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wurde. Dl« Veranstaltungsfolg« diese, Treffen» enthält eine Anzahl Darbietungen, die auch di« breitere Oeffentlichkeit in teressieren dürften. Di« auswärtigen Teilnehmer werden am Vormittag des SO. Juni auf dem Hauptbahnhof begrüßt. Um 11 Uhr erfolgt ein Fahnenaufmarsch und die feierliche Hissung der RÜB.-Fahne auf der Luftschuhhalle der Jahres schau „Der Rote Hahn". Nach einem Mittagikonzert findet um IS Uhr vor dem Stelgeryau» «in großer Appell der Amtsträger mit einer Ansprache des Landesgruppenführers Generalmajor a. D. Schroeder statt. Anschließend werden zwei interessante praktische Vorführungen gefelgt, und zwar Atem- und Bewegungsübungen unter der Gasmaske sowie Brandschutzvorführungen unter Einsatz einer Frauen-Luft- schutzgemeinschaft. Nach der Fahneneinholung, bei der ein HI.-Sprrchchor mitwirkt, findet ein Werbemarsch durch die Stadt zum Hauptbahnhof statt. Wann ist Befreiung von -er Musterung möglich? sä. Dresden, IS. Juni. Das Wehrkreiskommando IV weist darauf hin, daß die Befreiung von der Gestellung zur Musterung nur in folgenden Ausnahmefallen möglich ist: a) bei völliger Wehruntauglichkelt (Geisteskranke, Krüp pel usw.) d) bei schiffahrttrelbenden Dienstpflichtigen (vergl. 8 8 der Verordnung über die Musterung und Aushebung 1S35 vom 29. Mai 1S3S). Anträge auf Zurückstellung von der Erfüllung der ak tiven Dienstpflicht — (vergl. 8 42 der Verordnung über die Musterung und Aushebung 1SSS vom 2S. Mai 1SS5) dl« spätestens bei der Musterung zu beantragen sind — befreien dagegen nicht von der Gestellungspflicht zur Musterung. Wer sich nicht gestellt, macht sich strafbar und kann außerdem mit polizeilichen Zwangsmaßnahmen zur sofor tigen Gestellung angehalten werden (811). Hausbefiyertagung. Meißen, 18. Juni. Der Verband der Sächsischen Grund- und Hausbesttzerverelne e. B. hält vom 21. bis 2S. Juni in Meißen seine 37. ordentliche Vertreterversammlung ab. Nach einer Sitzung des Landesoerbandsvorstandes am Frei- tagabend findet am Sonnabend die Landesausschußsttzung und nachmittags im Hamburger Hof die geschlossene ordent lich« Mitgliederversammlung statt. In einer großen öffent lichen Hausbesitzerkundgebung am Sonntagvormittag im Hamburger Hof unter dem Vorsitz des Äerbandsleiters Hützel-Chemnitz werden u. a. Wirtschaftsminister Lenk, Dr. Rlchle-Berlin vom Reichswirtschastsministerium und Stadt rat Dr. Gleibe-Ehemnitz das Wort ergreifen. Sächsische Spinnfaser-Aktiengesell schaft, Sitz Chemnitz, gegründet. sä. Chemnitz, IS. Juni. Unter führender Beteiligung der in der Bereinigung Sächsischer Spinnereibesitzer, Chem nitz, zustimmengeschlossenen Baumwollspinnereien fand am Dienstag in den Räumen der Vereinigung Sächsischer Spin- nereibesitzer in Chemnitz in Anwesenheit des Sächsischen Wirtschaftsnrinipers Lenk und des Präsidenten Hehrle-Kottbus als Vertreter des Beauftragten -es Führers und Reichskanzler» für Wirtschaftsfragen, Keppler, die Gründung -er Sächsischen Spinnfaser-Aktiengesellschaft, Sitz Chemnitz, statt. Gegenstand des Unternehmens ist der Er werb, die Errichtung und der Betrieb von Unternehmungen auf dem Gebiet« der Herstellung von Spinnfasern zur Ver arbeitung in Baumwollspinnereien, Wollspinnereien und verwandten Betrieben. Das Gründungskapital beträgt 2,1 Mill. RM. In den Aufsichtsrat wurde u. a. Wirtschaftsmini ster Lenk gewählt. Miau, IS. Juni. Zum Fest der Lachih in Zittau. Auf den Postsendungen, die in diesen Tagen von der Grenzstadt Zittau aus in alle