Suche löschen...
Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge : 26.01.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735684481-190701260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735684481-19070126
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735684481-19070126
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-01
- Tag 1907-01-26
-
Monat
1907-01
-
Jahr
1907
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 22. Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge. Sonnabend den 26. Januar 1907. Gnesen zu erteilen. Es soll vielmehr der Plan bestehen, den Erz bischossstuhl von Posen und Gnesen, der im Jahre 1821 ver einigt wurde, wieder zu teilen, so daß es in Zukunst «inen Erz- btschossstuhl von Posen und einen solchen von Gnesen geben würde. Eine derartige Teilung würde zweifellos den Beifall aller Nationalgesinnten auch in der Provinz Posen finden. Damit würde auch der Titel Für st primas von Polen endgültig verschwinden, der eine faktische Berechtigung nicht mehr hat und nur noch eine historische Rcminiscenz dar stellt. Da es kein Polen als solches mehr gibt, würde cs nur eine logische Konsequenz sein, wen» auch der Titel eines Fllrstprimas von Polen desinitiv verschwände. Statistisch sei hierzu angesügt, daß die Diözese Posen 528 katholische Geistliche bei 929 V0Ü Seelen umsaht, die Diözese Gnesen dagegen 254 katholische Geist liche bei 488 187 Seelen, die Diözese Gnesen also nur halb so groß ist wie die Diözese Posen. Zur Affäre Polonyi. e. Die Baronin Schönberger erklärt, sie stehe der Politik vollständig scrn, und habe weder direkt noch indirekt einen Ein fluh aus die Berösfentlichung des Briefes Polonyis ausgeübt. Dieser Bries wäre veröffentlicht worden, ohne dah sie befragt worden ist oder ihre Einwilligung gegeben habe. Es wäre auch absolut unrichtig, dah sie mit hohen Persönlichkeiten, die in die ser Affäre genannt werden, in Beziehungen stand. Hiermit wäre auch für sie die Möglichkeit entfallen, dem Ansinnen in dem Briese Polonyis Folge zu leisten. (Sieh politischen Wochen blick.) Uns sind die Deutschen lieber. Marquis Anglade und Marquise C u ve r v i l l e wurden ins Gefängnis von Lorient gebracht, weil sic bei der In ventaraufnahme des Seminars in Turay die gegen das an rückende Militär demonstrierende Menge führten. Aus dieser wurden Ruse, wie: Uns sind die Deutschen lieber! laut. Die Marquise Euverville verletzte mit ihrem Regenschirm einen Kommissar unterhalb des rechten Auges. Sammlungen für die drulsche Sozialdemokratie in Frankreich. Die Parteileitung der deutschen Sozialdemokratie lieh in Paris, wie erst jetzt bekannt wurde, Sammellisten zirkulieren für ihren Mahlsand zu den Reichstagswahlen. Die gesam melten Gelder werden von dem hiesigen deutsch-sozialistischen Leseklub zentralisiert und sind bereits namhaste Summen ein- geslossen. — Interessant ist es, dah die Pariser Presse, die ur sprünglich einen gewaltigen Sieg der Sozialdemokratie bei den deutschen Reichstagswahlen prophezeit hatte, jetzt plötzlich etwas skeptischer geworden war. So meinte gestern die sozialistische Petite Republique, alle Anzeichen sprächen dafür, dah der neue Reichstag keine Peränderung in der Stärke der verschiedenen Parteien ausweisen werde. Das neue spanisch« Ministerium. e. Der König bestätigte gestern das neue Ministerium, das sich solgendermahen