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4 Donnerstag, 9. Dezember IMF. vili tb« 3SVV nwift A»«iii«> I Nr. 286. Vierter Jahrgang. Ku er Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge tt«:iMwor»icher Redakteur: »n, AiHboia. Mr di« Znserate verautw.-rUich AiMrr strru». Aeide in Äue >. Lrzgri. Sprechstunde d« Redaktion mit Ausnahme der Sonntag« nachmittags von 4—s Ahr — Telegramm-Adresse: Tageblatt Au«. — Fernsprecher tN Für unverlangt «ingesandte Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. a^».'>.o7k m. b. s. in Aue i. Grzg«d. Bezugspreis! Durch unser« Boten frei in» Hau» monatltch so pfg. Bet der Geschäftsstelle abgeholt monatlich D« pfg- und wLcheatlich »o pfg. — Lei der Post bestellt und selbst abg«h»lt vierteljährlich i.so lllk. — Durch M» Briefträger frei in» Bau» viertellälnlich t.gr Mk. — Linzeln« Nummer >o pfg. — Deutscher postzeitungs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, nut Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. - u..,. u -- ———7M°r Annahm« von Anzeigen bis spätesten, , >/, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen au bestimmt«, Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn st» am Tag« vorher bei uns «ingehen. Znsertionspreis: Di« fiebengespaltene Aorpuszeil» oder deren Raum 10 pfg., Reklamen rr pfg, Bet größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese Nummer umfaßt 8 Setten Dös Wichtigste VSM Tage. Am hcmigen Honcrstag bcginnl im Reichstag die erste Lesung der Etats. Wie Henirumsfrakiion des Reichstage» hat den ersten T,ii des früheren TsleranzantrageS wieder ein gebracht. Atft dun Full des Sieges bei den Neuwahlen planen die Führer der englischen llni » nift « n die Ein- mhrnng eine» Tar fs mit einem D n r ch s ch n i i t S z o l l von zehn Prozent, * Bie Times beiichlen, daß beim Lloud eine Versicherung von z « c t e p p c l i n L u f ts chif f en abgeschl » ssen »orden sei, die bestimmt sind, «tuen regelmäßigen L » ft s ck i f f d i e n st amHhein zu versehen. Die Luft- siWe sind mir tt 0 0 0 0 0 Mk. versichert. Die Police gilt für ein Jahr. Das Kabinett Sonino soll tatsächlich gesche i t e r-t sein. Gerüchtweise verlautet, Sonino habe den König ge beten ihn von seiner Mission zu entbinden. Der König soll nunmebc beabsichtigen, Sachi mit der Neu bildung eines radikalen Kabinetts zu betrauen. * Zn den Waud.lzängen der Duma ivar gestern das Gerücht ver breitet, daß auf der Z a r c n - I a ch t Standart zwei Bomben gefunven worden sind. In Jalta und Kie sk sollen deswegen zahlreiche Verhaftungen vargenommen worden sei. Was geht vor? In der letzten Zeit mehren sich bedenklich di« Nachrich- a Sen, die beträchtliche Verstärkungen der russischen " Truppen an der deutschen und noch mehr an der Österreichischen Grenze zu melden wissen. Teilweise rstögeu dies« Dislokationen wohl damit Zusammenhängen, daß Nftrn Truppen, die während des Krieges mit Japan nach dem Lftiie» lösten verlegt wurden und dort noch geraume Weile ge- Gliäben find, jetzt zurückkehren läßt. Hatte man doch damals gxrade aus Polen die Regimenter nach dem Kriegsschauplatz ge- Pariser Bries. Vs« unsere« Korrespondenten. — Nachdruck verboten. Königsbesuch in Paris. — Der Streik auf der Bühne. — Die göttliche Sarah als Jungfrau von Orleans. — Was die vor- «rehme Welt speist. — Was Präsidentenschriftzüge wert sind. — Eine moderne Kassandra. Wir haben Besuch von einem kleinen König gehabt, ei nem ganz jungen, vor besten tiefblauen kindlichen Augen man / di« Schönheiten der Pariser Hauptstadt mit kinematographischer Schnelligkeit vorüberziehen ließ. Die Schönheiten von Paris! Weich' Zauber