe» Euch verklärten Helden aus Deutschlands großer Zeit, in Treu« das Erbe der Väter hoch und heilig zu halten. Mit diesem Gelöbnis und zum ehrenden Gedächtnis lege ich nam«ns des K. S. M. V., Zelle, diesen Kranz nieder mit dem Worte unseres Freiheits kämpfers Theodor Körner: Vergiß mein Volk die treuen Toten nicht und schmücke ihre Urne mit dem Eichenkranz. Und am König Albert-Denkmal war es Herr Albert Baumann, der das Angedenken an den unver geßlichen Monarchen in beredten Worten, wie folgt, feierte: Großer König Albert! Wir, die Mitglieder vom König!. Sächs. Militärverein Zelle, stehen heute in früher Morgenstunde vor deinem Reiterstandbild. Dein Monument ist erbaut in denkbarer Erinnerung an Dich. In den Herzen aller gedienten Sachsen und allen deutschen Mitkämpfern der großen Kriege von 1849, 1860 und 1870/71 und nicht zum wenigsten in den treuen Herzen unseres Zeller Militärvereins lebst du fort. Warst du doch ddr Königliche Protektor unseres sächsischen Militärvereins bundes, dem du jederzeit deine gnädige Fürsorge angedeihen ließest, warst du doch immer ein Schirm und Hort für deine gedienten Soldaten. Unter deiner weisen Regierung wurde unser Verein vor 28 Jahren gegründet, und unter deiner Fürsorge ent wickelte sich unser enges Vaterland und besonders auch unser Auertal zu nie geahnter Größe und Wohlstand. Bei unserem silbernen Jubelfest ist es daher eine dankbare Pflicht, deiner zu gedenken, und indem wir dir zu Ehren einen Kranz hier nieder liegen, wiederholen wir deinem Königlichen Enkel das Gelöbnis, das wir einst dir zur Fahne geschworen: Weiter treu zu halten zu Kaiser und Reich, zu Gott, König und Vaterland. — Im Gedächtnis des soeben hinter uns liegenden Sedangedenktages schließe ich mit den Worten, die das Leipziger Sieges-Denkmal aufgegossen allen kommenden Zeiten kündet: * Unser Väter heißes Streben Deutschlands Einheit ist erstritten Unsere Brüder haben freudig Für das Reich den Tod erlitten Enkel mögen kraftvoll walten Schwer Errungenes zu erhalten. Um 8>L Uhr stellten die Kameraden alsdann im Hotel Eiche zur Kirchenparade. In feierlichem Zuge begaben sie sich in die Kirche zu Klöster- lein-Zelle, wo Herr Pastor M e u s e l die Festpredigt hielt, der er die Bibelcoorte zugrunde legte: Eure Rede sei ja, ja. nein, nein, was darüber ist, ist von Ucbcl. In dankenswerter Weise er örterte Herr Pastor Meusel dabei u. a. ein wichtiges soziales Problem, nämlich die Frage der vielen Meineide, die heutzutage geleistet werden. Vor Gericht wäre es gut, wenn das Wort gelte, ohne daß dabei ein Eid geleistet wird. Selbstverständlich al er muß bei dem heute geltenden Gebrauch der Eide respektiert werden. -7 Nach dem Gottesdienst begaben sich die Kameraden ins Hotel Eiche, wohin auch die am Bahnhof feierlich empfange nen Brudeivcreine geleitet wurden. Nach einem Rundgang durch die Stadt in einzelnen Gruppen wurde dann von nachmittag o/>5 Uhr an im Saale des Bürgergartens der Festkommers «-gehalten. Der große Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, Herren und Damen in festlicher Toilette. Aus der Menge hoben sich die Uniformen der Offiziere hervor, die Mit glieder des Reserve-Offizierkorps in Aue-Zelle waren fast voll zählig anwesend. Die Stadt war vertreten durch die Herren Stadträte Schubert, Georgi und Listner, sowie durch mehrere Herren