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Mittwoch, 29. Dezember 199-. Veit we 38V0 ridlttst USornnst»! Pr. 592. Werter Jahrgang. fluer Tageblatt und Anzeige» Mr das Erzgebirge v««en<»»,>t ich«t Rr-okeor: kein «l^dolck. Li« Znssrat« verünis>4rtt'-tz! mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt- vnuk und vnl«- Km« Snick mver igr-«r»»>r»«»n IN. b. z. Vatter Isr«m. Zprechstrmd« der Redaktion mit An»nahm* der Sonntag» nachmittag» von »—S Uhr. — Lelrgramm-Adreffer Tageblatt Au». — Fernsprecher bk. in Au« i. L-zged. Mi ono«rlangt eingrsandt« Manuskript« kann SrwLhr nicht geleistet werden. rieid» in Au« i. Llzged. 'H*g'pr«t»i Durch unser« Boten frei in» hau, monatlich ro pfg. 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In russischen Regierungskreisen wird der Plan der» Ver - Pachtung der russischen Nordhälfte Sacha- lins erörtert. In Spanten steht eine M i u i st e r k r i s i s unmittelbar bevor. Die Beziehungen zwischen den liberalen Par teien und verschiedenen Ministern ha^en sich getrübt, so daß Moret sem Kabinett rekonstruieren muß. - Daily Telegraph meldet aus Konstantinopel, daß außer dem Großvesir gestern abend auch das gesamte Kabinett seine Demission eingereicht hat. (Siehe Telegr.) Der rumänische Ministerpräsident ist auf Urlaub geschickt wrrden. Der neue Minister des Innern < eriritt ihn interimistisch. Deutsch-Französisches. Herr E m i l e Lo u b et, der Expräsident der französi sche« Republik, hat das Bedürfnis gefühlt, ein wenig aus der jvchul« zu plaudern. Wenigstens behauptet bas der französische Schriftsteller ALo l p h e B r is s o n in der Wiener Neuen Freien Dresse und man hat nach den bisherigen Richtigstellungen noch leinen Anlaß zu der Annahme, daß der Artikel nur Indiskre tionen oder nur Mißverstandenes enthielte. Die öffentliche O' Meinung in Frankreich scheint an der Offenherzigkeit, mit Ln Herr Loübet über die Fürsten Europas geplaudert hat, wenig Gefallen zu finden; zumal das pikante Momentbildchen von dem Gm Wagen einschlwfenden König Eduard, den Herr Laubet im merzu kneifen mußte, scheint — aus politischen Gründen — nicht > die verdiente Heiterkeit und das ebenso verdiente Mitleid mit s den g Plagten Monarchen auszulöftn. Wir gaben die amüsante Episode hier zum Besten. Herr Loubet erzählt über den ersten offiziellen Besuch König Eduavds VIl in Paris nach dem Burenkriege. Der frühere Präsident erklärte dabei Herrn Brisson wörtlich: Ich gestehe Ihnen, ich habe mich damals recht unsicher gefühlt. Aus meiner Regierung lastete eine furchtbare Verantwortlichkeit. Sie belastete nicht nur für die materiell? Sicherheit ihres Gastes, sondern mußte ihn auch gegen jede Beschimpfung, gegen jede beleidigende ^Kundgebung verteidigen. Unsere Maßregeln waren gefaßt. Man hatte uns benachrichtigt, daß ein Haufen Schreier unter der An führung des Deputierten Milipoye sich rüstete, den König auszupfeifen. Eine Schwadron Kürassiere fegte den Platz von dem Theatre Francois rein. Eduard VII. hörst.', nichts von den feindlichen Rufen, die sich in der Ferne verloren. Er gxnoß seinen Empfang in dem Glauben, der Jubel von Pari» sei einstimmig. Uebrigens gefiel er auch den Parisern und man Gehandelte ihn als alten Pariser. Am nächsten Morgen fuhren wir im offenen Wagen zur Revue nach Vincennes. Der König war so müde, daß ihm die Augen wider Willen zufielen. Kneifen