geht schon für ein gewöhnliches Menschenkind von p düsen paar Wörtchen aus, und nun erst für eins, das im Alltags leben eine schwere Krone auf seinem Haupte fühlt und glücklich ist, dief« mal für «in paar Tage, ach, bloß für vier, mit einein Blitzblanken Zylinder vertauschen zu können. Der kleine Ma nuel von Portugal fühlte sich denn auch in seinem Hotel Bristol, auf der Place Vendome, so dicht an den großen Boulevards, so in nächster Nähe von Maxime, so nachbarlich mit dem Lass de Paris, daß er sich von der Seinestadt über haupt nicht wieder trennen wollte. Es bedurfte des ganzen »influsses seiner Begleitung und der streng blickenden, alten Familienporträts im Schüsse von Versailles, um ihm wieder .u^tns Gedächtnis zurückzurufen, wer er eigentlich sei. Armer, «einer Manuel! Im Palaste seine» Ahnen, de» Noi-Soleil, ließ man ihm ein« Spieluhr vorspielen, deren albe Weisen einst Marie Antoinette entzückt hatten, und die erst eben von einem Nachkommen de» Uhrmacher», der das Werk angeferttgt hatte, »pariert worden war. II pleat, 11 pieat, bsrgäee klang e» leise, «i« au, weiter Fern«, an die königlichen Ohren, und dl« Blicke » F» jugendlichen Fürsten schweiften träumerisch hinaus «m» den »röche« Bogenfenstern, hinan» aus di« winterlichen, öden Allee« de« Versailler Parkwß auf Bi« der Negen, wie am den» alten sandt, weil Rußland angesichts der wohlwollenden Neutralität Deutschlands von dieser Seite ab'oiut nichts zu fürchten hatte. Daher konnte es di« Grenzen entblößen, wohin man angesichts des unter Wlxander 111. zwischen Deutschland und Rußland herr sch, noen Gegensatzes eine Unmenge von Truppen geworfen hatte. Immerhin aber mästen die Maßnahmen der russischen Regierung doch aussallen, denn man würde sich in Petersburg wohl kaum zu einer neuerlichen Erhöhung der Truppen an der West grenze entschließen, wenn man nicht glauben würd.', sie eines Tages notwendig brauchen zu können. Man geht in der Annahme wohl nicht seht, hierin «in neues Zeichen für die Racheakipolitik Iswolskis zu sehen, der seine Niederlage in der serbischen Angelegenh«it noch iiwmer nicht überwinden kann und alles tut, um seinem Rivalen Aehrenthal ein Bein zu stellen. Alles deutet darauf hin, baß Iswolski nach den Tagen von Racconigi neue Hoffnungen geschöpft hat, und seine Zeit für bald gekommen glaubt. Vttl- leicht will Rußland mit seiner Erenzschutzverstärkung keine eigentlichen kriegerischen Absichten verfolgen, denn beim Ernst fälle hätte Rußland vielleicht alles zu riskieren. Man will nur drohen und Wien gegenüber einen Druck ausüben, um einer weiteren energischen Betätigung der Donaumonarchie nach außen ein Parolo zu bieten. Es liegt aber auf der Hand, daß eine d.rarrige Politik der Nadelstiche zu Reibungen führen muß, uird vielleicht doch eines Tages zu einer Explosion. Man er innere sich nur, wie einst die französischen Machthaber über die Erfolge Preußens erbittert waren und eine gewisse Klicke am Hofe Napoleons mit aller Gewalt danach drängte, Rache für .Sadowa zu nehmen. Mit welchem Erfolge ist ja zur Genüge aus der Geschichte bekannt. Diese Spuren sollten eigentlich Herrn Jswolsii schrecken und ihm nahe legen, nicht gar zu scharf vor zugehen ,da ein Rückschlag nicht ausbleiben könnte. In der Hauptsache sind die russischen Maßnahmen gegen Oesterreich-Ungarn gerichtet, weil man anscheinend an an der Neva glaubt, daß im Hinblick auf die widerstreitenden Interessen im näheren Orient es doch eines Tages zu einem Entscheidungskampf kommen müsse. Aber auch Deutschland spielt naturgemäß in den Berechnungen der russischen Macht halber eine Rolle. Denn ganz abgesehen