Stadtverordnete«. Ferner bemerkten wir Herrn Pastor Meusel und die Veteranen unserer Stadt, die ebenfalls fas: vollzählig erschienen waren. Der Kommers nahm einen wrrklich erhebenden Verlauf. Es war vom festgebenden Verein alles aufgeboten worden, um einen glanzvollen Abend zu erzielen. Und das ist in vollem Maße gelungen. Mit Stolz darf der Kgl. Sächs. Militärverein Zelle dieses Kommerses gedenken, der jeden TeilNHhDler mit nationalem Stolze erfüllte. Eingeleitet wurde «rBiiäß Konzertstück- der städtischen Kapelle, die den musikalischen H« Veranstaltung übernommen hatte und sich seiner in künstlerischer Weise erledigte. Nach einem Prolog, gesprochen von Frl. Möckel, mit lebendem Bilde und nach einem Begrüßungs gesang dec Sängerabteilung des Vereins erfolgte durch den Vor spenden, Herrn P. Möckel, eine herzliche Begrüßung der Er schienenen. Sie endete in ein begeistert aufgenommenes Hoch auf Kaiser und R«»ch, König und Vaterland. Di« Festrede liatte Herr Kantor Müllerin Zelle übernommen. St« bildete ein hohes Loblied auf da? Vaterland und zeugte von glühpnder Begeisterung. Im weiteren Verlaufe des Abends erfolgten all gemeine Gesänge, Herr Kamerad Rechte r trug ein Eello-Solo in ausgezeichneter Weise vor, di« Sängerabteilung des Verein erfreute durch verschiedene Gesangsvorträge und der Turnverein Jahn aus Aue-Zelle führte einen Turnerreigen vor, der exakt cusgeführt eine prächtig« Leistung war. Auch am Reck produ zierten sich Mitglieder der Vereins in vollendeter Weis«. Selbst verständlich wurden auch »och mehrere Ansprachen gehalten, die wir leider ausführlich nicht wtedergeben können, weil sonst der Raum unseres Blattes überschreiten würde. Herr Bezirksvor- s'tzender Stark aus Schneeberg überbrachte dem Verein unter cnisprechenden Worten -in Kaiser! ich«sFahnengeschenk, bestehend in einem Fahnennagel mit schwarz-weiß-roter Schleife, Herr Stadtrat Schubert begrüßte die Festversammlung im Namen der Stadt, Herr Hauptmann d. L. B-öhme sprach aus den Verein und stellte ein Sparkassenbuch mit Einlage zur freien Verfügung des Vorstand» s in Aussicht. Auf eine Ehrungder Gründer des Vereins dankte Herr Müller im Namen der Veteranen und Gründer mit bewegten Worten. So viel über di« Ansprachen. Im Verlaufe des Abends wurden auch viele auf schriftlichem und drahtlichem Wege eingegangene Glückwünsche zur Verlesung! gebracht, an den Kaiser und an König Friedrich August wurden Huldigungstelegramme gesandt, die folgenden Wortlaut lzatten: Die zum 25jährigen Stiftungsfeste des Kgl. Sächs. Mili tärvereins Zelle in Aue versammelten Kameraden danken Ew. Kaiserlichen Majestät untertänigst für huldvollst gespendetes Fahnenpeschenk unter erneuter Versicherung des Gelöbnisses unwandelbarer Treue. Möckel, Vorsteher. und Die zum 25jährioen Stiftungsfeste des Kgl. Sächs. Mili tärvereins Aelle in Aue versammelten Kameraden bitten Ew. Majestät, untertänigst das Gelöbnis unwandelbarer Treue entgegennehmen zu wollen. Möckel, Vorsteher. Hieraus ging von König Friedrich Augu st folgendes Antworttelegramm ein: Se. Majestät der König lassen dem Militärverein Zelle für dargrbrachte Huldigung herzlich danken. v. Arnim, Major und Flügeladjutant. Am heutigen Morgen gegen 8 Uhr wurde dem verdienst vollen Vereinsvorsttzenden, Herrn Möckel, vor dessen Wohnung ein musikalisches Ständchen dargebracht. Gegen 9 Uhr versam