Sie mich, sagte er, kneifen Sie mich, sonst schlafe ich ein. Und ich zwickte ihn in den Arm und murmelte ihm ins Ohr: Sire, grüßen Sie nach rechts, grüßen Sie nach links. Er grüßte und lächelte auto matisch, und das gute Volk war entzückt. Der französische Journalist fragte Herrn Loubet weiter, ob er persönliche Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II. gehabt und ein Zusammentreffen niit dem deutschen Kaiser gewünscht habe. Herr Loubet erwiderte, er hätte gern ein Zusammen treffen mit dem Kaiser angenommen. Eine solche Entrevue war fast beschlossene Sache. Es war abgemacht, daß die deutsche und die französische Flotte sich im Jahre 1900 in den?, italieni schen Gewässern treffen sollten. Um jede Zweideutigkeit zu ver meiden und seinen guten Willen zu zeigen, übernahm Herr Lou- IM die Initiative zu einem Besuche, den Kaiser Wilhelm ihm bald darauf erwidern sollte. Eine ungeduldige, et was heftige Gebärde Les Kaisers und seine plötz liche Abreise brachten Las Projekt zum Scheitern. Loubet be dauert das. Er hätte gewünscht, es möchte seiner Präsident schaft beschieden gewesen sein, alle Schwierigkeiten zu lösen, alle Streitigkeiten zu mildern. Er hätte sie gern zu einet Apotheose des Friedens gestaltet. Der Vorgänger des Präsidenten Fal- lst-res fuhr wörtlich fort: Ich weiß sehr gut, daß zwischen den Völkern Europas noch keine vollständige und endgültig^ Harmonie herrscht. Aber wenn die Idee des ewigen Friedens auch noch keine offizielle Anerkennung gefunden hat, wenn sie die Völker noch nicht entwaffnet, so geht der Friedensgedanken dennoch seinen Wog, vollbringt eine langsame unterirdische Arbeit und säet Keime, die einstmals Früchte tragen werden. Seit bei nahe vierzig Jahren hat es keinen großen euro päischen Krieg gegeben. Das ist ein Erfolg, das ist ein in der G schichte einzig dastehendes Phänomen. Als man vor einiger Zeit glaubte, Frankreich und Deutschland würden feindlich aneinander geraten, als man auf jeder Seite der Grenze bereit war, sich zu schlagen (die Festigkeit, die wir bei Liesch Gelegenheit zeigten, machte uns Ehre), konnten wir uns dennoch nicht entschließen, an den Krieg zu glauben. Man weigerte sich, daran zu glauben, man wies den Gedanken an eine Metzelei von sich, wo Tausende menschlicher Wesen um- gökommen wären. Und Sie sehen, die Hoffnung der Vernünftigen hat Recht behalten, da schließlich die Klug Herl und Vorsicht Wilhelms II., unterstützt von der Erfahrung und der Weisheit des Kai sers von Oesterreich, die Katastrophe vermie den. Bündnisse und Ententen werden heute nicht mehr zum Zwecke d 's Krieges, sondern Lejs Friedens geschlossen. Dar um bedroht kein Bündnis das andere. Der Dreibund kann neben der Tripel-Entente besuchen. Das enge Verhältnis -wischen Deutschland und Oesterreich- Ungarnhat dcn Frieden während der bosnischen Kri sis erhalten und ermöglicht, daß Frankreich» Frie- dejnsratschläg« in Belgrad guten Boden fanden Ohne den internationalen Frieden zu stören, ohne feine Verbünde ten zu verlassen, kann Italien überall die guten Beziehun gen pflegen, die seinen Interessen entsprechen. Daß Ruß land und England sich einander genähert haSon, schließt nicht aus, daß Rußland auch mit Deutschland und Oesterreich gute Nachbarschaft hält, daß es sich mit Oesterreich da verstän digt, wo Leider Länder wohlverstandenes Interesse eine Ver ständigung