Lande gehen, zeigt sich ein Poststempel, der zur Werbung für das große Fest der Lausitz „Zittau im grünen Ring" vom 2S. Juni bis 7. Juli geschaffen worden ist. Ein ganz besonderer Anziehungspunkt für die Festbe sucher wird die groß« Briefmarkenschau sein, die in der Städt. Turnhalle neben der bereits eröffneten Ausstellung „Oberlausitzer Kunst im IS. Jahrhundert" untergebracht wird. Für Briefmarkensammler dürfte diese Schau ein sel tenes Ereignis darstellen. Träger der Schau ist der Zittauer Briefmarkensammler- und Tauschverein „Union". Für das Zustandekommen der Ausstellung haben sich u. a. das Sächs. Finanzministerium, das Landeskriminalamt und die Reichs postdirektion eingesetzt. Erstmalig wird im Rahmen der Schau eine Sammlung von Fälschungen deutscher Briefmar ken aus dem Landeskriminalamt gezeigt werden, ferner wird in umfassender Weise die Entwicklung der sächsischen Briefmarke dargestellt. Innerhalb der Ausstellung wird ein Festpostamt eingerichtet. Vad Schandau, IS. Juni. Lin treuer Kurgast. Vierzig Jahre Kurgast in Bad Schandau ist in diesem Sommer der Malermeister Paul Mann aus Potsdam. Der Kurgast, der vor einigen Tagen wieder hier eintraf, ist 67 Jahre alt. Der Kurgast nimmt seit vierzig Jahren bei dem Dachdecker meister Eisoldt Aufenthalt. Pirna, IS. Juni. Ein Glück-los gezogen. Fünf junge Mädchen befanden sich am Sonntag auf der Fahrt nach Stadt Wehlen. Ihnen trat einer der braunen Glücksmän- ner entgegen und bot ihnen ein Los der Arbeitsbeschaffungs lotterie an. Cs bedurfte vielen Zuredens, ehe sie sich ent schlossen, ein Los zu kaufen, und als sie es öffneten, hatten sie ein Gewinnlos mit 500 RM. in Händen. Sie konnten dieses Glück nicht sofort fassen, aber schließlich überzeugten sie sich von der Tatsache. Glücklich über diesen Gewinn, traten sie dann ihre Sonntagswanderung weiter an. Aber auch der Losverkäufer bekam ein gutes Trinkgeld. Pirna, IS. Juni. Moderne» Amselpaar. Im Grund stück Braustraße 11 wehte am Sonnabend der Sturm ein Amselnest herab, da» ein Kuriosum ist. In dem Flechtwerk von Stroh und Schilf, au» dem das Nest angefertigt ist, hat das Amselpaar auch «in Zettelchen eingeflochten, aus dem die Worte stehen: Bakterienfrei hergestellt und vollkommen hygienisch. Dieser Papierstreifen ist vermutlich die Hülle eines Trinkhalmes. Dresden, IS. Juni. E« war kein Rand. Am Freitag wurde bei der Schutzpolizei eine Anzeige erstattet, wonach ein junges Mädchen am frühen Morgen des gleichen Tage» auf der Pirnaischen Straße von einem Mann überfallen und ihrer Handtasche beraubt worden war. Die kriminalvÄi- zeilichen Ermittlungen haben jedoch ergeben, daß ein Raub nicht vorliegt. Die „Ueberfallene" hat sich seit 10. d. M. wohnungs- und mittellos im Stadtgebiet umhergetrieben. In der fraglichen Nacht lernte sie einen jungen Mann ken nen, mit dem sie längere Zeit auf einer Bank an der Güntz- wiese gesessen hat. Unter einem Borwand soll sich dieser dann plötzlich mit der Handtasche, die sie ihm anvertraut haben will, entfernt haben. Das Mädchen wurde der Ge sundheitsbehörde übergeben. Dresden, IS. Juni. Sich selbst gerichtet. Am Sonntag wurde von der Kriminalpolizei ein 33 Jahre alter Mann aus Kleinzschachwitz sestgenommen, der in dringendem Ver dacht stand, sich als Kriminalbeamter ausgegeben und Lie bespärchen in der schamlosesten Weise belästigt zu haben. Bei feiner Vernehmung wurde ihm nachgewiesen, daß er seinem Tun und Treiben bereits seit April v. I. nachgegan gen war. An Hand von Beweismitteln legte er am