zusammensetzt: Ministerpräsident Maura, Auswärtiges Allen de Salazar, Inneres Lacicrva , Finanzen Osma, Oeffentliche Arbeiten Besada, Krieg Lono, Marine Ferrandiz, Unterricht Rodriguez Sampedro, Justiz Mar ques Figueroa. Aus -em Königreich Sachsen. Haftpflicht der Lad«ng»schästs-Jnhab«r bei Glatteis. Bor dem Schaufenster eines Ladens kam nach beendetem Ein käufe eine Frau zu Falle uud zog sich dauernde Verletzungen am Arme und am Beine zu. Der Ladcngeschüsts-Inhaber halte ein für alle Male einen seiner Angestellten mit Befreiung des Fußsteiges von Eisbildungen vor dem Laden beauftragt. Diese dritte Person hatte jedoch an dem Unglückstagc den Weg nicht vollständig gereinigt bezw. bestreut und so ereignete sich der ver hängnisvolle Sturz der Frau. Diese verlangte nach Wieder herstellung von dem Geschäftsinhaber Schadenersatz und erzielte in allen Instanzen ein obsiegendes Urteil. Das Reichsgericht hob in seiner Urteilsbegründung u. a. folgendes hervor: Der An spruch der Klägerin ans Schadenersatz setzt nach tz 828,2 des Bürgerlichen Gesetzbuches voraus, dah ein Verschulden vorliegt. ES ivar daher aus Grund des 8 277 des Bürgerlichen Gesetzbuches seftzustellen, ob der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anher acht gelassen hat. Zn Gunsten des Beklagten muhte angenommen werden, dah einem als zuverlässig bekannten Arbeiter von dem Beklagten nicht blvh die allgemeine, sondern auch in einem früheren Falle die besondere Anweisung gegeben den vergangenen Jahren in den Grenzen von 20 bis 80 bewegt. Der grohcn Einfuhr von fertigen Schissen steht eine ungleich kleinere Bestellung aus fremde Rechnung gegenüber: sie betrug 1996 an Dampsschissen: 21551 Brutto Reg.-Tons — 6 Prozent, an Segelschiffen: 7692 Brutto Reg.-Tons — 11 Prozent des gesamten deutschen Schiffbaues. Dah in Zukunst eine Stei gerung dieser Zahlen sür Ausfuhr etntritt, ist nicht anzu nehmen, da so ziemlich alle Länder, sür die Deutschland in frühe ren Jahren Schisssmatcrial geliefert hat, sich auch aus diesem Gebiet selbständig gemacht haben, oder aber im Kriegsschissbau durch politische Verhältnisse gezwungen sind, ihre Aufträge an derweit zu vergeben. Der deutsche Schiffsbau 1906 im Vergleich mit den voran gegangenen Jahren ergibt folgendes Bild: Da >npfsch isse Segelschiffe Hatzr Ilnz.dci fertig- Lrulto Anz der serlig- Lrulto gestellt. Schiffe Keg >Ton gcstellt. Schiffe Keg-Ton. 19oo .7 242 507 I7«> 39 271 ISO» 280 260 990! i 212 288 ! ! 2ll 30 707 1902 227 280 58 71-', 1908 229 259 683' t, I 278 15 628 I!n>4 278 2ll 000 ' 25«! 19 712 190.', 320 266 88:! 32.'. 51 528 1906 877 j! 812 005 .5, 390 52 986 Für das Jahr 1907 ist eine weitere Steigerung im deutschen Schiffbau zu erwarten, da sich jetzt schon auf unseren Wersten im Bau befinden: Dampfschiffe von insgesamt 869 500 Brutto Reg.-Tons und Segelschiffe von insgesamt ca. 26 150 Brutto Reg.