erheischt. . . . Die Jdoe des Friedens geht ihren Weg. Ich Habe Vertrauen in die höhere triumphierende Macht der Idee. Schm Sie, cs gibt ein Problem, an dessen Lösung die Ruhe der Welt hängt. So lange Frankreich mb Deutschland sich nickt verständigt haben, um kraft g'meinsaincn Willens und in freundschaftlicher Weise das Schi cksal Elsaß-LothringenS zu ordnen, so lange wird ein Sauerteig von Zwiespalt, von schlecht erloschenem Hasse weiter gären, so lange werden Keime von Zwist und Konflikt besteh n. Hat der Kaiser nicht in unzähligen Reden der Welt seinen nmvid-rruflichen Beschluß verkündigt, nichts an der gegenwärtigen Ordnung der Dinge zu ändern? Nun denn, trotz seiner knegenschm Elklärunaen und seiner rauhen Unnackglebigkeit wird er vielleicht eftus Tages, nächstens, morgen sich veranlaßt scheu, das zu tun, was er als ewig unerstill' bar b zeichneI dcu. Wer weiß, ob nicht in einen. Silvester- und Neujahrsglocken. (Nachdruck verboten. Volksglauben und -Brauch haben sich von jeher an beson dere Schicksalszeiten angelehnt. Vielfach galt und gilt im Aber, glauben heute noch die Zeit des Mondwechsels für bedeu tungsvoll, dann sind aber auch besondere Festzciten namentlich für die Vorhersage von Schicksal und Geschehnissen wichtig. Die «llerwichtigste Zeit und die verhängnisvollste ist die in das Ee- List dtp altheidnischen Mdtandienste» fallende Zeit der Win tersonnenwende, das erste große Opferfest, die heilige - Julzeit, heute mit ihren zwölf heiligen Nächten zwischen Weih se-«achten und Neujahr. Ms die spätere Kulturzeit für Deutsch- I -land diese Mäste in Weihnachten und Neujahr teilte, legte man den Schwerpunkt Les Geschenkfestes, dem christlichen Brauch ent- > sprechend, auf Weihnachten, und so blieb schließlich dem Silvester^ abend und dem Neujahrstage die alte Bedeutung der Vorher lage e>rhälten. Denn, obgleich aus dem heidnischen Volksfest die christliche Feier der Geburt Christi, das große Liebesseft wurde, erhielten sich heidnische Bräuche der alten Germanen bis heute, und die Gabe, die Zukunft zu wissen und vorherzusagen, die sich natürlich die Menschen auch nicht nehmen lassen wollten, mußte ) stch nun auf die Neujahrszeit retten. Und trotz moderner Auf fl» Geklärtheit und nucherner Weltanschauung findet sich der Glaube, daß man in der Neujahrsnacht den über die Zukunft gebreiteten Schleier lüften könnez bi» heute, sowohl auf dem Lande als in den Städten. i Damals, in grauer Vorzeit, offenbarten die Götter zu vie ler heiligen Zett den Menschen im Traume di« Zukunft. Der - wild« Jäger, in Len sich der Gott Wodan später verwandelt hatte, Gog mit seinem wilden Heere durch die Lüste. Den Menschen lene, fernen Zeit, die frei in Feld und Wald wohntest war zu- . nächst das Wetter wichtig. Deshalb lasen sie aus der Ge walt des Sturm»- die Dopbedeutung für das Wetter d.'s Ernten jahres, dem inan entgegenging. Je eifriger -er wilde Jäger jagte, je gewaltiger der Sturm durch dcn Wald heulte, desto fruchtbarer wurde nach altem Volksglauben das neue Jahr. Je länger die Eiszapjtn wurden am Dach der Hütte, um so länger der Flachs; ein Glaube, der übrigens heute noch hier und dort auf di.in Lande zu finden ist. Im Andenken an das alte Götter geschenk der vorhersagenden Träume wird noch heut« vielfach behauptet, daß das, was man in den Zwölfnächtmr, also vom 25. Dezember bis zum 6. Januar träumt, in den zwölf Monaten des Jochres bestimmt eintrifft; und es soll sogar Menschen gebr», die sich die Träume dieser Nächte ausschreiben. Auf d.