Mon tag nach hartnäckigem Leugnen schließlich ein Geständnis ab. Gegen Z44 Uhr stürzte der Festgenommene p.o ua) nach dem Fenster und sprang aus dem im 3. Stock gelegenen Bernehmungszimmer der Sittenabteilung auf die Rampi- sche Straße hinab, ehe ihn der mit seiner Auflicht betraute Beamte hieran hindern konnte. Der sofort herbeigerufene Arzt konnte nur noch den Tod feststellen. Königsbrück, IS. Juni. Wiedersehen ehemaliger 182er. Unter starker Beteiligung der Kameraden aus ganz Sachsen fand am Sonntag der 6. Regimentstag ehemaliger 182er in der alten Garnisonstadt Königsbrück statt. Bei dem Fest kommers am Sonnabendabend im Schützenhaus hieß Bür germeister Leßmann die Erschienenen namens der Stadt herzlich willkommen. Die Festrede hielt Professor Dr. Pache, der als junger Offizier den Weltkrieg bei den 182ern mitge macht hatte. Bei der feierlichen Kranzniederlegung am Ge denkstein am Alten Lager nahm der Landesverbandsführer Schräder Gelegenheit, in einer kurzen Ansprache Einzelhei ten aus der Regimentsgeschichte in Erinnerung zu bring«». Durch den Vorsitzenden des Sächsischen Feldkameradenbun des wurde eine Anzahl Kameraden mit Bundesauszeich- nüngen bedacht. Der Sonntag brachte die Gefallenenehrung am Denkmal der alten Sächsischen Armee unter Teilnahme der Traditionskompagnie der 182er vom Jnf.-Regt. Dresden unter Führung von Hauptmann Hammer. Die Gedächtnis rede hielt Pfarrer Skierl. Freiberg, 19. Juni. Lin «Haus der Jugend". Nachdem bisher in Freiberg kein« zweckmäßige Jugendherberge vor handen war und auch die der HI. zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten den Anforderungen keineswegs genügten, ist es jetzt gelungen, ein „Haus der Jugend?' zu schaffen. Es handelt sich dabei um das Haus, in dem sich bisher das nunmehr in ein anderes Gebäude verlegte Städtische Kin- ———— ' ! .. - v 7 Hieronymus behebt einen Mangel. Skizze von AdolfNowakowsky. (Nachdruck verboten.) Ich kenne Hieronymus Klein seit einigen Wochen. Welchem Anlaß ich seine Bekanntschaft verdanke, läßt sich gewiß erraten, wenn man meinen Bericht gelesen hat. . . Hieronymus Klein hat die Angewohnheit, in den Abend- stunden auf einer Fußgänger-Jnsel im Südwesten der Stadt herumzustehen und den Straßenverkehr zu beobach- t«n. Hier füllen sich einige Stunden seines erlebnisarmen Kleinrentnerdaseins, währen- er den jungen Leuten nach blickt, die, sobald die Zeiger der zuverlässigen Normaluhr eine halbe oder eine volle Stundenzahl angeben, unruhvoll auf und ab gehen, oder wenn er alten Herren zusieht, wie sie beschwerlich in die Straßenbahn steigen. Dann vergleicht er deren Hilflosigkeit mit seinen noch rüstigen Kräften und sinnt, durch das Ergebnis ermutigt, zuweilen seiner Jugend nach, jen«n fernen Tagen, da sein Gang beschwingt und sein Atem leicht war. Den jungen Mädchen und Männern, die sich auf der Insel unter der Uhr zu begrüßen pflegen, gleichsam, als sei sie mit Notwendigkeit Zeugin ihrer Verabredungen und eigens zur Kontrolle ihrer Pünktlichkeit hier aufgestellt, Liesen jungen Leuten mag die Gegenwart des Mannes in der grütten Joppe allmählich wohl ebenso selbstverständlich geworden sein wie die -es erleuchteten Ziffernblatts . . . obwohl die Verabredeten hierfür keinen Grund angeben könnten, würde man sie danach fragen. Auch Hieronymus Klein ist bislang über di« mythisch gewordene Bedeutung seiner allabendlichen Zeugensck«ft völlig ahnungslos gewe sen. Sei es, daß es in seiner Jugend keine Verkehrsuhren gab, an deren wandernden Zeigern