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Donnerstag, 1«. September 1SN9. MI IW SSO0 r-bl-ite «tnniit»! «r. 215. Werter Jahrgang 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge veumvvorilihec RcLcikteur: Vrtti ÄrnbolS. Für die Inserats verantwortlich: Ulairrr sirrnr. Leide in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Lonntagsblatt. Sprechstand» der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—s Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher l». Für unverlangt eingesandte Manuskripi« kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Kser vrmir- ».«««!„, «s»rl!«»,p m. b. 6. in Aus i. Lrzaeb. Annahme von Anzeigen bis spätestens g V Uhr vormittags. Für Ausnahme von größeren Anzeige! än bestimmt«. - -tellen kann nur dann gebürgt werden, wenn ste am Tage vorher bei uns einaeken s)ns«rt,ousprers: Die fi^engespaltene Aorpnszeile oder deren Raum >o Pfg., Reklamen es pfg, Lei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. lSezagspreis: Durch unser« Boten frei ins Haus monatlich so Pfg. 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Tgssch) * Der englische Handelsminister Churchill wird dem Parla ment eine Vorlage auf Schaffung eines öffentlichen Arbeitsnachweises nach süddeutschem Muster unterbreiten. * Im Frühjahr wird eine neue amerikanische Expe dition nach dem Nordpol abgehen, an der aber weder Cook noch Peary teilnchmen sollen. Die Ex pedition steht unter der Leitung der Columbia- Universität. Präsident Taft äußerte sich in B o st o n über die Reform- bedürftigkeit des amerikanischen Bankwe sen». (S. pol. Tgssch.) UM" Mutmaßliche Witterung am 17. September: Nord min», «fheiternd, wärmer, »ein erheblicher Niederschlag. "UM, Ein selbstständiger Schatzsekretär. Zu den ersten Aemtern im Reiche und den Ministerien der großen Bundesstaaten besteht ein gewaltiger Unterschied: Während die Kabinettressorts ein Kollegium von Gleichbe rechtigten darstellen, und der Ministerpräsident nur der primu8 inter pares ist, hat man im Reiche die Einrichtung, daß der Reichskanzler der Vorgesetzte der Staatssekretäre ist, die in ihrem Ressort nur in Stellvertretung des Reichskanzlers die Geschäfte fuhren, während dieser nach Austen hin die Verant wortung trügt und auch sonst in äen einzelnen Nesortfragen zuweilen einen bestiwmien Einfluß aueübt. Dies hat manches Gute für sich, aber noch größere Schattenseiten. Vor allem kann der Reichotanzler sich unmöglich eingehend um die einzelnen R.ssons kümmern. Abcr wenn er es doch trotzdem einmal tut, so kann das leicht zu U n t r ä g l i ch k e i t e n führen. Bei einer Reihe von Ressorts, wie beispielsweise beim Rcichsjuftizamt ec. will der Mang l an w.itergehender Selbstständigkeit nicht viel besagen, b-im R e i ch s s ch a tz a in t aber hak sich schon oft genug gezeigt, daß diese Beeinträchtigung den Interessen des Ruches nicht sonder- lich frommt. In bieder Hinsicht »st der preußische Finanzminister weit besser daran, als vollständig Gleichberechtigter kann er seinen Kollegen erklären, so hoch beziffern sich die Gesamteinnahmen und mehr dürfen daher die Gesamtausgaben nicht betragen. Er ist ist daher in der Lage zu verhindern, daß einzelne Refforts mit übermäßigen Forderungen kommen. Während Preußen seine Einnahmen nicht Lelicbig hoch an setzen kann, ist dies im Reiche möglich, weil die Einzel staaten da sind, die ihren Zuschuß zu leisten haben, soweit das Reich aus seinen eigenen Einnahmen dazu nicht imstande isi. Bei der