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und Anzeiger für das Erzgebirge voantwortlicher Redakteur: Fritz Arn hold. Für dl« Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer beide iu A»e. mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—s Uhr. — Telegramm-Adreffe: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthuer) in Aue. bezugspreis: Durch unsere Voten srei ins lfans monatlich so pftz. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich pfg. und wdchentlich <0 Pfg. — Bei der poft bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t-»o Mk. — Durch »N Briefträger frei ins Haus vierteljährlich >42 Mk. — Einzelne Nummer 10 psg. — Deutscherpostzeitungs katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätesten» g>/, Uhr vormittags. 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Durch ausströmendcn Kefseldamps wurde» in Königshütte vier Arbeiter getötet. * Zn der G c b u r t s g r 0 t t e zu Bethlehem ist zwischen Mönchen verschiedener Rationalitäten ein Konflikt entstan den, wobei zwei verwundet wurden. * ZnChavlest 0 n (Amerika) wurden durch eine Kohlen staubexplosion 8V Bergleute verschüttet. Bis jetzt Ist noch keiner gerettet worden. * -) Näheres siebe unten. Aufmarsch zu den Stichwahlen. - Die Begeisterung über den bisherigen Wahlersolg hat sich wieder verlaufen, und man srägt nun nach dem Nächstliegen den, nach den Kompromissen, die für die Stichwahlen ab- juschließen sind. Da ist auch Zeit jetzt dazu, denn der Termin der Stichwahlen rückt ja immer näher: sie werden vermutlich inner halb der nächsten vierzehn Tage stattsinden. Da ist cs schon am Platze, sich schlüssig zu werden, denn es hat ja auch noch eine hübsche Menge von Arbeit vor den Stichwahlen zu geschehen. Ossiziell sind nun allerdings die Stichwahlparolen der Par teien, wenigstens der bürgerlichen, nicht ausgegeben worden: das wird voraussichtlich in den nächsten Tagen erst geschehen. Aber aus dem, was man aus den Parteiblättern in jenen Wahl kreisen hört, deren erstes Resultat eine Stichwahl notwendig machte, ist man sich schon ziemlich einig darüber geworden, was eigentlich zu tun ist. Die konservativen Blätter haben die Losung ausgegeben, überall für den bürgerlichen Kan didaten einzutreten, gleichviel, welcher Partei er angehören mag. Wo natürlich ein konservativer Kandidat in Frage steht, da soll es sich hinwiederum von selbst verstehen, datz die bürgerlichen Parteien ohne Unterschied der Richtung für diesen eintreten. Das deutsche «ourriöres. Nach Deutschland, nach Berlin und dem Saarrevicr gelangen l'!,t Veileidsdepeschen, von der Art wie sie im März des vorigen Zahres nach Courriöres geschickt worden sind. Abermals haben die Tiefen Hunderte von Opfern verschlungen. Es ist die furcht barste Grubenkatastrophe, die über den deutschen Bergbau hereingebrochen ist, seit am 17. Februar1898 aus der Karolinengrube bei Bochum 119 Mann den Tod sanden. Aus der Grube Camphausen, im März 1885, ist die Zahl der Opfer l81 gewesen. Jetzt läßt sich nicht mehr verheimlichen und nicht mehr bezweifeln, das, aus der Grube Reden mehr als 15» Mann nicht wieder aussahren werden. Sie sind nicht vom Glück verwöhnt, die Scharen der königlich preussischen Grubendircktion. Stets müssen sic aus den Tod ge faßt sein; das Reich des Todes umwittert sie. Häßlich und arm ist das Land, häßlich auch dann, wenn nicht wie jetzt schmutzige ^Cchneemaßen es Überbreiten und ein paar vergeßene Fahnen soom Kaisergeburtstag im Tauwetter klatschen. Trüb blinzeln in den Nachthimmel, die Laternen aus ihrem Dunstkreis von Kohlenstaub. Rote Feuergarben schweben in der Luft, die Fester der Stummschen