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Dienstag, 28. September 1809. Veit »er 3800 »wm »uimtn i Rr. 225. vierter Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher ReSakteur: Vr», 8r»i,«ia. Für di« Znserat« verantwortlich: Uteiter nr»«r. Beide in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—s Ahr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Au». — Fernsprecher 5T Für unverlangt eingesandt« Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag M«, VN,»- S.vtkl»,»-«««tll»ch^ m. l>. H. in Aue i. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unser« Boten frei in- Hau, monatlich »0 pfg. 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Eine Vorlage zur Reform der Gebührenordnung für Zeugen undSachverständige wird im kommendem Winter dem Reichstag noch nicht zu gehen. Für den Fall, das; der Reichskanzler». Bethmann- H 0 lllweg auf seiner italienischen Reise Rom berührt, ivird er auch dem Pap st einen Besuch ab st alten. Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten hat eine Anordnung erlassen, die dem H a n d w e r k bei fiska lischen Liefern ngsaus schreiben entgcgenkommt. Im Herzogtum Meiningen ist die Durchführung der Trennung von Kirche und Schule nach den Vor schlägen der Regierung gesichert, nachdem am Montag die dortige Lanvessynoüe die von der Negierung getroffenen Maßregeln gebilligt hat. HW- Mutmaßliche Witterung am 2S. September: Rordost- wind, aufheiternd, wärmer, trocken, "»c Deutschlans mW Amerika. d Mit außerordentlichen Pomp, wie er sonst eigentlich Republiken nicht eigen ist, begeht man in diesen Tagen die Hudson-Feier, und als Ausdruck der guten Beziehungen zwischen der Unionsregierung und den Mächten nehmen mehrere Geschwader an den Festlichkeiten teil. Auch mehrere deutsche Kriegsschiffe sind an der Mündung des HudsonflusscS erschienen, zünd als offiziellen Vertreter Deutschlands hat der Kaiser keinen geringeren ausgesandt als den G r 0 ß a d m i r a l K ö st e r, eine Aufmerksamkeit, die in den Vereinigten Staaten sehr beifällig ausgenommen worden ist. So gespannt unter Mac Kinnley die Beziehungen zwischen Amerika und Deutschland gewesen waren. llboMiMk-LiulMg! In wenigen Tagen treten wir in das vierte und letzte Vnartal dieses Jahres ein. Die tvintermonate kommen, während deren bei -en langen Abenden das Bedürfnis nach einer guten Lektüre sich steigert. Solch« bietet das täglich mit Ausnahme der Sonn- und Fest tage erscheinende Auer Tageblatt. Dieses ist die «tn- zkg« im Auer Tale erscheinende Zeitung, wegen seines gediegenen Lesestoffes hat da; Auer Tageblatt aber auch in dec Umgebung sich eingebürgert, in zahl- reichen Grien der Nachbarschaft wird es ständig und in ansehnlicher Zahl gelesen, wir empfehlen allen, die nach nicht zu den Abonnenten des Auer Tageblatts zählen, ein - Abonnement. Der bevorstehende (Yuartalswechsel bietet dazu eine günstige Gelegenheit, wir sind sicher, daß ans dem Probe-Abonnement ein da»««v»«be» werden wird. Der Bezugspreis beträgt nur SV pfg. im Monat frei ins Haus. so hat sich dies seit der Präsidcnienschast R 0 sevelts vollständig geändert und auch der neue Präsident Taft scheint in dieser Hinsicht ersichtlich in Vie Fußlapfcn seines Vorgängers treten zu wollen. Mancherlei Liebenswürdigkciicn sind ausgetauscht worden, auch in Amerika hat die Ueberzeugung Platz gewonnen, daß ein gutes Verhältnis zu Deutschland nur von Vorteil sein kann und auch auf wirtschaftlichem Gebiete haben die seit Jahren schwebenden Differenzen zweifellos eine Milderung er- fahren. Darum ist cs zu begrüßen, daß die deutsche Reichsregie rung die Gelegenheit wahrnahm, den Vereinigten Staaten von Nordamerika ihre Sympathien durch Teilnahme an den Jubiläums festlichkeiten auszudrücken, und ein offiziöser Artikel der Nordd. Allg. Ztg. feiert das Ereignis in freundschaftlichsten Worten, wo bei es u. a. heißt: Nirgends im Auslande wird an diesen Festlichkeiten wär merer Anteil genommen als in Deutschland. Nicht in erster Linie politische Erwägungen kommen in Betracht, obwohl uns auch bei diesem Anlaß gegenwärtig ist, wie die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und der Union sich in einer mehr als hundertjährigen Ueberlieferung bewährt hat. Vielmehr sind es vor allem ideelle Momente, die unser reges