-Tons. Das Giraffenhaus. Eine Geschichte mit dem Motto am Schluh. Fritzchen, vier Jahre alt, geboren und „groh" geworden in einer kleinen Industriestadt des bergischen Landes, steht slins Woche» vor seinem Geburtstag. Als ein weiser Pädagoge kündet ihm Papa schon jetzt an, dah ihm als Haüptgeschenk blühen soll eine Reise nach Köln zum lieben Onkel Theodor mit dem daran geknüpften Besuch des Zoologischen Gartens . . . . .Allerdings nur, Mein Junge, wenn du vn nun an immer ein ganz, ganz artiges Kind sein wirst." . Ein junges Menschlein, das zum ersten Mal eine richtige Reise machefff-Köln schauen, gar den lieben Onkel Theodor be suchen und schMstlich zu allem Uebersluh die Wunder des Zoolo- worden ist, vorhandene Glätte vor dein Laden zu beseitigen. Dies schliesst aber noch nicht ein Verschulden des Beklagten aus. Das Mah der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist je nach Lage des einzelnen Falles verschieden. In« dem vorliegenden speziellen Falle handelt es sich nm den Fußsteig vor dem Laden des Be klagten und um eine Tageszeit, zu der der Beklagte in seinem Geschäfte tätig war und auch den Fusssteig übersehen konnte. Mit Rücksicht ans die Tatsache, dah die Auslagen in den Schaufenstern das Publiknm aulockcn und dessen Aufmerksamkeit vom Wege ablenken, verlangt die im Verkehr erfvtdcrlichc Sorg falt an einer für Bildung von GlattelS begünstigten Stelle in c h r als das vom Beklagten Geleistete. Es wäre seine Pflicht gewesen, nicht nur sür den Fall cintrctender Glätte bas Streuen anzuord- nen, sondern er hätte auch daraus achten müssen, das; seine An ordnungen ausreichend befolgt würden. Möst alledem hat der Geschäftsinhaber die erforderliche Vorsicht anher acht gelassen und war deshalb znm Schadenersatz zu verurteilen. — Es steht also scst, dah die Haftpflicht des LadeninhaberS s e h r weit geht. Die Inhaber von Läden tu» also sehr gut daran, bei der gegen wärtigen raschen Eisbildung dem Fusssteig vor ihrem Laden die g r ö h t c Aufmerksamkeit zuzuivenden. Sport-Sondrrzüge nach dem Erzgebirge. Mit Rücksicht aus die jetzt herrschende kalte Witterung, sowie in Anbetracht der cingetretenen Besserung in den Schneevcrhältnissen im oberen Erzgebirge, die wieder eine Ausübung des Wintersportes zu lassen, hat die Staatsbahnverwaltung beschlossen, die bekannten Sport-Sondcrzüge von Chemnitz nach Oberwiesenthal, von Hainsberg nach Kipsdors uno von Mügeln bei Pirna nach Geising-Altenberg nächsten Sonntag, den 27. d. Mts. wieder verkehren zu lassen. Annaberg, 25. Januar. P e r k e h r s w c s e n. Aus der nur dem Gütcrverkehre dienenden Eisenbahnlinie Königswalde— Annaberg (Ladestelle') muhte heute wegen Schneever wehung der gesamte Betrieb eingestellt werden. Voraussicht lich wird die Strecke morgen wieder frei. — Nachdem die durch eine Entgleisung hervorgerusene Eisenbahn-Betriebsstörung bet Lranzahl behoben worden ist, konnte heute der durchgehende Verkehr zwischen Annaberg und Wcipcrt wieder ausgenommen werden. Jöhstadt, 25. Januar. Beim Nuscheln ertrunken. In dem benachbarten Schmalzgrube belustigten sich am vor gestrigen Nachmittage mehrere Kinder mit Schlittenfah ren, wobei der 8jährige Schulknabe Emil Hahn aus der steilen Wiese mit seinem Schlitten in den Mühlgraben fuhr und darin ertrunken ist. Das Unglück wurde erst bemerkt, als der Schlitten aus dem Wasser sortgetriebcn wurde. Trotz sofortigen Suchens konnte der Leichnam des Kindes noch nicht geborgen werden. Zwickau, 25. Januar. Bodensenkungen. Die Um gebung des hiesigen Schwanenteiches weist wiederum Boden senkungen infolge des Kohlenabbaues auf. Das Areal soll dem nächst aufgefüllt werden. Die Kosten berechnen sich aus 100 000 Mark und sind von dem Steinkohlenverein Bürgergewerkschast zu tragen. — Die Kosten der Wiederherstellung des Ausstel - lungsgeländes hier in SMesen und Park stellen sich aus über 27 000 