jüngsten Reichsfinangreform >hat die Regierung dem Einhalt bieten wollen, indem in Verbindung mit der Re form die feste Bildung der Matrikularbei träge nach oben gefördert wurde, alber der Reichstag hat das abgelehnt und damit dem Schatzsekretär die einzige Handhabe genommen, mittels deren er die Reichsausgaben, mit den wirklichen Einnahmen hätte in Verbindung bringen können. Unsere Fi nanzmisere ist ja leider dadurch gekommen, daß die Einzelrefforts, speziell die des Krieges und der Marine, immer mit gesteiger ten Forderungen kamen, ohne daß die genügende Deckung vor handen war und der Schatzsekretär unter Hinweis hieraus sich den Forderungen enhgegenstämmen konnte. Von allen Seiten, nicht bloß von den Einzelressorts, sondern auch vom Reichstage selbst drängte man bei verschiedenen Posten aufhöhere Auf wendungen und so mußte dann schließlich Finanzmisere hereinbrechen. Sind doch in den letzten neun Jahren die Aus gaben von 2219 Millionen auf 283V Millionen gestiegen, und noch ca. 5—600 Millionen sind hinzuzurechnen zur Deckung der Reste aus den Jahren 1906—1909, einschließlich der Besol dungserhöhungen, so daß sich für das laufende Jahr ein rech nungsmäßiger Ausgabebetrag von ca. 3400 Millionen Mk. ergeben würde. Der Militäretat allein ist in diesem Zeitraum von 663 aus 839 Millionen Mark gestiegen. Es wird von olben soviel gepredigt, recht sparsam zu sein, ohne daß man selber diesem guten Rate Folge zu leisten glaubt. Ein selbständiger Schatzsekretär -wäre ganz anders in der Lage, den Daumen auf die Tasche zu drücken, als es ein abhängiger Sekretär ist. Es wär« darum dringend zu wün ¬ schen, Laß wie schon mehrfach angeregt, der Posten des Reichs- jchnMkretars zu einem in Ressortfragen dem Re chskanzler völ lig koordinierten erhoben würde, wodurch möglicherweise doch manches geb etssert werden könnte. Vielleicht kann man das als Ergänzung der Reichsfin anzreform bei der man es verschäumte, über kurz oder lang nachholen. Kaisermanöver. Im Mittwoch nachmittag besetzte Rot die Höhen zwischen Lstelbrunn und Lauda, sowie die nördlich von Eerlachheim, aus denen Geländeoerstärkungen ausgeführt wurden. Um sich jedoch die Mitwirkung der noch von Norden im Anmarsch befindlichen bedeutenden weiteren roten Streitkräfte zu sichern, ving Rot später noch weiter zurück und erwartete gestern den Angriff des Gegners nördlich der Linie Hardheim-Tauberbischofsheim. Blau ging gestern wieder vor, und zwar ging das bayerische 1. Korps auf das rechte Tauberufer über, um den östlichen roten Flügel anzugreisen. Der Kaiser verweilte bis in den Nach mittag hinein auf den Höhen bei Tauberbischofsheim, wo auq fast sämtliche fürstlichen Manöverzüge sich einfanden.Groß II manöverierte stundenlang über Tauberbischofsheim. Am Morgen herrschte Regen, später war das Wetter aufklärend. — lieber die Beteiligung der Luftschiffe am Manöver wird noch telegra phiert: Der Kaiser hat, wie aus Tauberbischofsheim gemeldet wird, den Grafen Zeppelin eingeladen, mit seinem Luft schiff beim Kaisermanöver zu erscheinen. Groß II manöverierte gestern glänzend. Sobald er beschaffen wurde, suchte er »ÄuiU in den Wolken und ging in größere Höhen. Endlich besagt noch ein Telegramm aus Mergentheim vom 15. September. Heute früh ließ der «Kaiser sich zunächst in Taubevbischofsheim von dem kommandierenden General von der Tann über die Ausstellung und über die Absichten des wten bayerischen 3. Korps orientieren und fuhr darauf nach Esselbrunn zum Standpunkte der