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und Anzeiger für das Erzgebirge vemutworUicher Redakteur. Fritz Ar»l>old. Für die Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer beide iu Alte. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von g—L Uhr. — Tclegramm-Adreffe: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuski ipte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthu «r (Inst.: Paul Leuthner) in Ane. Bezugspreis: Durch unsere Roten frei ins Haus monatlich so pfg. Bei der Geschäfts»«»? abgestolt monatlich ,0 pfg und wöchentlich t<i pfg. — Lei der Post bestellt und selbst abgestolt vierteljLstrlich t-so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich ,.gr Mk. — Einzelne Nummer <o Pfg — Deutscher postzeit»ngs> katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens g'/r Uhr vormittags. 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In acht Wahlkreisen ist es zur Stichwahl gekommen. * Die Reichstagswahlen haben eine Stärkung der nationalen Parteien ergeben. Die Sozialde mokraten haben an Sitzen eingebiitzt. Das Zentrum scheint nach den bisher vorliegenden Resultaten in alter Stärke, wenn nicht gar mit geringer Zunahme einzu ziehen. Der neue Reichstag soll voraussichtlich zum 11. Fe bruar ein berufen werden. *) Näheres siehe unten. Politischer Wochen-Mckblick. - Die Reichstagswahlen sind vorüber, die Würfel sind ge fallen und mit dem heutigen Tage beginnt wiederum ein neuer Abschnitt in der inncrpolitischen Geschichte Deutschlands. — Man kann nur wünschen, daß er uns neuen Fortschritt und nicht etwa einen Rückschritt bringt und bei den Wahlergebnissen, so wett sie vorliegen, ist das zu erwarten. Kolonialdirektor Dernburg hat mit einer Energie, die fast an John Ehamberlain und Lueger erinnert, für seine ge liebten Kolonien eine Reihe siegreicher Redeschlachten geschlagen, und in München wie in Stuttgart wurde er wie der Bringer einer frohen Heilsbotschaft gefeiert. Wir möchten nicht in den Fehler verfallen, der neuen Kolonialexzellenz Borschutzlorbeeren aus das Haupt zu drücken, aber die Art und Weise, wie Herr Dernburg sich für die Zukunft unserer überseeischen Besitzungen einsetzt, hat etwas Erfrischendes an sich. Er ist ein Optimist, aber einer von denen, die den Willen haben, die Zukunft nach ihrem Ideal zu gestalten, er ist kein Maler in Rosenrot, sondern ein Kämpfer. Jedenfalls kann Herr Dernburg die Genug tuung, daß alle Deutschen, die von der Notwendigkeit eines überseeischen Deutschlands als Reservoir für die überschüssige Bc- völkerungszahl des Mutterlandes überzeugt sind, der Fahne folgten, die er siegesbewusst vorantrug. Eine böse politische Skandalassäre bildet augenblicklich die Sensation in Oesterreich-Ungarn, und auch im Aus lande verfolgt man mit Interesse die schmutzige Geschichte, in deren Mittelpunkt der ungarische Justizminister, Herr Polo ny i, steht. Ueberall gibt es leider Individuen, die es verstehen, trotz einer anrüchigen Vergangenheit in der Oesfentlichkeit eine Rolle zu spielen. Es gehört dazu weniger geistige Begabung als eine eiserne Stirne, viel Protektion und gute Beziehungen, die dem Streber einen Einblick eröffnen in die diskrete Seite des politischen Getriebes. Aber wenn ein Politiker sich nicht die Hände reingehalten hat, so kommt für ihn früher oder später die Stunde, wo sich die Vergangenheit gleich einem unerbittlichen Gläubiger erhebt und ihren Tribut fordert. Dann ist seine Rolle in der Regel ausgespielt, und er tut gut daran, geräuschlos zu verschwinden. So geht cs wenigstens in den Kulturstaaten zu, aber in Ungarn scheinen noch Ansichten über