Mark, zu deren Deckung das Ausstcllungskomitee verpflichtet ist. Plauen, 25. Januar. Eine elektrische Automobil- Feuerwehr--Drehleiter wurde durch Beschluh des Stadtgcmcinderats sür die hiesige Feuerwehr angekaust. Der Preis der Leiter beträgt 18 000 Mark. Vor dem endgiltigen Ankauf soll eine Probefahrt stattsinden, um die Gebrauchs fähigkeit der Leiter im hiesigen bergigen Terrain zu prüfen. Demnächst soll hier auch ein Feuerwehr-Depot errichtet werden. Schöneck, 25. Januar. JnsolgehestigenSturmcs wurde hier das Dach des ehemaligen Amtsgerichtsgebäudcv a b - gedeckt. In den Wäldern richtete der große Sturm mannig fachen Schaden durch Umbrechen von Bäumen an. Brunndöbra, 25. Januar. Unterschlagung im Amt. Der von Cainsdorf nach Brunndöbra versetzte Postgehilsc H. hat sich in seiner Stellung in Cainsdorf, wie sich jetzt herausgestcllt hat, schwerer Veruntreuungen schuldig gemacht. Er hat an der Annahmestelle mindestens 700 Mark, vielleicht auch mehr, unter schlagen. Chrmnitz, 25. Januar. Vermehrung der Zahl der Stadträte. In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung stand ein wichtiger Punkt aus der Tagesordnung; cs galt, zu be schlichen, ob man die Zahl der Stadträte um einen vermehren solle. Ucbcr die Notwendigkeit der Anstellung eines neuen Stadtrats herrschte völlige Einigkeit, nur die Pcrsoncnsragc machte Schwierigkeiten. Während die einen dafür eintraten, dah ein Iurist gewählt werde, plädierten die anderen für di« Wahl eines Kaufmanns, womit sie freilich beim Ratskollegtum keine Gegenliebe fanden. Schließlich wurde die Anstellung eines Juristen zum besoldeten Stadtrat mit großer Mehrheit be schlossen. Bautzen, 25. Januar. Der Bauder Spreetalüder- brückung in Bautzen ist nunmehr gesichert. Anfang Februar wird sür den Bau ein besonderes Brückenbaubureau errichtet werden, dessen Leitung in den Händen des Herrn Baurats Her land, zurzeit Chemnitz, liegen wird. Mit dem Abbruch der wegen des Brückenbaues zu beseitigenden Häuser soll im April und Mai begonnen werden. Von Stadt und Land. Gedenktage am 26. Januar: l904 Besuch der Könige von Belgien und Sachsen in Berlin. 1902 -f Gras K. Klinkowström, deutscher Parlamentarier. Am 27. Januar: 1901 f- G. Verdi Italienischer Komponist. 1859 * Wilhelm II., deutscher Kaiser, König voff Preußen. 1814 f- Joh. E. Fichte zu Berlin. Begrün der des Philosophischen Idealismus. 1781 * Adalbert von Chamisso zu Boncourt. Deutscher Dichter. 1756 * Wolfg. Ama deus Mozart zu Salzburg. Mitrerungrtverlauk in Sackken am rZ. Januar >907. (Telephonische Mitteilung des König!. Sächs. Meteorologischen Instituts zu Dresden.) Station: ScehShe > m Temperatur wind Nieder- schlüge Max. Miu. Dresden . . . 115 — 2,8 - 9 0 .80 0 mm Leipzig .... 117 - 0,1 — 9,0 8 1» Zschadraß . . 220 — :»,t — tt.o 5 Lautzen 202 — ü.N — tt.tt 80 1» Zittau .... 258 — — — I» Lhemnitz . . 310 — 3,6 - 7.7 .880 t» Freiberg .898 0 Schneeberg . . 435 — 1,0 — 9,0 O 1» Lister .... 500 ! — - — — — 1» tltenberg . . 751 - 2.5 —15,8 080 (» Reitzenhain . . 722 — 6.