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Donnerstag, SO. Dezember 1W9. Mt Mr »»0« »»InA «diimM I Rr. 393. Vierter Jahrganx. ß fluer Tageblatt und Anzeiger für dos Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonnlagsblatt- 0,rin!w,'t!ich»r Redakieuri Vrlri rin»,'.». Für )i« Inserat« veronimortUch: «ÄM strem. Leide in Ane I. L.rzgeb Sprechstimde d« Redaktt-o mit Rumrahm« der Sonntag« nachmittag, von «—S Uhr. — lelegramm-Adre-e: Lagedlatt Aar. — Fernsprecher ». Für onvrrlangt «ingesandte Mannskript« kann SewShr nicht geleistet iverden. vruck und Verlag m. b. s. in Aue i. Lrzged. Annahme von Antigen bi» spätesten» Uhr vormittag». Für Aufnahme von grbsteren rbrzeig-n an bestimmt— Stellen kann nur dann gebürgt »erben, memr st» am Lage vorher bei un» «ingehen. Insertionrprei,: Vie fiebengespalten« «orpu^eile oder deren Raum ,o ssfg-, »eklamen r» pfg. Lei grdßeren Anstrügrn entsprechender Rabatt. . Se,«g»pr»i»: Durch unsere Loten frei in» Sau» monatlich so pfg. Sei der SeschLfttstell« abgehvlt monatlich « pfg. und wichentlich ,o pfg. — »ei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich ,.w Mk. — Durch Mi» Briefträger frei in» Lau» vierteljährlich i.gr Mk. — Linzeln« Nummer lo pfg. — Deutscher Postz ei tongr- katalog. — Erscheint täglich in de« Mtttagrstunden, mit Au»nahm« von Sonn- und Feiertagen. Vies« Nummer »Ma-t - Zelle«. Das Wichtigste vom Tage. Der Herzogregent Johann Albreckt unv die Her zogin Elisabeth haben gestern vormittag die Reise nach Süd- und Ostasien a»g. treten. Dem Hundesrat ist die Vorlage einer Gesetzes Ober Ent- lastung deS Reichsgerichts zugegangeu. Postankunftsftempel für Einschretbe- und Eilbriefe wird zum l. Januar I9lO wieder ringe« führt. Beschwerden der drei Kattowitzer Lehrer gegen ihre Versetzung in kleinere Landgemeinden wurden vom Kultusminister zurückge wiesen. Standard bringt eine sensationelle Veröffent lichung über die Grundzüge eines Abkommens zwischen Deutschland und England. Die neue Gewerdeorvuüug. Axschneiden! Ausschneiden! Äm 1. Januar tritt bekanntlich das Gesetz vom 9. Dezember 1908 über die Abänderung der Gewerbeordnung in seinem haupt sächlichsten Inhalte in Kraft. Es enthält «ine Reihe von Be stimmungen, namentlich hinsichtlich der Beschäftigung von Ar beiterinnen und jugendlichen Arbeitern, die für Industrie und Gewerbe von einschneidender Wirkung sind. Für die verschieden- Uen Gewerbetreibenden treten damit allerlei beachtliche Neue rungen in Kraft. Einmal erfährt das Amvedungsgebiet der Ge- Werbeordnungsvorschriften auf diesem Gebiete insofern eine Aen- M derung, als für seine Abgrenzung künftig nicht mehr der Begriff Mer Fabrik, sondern die Zahl der in dem Betriebe in der Regel beschäftigten Arbeiter maßgebend ist. Die bezeichneten Vor schriften gelten vom 1. Januar 1910 ab für alle Betriebe mit mindestens lOArbeitern, auch wenn diese Betriebe bis her n i ch t als Fabriken anzusehen waren. Unter die genannten Bestimmungen fallen, wenn sie mindestens 10 Arbeiter beschäf tigen, auch alle Motorwerkstätten. Sie finden unter die ser Voraussetzung ferner in vollem Umfange Anwendung aus Konditoreien und Bäckereien, die in regelmäßigen Tag- und Nachtschichten arbeiten, und auf solche Konditoreien, die nicht auch Backwaren Herstellen; sie finden in den übrigen Bäckereien und Konditoreien mit mindestens 10 Arbeitern nur Anwendung auf Arbeiterinnen und auf die männlichen jugend lichen Arbeiter, die nicht unmittelbar bei der Herstellung von Waren beschäftigt find. Ohne Rücksicht auf die Zahl der beschäf tigten Arbeiter unterstehen den Bestimmungen Hüttenwerke, Zimmerplätze, andere