politische Moral zu herrschen, die mehr orientalischer als occidentaler Natur sind. Denn sonst wäre es wohl undenkbar, datz Polonyi noch immer das Juslizportcfeuillc in Händen hat, trotzdem er öffentlich der Bestechlichkeit, Erpressung, ja sogar eines Diebstahles be schuldigt wird. Er weigert sich jedoch, seine Demission zu geben, und seine Kollegen im Kabinette Wekerle haben offenbar nicht den Mut, gegen ihn energisch vorzugehen, weil er zuviel von den Umtrieben weih, denen die Koalition ihre Herrschaft in Ungarn verdankt. Hört cs sich denn nicht wie ein spannendes Kapitel aus einem Hintertreppenroman an, wenn Polonyi und Aponyi eine Baronin Schönberger, eine frühere Halbweltdame, die sich durch ihre Verheiratung mit einem verkrachten Adeligen die Baronie verschosst hatte, mit der Aufgabe betrauen, ihre dis kreten Beziehungen zu Persönlichkeiten der hohen Wiener Aristo kratie dazu auszunutzen, die Krone wegen ihrer Stimmung gegen die ungarische Koalitionspartei auszuhorchcn'? Dabei ist Herr Po lonyi so unvorsichtig, kompromittierende Briefe schlimmster Art an die Baronin zu richten und ihr für die geleisteten Dienste 50 000 Kronen zu versprechen. Als die Baronin aus die Aus zahlung dieses Betrages drängte, da pumpt sich der wackere Mann diese Summe wirtlich zusammen, behält sie aber für sich! Natürlich droht die Geprellte mit Skandal und Veröffentlichung der interessanten Briefe. Uno was macht Herr Polonyi? Er lockt die Baronin zu sich in die Wohnung, drückt sie mit seiner herkulischen Körperkrast aus den Divan nieder und nimmt bei ihr eine Leibesvisitation vor, weil er vermutet, datz sie die Briese bei sich in den Kleidern trägt! Wahrlich, ärger kann die in Un garn herrschende Adclsklique nicht mehr blotzgcstellt werden als durch die Affäre Polonyi. John Bull und Bruder Jonathan haben mitein ander anlätzlich des Zwischenfalles in Kingston ein Hühnchen gepflückt, und dieser kleine Zwist belehrt uns wieder einmal da rüber, datz die wirtschasts-politischen Gegensätze zwischen England und Nordamerika sich durch die Blutsverwandtschaft keineswegs Uberklcislcrn lassen. Uncle Sam hat es angeblich gut gemeint, als er in Kingston Matrosen landen lietz, um den dortigen Be wohnern bei ihrer Erdbcbennot beizustehen, aber der Engländer zeigt kein Verständnis für solchen Wohltätigkeitssinn und ries dem Amerikaner ein rauhes „Hands off" zu: Ich brauche keine fremde Hilfe. In Frankreich hat man diese Zurückweisung als einen energischen Protest gegen den Versuch der Amerikaner, wieder einmal die Monroe-Doktrin praktisch zu betätigen, aus gelegt und wahrscheinlich auch mit diesem Kommentar das Rich tige getrosten. In Rutzland verdüstert sich die innerpolitische Situation immer mehr, je tiefer es in die Dumawahlen hineingeht, welche die Parteikämpfe von neuem zu grotzer Leidenschaftlichkeit zu entfesseln drohen. Dazu die Schwierigkeiten in Ostasien mit den Japanern. Kurz und gut, das neue Jahr hat im mosko- witischen Riesenreiche keinen guten Anfang genommen. Politische Tagesschau. Aue, 26. Januar 1907. Ist der Kaiser wahlberechtigt? Unter denen, die gestern ihren Stimmzettel abgegeben haben, befinden sich auch dieMinistcr und Staatssekre täre und auch der Reichskanzler. Aber der Kaiser? Dürfte auch er wählen, wenn er sonst Neigung dazu verspürte? Schlankweg zu beantworten ist diese Frage wie der Information von unter richteter Seite mitgcteilt wird, nicht. Datz der Kaiser das passive Wahlrecht nicht besitzt, ist selbstverständlich, da der Reichstag ohne Zustimmung des Kaisers nicht aufgelöst werden, die Aus lösung aber nicht von der Zustimmung eines Mitgliedes