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Nr. 227. Vierter Jahrgang. Donnerstag, 3V. September IVOS. Veit Mr SVOO »bleite Ibinmiml und 5lnzeigec Mr das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. ci Diese Nuuoncr umfaßt 8 Seiten. -t! b> « e e » In München ecfolgte gestern die Wiedereröffnung des bayrischen Landtags. Finanzminister von Pfaff gab eine Ucbersicht der Finanzlage in Bayer!' und des neuen Etats. In der bayrischen Abgeordnetenkammer forderte der Finanzminister von Pfaff bei Einbringung des Etats für das Jahr 1910 eine 20vrozentige Stcuererhöhung sowie verschiedene andere Verbesserungen bestimmter Ein nahmequellen des Staates. (S. pol. Tgssch.) Wie aus Madrid gemeldet wird, haben die in Marokko kämpfenden spanischen Truppen den Guruberg in allen Teilen genommen. In Madrid herrscht wegen dieses Sieges ungeheurer Jubel. Vor dem vereinigten zweiten und dritten Straf senat des Reichsgerichts fand gestern die Verhand lung gegen den Schneidergehilsen Reetz aus Berlin statt, der in diesem Jahre einige Zeit als verantwortlicher Re dakteur der anarchistischen Zeitschrift »Der freie Arbeiter« gezeichnet hatte. Ec stand wegen des aufreizenden Inhaltes einiger Artikel dieser Zeitschrift unter Anklage und wurde wegen Verbrechens nach § 110 des RStG. zu einem Jahre Gefängnis verurteilt. In Belgrad ist eine neue Verschwörung gegen die Dynastie Kara georgewitsch aufgedeckt worden. Der Konservative Landesverein im Königreiche Sachsen hat die Liste d e r Kan d i d at en fü r d ie b ev orstehenden Landtagswahlen ausgegeben, die von konservativer Seite ausgestellt und unterstützt werden. Insgesamt sind das 80 Kandidaten. ! sittlicher Reinheit und belehrendem Werte mit s dem echten Robinson gar nicht zu vergleichenden, alles viel zu unwahrscheinlich übertreibenden Sherlock Holmes-Geschichten. Ein Jahr nach dem Erscheinen des ersten Robinson erschienen nach dem englischen Original zusammengestttmpeite französische, holländische, italienische und mehrere deutsche Uebersetzungen. Später ist eine große Reihe anderer Uebersetzungen selbst in die entlegensten Sprachen gefolgt. Zugleich begannen auch selbstän dige Nachahmungen zu erscheinen, zunächst in England, dann aber vorzugsweise in Deutschland, und zwar in einer Massen haftigkeit, daß einer der besten Kenner dieser Literaturart, Pro fessor Ullrich in Brandenburg, sagt, daß man auf Grund dieser in die Tausende gehenden Auflagen, Uebersetzungen und Nachbil dungen den Robinson nicht nur als das verbreitetste, sondern auch als das wirksamste, lebensfähigste Buch der Weltliteratur' wenigstens auf dem Gebiete des Romans bezeichnen kann. Bei dem Erfolge des Robinson-Buches wie aller Robinsonaden und aller Abenteuer- und Detektivgeschichten ist aber ein abenteuer liches und ein psychologisches Moment zu unterscheiden. Auf das erstere machte der Verfasser durch den Zeitgeschmack, durch die damals in England — wie bei uns heute in Deutsch land — immer mehr gewachsene Neigung, sich die Seeherr- schäft zu erringen, die Freude an den damit verknüpften kühnen Taten gekommen sein, und durch dieses abenteuerliche Element wirkte er sicherlich in erster Linie auf die große Masse der Leser. Aber die Abenteuer -des ersten Robinson unterscheiden sich von allen anderen Reiseberichten durch die eigenartige Lage, in die der Held versetzt wird. Ein Mensch wird durch Schiffbruch an eine einsame Insel verschlagen, auf der er 28 Jahre lang und zunächst aller Kulturbehelfe beraubt, verbringen