Bauhöfe, Werften, Werk stätten der Tabakindustrie, Bergwerke, Salinen, Aufbereitungs anstalten und unterirdisch betriebene Brüche und Gruben; die Vorschriften gelten ferner für Ziegetleien und über Tage betriebene Brüche und Gruben dann, wenn sie in der Regel mindestens fünf Arbeiter beschäf tigen. So dürfen jugendliche Arbeiter, das heißt Arbeiter und Ar beiterinnen vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 16. Lebens jahre nichtvor 6 (bisher SsH) Uhr morgens und nkcht nach 8 (bisher 8s4) Uhr abends beschäftigt werden. Der täglichen Arbeitszeit muß eine nicht unterbrochene Ruhezeit von mtnde- stens 11 Stunden folgen. Arbeiterinnen dürfen zwischen 8 (8s/-) Uhr abends und 6 (51/2) Uhr morgens nicht beschäftigt werden. An Sonnabenden und Tagen vor Festtagen sind Ar beiterinnen um 5 (51/2) Uhr zu entlasten. Die tägliche Beschäf tigung darf 10 (11) Stunden, an den Sonnabenden und den Tagen vor Festtagen 8 (10) Stunden nicht übersteigen. Der täg lichen Avbeitszeit muß eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden folgen. Wöchnerinnen müssen im ganzen 8 Wo chen außer Beschäftigung bleiben, davon 6 (bisher 4) Wochen nach der Niederkunft. Arbeiterinnen und jugendlichen Arbei tern darf keine Beschäftigung mitnachHause g.-geben werden, wenn sie in der Fabrik die gesetzlich zulässige Arbeitszeit (Arbeite rinnen und jugendlich« Arbeiter 10, Kind.r 6 Stunden) leisten. Ber Häufung der Arbeit kann bis zu 40 Tagen (die höhere Ver waltungsbehörde kann. SO Tage zulasten) eine längere Beschäfti gung von Arbeiterinnen über 16 Jahre zugelasten werden. Die Beschäftigung kann dann bis 9 Uhr abends dauern, darf aber insgesamt 12 Stunden pro Tag nicht überschreiten, auch muß ihr ein» mindestens zehnstündige ununterbrochene Ruhezeit fol gen. Diese längere Beschäftigungszeit gilt jedoch nicht für die Sonnabende und ähnliche Tage, an denen Arbeiterinnen stets nur 8 Stunden und nicht über S Uhr beschäftigt werden dürfen. Die U berzeitarbeit darf auch in der Regel nur zwei Wochen hintereinander dauern, doch kann die höhere Verwaltungsbehörde «ehr als zwei Wochen gestatten. Die Vorschriften über die Pause« sind i« der Hauptsache unverändert geblieben; die Vorschrift, daß Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu be sorgen haben, auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlasten find, ist jedoch' auf Arbeiterinnen unter 16 Jahren ausgedehnt worden. Politische Tagesschau. A«e 30 Dezember. * Die Denkschrift dr» Auswärtig— Amt s iib-r die Mannes- mau««ffäre wird nach der Tgl. Rdsch. noch vor Zusammentritt des Reichstages im Auszugs veröffentlicht werden. Als Haupt stück der sehr umfangreichen Denkschrift ist die Frage in den Vordergrund gestellt, wie weit durch die Ueberwetsung der Rege lung des Bergwerkswesens an die Schutzmächte die Verfügung des Sultans und die Konzessionen der Mannesmanngesellschaft berührt werden. Bisher hat der in Berlin weilende Abgesandte des Sultans Mulay Hafid, Ben Asus, in der Mannesmann- Affäre, noch keinerlei Schritte unternommen, noch Konferenzen mit den amtlichen deutschen Stellen gehabt. * Zu, preußischen Wahlrechtsreform. Eine Berliner Kor respondenz will wissen, daß eine Vorlage zur Abänderung des preußischen Wahlrechts dem Landtage bereits Mitte Januar zugehen werde. Die Vorlage wird das Dreiklassen- wahlrecht deibehalten, teilweise eine neue Einteilung der Wahl kreise vorsehen, aber wird weder die geheime noch die direkte Wahl vorschlagen. Die Bestimmungen über die Klaffenwahl würden verschiäene Aenderungen erleiden., Sollte die Vor lage keine Aussicht auf Erfolg haben, so werde sie wahrscheinlich zurückgezogen werden, ohne Aussicht, daß dem Landtage bald eine neue Vorlage zugehen würde. ' Das Strafverfahren Aigen dim Abgeordneten Bruhn soll nach einer parlamentarischen Korrespondenz durch die Tagung des Reichstags eine Unterbrechung nicht erleiden, da der Ab geordnete Bruhn den Wunsch hege, di« Angelegenheit auf schnell- she Weise gefördert zu sehen. Es sei nicht unwahrscheinlich, daß die Hauptverhandlung im nächsten Frühsommer stattfinde. Ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens während der Dauer der Session des Reichstags würde im Reichstage nicht gestellt werden. — Es wäre wirklich erfreulich, wenn die übst» Geischichte möglichst bald aus der Welt geschasst würde. * Kämpf« in W stasrika. Der Befehlshaber des Tschad gebietes meldet: 209 Krieger des Borkustammes griffen am Der Skikamera-. Siloestererzählung von Mathilde Tipp. (Nachdruck verboten). Rur keine Damen beim Sport! Die wollen Mas mitmachen, ahne die Prüderie abzustreifen, hielten nichts aas und erwarte ten doch Rücksichten da, wo sie sich solche verbeten hatten. Nur keine Damen beim Sport! Das war nun einmal die Ansicht des Regierungsrates Dr. Lorenzen. Deshalb machte er auch den heutigen Ausflug des Skiklubs nicht mit, der dieses Jahr den ch: üblichen Silvesterball zu einem Neujahrsfeste in den tiefver- * schneiten bayerischen Bergen verwandeln wollte, sondern fuhr allein nach Tirol. Gesellte sich unterwegs ein netter Gefährte ihm — um so bester. Vorläufig war sein einziger Eoupe- tzenosse ein anscheinend noch sehr junger Mensch in gewähltem, x"7«ber verständigem Sportdreß, mit Gamaschen und getränten Stiefeln. Nachdem ihn Lorenzen eine Weile beobachtet hatte, wie er die feinduftende Zigarette genoß, kindlich-vergnügt in den dichten Flockenfall hinaussah, um dann durch da» Schnee-, gewebe wieder ungeduldig die Konturen der Höhenzüge zu suchen, redete der Aeltere den Jungen an: Auch in die Berge? D«r Jüngere nickte fröhlich und wandte dem Fragenden ein Pqar schöne, braune Augen zu. „Und — wie ich sehe — auch auf Schneeschuhen . . . . ? „Ja, mein Herr, ich bin ein großer Sportsfreund," antwortete der Fremde mit sonderbar rauher Stimme und streifte sein« im Netze liegenden Hölzer mit zärt lichem Blicke. Und wohin soll die Fahrt gehen, — wenn ich fragen darf?" „In da» herzogliche Jagdgebiet am Fernpatz," lautete der Bescheid. „Ah, das ist auch mein Ziel," rief Loren- tzen erfreut au», und seiner Liebenswürdigkeit hatte er es zu danken, daß der junge Mitreisende einer ge-meisamen Fahrt nicht > M > abgeneigt war. Durch seine formelle Vorstellung zwang hierauf der Regte- D rungsrat dem Unbekannten gleichfalls sein« Personalien ab. Flüchtig die Mütze von den kurzen Locken nehmend, verneigte «atz'schlank« Kerlchen: .Horway, Student der Medizin," Al» der über Terrain- und Schneeverhältniste Kundigere entwarf Lorenzen den Plan für den Nachmittag. Dann einsame Sil- vesterfcier auf der Pfalzhütte. „Die ist ja gar nicht bewirtschaf tet, Herr Doktor!" „Tut nichts. Den Schlüssel nehmen wir im Dorf mit. Feuer ist schnell gemacht, Proviant finden wir vor." Horway erlaubte sich bescheidenen Protest. „Man hat es aber doch gern bequem. Bewohnte Hütten sind im Winter soviel an genehmer." „Gut," stimmte Lorenzen freundlich zu, dem der Gefährte sympathisch wurde, „gut ändern wir die letzte Route, fahren wir nach der Jägeralm, dort finden wir allo- nach Wunsch." Der Mediziner nickte dankbar zustimmend. Als sie zu der in tiefem Schnee gebetteten Ortschaft gelangten wären sie schon ganz gute Freunde. Ohne Verzug schnallten sie ihre Schneeschuhe an ung griffen munter aus. Die