Eisenhütten im nahen Neunkirchen. Der naße Januarwind streift um die Bauten aus Ziegelstein, die Bergmannsdörfer mit den regelmäßigen Straßen und den Gärtchen, in denen zur Frühlingszeit kleine, verkrüppelte Bäume gegen den giftigen Brodem sich zu halten suchen. Im Hinter grund hebt sich das Werk mit dem Schacht, dem geteerten Sieb schuppen, der Schöpspumpe, den Kesseln und Oefen, und grausam singen die Hämmer, die auf Eisenblech schlagen, ihren unerbitt lichen Rhytmus. Dort hat sich das Drama von Reden abge spielt, bald nach dem ersten Läuten, als kaum die Schicht be gonnen hatte. Dumpf, ahnungslos find die Scharen der Berg leute aus den Gassen von Hetltgenwald, Landsweiler und Schtsf- «eiler herbetgekommen, dumpf haben sie in der Verlesehalle sich Das ist der V l 0 ck g e d a n k e, wie er der Regierung ursprüng lich vorgcschwebt hat, und dieser Blockgedanke ist nur dadurch erweitert, daß auch das Zentrum als kompromissähig ange sehen wird. Was nun das Zentrum anlangt, das in einer sehr großen Reihe von Wahlkreisen in die Stichwahl kommt, so hat man allerdings behauptet, Erzberger hätte die Parole ausge geben, mit den Sozialdemokraten zu gehen. Das hat sich aber nachträglich nicht bestätigt, und wenn die Zentrums blätter, die führenden wenigstens, nicht eine merkwürdige Art von Berschleierungspolitik treiben, so wird das Zentrum den Sozialdemokraten keine Wahlhilfe leisten, sondern gleich falls mit den bürgerlichen Parteien paktieren. Mit Aus nahme der Nationalliberalen, wie man jetzt be hauptet. Das ist nun eine um so merkwürdigere Ausnahme, als gerade die Nationallibcralen gar nicht so sehr abgeneigt scheinen, auch das Zentrum gegen die Sozialdemokraten zu unterstützen. Ein sehr ernsthaftes natiopalliberales Parteiorgan, die Rheinisch-Westphälische Zeitung, hat ganz ernsthaft bereits eine Verteilung der Mandate in einer Reihe von Wahlkreisen vor genommen. Und zwar eine Verteilung der Mandate zwischen dem Zentrum und den Nationalliberalen, wobei allerdings die Rechnung des Blattes insofern nicht ganz stimmen dürfte, als eben für die Nationalliberalen mehr Mandate herausgekommen find, als nach den bisherigen Stimmcnzahlcn eigentlich zu be anspruchen sind. Doch glauben wir wohl, daß trotz der Gegen sätzlichkeit zwischen Nationalliberalen und Zentrum sich in ver schiedenen Bezirken, speziell da. wo es sich um die Verdrängung der Sozialdemokratie handelt, Kompromiße ermöglichen ließen. Wenn mans recht nimmt, haben sich doch gerade die National liberalen, wenigstens die um Herrn Bassermann bisher recht gut mit dem Zentrum vertragen, und sogar seinerzeit, wie man sich erinnert, sllr die Aufhebung de 8 2 des Je su ite ngesehes gestimmt. Daß man in der Zwischenzeit wie der manchmal eine gründliche Abrechnung aus konfessionellem Gebiet vorgenommen hat — du lieber Himmel! So schlimm ist das doch nicht, und in der Politik nimmt man es nicht so besonders genau. Wir glauben also wohl, daß ein Kompromiß zwischen den bürgerlichen Parteien nichtzu den Unmöglichkeiten gehört, und zwar ein Kompromiß zwiscchn allen bürgerlichen Parteien. Wer dabei am besten fährt, das wird sich ja zeigen — daß das Zen trum zum mindesten nichts verlieren wird, das weiß man heute sehr genau. Denn es hat ja diesmal trotz der angestrengten Tätigkeit des Blocks und der Regierung bereits in der Haupt wahl mehr Mandate erobert, als im Jahre 1903. Was nun aber die Sozialdemokratie anlangt, so stehen sllr sie die Aktien allerdings sehr ungünstig. Wenn sich wirklich ein Zu sammenschluß aller bürgerlichen Parteien ermöglichen läßt, dann wird die äußerste Linke nicht ein Dutzend von Mandaten mehr erobern