davon, daß es in Peters burg Leute gibt, die gern den verhaßten Deutschen eins aus wischen möchten, muß man berücksichtigen, daß für Deutschland im Hinblick aus das Verhältnis zu Oesterreich leicht der Blind- nisfail eintreten und dieses in den Kamps mit hineinge zogen werden könnte. Im allgemeinen hat ja in der letzten Zeit die Weltlage ein recht friedliches Gesicht getragen. Ins besondere ist deutlich eine Besserung der Beziehungen Deutsch lands zu England und Frankreich in die Erscheinung getreten. Dieser Umstand bietet eine gewisse Gewähr dafür, Liede mehr Wirkung zu verleihen, klatschend herniederrauschte. Und die lagere? Pst . . . Manuel wohnt neben Maxime, und auch Könige haben manchmal Geheimnisse! Nimm das Fleisch mit drei Fingern und steck keine zu große Bissen in ocn Mund. Auch darfst du die Hand nicht zu lange in der Schüssel halten und sie ja nicht an deiner Jacke abwischen; es ist bei weitem anständiger, wenn du dazu das Tischtuch be nutzest. — So lauteten die Anstandsregeln am Hofe der Bour bonen, der Vorfahren des Königs von Portugal. Und als dieser elastisch«» Schrittes neben dem Unterstaatssekretär Du- jardin-Beaumetz Lurch die Räume von Trianon schritt, lachte er kindlich und herzlich Leim Anblick der vorsintflutlichen Gabeln, deren sich der Sonnengott und seine Cousine, die Grande Mademoiselle bedienten, wenn sie nicht, was gewöhnlich geschah, ihre zehn Finger gebrauchten. Und noch einen gab es, der dein zntit roi ein« besondere Freude bereiten wollte, auch ein König, und -war der der Streike: Pataud. Der dachte, es würde dem jungen Herrscher ein Vergnügen machen, die Gala oper Faust im Dunklen anzuhören. Soll der arme Mensch nicht auch einmal rin Vergnügen haben, meint« er, Manuel ist doch hierhergekommen, um sich zu amüsieren. Es macht ihm sicher lich kolossalen Spaß, wenn das elektrische Licht in der Grand L^>era plötzlich ausgeht. Wie gesagt, so getan. Wenn nicht höhere Mächte eingeschritten und -wischen dem 1-. und 2. Akt von Faust den Lohn der Elektriker von 3 auf 4 Franken erhöbt hätten, wer weiß, Manu l hätte bei sein«?. Rückkehr nach Lissa bon den staunenden Unter amm erzählt, daß man in Paris Jaust im Dunklen spielt, und daß da» sehr interessant sei. Wenn sich Patauld dagegen eine wirklich günstige Gelegen heit bietet, das Licht auszudrehen, «ine Gelegenheit, wie sie sich er und alle anderen lbesser nicht wünschen können, dann ergreift er sie nicht. Warum spricht er denn nicht sei» Machtwort: Es «erd« dunkel!, wenn Sarah Bernhardt al» Jungftau von Orle ans vor ihr« Zeitgenosse« tritt! Sarah al» reine» Htrtenmäd- che« »en Ho» «Smy! Ach, du lftber Gott, ist es denn wirklich daß Rußland sich hüten wird, in der nächsten Zeit gar zu eggressiv vorzugehen, da den erwähnten Mächten an einer kriegerischen Verwicklung zum höheren Ruhme Rußlands abso lut nichts gelegen sein kann. Diese Mächte dürsten allen Ein fluß aufbieten, einen bewaffneten Konflikt zu hintertrei ben. Aber die Russen haben durchaus die Möglichkeit, de,. Oesterreich«rn auf diplomatischem Wege Schwierigkeiten zu bereiten und sie zu reizen, um schließlich zu dem gewünschten Ziele zu kommen. Man darf mit großen! Interesse die nächsten weltpolitischen Aktionen der Diplomatie verfolgen und dalbei vielleicht erkennen, worauf die russischen Machthaber hinaus wollen. Politische Tagesschau. Ku« st Dczrmber. * Ei» Formfehler bei dem Gesetz über di« B trranenbei- hilfen. Während man in den Kreisen der Kriegsveteran«» ge hofft hatte, i« nächster Zeit in den Genuß der Veteranenbeihtlsen zu kommen, die der Reichstag ihnen durch Annahme eines Ge setzes vom 13. Juli 