melten sich die Kameraden im Restaurant Muldental zu einem Ausflug nach dem Erholungsheim in Lauter. Ein Ball wird heute Abend die Reihe der wohlgelungcnen Festlichkeiten be schließen. Politische Tagesschau. Aue, den 7. Lc.temöer. Zur Reichssinanzresorm. Die Einladungen zu der Bundesratssitzung, in der über die Neichsfinanzreformvorlage Beschluß gefaßt werden soll, s'nd ergangen. Die Sitzung findet am 18. September, nicht am !7., wie berichtet worden war, statt. Die Finanzminister und stimmführcv.den Mitglieder des Bundesrats werden voraussicht lich vollzählig anwesend fein. Auch der sächsische Gesandte und Bundesratsbevollmüchtigte GrafVitzthum v. Eckstädt wird seinen Urlaub unterbrechen, um der Sitzung beizuwohnen. In der von der Sou-Pol. Rundschau veröffentlichten Zusammen stellung dec zu erwartenden Steuerobjekte war neu das einer Neichsvermögenssteuer. Ein diese betreffender Vorschlag sollte allerdings nur als Eventualentwurs eingebracht werden. Nach einer aus zuverlässiger Quelle stammenden Information ist in dem ursprünglichen Plane der Vorlage des Reichsschepamtes von einer Vermögens st euer keine Rede. Eine Verstän digung 'unter Len deutschen Finanzministern über eine solche direkte Reichssteuer ist nicht erfolgt, und die schweren, grundsätz lichen Bedenken, die die verbündeten Regierungen gegen Reichs einkommen-- und Reichsvermögenssteuer von vornherein hatten, bestehen unvermindert fort. Den Wünschen eines Teils der Blockparteien auf direkte Reichssteuern glauben die verbündeten Regierungen durch Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Kinder und Ehegc.cten nach Möglichkeit entsprochen zu haben. * * Der deutsche Kronprinz im Verwaltungsdienst. Der Kron prinz wird, wie schon gemeldet, die Führung eines Bataillons zunächst noch nicht übernehmen, sondern sich nach beendeter Tätigkeit im Ministerium des Innern weiter in der Zivilver waltung orientieren. Als nächste Zentralbehörde ist das Finanzmini st erium in Aussicht genommen worden. Nach vierteljähriger Tätigkeit im Finanzministerium wird er dann im Reichs marineamt arbeiten. * Die allgemeine Kriegslage für die diesjährigen Kaiser manöver lautet: Eine blaue Armee rückt aus dem nördlichen sehen hätten, daß es ein anderer war! Sind Sie Ihrer Sache auch sicher? Bedenken Sie, wenn die Anzeige falsch wäre!" Der Poli zeisergeant sah verwundert zu seinem Vorgesetzten auf. „Ich bin meiner Sache sicher, Herr Maire," sagte er bestimmt. „Ich sah Konstantin Renard auf dem verbotenen Wege so genau, wie ich jetzt den Herrn Maire vor mir sehe." Herr Vourledon sah ängst lich und verlegen in allen Ecken des Zimmers umher. Es schien ihm etwas auf der Zunge zu liegen, doch gewann er es nicht r ber sich, es herausznsagen. „Es ist gut, Jean Barbu," sagte er endlich, „Sie können abtreten!" Als er allein war, nahm er seine Zuflucht wieder zu dem roten Schnupftuch, mit dem er sich die Stirne wischte. Das ist ja geradezu schrecklich, stöhnte er. Nicht genug, daß ich auf ver botenem Wege ging und gesehen wurde, daß mein« ganze Repu tation aus dem Spiele steht, nun hat dieser alte Mensch auch noch den Falschen für mich angesehen und ich soll nun Konstantin Renard für das bestrafen, was ich getan habe! Das ist ja eine fürchterliche Verlegenheit! Ich kann die Anzeige nicht unter drücken, und doch kann ich den Renard, diesen