können, also kaum die Hälfte von Abgeordneten in den Reichstag schicken können. In den führenden sozialdemokra tischen Blättern wird das allerdings nicht zugegeben und man verweist nur daraus, daß eine koloßal gesteigerte Arbeitsleistung der Partei sllr die Stichwahlen notwendig ist. Damit allein aber ist cs nicht getan. gesammelt, im Lampcndcpot sind ihre Lampen verschloßen und geprüft worden, dann ging cs bei klingenden Signalen in den Schacht. Zweimal schlägt es: Abstieg! Dröhnend fahren die Körbe nieder zu den Gängen der un teren Stockwerke, 700 Meter tief. Die Knappen wandern durch Räume, die von Salpeterdunst erfüllt sind, ins Innere, in die hölzernen Galerien, wo die Fettkohle bröckelt und den Ka meraden über den Leib rieselt, stundenlang, in der brütenden, bleiernen Hitze. Die Lampen brennen schlecht, mit bläulicher Flamme. Das Grubengas drückt auf die Lider, und kaum hat einer den Kops ans Gestein gelegct, um das leise Geräusch des Gases zu hören, das wie heißer Dampf zischend aus jeder Spalte emportreibt, da die Katastrophe! Donnernd entzünden die Gase sich, sie schleudern die Bergarbeiter gegen die Gruben wände, die Raserei der Elemente ist entfesselt, Hunderte von Menschen verröcheln, ehe sie begriffen, was sich mit ihnen zuträgt. Ein Feucrmcer umwallt sie, reißt ihre letzten Schreie nach oben, zum trüben Tageslicht. Die sich noch bei Leben finden, klettern vorwärts, von Wahnwitz gepackt: die Explosionen wüten, die Grube Reden ist zu einem ungeheuren Maßengrab geworden —! Um 9 Uhr morgens wird das Gräßliche gemeldet. Man sucht die Hiobsbotschaft zu hemmen, umsonst. Der Zug des Elends geht nach der Grube, aus allen drei Ortschaften strömen Frauen, Greise und Kinder zusammen, zum eisernen Gitter, das die Fördcrungsanlagcn umzäunt, zum Knappschaftslazarett, zu den Verleschallen. Schon werden die ersten Leichen heran geschleppt, verstümmelt, mit Brandwunden übersät. Auf höl zernen Pritschen werden sie aufgebahrt, und in irrer Angst drängen die unglücklichen Frauen sich heran. Wenn der entstellte Kopf nicht mehr zu erkennen ist, so hebt man die schmutzigen Tücher auf, um vielleicht nach den Kleidern zu erraten, wer es ist. Neben den Militärärzten stehen die katholischen Geistlichen d^s Bezirks. Wild schallt die Totenklage, kaum laßen die Un seligen von den Grubenbeamten sich überreden. Vor der Grube Da hat sich nun die Sozialdemokratie eine St ich Wahl parole zurechtgelegt, die sehr dehnbar ist. Gegen alle Par teien, die sich gegen das Wahlrecht einsetzen, gegen alle Brotverteuerer und so weiter. Die Sozialdemokratie kann sich also mit allen Parteien mit Ausnahme der äußer sten Rechten verbinden. Es muß freilich für einen Barth leich ter sein, dem Sozialdemokraten seine Stimme zu geben, als dem Konservativen. Denn die Rechte ist der freiheitlichen Ent wicklung schädlich. Man ist neugierig aus das Resultat der Stichwahlen, aber man wird kaum besondere Ueberraschungen erleben. Die bürgerlichen Parteien werden ihre Kompromiße schließen, und darum wird es in den meisten Wahlkreisen mehr um ein politi sches Handelsgeschäft sich drehen, denn um eine wirkliche Wahl Wie dieser neue Reichstag dann arbeitet, und ob er nicht einen zu herzhaften Schritt nach rechts tut, das wird man ja sehen. Politische Tagesschau. Aue, 81. Januar 1907. Des Kaisers Dank. Der Reichs-Anz veröffentlicht folgenden Dankerlaß des Kaisers: Das Lebensjahr, das ich an meinem diesjährigen Ge burtstage vollenden durste, brachte neben dem ernsten Gedenk tage des vor 100 Jahren auf dem Vaterlande lastenden Unglücks viele freudige und glückverheißende Ereignisse in meinem Fa milienkreise, das