des Reichstages abhängig sein kann. Dagegen kann der Kr 0 n - prinz zum Mitgliede des Reichstages gewählt werden, da aktive Militärpersonen, zu denen der Kronprinz gehört, zwar nicht das aktive, wohl aber das passive Wahlrecht besitzen. Wählen aber darf der Kronprinz aus dem soeben angeführten Grunde nicht. Und der Kaiser? Ist er als Oberbefehlshaber der gesamten Land- und Seemacht nicht ebenfalls als aktive Mi litärperson anzusehen und zum Wählen nicht berechtigt? Da rüber gehen die Meinungen der Rechtsgelehrten auseinander. Die einen bejahen die Frage, das heitzt, sie gestehen dem Kaiser ein aktives Wahlrecht nicht zu: die anderen aber verneinen sie, das heitzt. sie behaupten, datz der Kaiser, der Deutscher und über 25 Jahre alt sei, wählen dürfe, wenn er sonst wollte, indem sie betonen, datz der Kaiser als Oberbefehlshaber der Land- und Seemacht zu diesr nicht gehöre, sondern über ihr stehe und daher als aktive Militärperson, für die das aktive Wahlrecht ruht, nicht betrachtet werden könne. Papst und Reichstagswahl. Im 13. elsaß-lothringischen Wahlkreise tritt dem offiziellen Zcntrumskandidaten ein nationaler Katholik, Fabrik besitzer de Wendel, gegenüber. Wie aus Diedenhosen ge meldet wird, erhielt diesr national-katholische Kandidat vom Papste ein Telegramm, in dem ihm der Sieg am Wahl tag gewünscht und dazu der apostolische Segen erteilt wird. Ebenso soll Kardinal Fischer in Köln auf feiten der nationalen Bewegung im Katholizismus stehen. Die Erzbischosswahl in Posen. Wie die Neue Polit. Korrespondenz von vertrauenswürdiger Seite erfährt, soll es in der Absicht der maßgebenden Kreise lie gen, die Zustimmung keinem der seitens der Domkapitel vor- gcschlagenen Kandidaten für de» Erzbischossstuhl von Posen und Der deutsche Schiffsbau im Jahre 1906. Für die deutsche Schisssbauindustrie, die sich aus den klein sten Anfängen zu einem verhältnismäßig großen Faktor im wirt schaftlichen Leben des deutschen Volkes emporgeschwungcn hat, bildet das Jahr 1906 den Höhepunkt des bisher Erreichten. Wenn in den siebziger Jahren bei dem plötzlichen Anwachsen un serer überseeischen Handelsinteresscn dem damit Hand in Hand gehenden Bedarf nach größeren Seeschissen von unseren da maligen Wersten nicht Rechnung getragen werden konnte, so er klärt sich dieses aus dem derzeitigen allgemeinen industriellen Tiefstand Deutschlands. Unsere Reedereien, zum größten Teil rein deutsche Gründungen, waren gezwungen, ihren Bedarf im Auslande, namentlich in England, zu decken, und beinahe zwei Jahrzehnte hat es gedauert, ehe es uns gelungen ist, uns einigermaßen vom Auslände unabhängig zu machen. Die Zahl der Wersten sür Secschifssbau war in dieser Zeit auf ungefähr 25 angcwachsen, eine Zahl, die in den letzten tü Jahren kaum eine Veränderung erfahren hat. Den vermehr ten Anforderungen wurde durch eine Vergrößerung der Betriebe entsprochen. Während nun in den vorhergehenden fünf Jahren der Brutto Register-Tonnen-Gehalt der in Deutschland fertig gestellten Schisse ziemlich konstant war, hat er in dem verflossenen Jahre nicht unerheblich zugenommen, und gleichzeitig hat auch die Anzahl der abgelieferten Fahrzeuge eine beträchtliche Ver mehrung erfahren. Für den Bau von Kriegsschiffen kom men außer den drei kaiserlichen Wersten Kiel, Wilhelmshaven und Danzig nur noch sechs Privatwersten, Weser-Bremen, Blohm u. Botz-Hamburg, Germania-Kiel, Bulkan^tettin, Schichau-Dan- ztg und Elbing in Betracht, und außerdem ist die Anzahl der jährlich im Bau zu gebenden Schisse auf Jahre hinaus durch Flottenbayplan geregelt. Ein allgemeiner Aufschwung kann also nur durch eine vermehrte