Manöverleitung und von da über Heckfeld auf dem Wege nach Berkstein vor, wo die Marschkolonne der blauen 26. württembergischen Division angetroffen wurde. Dann fuhr der Kaiser über Tauberbischofsheim vorbei an dem Krieger denkmal von 1866 aus die Höhe 328 nordöstlich der Stadt und erwartete hier den Angriff des blauen bayerischen 1,. Korps gegen die Stellung der roten 1ü. bayerischen Jnfanteriebrigade auf dem rechten Taüberufer. Gchen 4 Uhr nachmittags war der Angriff siegreich fortgeschritten. Als auch die Stadt Tauber bischofsheim in die Hände der Vortruppen von Blau gefallen war, kehrte der Kaiser nach Mergentheim zurück. Unterwegs traf der Kaiser auf den Führer von Blau, Generaloberst von Bock und Polach, und ließ sich von ihm über den Verlauf des Tages Lei Blau und dessen Absichten für heute unterrichten. Die An kunst in Mevgentheim erfolgte um 6 Uhr 15 Minuten. Berliner Brief. (Im Zeichen deL Fliegens. — Wright und die Kinder. — Flugtech nische Zukunftsbilder. — Andere Flieger. — Die neue Saison. — Die ersten Premieren. — Neue Bühnenprojekte. — Die Volksoper. — Der Ricscukintopp. — Das Nachrichtenanit. — Herr v. Stubenrauch.) Berlin steht noch immer im Zeichen des Fliegens. Auf dem Tempelhofer Feld«, der historischen Stätte der preußischen Paraden, zeigt der Amerikaner Orville Wr ight fast täglich feine Kunst im Fliegen, und ungezählte Tausende pilgern hin aus, um den kühnen Aviatiker, der sich aus aerodynamischen Wege die Luft zu erobern gedenkt — sein großer Kollege Zeppelin hat es bereits auf aerostatischem Wege getan —, zu sehen und dem Flug feines Doppeldeckers zu fohgen. Es ist unglaublich, wie schnell di« Aviatik bei uns populär geworden ist) jeher Drei käsehoch weiß das Halbstarre System von dem starren zu unter scheiden, spricht von der Maschine schwerer als die Lust und unter hält sich mit den Kameraden über die noch allen Systemen an haftenden Mängel der Flugtechnik. Die Spielplätze sind die Tribunale geworden, auf denen die Disputationen stattsinden, und Robinson Crusoes Leidensgeschichte ist längst zum alten Eisen geworfen. Dem Zuge der Zeit folgend, haben sich sogar die Spiel- waremndustrien dem Luftschissfport anpaffen müssen, und auf hem Weihnachtstisch unserer Jugend wird sich entschieden mehr Luftschifftvchnisches als irgendein Modell älteren Genres ein finden. Die einst so beliebten Eisenbahnen auf Schienen, die unser Kinderherz einst höher schlagen ließen, sind abgetan; man steht in den Auslagen Zeppelins und Wrigths, und sogar in der Drachenfabrikationder Jungen hat der Amerikaner eine regelrecht« Umwälzung hervorgcbracht. Das typische Modell für «inen Papierdrachen sieht man nach und nach im Aussterben be griffen, und an seiner Stelle steigt der Zweidecker Modell Wright In die Lust. Es wird nicht allzulange dauern, bis man Goethes Wort variieren und sagen kann: Alles flieget, flüchtet, rennet! Denn, wenn erst jedermann seine Flugmaschine sich anschaffen kann, wird die Poesie auch den veränderten Verkehrsverhältniffen Rechnung tragen müssen; geradeso wie sie aufgehört hat, die Reisen in der Postkutsche zu besingen, wird sie die liebenden Paare auf einer Luftlinie sich treffen lassen, wie sie sich ehedem auf der Land straße kennen gelernt haben. Nur find Havarien in der Luft bei weitem g e fä h r l i ch e r, als auf der Straße, und aller Mut kühner Netter wird die Geliebt« nicht bei einer Explosion des Motores an seine treue Brust pressen lassen. Höchstens für die Lebensmüden