muß. Welchen Schrecken bringt dieses eine Wort allein, wenn wir uns erinnern, daß nur für den Philosophen, dem Weltüberwinder, den arktischen Einsiedler, den Weisen das Alleinsein etwas Erstrebenswertes istl Hier nun setzt unmittelbar das philogische Moment ein. Um den einfachen Berichterstatter über diese Ereignisse erhebt sich der Erzähler zum Künstler, die schlichte Erzählung zum Kunstwerk, wenn der Erzähler sich die Frage vorlcgt. Wie werden solche schrecklichen Erlebnisse auf den Betroffenen wirken? Indem er dieser inneren Anregung folgte, hat Defoe ^seinen an Sprechstunde d« Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von s—s Ahr. — Telegramm.Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher SS. Für unverlangt «tngesandt« Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. Verantwortlicher Redakteur: VA», KiAhdia. Für dir Inserate verantwortlich: Walter Uran». Beide in Aue i. Lrzgeb. Druck und Verlag M««r vra» «. verlas« ««»«ilechak» m. b. kf. in Au« t. Erzaeb. Anr inneren Lage. Usber dem fruchtlosen Gezänk, das sich jetzt um den Rücktritt des Fürsten Bülow gesponnen hat, vergißt man die eigentliche innerpolirische Situation so ziemlich und man hat wohl auch den ganzen Stand nur aufgewirbelt, weil man augenblicklich sich über nichts Besseres zu unterhalten weiß und die Wiedereröffnung des Parlaments vor Ende September nicht zu erwarten steht. Diese Zwischenzeit benutzten die neuen M ä n n e r, um sich für ihre schweren Aufgaben vorzubereiten und hier und dort Fühlung zu nehmen. Während der Reichs- kanz ! ervon B e t h m a n n - H o l l w e g in München und Wien bereits seine Karten abgegeben hat, haben sich auch seine ersten Beamten, die Herren Delbrück und Wer m u t h auf den Weg gemacht und zunächst sich in Dresden vorgestellt, nur sich alsdann nach einigen anderen größeren Hauptstädten zu begeben und daselbst mit den maßgebenden Persönlichkeiten sich ins Bernehmcn zu setzen. Dies wird umsomehr nötig sein, als niemand so recht weiß, wohin nach der Wendung der Dinge der n e u e K n r s gehen wird. Denn hierüber herrscht augenblicklich noch tiefstes Geheimnis, vielleicht weiß man es in den Kreisen der Reichsregierung selber noch nicht einmal. Im Reichst a g wird man nach dem Zusammentritt eine völlig veränderte Gruppierung der Par teien vorfindcn. und es ist völlig im Dunkeln, wie die Regierung sich hierbei stellen wird. Auch liegen noch eine Reihe unerledigter Pläne vor, die noch unter dem vorigen Regime ausgenommen wurden und den Wünschen der damaligen Mehrheit entsprachen. Wird man diese gänzlich unter den Tisch fallen lassen, oder wieder anfnehmeii, oder modifizieren? Dazu kommt, daß das Zentrum dem neuen Reichskanzler als einen tatkräftigen Gehilfen seines Vorgängers mit Miß trauen entgegenkomint, wenn man auch erst seine Taten sprechen lassen will. Andererseits hat man von der Linken eine ziemlich scharfe Opposition zu erwarten. In allgemeinen Fragen wird ein lebhafter Wind wehen und bei der Etats beratung wird man sich auf eine sehr eingehend Nachprüfung gefaßt machen müssen. Die Zeit, wo der Marine-Etat in dem Bruchteil einer Sitzung ohne Debatte erledigt würde, dürfte jedoch vorüber sein, inan wird sich wieder mit Ermah nungen zur Sparsamkeit abfinden müssen. Aehnlich wird cs beim Kolvnialetat ergehen. Die jüngste Er- Lss Wichtigste vom Tage. Der frühere Minister Les Innern, Graf von Hohenthal und Ber ge«, ist am Mittwoch abend kurz «ach 7 Uhr in sein» Dres dener Wohnung seinem Leide« erlegen. (Siehr des. Art.) U H K Robiusou und Roviusoua-eu. Wer von unfern Lesern im glücklichen Besitze eines hoffnungs freudigen Buben in dem schönen, sogenannten Flegelalter von dreizehn bis fünfzehn Jahren ist, der wird gewiß oft schon ge scholten haben, wenn der liebe Sohn stundenlang über Robinson-, Indianer-, Abenteurer-, Räuber- und — .