Lumpen, nicht be strafen! Wenn ich wenigstens Jean Barbu überzeugen könnte, daß er falsch gesehen, ohne mich zu kompromittieren! — Nachdem Herr Bourledon gefrühstückt hatte, gerieten seine Gedanken in ruhigere Bahnen. Er ließ Renard zu sich rufen. Mit großer Würde lehnte er sich in den ledcrgopolsterten Armstuhl zurück, als Renard die Amtsstube betrat, mit verlegener Miene die Mütze in der Hand haltend denn er hatte stets ein schlechtes Gewissen. „Konstantin Renard" begann Herr Bourledon, „Sie sind zur Anzeige gekommen, daß Sie gestern den verbotenen Weg gingen, und ich muß Sie bestrafen!" „Aber, Herr Maire!" erwiderte Lieser, — feinem verwitterten Gesicht war nicht anzu«rkennen, freute er sich, daß es nichts Schlimmeres war, weshalb er gerufen wurde, oder war «r ungehalten. „Aber Herr Maire . . ." wider holte er stammelnd. Herr Bourledon winkt« ihm mit der Hand zu schweig«« und erhob sich. „Konstantin Renard," sagte er, n —>r. crr- Nntx-n eine lliamilie zu unterhalten, und es fällt Ihnen schwer, Strafe zu bezahlen. Sie tun mir leid, und die Schuld ist ja nicht groß, die Sie auf sich geladen haben. Ich muß Sie bestrafen, aber mit Rücksicht auf Ihre arme Frau und weil eben das Gesetz so strenge ist, will ich diese Strafe für Sie be zahlen! Haben Sie mich verstanden, Konstantin Renard?" Er holte tief Atem, als er mit dieser Rede zu Ende war und zwin kerte mit den Augen. Der Angeredete zuck* mit den Achseln, seine schlauen Aeug- lcin blitzten In diesem Augenblick glich sein Gesicht ganz dem Tier, besten Namen er trug. „Aber Herr Maire . . ." wieder holte er, '«dem er es absichtlich vermied, aus seiner Reserve hervorzutreten. Herr Vourledon schien unangenehm berührt. Er zögerte mit der Sprache. „Ich weiß, Konstantin Renard," sagte er endlich, „Sie sind kein reicher Mann, es ist Pflicht eines Christen, seinen Nachbarn zu unterstützen." Seine Hand suchte in der Westentasche und förderte ein blankes Zehnfrankenstück zutage, das blitzschnell in der breiten Hand des andern ver schwand. „Nun werden Sie aber zufrieden sein," sagte er dann unruhig, als er sah. daß Renard nicht wankte noch wich. „O, Herr Maire," erwiderte dieser, „ich bin schwer bedürftig, die Zeiten sind sehr schlimm, ich stehe am Rande des Abgrundes. Noch zehn Franken und mir wäre geholfen." Herr Bourledon war in Versuchung, den Elenden niederzuschlagen, doch er bezwang sich, ein zweites Goldstück verschwand in der ungeheuren Hand dieses Mannes. „Nun gehen Sie abeer!" sagte Herr Bourledon drohend. Der andere schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. „Und das Geld für die Strafe, Herr Maire?" fragte er, sich um wendend, mit derselben freundlichen Miene, derselben Bescheiden heit, die ec zuvor zur Schau trug. „Konstantin Renard," rief Herr Bourledon, „die Strafe wird drei Franken betragen. Hier haben Sie das Geld! Aber ich rat« Ihnen, lassen Sie sich nicht mehr bei mir sehen!" Sobald sich der Herr Maire allein sah, fand er sich genötigt, eine Reis« nach d«r nahen Hauptstadt anzutreten, und er über» trug die laufenden Geschäfte dem Lltesten Gemeinderat des Baden gegen eine rote Armee vor, die an der Mosel unterhalb Trier aufmarschiert Straßburg ist die blaue, Meß di« rote Festung. Hierzu wird bemerkt, daß den genannten sWisnge» für die bevorstehenden Feldmanöver nicht die Bedeutung beigemessen uSrd- dioisie