di« Verliebten ihre Zu neigung für einander in Ziffern und Traden abzulesen ver mochten, sei es, daß damals die jungen Leute weniger öfstNtliche Plätze für ihr Stelldichein zu bevorzugen pfleg ten, — vom Eigenleben der Liebenden wußte Hieronymus Klein nur noch, was die Leute darüber so redeten, und auch das war im Lauf« der Jahr« entfallen. Die Verabredeten aber gewöhnten sich daran, den dösend dastehenden Mann als ein« Art Liebesgott anzusehen, vor dessen träumenden Ohren die Verspäteten heiße Entschuldigungen beteuerten. »Frage den Alten", entgegnet«» die jungen Männer, „er weiß, seit wann ich warte. Eines Abends — seine Ohren sind erfüllt vom Lärm, sein« Augen von der Belebtheit des Platze» — spricht den Ueberraschten ein junger Mann an, der schon seit längerer Zeit unruhig wartend die Uhr umkreist hat, und sagt, indem «r ihm einen gefalteten Zettel und ein Geldstück entgegen hält: „Entschuldigen Sie, würden Sie mir einen Gefallen tun?" Klein blickt, in seinen Betrachtungen so unvermutet ge stört, verständnislos und, als er die kleine Nickelmünze be merkt, aufmerksam in das hübsche, glattrasierte Gesicht des jungen Mannes. „Womit?'* fragte er. „Es wir- bald eine junge, blonde Dame in helletti Man tel und dunklem Hütchen hierherkommen. Sie trägt ein rotes Handtäschchen. Bitte, seien Sie so nett und geben Sie ihr dieses Zettelchen ab." Hieronymus fühlt« das Papier und das Geldstück in der Hand, nickt und dankt. Der Herr eilt über die Straße und taucht im Gedränge unter. Hieronymus steckt das Geldstück in die Tasche und hält Ausschau nach der jungen Dame. Das Zettelchen möchtr er gern lesen, aber da ihm dies indiskret scheint, unterläßt er es. Außerdem hat er sein« Brille nicht bei sich. So steht er nun und studiert die Kleidung der jungen Mädchen, die sich der Insel nähern. „Die muß es sein", überlegt er. Ein eiliges Fräulein in Hellem Mantel und dunklem Hütchen, ein rotes Täschchen in der Hand, springt aus der Straßen bahn und geht, unruhig um sich blickend, auf die Uhr zu. Die zwei Minuten hätte der Herr noch warten können, denkt Hieronymus und tritt zu dem hübschen Mädchen. Er lüftet, ihr den Zettel entgegenhaltenü, seinen Hut und sagt: „Von dem Herrn, der Sie erwartet hat." Das Fräulein sieht ihn mit fragenden blauen Augen an, nimmt ihm mit empörter Miene das gefaltete Papier aus der Hand, liest die mit Bleistift niedergeschriebenen Zei len, nickt ein „Danke" und eilt davon. Nach wenigen Schritten kehrt das Mädchen, die Handtasche öffnen-, zurück und reicht Klein eine Nickelmünze. Hieronymus fühlt überrascht das Geldstück, will sagen: „Ich habe schon bekommen", die Dame aber ist bereits wei ter geeilt. Er reibt das so unvermutet verdient« Geld in den Fingern und geht frohgelaunt zur gewohnten Stunde nach Haust. Am Abend des nächsten Tages hat er di« kleine Bege benheit fast vergessen, als er, von einem Spaziergange heimkehrend, wieder auf der Jnstl steht und dem Verkehr zusieht. Er beobachtet wach und wie mit neuen Augen die jungen Leute, die einander unter der Uhr erwarten. Eine halbe Stunde mag vergangen sein, als ein kleines Fräulein mit kurzem Näschen und hübschen Zähnen ihn er rötend anspricht. Die junge Dame knüllt ein Briefchen in den aufgeregten Händen. „Entschuldigen Sie", sagt sie, „ich sehe Sie an jedem Abend hier stehen. Sie zupft an ihrem Handtäschchen . . . „In zwanzig Minuten wird mich ein Herr hier erwarten. Würden Sie ihm wohl diesen Brief abgeben?" „Gern", entgegnet Hieronymus, „aber wie sieht er aus?" Das junae