BaütLtigkett für die Handelsmarine etntreten: und wenn di« letzte Zeit in die ¬ ser Beziehung sür die deutsche Schisssbauindustrie sehr glücklich war, so liegt das in erster Linie an der Einrichtung einiger neuer Dampserlinien und dann auch nicht zuletzt an den ziemlich erheblichen Verkäufen älterer Schisse an andere Staaten, so hauptsächlich während des russisch-japanischen Krie ges. Natürlich mutzten die Lücken durch Neubauten ausgesüllt werden, deren Abliesrung zur Hauptsache wohl im vergangenen Jahre erfolgt ist. Aus den 02 Privatwersten Deutschlands, die sich in der Hauptsache mit Stahlschissbau beschäftigen, wurden nach den An gaben des Germanischen Lloyd im Jahre 1906 sertiggestellt: Seeschiffe: Dampfer: l52 mit 309 031 Brutto Register-Tonnen Segler: 31 mit 8 263 Brutto Register-Tonnen Flußschiffe: Dampfer: 102 mit 11 273 Brutto Register-Tonnen Segler: 21 mit 991 Brutto Register-Tonnen Fahrzeuge zu besonderen Zwecken: Dampser: 105 mit 3 030 Brutto Register-Tonnen Segler: 335 mit 13 729 Brutto Register-Tonnen Kriegsschiffe: 18 mit 27 670 Brutto Register-Tonnen Von den Seedampfern haben 56 eine Länge unter 50 Meter 63 eine Länge zwischen 50 und 100 Meter 31 eine Länge zwischen 100 und 150 Meter 1 eine Länge zwischen 150 und 200 Meter I eine Länge über 200 Meter An den verbreite st en Typ nicht allein des letzten Jahres, sondern auch des vorhergehenden, mutz man die Fracht schiffe in den Längenmaßen zwischen 75 und 125 Meter mit 10 bis 12 Seemeilen stündlicher Geschwindigkeit ansehen: nach An gabe der Reeder läßt sich mit ihnen die grüßte Wirtschaftlichkeit erzielen. Kleinere Schiffe werden fast ausnahmslos nur noch für den Küstenverkehr gebaut, während die Ozeanriesen ihr Entstehen mehr der Konkurrenz der großen Reedereien als der Rentabilität verdanken. Der vermehrten Bautätigkeit der deutschen Wersten steht aber auch »och eine ganz erheblich größere Anzahl von Aus- landsbaut'/n für deutsche Rechnung gegenüber, nämlich 35 Dampsschissc mit 100 912 Brutto Rcg.-Tons, gleich 23 Prozent des Eesamtdampfcrtonnengchaltcs, darunter allein 21 Dampfer von 100 bis 150 Meter Länge. Dieser hohe Pro zentsatz (1903 : 9,5 Prozent, 1901: 2 Prozent, 1905: 20 Prozent) namentlich die plötzliche große Steigerung im Jahre 1905, hängt auch mit den deutschen Schisssverkäufcn zusammen. Den plötz lichen vermehrten Anforderungen nach Neubauten waren die deutschen Wersten nicht gewachsen oder konnten nicht so schnelle Lieferungstermine annehmen. Die Reeder mußten sich also nach England wenden, wo sie die Neubauten in sehr kurzer Zeit er halten konnten. Wie verschiedentlich in England aus dem Industriege biete, so herrscht auch bei den bedeutenden Werften mehr Groß zügigkeit, indem sie nicht nur die in Auftrag gegebenen Schiffe bauen, sondern nebenbei auch noch aus eigene Rechnung ein oder mehrere Fahrzeuge desselben Typs, wodurch die Her stellungskosten, wie stets bei Engrosfabrikation, natürlich billiger werden. Der Bau wird nicht forciert: tritt aber irgend ein Bedarf ein, so ist es leicht möglich, das halboollendete Schiff in sehr kurzer Zeit fcrtigzustellen und vorteilhaft zu verkaufen. Datz diese große Zahl von Auslandsbauten bald wieder zurückgehen wird, zeigt sich daran, datz die in England für deutsche Reeder noch im Bau befindlichen Schiffe nur 9 Prozent aller auf Stapel liegenden deutschen Dampfer auschachen. In unserem Segelschiffbau nimmt Holland einen sehr großen Platz «in, es hat 1906 29 Prozent sämtlicher deutlch»-- Segelschisfe geliefert, allerdings zum bei weiten^ gröyr«» Teil Rheinschtff« und SchlepMhne. Ditser Prozentsttz hat sich auch in