in.irgendeinem Ernstfälle haben könnten, daß z. B. Belagerungsllbungen nicht vorgesehen sind- Die blaue Arme« steht zurzeit bet Stcaßburg, die rote bet Metz. * Fried« im Mottenverei». Der Friede im Deutschen Flottenver in ist vorläufig hergestellt. Nur oierOrtsgrup- t en habm ihren Auftritt, vollzogen. Di« zahlreichen übrigen Ortsgruppen des Flottenvereins, die seinerzeit gegen die Bayern opponierten, haben sich dem Danziger Friedensschlüsse unterworfen. * Ein Zungtürk« beim Fürsten Bülow. Reichskanzler Fürst Bülow hat in Norderney das Mitglied des jungtürkischen Komitees, AhmedRiza, empfangen und mit ihm eine längere Unterredung gehabt Dazu wird dem Lok.-Anz. ausParis ge meldet: In der hiesigen türkischen Kolonie erwartet man mit Spannung die Rückkehr des jungtürkischen Führers Ahmed Riza. Man glaubt hier, daß Ahmed Rizas Ausführungen dazu beigetragen haben könnten, den Reichskanzler davon zu über zeugen, daß in dem freundschaftlichen Verhältnis des otto- manischen Reiches zu Deutschland durch den Systemwechsel sich r ichts geändert hat. * König Eduards Besuch in Berlin. Wie aus London tele graphiert wird, erklärt man in dortigen diplomatischen Kreisen, laß der Besuch des englischen Königspaares in Berlin in der letzten Woche des Januar stattfinden werde. Der Besuch soll 8 bis 4 Tag« dauern, dw Ankunft in Berlin werde voraussicht lich am 20.-Januar erfolgen. Inzwischen ist Eduard VII von seiner Morienbader Reise am Sonnabend nach London zurück gekehrt. - Ein Konflikt Castros mit dem deutschen Gesandten. Castro, lcr Widerwärtige, Venezuelas famoser Präsident, sucht förmlich etwas darin, alle Welt anzurempeln. Noch harrt sein Konflikt mit Holland seiner Erled gung und schon hat er wieder mit dem deutschen Gesandten Herrn v. Seckendorfs Krach angefangen. Herr v. Seckendorfs wollte ein Chiffretelegramm nach Berlin senden, erhielt aber vom Präsident Castro die Anweisung, vor Lcr Absendung des Cbiffretelegramms ihm eine Uebersetzung e' nzureichen, sonst kenne ihn die Absendung nicht gestattet werden. Der deutsche Gesandte hat dies« Zumutung auf das schärf st ezurückgewiesen. Daß in dem Vorgehen Castros gegen die fremden Diplomaten Methode liegt, ist zweifellos. Nach dem unheilvollen Zwischenfall mit dem holländischen Ge sandten soll er gesagt haken: Die Auswärtigen sind hier zu nichts gute. Ich werde mich freuen, sie alle aus dem Wege räumen zu können. -- Wenn ihm sein Spaß nur doch nicht schließlich ver salzen wi^d. Auf die Dcu'er ist es mit dem Manne wirklich nicht auszuhalten. * Holland und Venezuela. Wie amtlich bekannt gegeben wird, ist am Sonnabend die z w e i t e N 0 t e der holländischen Regierung an die venezolanische Regierung abgesandt worden. Die Note enthält die Antwort auf das Schreiben aus Caracas vom 28. Juli und zielt, indem sie viel Nachsicht walten läßt, dahin, einer friedlichen Beilegung der gegenseitigen Beschwerden keine Hindernisse in den Weg zu legen. Die Re gierung wird den Notenwechsel erst nach der bevorstehenden Er öffnung Les Parlaments veröffentlichen. * Zum Empfang der Mitglieder der Interparlamentarisch«« Schicdsgerichtskonserenz in Berlin wird schon eifrig gerüstet. An gesichts dec aussck> Iaggeb enden Bedeutung, die die Par lamente in vielen auswärtigen Staaten, so in England, Frank reich, Italien, Belgien, Norwegen und den Vereinigten Staaten von Nordamerika kaben, erscheint es auch politisch nicht so be deutungslos, deren Mitgliedern den Aufenthalt in Berlin so angenehm wie möglich zu machen. Siidwestafrikanische Monopole? Der Referent im Reichs kolonialamt für Südwestafrika, Geheimrat E 0 linelli, ist, wie die Mil.