^as das Modernste ist — Detektivgeschichten sitzt und wohl gar darüber die wichtigen Schularbeiten vergißt. Es ist aber erklärlich, daß solche Lesestoffe unsere Jungen fesseln,- die kindliche Seele braucht in diesem Alter solche Lektüre, um sich an wirklichen oder vermeintlichen kühnen Taten zu ergötzen und, was nicht das schlechteste dabei ist, zur Männlichkeit, zu Mut, Unerschrockenheit und kühner Wagelust zu bilden. Es mag ja solche Lektüre auch schon zu Dummheiten — Entlaufen und Ausziehen auf Abinteuer! — geführt haben, aber das find eben Ausnahmen. Wir Väter haben ja doch auch alle in unserer Jugend solche Robinsonaden und Abenteuergeschichten gelesen und — sind doch gewiß ganz brauchbare Männer ge worden. Der Robinson des Engländers Daniel Defoe ist das erste Werk dieser Art; nach ihm nennt man ja allgemein die ganze Literaturgattung Robinsonaden. Als am 25. April 1719 der erste Band des Robinson erschien, war sein Verfasser sicherlich weit entfernt, die epochemachende Bedeutung des Buches auch nur zu ahnen! Wenigstens wissen wir nichts davon, daß Defoe ihm eine größere Bedeutung als seinen anderen zahlreichen Schriften beigelegt hätte. Das Buch erschien vielmehr, wie der größte Teil der vielen Defoeschcn Romane und Reiseschriften, anonym, so daß es geschehen konnte, daß dem Autor zwei Menschenalter später die Verfasserschaft ganz abgesprochen wurde. Der Erfolg des ersten Robinson war für jene Zeiten ganz unge heuer und unerhört,- nicht nur erlebte da» Buch binnen wenig wehr als einem Vierteljahr vier Auflagen, ohne die damals noch «icht strasbaren Nachdrucke zu rechnen, sondern der Verfasser konnte auch ein Jahr später einen am Schluß des ersten Bandes bereits verheißenen «and folgen lassen. Der Erfolg wird höch stens noch übertroffen durch die in neuerer Zeit erschienenen, an sich rohen Stoff vertieft und zum Kunstwerk erhoben. Die Er lebnisse des Helden werden für ihn zu einer furchtbaren Schuld der Geduld, aus der er zuletzt nicht ohne wiederholt Rückfälle zu erleiden, geläutert, gebessert hervorgeht! Auf dieses psychologische Moment, unter Hinzuziehung des Abenteuerlichen, ist es znrückzuführen, daß die Pädagogen, in erster Linie Rousseau, das Buch und weiter andere Robin sonaden als vorzügliche Lesebücher für die Jugend empfohlen haben, und noch empfehlen. Der berühmte deutsche Pädagoge Johann Heinrich Campe führte das Buch in die deutsche Schul- und Jugendliteratur ein. Nach seiner Meinung sollte das Buch der damals umgehenden Seelenseuche, dem leidigen Empfindsamkeitsfieber, als Gegengift dienen. Campe machte auch aus dem englischen Matrosen des Originals einen Ham burger entlaufenen Jungen. Habe möglichst wenig Bedürfnisse und hilf dir selbst! ist der Grundgedanke des deutschen Robinsons und fast aller Robinsonaden. Schon bis zum 18. Jahrhunderts erschienen denn in Deutschland mindestens hundert verschiedene Robinsonaden, wobei charakteristisch ist, daß sogar mehrere weibliche Robinsone — also Robin- soninncn — darunter waren. Man schrieb auch Robinsone nach den verschiedenen Ländern, Provinzen und Städten, ja nach den verschiedenen Berufsarten; so daß es