« —15,5' 80 l» Fichtelberg 121 - 2,0 — 9,4 O (» Heiteres Frostwetter war am 25. Januar im ganzen Land« zu beobachten. Die Kälte hatte merklich nachgelassen. Die Mi nima der Temperatur lag nach unten — 10 Grad, während dir Temperaturmaxima bereits Werte über den Nullpunkt zeigte. Die Winde entstammten dem Süden. Trotz mäßigen Rückganges stand das Barometer noch bis zu 11,8 Millimeter zu hoch. Meldung vom Fichtelberg. Berg nebelfrei, Nebel in den Tälern, gute Schlittenbahn bis in die Täler, Schneetiese 170 Zen timeter, starker Reif erhält sich lange, großartige Rauhsroster- schctnungen, glänzender Sonnenuntergang, Abendrot, glänzender Sonnenausgang, Himmelssärbung orange. Wettervorhersage sür den 27. Januar. Mäßige westlich« Winde. Meist trübe. Bielsach Niederschläge. Etwas «ärmer ' . Aue, 26. Januar. " Wohl noch nie hat eine Reichstagswahl so eine Aufregung verursacht, wie das gestern der Fall war. Aue stand gestern wirk lich im Zeichen der Wahlen, noch nie wurde ein Kampf so schwer auögefochten wie diesmal. Das gehl schon daraus hervor, daß in unserer Stadt fast 93°/g der Wahlberechtigten ihre Stimme ab gaben, in unserem Wahlkreise machten sogar säst 96 »/„ von ihrem Rechte Gebrauch. Daraus erhellt, was sür regen Anteil das Erz gebirge an der künftigen Gestaltnng des deutschen Reich:tagrü und unserer Politik — insbesondere der Kolonialpolitik »- nimmt. Denn Pfarrer Löscher hat eine so hohe Stimmenzahl erhalten, daß seine Wahl, wenn nicht einige wenige Ortschaften ausschlaggebend gewesen ivareu, gesichert gewesen wäre. Insbesondere hat A u e sehr national gewählt, 1481 Stimmen waren sür Pfarrer Löscher abgegeben, I65-> sür Redakteur Goldstein. Die Arbeit des bürgerlichen Wahlkvmitces ist also reichlich be ohnt n orden, zu mal man in Betracht ziehen muß, das >908 der bürgerliche Kandidai cs nur aus 75>8 Stimmen, also rund die Hälfte, bringen konnte. Die Wahlbeteiligung war von Anfang an sehr lebhaft, erreichte aber ihren Höhepunkt, als Rachmittags um 4 oder 5 Uhr mehrere gischen Gartens erleben soll, ist natürlich artig — wenigstens so artig, wie es irgend geh», selbst wenn es Fritzchen heißt und erst vier Jahre alt ist. Aber in diesen Ausnahmezustand ist selbstverständlich nicht einbcgrissen ein ewiges, ewiges Befragen der geduldigen Mama: was denn nun eigentlich in diesem zoologischen Wundergarten „los" sei. Und so berauscht Fritzchen sich denn zur innerlichen Ver zweiflung und geheimen Verwünschung ihrer pädagogisch-besseren Hälfte durch Vermittelung seiner geduldigen Mama und eines ticrreichen Bilderbuches süns Wochen lang tagtäglich zwei- bis fünfmal an Löwen, Elefanten, Tigern, Seehunden, Kamelen, Assen und sogar Girassen. Giraffen!! Schon das Wort, nein, schon dieses Wort allein ist zu schön, zu „komisch", zu „gräßlich ulkig" ... Es umkapselt geradezu Berge ahnungsloser Wunder. Wenigstens empfindet cs Fritzchen so eigenartig, wenn er cs in einem solchen aparten Bild auch nicht auszudrllcken vermag; kurz, Giraffen sind ihm ein inneres Erlebnis. Denn man denke: Tiere mit so hohen Beinen, wie der Papa groß ist — und noch ein Stück dazu! Tiere mit einem Fell von so außerordentlicher Farbe, daß selbst die kluge Mama keinen passenden Vergleich zu finden weiß. Tiere mit einem Hals, durch den ein Schluck Wasser nach Papas maßgeblicher Meinung süns Minuten gebraucht, um in den Magen zu kul lern! Ja, überhaupt dieses Kullern schon! In seine nächtlichen Träume hinein hört Fritzchen den „ulkigen" Klang. Kurz und gut: Tiere, für die sogar ein „cxtracs, entsetzlich" großes Haus hat gebaut werden müssen .... solche Tiere gibt es; Girassen heißen sie, und Fritzchen soll sie sehen!! Also, zur Bestärkung nur die einfache Wiederholung: dieser Gedanke