eröffenen sich geahnte Perspektiven; sie wer den künftig 1000 Meter hoch steigen und sich dann gemeinsam auf die Erde herabstürzew Inzwischen aber wird man sich mit den Möglichkeiten des Fliegens bescheiden müssen, die nach dem augen blicklichen Stand der Technik gogäben find. Leichter haben es jedenfalls mit dem Fliegen die Minnas und Jettes, die während der Abwesenheit ihrer Herrschaft allzu saumselig ihren Pflichten abgelegen haben. In diesem Falle werden die Mädchen sehr schnell zu Engeln befördert und fliegen ohne alle Appa rate nach dem üblichen Kündigungstermin an die frische Luft. Selbstverständlich ist dieses Fliegen nur bildlich zu verstehen; denn die Hausgehilfinnen — der Nanie will zwar trotz aller Propaganda nicht populär werden — verfügen noch nicht über die notwendige Fliegmaschine, mit der sie äe kaeto von einer Stelle zur anderen fliegen könnten. Fast im Fluge mutz sich übrigens ganz Berlin auf dieSai - s o n vorbereiten. Der Nachsommer ist nämlich so schön, daß man einigermaßen vergessen hat, an den Herbst zu denken, weil man einen wirklichen Sommer noch nicht genossen hatte. So wähnt man, der Sommer komme erst jetzt, und der Herbst steht noch weit im Felde, während er in Wirklichkeit uns täglich mit Regen und Wind überraschen kann. Dann heißt es aber gerüstet sein und so sehen wir, überall wohin wir blicken, di« Mahnung: Nehmt mich, ihr braucht mich, auch wenn ihr euch noch so sehr sträubt. Ihr Frauen braucht neue Hüte und neue Kleider; ihr braucht Pelze, Galoschen, Stiefel; ihr Herren braucht Anzüge und Wintermäntel, und vor allem braucht ihr Geld! Alle Ent schuldigungen, daß die neuen Steuern eine Belastung des Budgets nicht mehr vertragen, sind vollständig illusorisch gewor den; daß zwingende Muß tritt an die Stelle des mehr oder min der guten Willens, und die Notwendigkeit enthebt schließlich dem noch Zagenden aller Zweifel und drängt ihn der Entschließung in die Arme. Mit den Premieren der Toiletten rivalisieren ge wöhnlich die Premieren im Theater, und auch hier machen sich natürlich die Vorboten der Saison ebenfalls bemerkbar. An fangs natürlich sind es harmlosere Sachen, Werke junger Autoren, die man zum Wort kommen lassen wM, vielleicht, daß dadurch ein wirklicher Dichter entdeckt werde. Ueibrigens mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, daß wieder einmal ein paar Thea ter gründungen in der Luft schweben; natürlich sollen die neuen Stätten Berlins nur deshalb gebaut werden, weil einem tiefgefühlten Bedürfnis abgeholfen werden muß. Die zwanzig Theater, die wir haben, reichen eben nicht mehr aus und so finden sich immer wieder Leute, die meinen, es müsse noch mehr Theater in Berlin geben) Ein neues Unternehmen ha ben wir ja bereits: die Bolksoper, die in dem vielgeprüften Belle- Alliance-Theater erstanden ist. Zwar haben wiederholt« Experi mente mit Dolksopernhäusern bewiesen, daß sie nicht lebensfähig find, weil der hohe Opernätat nicht durch die Eintrittspreise, di« niedrig bemessen sein müssen, soll das Haus einen volkstümlichen Charakter tragen, aufgebracht werden kann. Aber vielleicht hat der Direktor diesmal mehr Glück; künstlerisch bietet er jeden falls Akzeptable»; stimmt nun auch die finanztechnische Seite, so darf man der Volksoper ein gutes Prognostik»» stellen. Aber nun soll außer dem noch immer schwebenden Milmersdorfer Theater noch ein« Art Operetten-Theater und ein sogenanntes Geselliges Theater geschaffen werden, Da» letztgenannte Projett basiert