Interesse an der Neuyorker Feier wachrufen. Neben der Bewunderung für die außerordentlichen Leistungen, die eine unbeugsame Tatkraft und Schaffensfreudigkeit in Ame rika verwirklicht haben, ist «S das Bewußtsein, in wie hohem Maße Söhne unseres Volkes dazu bcigeftagen haben, ihr Adoptivoaterland in hingebender Treue und Arbeit zu der Größe und Macht zu entwickeln, auf denen die heutige Welt ausstellung der Vereinigten Staaten beruht. Es verschlägt nichts, wenn in diesem Comunique die ideale Seite der Veranlagung hervorgehoben wird. Eine politische Bedeutung läßt sich der deutschen Teilnahme keineswegs absprechen, trotz der Bemerkungen der Nordd. Allg. Ztg. Die Vereinigten Staaten sind nun einmal schon seit Jahren in die Reihe der Großmächte getreten und man hat sich daran gewöhnen müssen, in einer ganzen Reihe van Fragen der Weltpoliiik auch mit ihnen als einen maßgebenden Faktor zu rechnen. Namentlich in Hinsicht der Entwicklung OstasienS und der Länder im Stillen Ozean, sodaß mir in Deutschland allen Grund haben, mit der Union auf möglichst gutem Fuße zu leben. Im all gemeinen wird dies auch nicht schwer sein, allerdings wäre es dringend zu wünschen, daß auch in wirtschaftlicher Bezieh ung endlich eine volle Verständigung erreicht würde. Aber hieran hapert es ganz bedeutend, im Senat zu Washinton sitzen eine ganze Reihe von Leuten, die aus sehr egoistischen Motiven von einer definitiven Regierung auf haudelsvertragltchem Wege Das Armband. Skizze von Adolf Stark - Marienbad. Ein breiter Streifen Licht fiel durch die geöffnet; Türe in das Zimmer und ließ das dunkle Rot des Fußieppichs auflcuchten wie flüssiges Blut. Dec Professor blieb auf der Schwelle stehen. Wie, noch im Dunklen? Herr von Bircher erzählte mir eine schauerliche Geschichte, eine schrecklich schauerliche! So etwas hört sich im Dunkel am besten an. Die Stimme der jungen Frau Professor zitterte bei diesen Worten. Die Erzählung schien sie aufgeregt oder erschreckt zu haben. Ihr Mann drehte das elek trische Luht aus und begann zu berichten, was er heute an Schätzen ausgegcaben habe. O, diese Bibliothek des alten Schlosses war em wlhccs Schatzkästietn für den Forscher. Wahrhaftig, es war ein Glück, daß sie zufällig die Bekanntschaft Baron Birchers ge macht halten und von ihm auf das Schluß eingcladen worden waren. Wahrhaftig, das war ein Glück, ein glücklicher Zufall. 'Es gibt kinen Zufall, alles ist Bestimmung und Schicksal. Frau Hedwig schauerte bei oieseu Worten zusammen, als habe sie ein kalter Laflhaach gestrebt. Da öffnete der Diener die Flügeltüren und meldete, daß das Abendessen serviert sei. Nachher, als sie wieder in der kleinen Bibliothek beisammen saßen, und die Männer sich die Zigarren angezündet hatten, erinnerte sich der Professor an die Aenßerung seiner Frau, die sie vorhin bei seinem Eintritt gemacht hatte. Er oerlangte die schauerliche G.schichte zu hören. Der Schlvßherr zackte die Achseln. Ich bin ein schlechter Erzähler. Auch kenne ich dis Geschichte nicht einmal genau, ich habe mich nie für duse allen Lieferungen interessiert. Aber mit Unrecht. In dem Professor erwachte der Philologeneifer. Gerade solche alte Sagen bieten eine Fülle von Stoff für den Forscher, weil sich in ihnen ost uralte Anschauungen ziemlich unverändert er- . halten haben. Es nützt ihnen u'chts, lieber Bircher, sie müssen schon erzählen. Der andere streifte behutsam die Asche von der .Zigarre. Wle gesagt, ich bin selbst nur schlecht unterrichtet. Mil Namen oder gar mit Jahreszahlen kann ich nicht bleuen. Abea jedenfalls sind schon mehrere Jahrhunderte ver flossen seit jenem Abend, wo der Sage nach dort drüben in jenem Saal, dessen Fenster sie bei Tag von hier aus sehen können, einer meiner Vorfahren seinen Gast lötete und selbst von dem anderen die Todeswunde empfing. Die schöne Frau des Hauses soll die Ursache des Dramas gewesen lein. Nun und w.ntcr? In diesem Augenblick schrie die schöne Frau Professor auf und deutete mit dem Finger nach dem Fenster. Dort, dort Was gibt es? Bircher mar aufgesprungen und machte ein paar hastige Schritte nach ihr hin. Aber sie lächelte schon wieder, während die Rechte sich fest auf das klopfende Herz preßte. Ich bin so erschrocken. Es kam mir vor, als habe jemand durch die Scheiben ins Zimmer