Markierung war natürlich ver schneit, aber Horway fand sich schnell zurecht und lief als Erster vorauf. Sein freier, sicherer Gang verriet Schulung. Wie aus Stahl war die schlanke Figur. Bewundernd folgten Lorenzens Blicke, wie Horway von dem durchfurchten Hange schwungvoll ab'chwenkte, so daß der Schnee unter seinem Fluge aufsprühte. Mit verlangsamter Fahrt bog der Student dann auf gesichertem Pfade in einen ti«fverschneiten träumerischen Bergwinkel ein, tauchte in das Dunkel des Waldes, umschrieb hohe Kiefern, vom Mindbruch geknickt, glitt hart an der rauschenden, dampfenden Ache vorbei, unbekümmert um die weißen Flockensäulen, di« ihm der Nordast gleich warnenden Gestatten entgegenfegte. Jede Melle auf verkrustetem Gelände überflog er siegreich, den Sroß mit Len Knien gewandt auffangend, jedes Rückrutschen wußte beizeiten durch gelenkige» Aufstellen des Skiendes zu vereiteln. Ob auch der Stock in dem schier unergründlichen Schnee zuweilen versank, da» Zickzack ließ an Sicherheit wie Eleganz nicht» zu wünschen übrig. Horway fand sich durch alle Hindernisse mit stet» regulierter Geschwindigkeit und ohne Anhalten staunenswert durch Lorenzen, der selbst «in vorzüglicher Läufer war, fuhr entzückt der schmalen Doppelspur nach und sah Horway Wendun gen ah. Donnerwetter ja! Der dort verstand, den Schneeschuh zu meistern! Und seine Freud« an der Tour wuch» von Stunde I zu Stunde. Solch wundervolle Fahrt ersetzt ihm kein Skiklub. Höchstens wäre er dort als Meister lernbegierigen Damen zum 1 Opfer gefallen. Er kannte das. Allmählich hörte es auf zu schneien. Am Hellen Himmel zeigten sich vereinzelte Sterne, und mit blaudunkkn Schwingen umfing die Dämmerung die weiße schweigende Weite der Berg welt. Als das letzte müde Leuchten des Tages erlosch, kamen die Skimänner schneegepudert auf der Alm an. Wie gemütlich die warme, durchräucherte Stube! Wie einladend der primitive Küchenzettel! Wirklich, der junge Gefährte war weitsichtiger gewesen als der ältere, der im erstarrten Zustande bei Feuer anmachen und Kochen in der Pfalzhütte gewiß gehörig geflucht hätte! Durchwärmt und gestärkt regelten sie mit der freund lichen Wirtin die Lagerfrage. Ob die Herren denn nicht zusam men schlafen wollten? Bevor Lorenzen antwortete, erbat sich Horway schon ein Separatzimmer. Da es draußen zwar frostig, M-r wundervoll klar war, lockte es die beiden noch einmal vor die Hütte, und lange standen sie, ergriffen von der Größe der mondhellen Nacht, vor der ernsten Gewalt der in hoher Weite liegenden Berge. Tief unten dehnte sich die Welt mit ihrer Un rast. Da — horch! Die Siloesterglocken! Zitternd stiegen die Töne aus dem Tal empor, feierlich kündete die metallene Stimme den Zeitenwechsel an. „Da unten feiern sie die Geburt des neuen Jahres," sagte Lorenzen ernst. „Wie eigen das hier oben berührt, wo es keine Zeitrechnung gibt," entgegnete der Student i gedankenvoll. „Die Macht dieser Bergriesen streifen höchstens die Jahreszeiten, aber keine Jahreszahlen. Und zu ihren Füßen rechnet man lach Minuten." „Ich wette, in heiterer Silvester gesellschaft würden Sie sogar den Sekundenzeiger ungeduldig verfolgen, wenn Ihnen der da» Recht gäbe, Ihr „Prosit Neu jahr!" auf einen schönen Mund zu drücken. Wie, junger Freund?" Der schüttelte den Kopf. „Ich möchte da« neu« Jahr nie in geräuschvollem Kreise erwarten. Al» einsamer Mensch ohne Fa- mili« liebe ich Natur und Arbeit über alle». Und ich habe «och nie «in Mädchen geküßt," fügte er verschämt hinzu. „Na —da« ; kommt natürlich noch. Bitz'dahin sotten Sie aber an mir tknen treuen Eport»gefährlen haben. Kommen Sie, lasten Sie un»