Mädchen blickt verwirrt zur Seite. „Das ist schwer zu beschreiben." Sie schweigt. Dann, als ob ihr plötzlich etwas einfalle, kramt sie in ihrem Handtäschchen und sagt: ,Lch habe eine Photographie von ihm." Hieronymus betrachtet das Bild: ,Lch werde ihn schon wiedererkennen, Fraulein." „Bestimmt?" Hieronymus nickt schmunzelnd. Wohl ein Abschieds brief, denkt er, während das junge Mädchen mit aufgereg ten Fingern in dem Täschchen nach einem Geldstück sucht. -- Eine Mark! Sicherlich hat sie's nicht kleiner, oder das muß schon «in wichtiger Brief sein. Das Fräulein geht davon, nachdenklich langsam, mit unruhigen kleinen Füßen. Hieronymus ist gar nicht mehr verdutzt, als nach einigen Minuten ein Herr auf ihn zutritt. Während er sich die Züge des im Photo gezeigten Gesichts vorzustellen sucht, fragt der Herr, flüchtig den Hut ziehend: „Wie komm« ich wohl am schnellsten zum Bülowplatz?" Hieronymus starrt ihn an, faßt sich aber in wenigen Augenblicken und gibt, so gut er kann, die gewünschte Aus kunft. Und während er der Straßenbahn nachsinnt, die den Fragesteller entführt, ist ihm zumute, als sei er für derlei Auskünfte nicht zuständig. In diesem Augenblick steht ein anderer Herr vor ihm und sagt: „Ich sehe Sie jeden Abend um dies« Zeit hier stehen, gewiß warten Sie auf Ihre Straßenbahn. — Wür den Sie mir einen Gefallen tun?" Hieronymus nickt. „Ich habe mich hier um halb acht mit einem Freund verabredet, kann ihm aber nicht mehr absagen. Ich bin auf dem Wege zum Arzt, mein Kind ist plötzlich krank geworden. Der Herr, der mich erwartet, ist etwa vierzig Jahre alt. Sie werden ihn an einer Brille ohne Einfassung erkennen. Er wird, glaube ich, einen dunkelgrauen Mantel tragen." Hieronymus braucht nicht lange zu warten. Während er beschließe, sich für alle Fälle mit Notizblock und Bleistift zu versehen, vielleicht auch mit Briefumschlägen, bemerkt er den Herrn im grauen Mantel unter der Uhr. Hieronymus richtet seine Bestellung aus, erhält ein Fünfzigpfennigstück und wartet noch fast eine Stunde lang auf den jungen Mann, dessen Photo er gesehen. Vielleicht ist er sortgegan- gen — überlegt er, auf die Uhr blickend — während ich mit dem letzten Herrn sprach Fünf Minuten noch beschließt der Alte zu warten, und als die Zeit vorüber ist, fügt er wieder fünf Minuten hinzu. Denn in jedem jungen Manne, der sich der Insel nähert, glaubt er den Erwarteten zu erkennen. Oder sollten Bilder so täuschen? Lange wartet er, und während er endlich langsam sei ner Wohnung zustrebt, reift in ihm ein Plan Am nächsten Abend treffe ich Herrn Klein um die gleiche Stunde. Er trägt, was mir auffällt, eine neue blaue Mütze, und auf deren schwarzen Band steht in großen weißen Buchstaben: Verabredungsdienst. Ich stehe bei ihm, und während er di« jungen Leute, die wartend die Uhr umkreisen, aufmerksam beobachtet, erzählt er mir die Geschichte seines neuen Berufes. „Und was ist aus dem Briefchen geworden, dessen Empfänger Sie nicht antrafen?" fragte ich. „Ja", sagte er, „das ist die einzige Bestellurig, die ich nicht erledigen konnte." Sein Gesicht drückt aufrichtige Be trübnis aus. In diesem Augenblick geht glücklich lächelnd «in hübsches, junges, sehr kleines Fräulein am Arm eines schlanken Man nes vorüber. ,Ias ist sie", flüstert aufgeregt Hieronymus, „und das, das ist ja wahrhaftig auch der Herr, dessen Bild sie mir ge zeigt hat. — Einen Augenblick, ich will ihr nur den Brief zurückgeben." Ich halte ihn zurück. „Nicht jetzt, es ist vielleicht doch «in Abschiedsbrief."