«m Lande ruhte früher während dieser Zeit alle Ar beit, die nicht, wie das Besorgen des Haushaltes und dos Viehs, dringend notwendig war, namentlich durfte sich k e i n Rad d r e- h«n, weshalb sogar das Spinnrad unbenutzt blieb. Natürlich mußte vorher allicr Flachs abgesponnen fern. Im andern Falle kamen die Zwerge, ihn abzuspinnen, oder gar die Hexen, denen die Arbeit nicht verboten ist Und aus dem Flachs spannen sie Garst aus denen der Teufel Ketten drehte. Noch heute wird auf dem Lande in der Zeit »wischen Weihnachten und Neujahr nicht gedroschen, auch nicht gewaschen. Letzterer Brauch ist übri gens auch in sehr zahlroichen städtischen Haushaltungen «er. breitet. In manchen Gegenden heißt es so viel Wäsche man um Li'fe Zett aufhängt, so viel Kuhhäute muß man im Laufe des Jahres aufhängen. Man darf auch keine Wäsch« mangeln, sonst mangelt es im neuen Jahr an Geld und Vorräten. Man darf auch kein« Leine auf dem Boden oder Hof gezogen lassen, sondern muß dieselbe für diese Zirit abbtnden und aufrollen. Auch bestimmt« Speisen find verboten, z. B. Hiilsenfrilchte, weil sie schwere Träume verursachen, während Schwei näfleiisch, Grünkohl, Hirse, Mohn und Reis Glück bringen. Die Hirse ist sogar in ver Neujahrsnacht das beste Futtermittel für die Hüh ners di« dann besonders gut und reichlich legen. Daß schließlich die Menschen sich auch für ihr persönliches Leben die Zukunft zu entschleiern wünschten, war nur «in kleiner Schritt weiter. Während im Laufe der vorwärts hastenden Zeit, die so vielerlei von alten Sitten und Bräuchen fortnimmt, die, die Wirtschaft und Len Viehstand betreffenden Bräuche doch schon vielfach ver gessen wurden, haben sich jene, die Hochzeit, Verlobung, Glück und Geld Vorhersagen, im Volke fast allgemein erhalten. Zwar wird ost behauptet, daß Lieser Aberglaube mit Schiffchenschwim men, Tischdecken, Kreuzgreifen, Bleigießen usw. nur Gesellschafts spiele seien, aber cs steckt doch noch ein gutes Teil Glauben darin. Denn die Deutung der Vleigegonstände ist ost mit eigen artiger Spannung begleitet; Verlobung und Hochzeit spielen, neben materiellem Gewinn, die Hauptrolle. Auf dem Lande gehen die Mädchen gegen Mitternacht am Silvester an den Hüh nerstall, klopfen an die Tür und rufen: Gackert der Hahn, Krieg' ich einen Mann — Gackert die Henn', So krieg' ich kenn. Wenn nun der Hahn drinnen seine Stimme ertönen läßt, so wird ein Bräutigam sich einfinden, wenn sich aber «ine Henne meldet, so läßt er noch auf sich warhen. Der Hahn, der be kanntlich vielfach als Prophet gilt, spielt Lei ländlichen Neu- jahrsorakeln überhaupt eine große Nolle und kann über allerhand wichtige Fragen für den Ehestand Auskunft geben. Ein Hahn und -ine Henne werden in das Zimmer gebracht, die Anwesen den bilden einen Kreis um fie und vier kleine Schüsseln, in denen sich etwas Wasser, etwas Brot, ein paar Ringe und einige Münzen befinden. Nun fragt jemand: Wie denkst du über eia neue- Jahr? Frißt «in» der Tiere vom Brot, so kann man sich auf eine sehr wirtschaftlich« Frau öder einen im Beruf sehr tüch tigen Mann gefaßt machen; pickt es an die Schüssel litt den Ringen, kommt der Freier bald; an der mit den 'NLn.cn, so gibt es Reichtum. Wenn die Henne das Wasser cvstrinkt, so