Fest meiner silbernen Hochzeit, die Vermählung meines Sohnes, des Prinzen Eitel-Friedrich, die göttlicher Liebe und wie viel Ursache zu demutvollem Dank für Geburt meines ersten Enkels, des künftigen Thronerben, und die Verlobung des Prinzen August Wilhelm. Welche Fülle des Allmächtigen Führung! Wie nun alle diese festlichen Be gebenheiten durch die freudige Anteilnahme des deutschen Volkes einen besonderen Glanz und eine besondere Weihe erhalten haben, so ist auch die Feier meines Geburtstages verschönt und erhöht worden durch die zahlreichen Glück- und Segenswünsche, die mir aus treuen, deutschen Herzen dargebracht worden sind. Aus der Menge der Zuschriften und der Telegramme habe ich es wiederum erfahren, daß an diesem Tage überall im Deutschen Reiche und auch im Auslände meiner in treuer Liebe und An hänglichkeit gedacht worden ist. Die mir zugegangenen Kund gebungen waren getragen von der begeisterten Freude über die nationale Haltung der deutschen Wählerschaft, die in ihrer großen Mehrzahl soeben ein glänzendes Zeugnis von dem gesunden und patriotischen Sinne des deutschen Volkes, seinem Verständiße für die großen Kulturaufgaben der Zeit, se' em Vertrauen in die Zukunft des Vaterlandes und seiner unerschütterlichen Anhänglichkeit an Kaiser und Reich vor aller Welt abgelegt hat. Mögen alle diejenigen, die durch patriotische Gesinnung und Zuneigung an meinem Geburtstage, durch Teil nahme an festlichen Veranstaltungen und Vereinigungen zu freundlichen Glückwünschen, Grüßen und Aufmerksamkeiten oder zu frommer Fürbitte für mich gedrängt worden sind, meinen wärmsten Dank auf diesem Wege rntgegennehmen, den ich bei der großen Zahl der Beteiligten nicht jedem einzelnen auszu- drllcken vermag. selbst weicht die Menge nicht. Gerücht auf Gerücht wird von Mund zu Mund getragen. Das Schicksal ganzer Abteilungen ist ungewiß: die Steiger, die mit in das Mastengrab fuhren, haben die Kontrollbücher bei sich: dort in den brennenden Fin sternissen, bei den heulenden Mannschaften und den stampfenden Pferden. Eine Leidenswoche wird vergehen, ehe die qualvolle Frage beantwortet ist. Und schaudernd zeichnet man die Namen Reden und Jtzenplitz da ein, wo vor 20 Jahren die Namen Maybach, Brefeld und Camphausen die Todeschronik des Saarrevters eröffnet haben. An der Unglücksstätte. Auf der Station Neunkirchen, nur sieben Minuten Bahn fahrt von Reden, dem Schauplatze der furchtbaren Katastrophe entfernt, schreibt der Spezialberichterstatter der Berliner Mor genpost: Man mutz sich dies vorsagen, denn man merkt nichts davon. Auf dem Bahnhofe wenige Menschen mit gleichgültigen Gesichtern und völlig uninformiert über den Umfang des Un glücks. Die unglaublichsten Gerüchte schwirren umher. Die brennenden Schächte wurden unter Master gesetzt, heißt es hier, man hofft noch Lebende hervorzufördern, heißt es dort.... Das Bild ändert sich, wenn man in Reden anlangt. Das kleine Bahnhofsgebäude ist von einer riesigen Menschemyengp, helagext, von Männern und Frauen, auf deren dtistern Mienen zu lesen ist, wie die Leute von Entsetzen über das Unglück geschüttelt sind, daß die Tragödie wie ein Bann auf ihnen liegt, den sie noch nicht abzuschütteln vermögen. Na, ja, so ist es halt, höre ich einen weißhaarigen Alten zu einer faßungslos schluchzenden Frau sagen, damit mutz der Bergmann täglich rechnen- Und dieser Gedanke ist es offenbar, der alle diese Leute drückt. Sie find ausnahmslos Bergleute oder Angehörige von solchen, und was gestern den 150 Kameraden in der Re-engrube passiert ist, das kann sie morgen treffen. Der Bergmann weiß nie, wenn er morgens zur Grube fährt, ob er nicht in sein tiefe« Grab