an sich ist ihm ein innerliches Erlebnis!! Wenn nur die Welt noch so lange hält, bis cs Wirklichkeit geworden . . . nur süns lange Wochen noch! . . . Lieber Gott, und dann laß mich doch, bitte, noch die Girassen sehen und sic nicht sterben. Amen!" (Aus einem Nachtgebet!" Und die Welt hält, Fritzchen hält sich, und der liebe Gott erhält die Giraffen ... der große Tag ist da! Natürlich ein Sonntag, weil Papa — heute „Papachen" — sonst ja nicht kann. Fritzchen ist noch in dem Alter, daß es ihm egal sein kann, welchen Tag seine guten Eltern als den- für seinen Geburtstag paffenden zu bestimmen belieben. Nur das eine wäre ihm in diesem Augenblicke peinlich: Wenn sie ihn jetzt noch einmal süns Wochen oder auch nur drei Tage htnausschieben würden. Aber das geschieht gottlob nicht! Im Gegenteil: schon um 6 Uhr befreit man ihn, nach einer halb schlaflosen Nacht, aus seinem überhitzten Bettchen. und schon um 8 Uhr sitzt er, respektive kniet er in Elberfeld in der einen linken Ecke des Kölner Schnell zuges neben „Mamachen", die eine Birne ißt (zu Frihchens Er staunen, der nicht begreifen konnte, wie man, wenn man nach Köln und dem Zoologischen Garten sahren will, in solcher Ge lassenheit eine Birne zu essen vermag; ... er seinerseits hätte cs „höchstens" sür einen Groschen Belohnung fertig gebracht) und vi» ü vin von „Papachen", der seine Morgenzigarre raucht (etwas noch Wunderbares!) Ja, und sogar nach endlosen drei Minuten Wartezeit sährt der Zug richtig los! O, du sausende, summende, singende Kinderherrlichkeit! Eine erste Reise . . . und noch dazu im Schnellzug!!! Man genießt ihre Wonnen schweigend, mit dem an die Scheibe plattgedrückten Näschen, mit empfindungslosen, cingewinkelten Kniechen, mit glänzenden Augen, die in den lustigen Tanz da draußen hinein lachen. — O, du summende, singende, sausende Wohltat, die Fritzchen schweigen macht . . . endlich mal! „Mamachen" kann ein wenig nickcrn, „Papachen" in Ruhe seine Sonntagszeitung lesen . . . Zeile sür Zeile, Spalte sür Spalte, Seite sür Seite, Blatt sür ... . Nein! — schade, nun ist's vorbei. Mit Donnergepolter rattert der Zug aus die gewaltige Brücke, die den Rhein über spannt. Na, und das ist man sich und ihm wohl schuldig: auf Vater Rhein muß man den Jungen doch aufmerksam machen „Papachen" faltet also seine Zeitung zusammen und beginnt, während das erwachte „Mamachen" das wenige Gepäck ordnet, also: „Na, nun hätten wir's ja geschasst! Siehst du, Junge, wenn man artig ist! — Jetzt sind wir gleich in Köln. Und guck' mal, das viele Wasser da unten . . . siehst du da hinten die Schiffchen'? das ist der Rhein . . . Aber warte mal, nachher, wenn wir..." Da ist die Brücke zu Ende, bremsend, langsamer, stampfend, knarrend wendet sich der Zug ein wenig nach rechts. Und da . . . .'? Wie ein Ungewitter dreht Fritzchen sich um, das Fin- gerchen energisch hingercckt, die funkelnden Augen auf die Li tern gerichtet, brüllt er los: „Da, Mama ... da ... das Gir- assenhaus . . .!!! Papachen! — das Eirassenhaus seh' schon . . .!!! -" Motto: Doch siehe! dort im Mondenschein Den kolossalen Gesellen, Er ragt so verteufelt schwarz empor, Das ist der Dom zu Köllen. (Heine „Deutschland", Kap. IV.) Mondenschein paßt zwar nicht ganz in Fritzens Situation, was aber hoffentlich den Wert der Geschichte nicht schmälert
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)