hincingeblickt, ein bärtiger Mann mit bleichem, finsterem Gesicht, von dessen Stirne das Blut herniederguoll. Gespenster, spottete ihr Munn. Lasse dir ein paar Blutigel ansetzen, das hilft gewiß. Uebrigens, wo hast du das persisch: Armband mit dem Talisman? Du pflegst es doch stets zu tragen. Und vorhin, als du nach dem Fenster wiesest, sah ich cs nicht an deinem Handgelenk? Frau Hedwig errötete, um im nächsten Moment um so tiefer zu erblassen. Es liegt oben in meinem Zimmer. Ich vergaß es heute anzu legen. Doch bitte, Herr Baron, verzeihen Sie meine Unterbrechung und fahren Sie fort? Richtig die Spukgeschichte. Der Professor holte sih eine neue Zigarre aus der Kiste. Ist sie noch nicht zu Ende? Seit jenem Tage, fuhr Bircher fort, soll der Saal da drüben be hext sein. Wer ihn bei Nacht betritt, verläßt ihn nicht lebend. Ich will nicht alle die Fälle aus der Familienchronik aufzählen, die dies beweisen sollen, aber Tatsache ist, daß mein Großvater, cm Zeitgenosse Rousseau», ein Spötter und Freigeist wie dieser, als er sich eines Abends sein Bett in dem gespenstigen Saal auf schlagen ließ, am anderen Morgen tot aufgefunden wurde. Schlag fluß, tagten die Acrzte, und wollten dem alten Schlemmer schon längst ein solches Ende vorauSgcsagt haben. Aber natürlich, die Sage, wenn sie wollen, der Aberglaube, gewann dadurch Nahrung und seitdem ist die Türe jenes Gemaches nicht mehr geöffnet worden, nicht einmal bei Tage, obgleich dies ungefährlich sein soll. Der Professor rieb sich die Hände. Ich hätte Lust, mir den Saal einmal näher anzuschauen. Bircher verneigte sich zustimmend. Sehr gerne. Morgen früh steht der Schlüssel zu ihrer Verfügung. Warum erst morgen früh? Solche Stätten betritt man am besten bei Nicht. B.'i Tage sind sie nüchtern, häßlich, abscheulich in ihrem jahrelangen Staub und Schmutz. Aber bei Nacht, im ungewissen Scheine der Kerzen — denn elektrisches Licht gibt es doch da drüben noch nicht — da kommt die richtige Stimmung, da kommt das Verständnis. Am liebsten ginge ich sofort hinüber Nein, nein. Frau Hedwig schrie gellend auf. Gehe nicht, bleibe hier. Sie blickte bei diesen Worten nicht ihren Mann an, sondern den Haus herrn. Dieser zauderte. Sie- fürchten sich wohl? höhnte der Professor? Dann geben Sie mir den Schlüssel, ich gehe allein. Sie können inzwischen hier meiner Frau Gesellschaft leisten. Aber lassen sie das Licht brennen und erzählen sie nicht wieder Schauer geschichten, das macht Hedwig nervös. Bircher sprang auf. Ich gehe mit. Er wollte den schweren Silberleuchter mit den drei Kerzen, der zum Anzünden der Zigarren auf dem Rauchtische stand, erfassen, aber der Professor kam ihm zuvor. Schweigend schritten sie durch die breiten Gänge, in denen ihae Fußtritte widerhallten. Widerlich kreischend drehte sich der verrostete Schlüssel in dem lange nicht gebrauchten Schlosse, Der Professor trat als erster ein und hob den Leuchter in die Höhe. Die unsicheren Lichter huschten über verstaubte Wände, deren Tapeten in Fetzen herunterhingen, beleuchteten den schweren Eichentisch in der Mitte mit den mäch tigen Holzseffeln ringsum, das Himmelbett in der einen Ecke und das lebensgroße Porträt eines bärtigen Mannes mit bleichem Ge sichte an der gegenüberliegenden Wand. Das soll das Porträt jenes Ahnen sein, der seinen Gastfreund erschlug. Bircher deutete auf das Bild. Aber des Professors Augen folgten nicht seinem ausgestreckten Finger, sie hafteten an dem Handgelenk, von dem die Manschette herabgeglitten war. Ein schmaler, silberner Reif umschloß dasselbe. Hedwigs persisches Armband! Die Stimme des Professors klang ganz heiser. Dann blickten die beiden Männer einander in die Augen, wie zwei wilde Tiere, bevor sie auf einander los- stürzten. Hedwigs Gatte hob den schweren silbernen Leuchter. Aber Bircher kam ihm zuvor. Der massive, hölzerne Stuhl flog, von kräftigen Armen geschwungen, in die Höhe und krachte schwer auf des Professors Haupt hernieder. Wortlos, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben, brach der Getroffene zusammen. Im Fallen streiften die Kerzen die Bettvorhänge und Helle Flammen looerten empor. Bircher achtete ihrer nicht. Wie betäubt starrte er auf den Toten, dann schritt er fast mechanisch zum Fenster, riß e» auf und sprang hinab in die gähnende Tiefe.