-pol Korrespondenz hört, mit einer genauen Errechnung der ungefähren Erträgnisse der drei Monopole, für Alkohol, Streichhölzer und Tabak, beschäftigt gewesen, durch die Staatssekretär Dernburg, die Finanzen des Schutzgebietes zu lonsolidieren beabsichtigt. Schmackhaft sucht man di« Schaffung solcher Monopole dadurch zu machen, daß hervorgehoben wird, durch die Vergebung von Trafiken an alte Soldaten und Beamte könnte bedeutend im Pensionsfonds gespart werden. Da es eine siidwestafrikanische Industrie nicht gebe, so brauche mit Abfin dungen nicht gerechnet zu werden. * Tolstoi und der Heilige Synod. Der Erlaß des Heiligen Cynods, enthaltend das Verbot der Tolstoi-Feiern, bildet das Hauptthema der gesamten russischen Presse. No wo je Wrem ja sagt: Die Ehrung gilt nicht der theologischen Tätig keit Tolstois, sondern der Persönlichkeit des großen Mannes und ninen gewaltigen künstlerischen Schöpfungen. Alle Russen, auch die eifrigsten Orthodoxen, können mit ganzer Seele den Festtag der russischen Literatur feiern. — Der oktobristische Golos Pr 0 wdy schreibt, der Verzicht auf eine Feier Tolstois wäre ein nationaler Selbstmord. — Rietsch meint: Der Synodal- Städtchens. Als er an dem Abend desselben Tages zurückkehrte, sah er mit Befriedigung, daß alles im Reinen war. Während seiner Abwesenheit latte Konstantin ein Strafmandat übcr drei Franken erhalten wegen Gehens über verbotene Wege, und er hatte die Strafe, ohne Einwand zu erheben, bezahlt. Wohlge mut trat er den Weg zum Petit Tambour an. Unterwegs begeg nete er Konstantin Renard, der mit äußerster Höflichkeit den Hut abnahm. Geflissentlich übersah Herr Bourledon, wie ähn lich sich ihm Renard in Haltung und Kleidung gab. Selbst die gleiche bunte Weste trug dieser Mensch, dieser Lump, dieser Wild dieb! „Sie werden den verbotenen Weg nicht mehr betrete«, Konstantin Renard!" sagte Herr Bourledon mit Würde. Der Angeredete hielt still und verneigte sich. „Ich werde mich hüten, Herr ALaire, daß ich wieder gesehen werde," erwiderte er, „denn ich glaube selbst, daß es nie mehr so gut ausgehen wird, wie heute!" — Herr Bourledon setzte nachdenklich seinen Weg fort; diese Antwort gefiel ihn: gar nicht, ein übler Gedanke stieg ihm auf, und er ging sehr bald nach Hause. — Am anderen Morgen betrat der Herr Maire die Amtsstube in dcr denkbar schlechtesten Laune. „Jean Barbu," sagte er, al» der Polizeisergeant den Rapport erstattete, „Sie haben vorgestern len Bürger Konstantin Renard auf verbotenem Wege betroffen und ihn deshalb zur Anzeige gebracht!" — „Sehr wohl!" er widerte der Sergeant „Haben Si« genau gesehen, Ivan Barbu, daß es Konstantin Renard war?" — ,Oehr wohl, Herr Maire," antwortete der Sergeant, „ich habe ihn ja selbst zur Rede gestellt, und e» war ja Heller Tag, als ich ihn auf dem Wege traf." — ,Es war nicht nachts, Iran Barbu?" — „Es war Heller Tag, Herr Maire, morgens um 11 Uhr!" — „O, ich Esel!" sagte Herr Bourledon, leise fluchend. „Wie meinten Sie, H«rr Maire?" fragte dec Polizeisergeant dienstfertig. — Herr Bourledon aber gab keine Antwort.