bald einen schlesischen, ostpreußischen, pfälzischen, schweizerischen russi schen, einen Leipziger, Kölner, einen medizinischen, einen Schuhmacher-, Schneider- und Buchhändler-Robinson gab. Unter den übrigen alten deutschen Robinsonaden ist die be- deutenste und pocsiereichste die Insel Fe Isenburg von Johann Gottfried Schnabel, die er unter dem Pseudonnm Gisander in vier Bünden veröffentlichte, und die spater kein Geringerer als der Dichter Tieck bearbeitet hat. An einen so hervorragend schönen Stoff wie der Robinson konnten natürlicherweise auch die Dramatiker nicht vorbei kommen. So hat denn außer anderen weniger bekannten Autoren Ludwig Fulda ein Lustspiel und Jacques Offenbach eine hübsche Operette daraus geformt. Die Jndianergeschichten und Abenteurerro- mane des 19. Jahrhundert» — man denke an die noch heute von jung und.alt^gern gelesenen Led,erstrum p,f.g e,s sichten schütterung wird nicht so ganz spurlos vorübergehen, sondern in der nächsten Tagung zweifellos noch ihren Nachhall finden. Und zwar nicht bloß im Reichstage, sondern voraussichtlich auch im preußischen Abgeordnetenhaus. Denn auch hier liegen Versprechungen des Fürsten Bülow vor, speziell hinsichtlich der Wahlrechtsfrage, und man darf im Hinblick auf den Standpunkt der hier bei weitem überwiegenden Konservativen mit Interesse abwarten, welche Haltung die preußische Regier ung jetzt in dieser Frage einnehmen wird, wenngleich kaum Zweifel obwalten können, nach welcher Richtung hin sich ihre Entschlüsse bewegen werden. Auch in der Bevölkerung wird so schnell eine Beruhigung nicht kommen, namentlich wenn jetzt nach dem 1. Oktober weitere neue Steuern in Kraft treten, die das Porte monnaie namentlich des Mittelstandes und der min der bemittelten Schichten nicht unbeträchtlich belasten. Den Vorteil hierbei werden überwiegend die R ad i k al e n haben, denn es ist eine bekannte Erscheinung, daß der Unmut sich zunächst dadurch Luft macht, daß die Sucht nach dem Ex tremen vvrwaltet. Den einzelnen Parteien erwächst daraus die Pflicht der Selbsterhaltung, in diesen Fährnissen ihre Mannen zu sammeln und die Reihen zu stärken, um den Anprall auszuhalten. Es ist daher begreiflich, wenn die Konservativen die Abhaltung eines Parteitages in Erwägung ziehen, um im Hinblick auf die in einem Teil vorwaltende Stimmung wegen der Haltung der Parteien in der Frage der Erb s ch af tsste u e r weiteren Absplitterungen vvrzubeügen. Auch auf der Linken möchte man gern eine Konzentration herbeiführen und zu diesem Zwecke hat in diesen Tagen der sogenannte Viererausschuß der Li n k sliüeralen eine Sitzung abgehatcn, in der die Verschmelzungsfrage zur Sprache kam. Das ursprünglich in Aussicht genommene Ziel ist dabei nicht erreicht worden, man hat sich in der Hauptsache nur dahin geeinigt, es beim Alten zu lassen und nur über eine gemeinsame Wahltaktik eine Ver ständigung herbeizuführen, wobei man unter Umstünden An schluß an die Nationalliberalen suchen wird. Mit der von einigen Fantasten geträumten, großen liberalen Partei wird es demnach in absehbarer Zeit nichts werden. Bezug,preis: Durch unser« Boten frei in» Hau, monatlich so psg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich d« Pia. und wdchentlich ,o psg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich ,.»o Mk. — Durch H»N Briefträger frei ins Baus vierteljährlich ,.-r Mk. — Einzeln« Nummer »o psg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. 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