1909 zugesichert hatte, wird jetzt bekannt, daß der Entwurf vom Bundesräte nicht angenommen werden kann, weil dem Entwurf Les Reichstages, der aus einem Initia tivanträge hervorgegangen war, ein Formfehler (die Be stimmung des Inkrafttretens ist fortgelassen worden) unter laufen sein soll. Aus diesem Grunde ist auch die konservative Interpellation, die sich mit dieser Materie beschäftigt, vorläufig zurückgezogen worden. , * Kein Rücktritt des Staatsministers von Tripitz. Die Reichstagsdebatten über die KielerWerft werden nach der Nat.-Zhg. den Rücktritt des Staatssekretärs des R«ichsmarine- amtes v .Tirpitz nicht herbeiführen, v. Tirpitz habe, so wird über die Auffassung an maßgebender Selle berichtet, so viele und unbestreitbar« Verdienste um den Ausbau der deutschen Flott«, daß die Vorgänge in Kiel, die nicht unter seiner unmit telbaren Verantwortung geschehen sind, nicht dazu angetan seien, seinen Abschied zu veranlassen. Der Staatssekretär besitze nach wie vor das Vertrauen des Kaisers, das auch durch Len Verlaus der Reichstagsdcbatten nicht erschüttert worden sei. Aus L r Diplomatie. Wie die A. N. Z. hört, ist an Stelle des aus dem Reichsdienst ausgeschiedenen und zum König lich boxerischen Geschäftsträger in Paris ernannten Freiherr» von Ritter zu Erünstein der bisherige zweite Sekretär bei der Kaiserlichen Botschaft in Rom, Legationsrat Prinz Wil helm zu Stolberg-Wernigerode zum Botschaftsrat daselbst aufgerückt. Für den Posten des dritten Sekretärs b.i der gedachten Botschaft ist der bisherige Attache, Pri nz Vif,- so schwer, alt zu werden? Dabei hat die Frau mit der vaix ä'ov so viele und so begeisterte Freunde, Laß Liese der Mitwelt ein reden wollten, es sei ein Leichtes, aus einer Siebenzig eine Sttbenzehn zu machen, d. h. aus einer Sarah eine Jeanne d'Arc! Die Gattin des vor nicht allzu langer Zeit so tragisch ums Leben gekommenen Dichters Catulle Mjendös, die schöne, talent volle Madame Jane Mendös, schreibt in der Abendzeitung dem Jntransigeant folgendes: Sarah als Jeanne d'Arc sehen, heißt alles vergessen. Sie ist schöner als schön! Geht hin, seht sie Euch an. und nehmt vor allem Eure Kinder mit! Nicht nur Frankreichs Volk, nein, alle Völker der Welt, werden in Sarah die wiederaufer st andene Jeanne d'Arc anbeten! Tu» sie das nicht, so sind sie arme, beklagenswerte, unglückliche Ge schöpfe der Menschheit, Geschöpfe, die weder Geist noch Herz besitzen. Falls Sie nicht für geistig minderwertig angesehen werden wollen, kann ich Ihnen nur raten, nach Lesen dieser Zeilen sofort in den Nord-Expreß zu steigen und herzukommen. Es gibt ja, ganz leise unter uns gesagt, noch andere Schönheiten außer Sarah hier. So würde man Ihnen z. Bi im Grand-Hotel — ach nein, das geht ja ein, denn da» große Warenhaus, der Bon Marche, hat es angekauft — also wo anders, etwa bei Pailhard oder im Astoria, Fleisch von Zelbuochsen vorsehen. Das ist das Neucste. Wir warten auf die Seiden, die uns Mada gaskar versprochen hat, und, damit uns die Zeit nicht lang wird, schickt man uns Zebu». Warum nicht? Der Franzose ißt ja bereit» ägyptische Kamel«, chinesische Echwälbeunester, und der fromme Glaube, von diesen Zebus abzustammen, der die Ein wohner von Madagaskar zum größten Teil hindert^ das Tier zu essen, dürft« von Herrn Falltdre» Unteranen wohl kaum ge teilt «erden. Besonder» der Buckel soll außerordentlich schmack haft und saftig sein — nur etwa» teuer! Hier ist ja aber alles teuer, oder fast alles, denn eine Unterschrift von Frankreichs Oberhaupt kann man schon Pir IS Ftanken erstehen. In c iner großen Autographensammlung, die in diesen Tagen »um Ve.»