Volltext Seite (XML)
St. Ä-m-r l»»7. L20ÜÜ»-« Nr. 2». Zweiter Jahrgang. luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: Fritz Arnhold. §Ur die Inserate verantwortlich Arthur Kupier. beide iu Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde -er Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von q—5 Uhr. — Teiegramm-Adresie: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202 Für unverlangt eiugesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet weiden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner, in Au». Bezugspreis: Durch unsere Boten srei ins Saus monatlich so 0fg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich ,0 psg. und wdchentlich t» pfg. — Lei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich (.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich i.gr Mk. - Einzelne Nummer >0 psg. — Deutscher Postzeitungs. katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens g>j, Uhr vormittags. Für Ausnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stetten kann nur daun gebürgt werden, wenn sic am Tage vorher bei uns emgehen Znsertiouspreis: Die fl-bengespaltene Korpuszeile oder deren Raum (0 Pfg-, Reklamen 2S psg Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Viese Nttittinev 8 Seiten Das Wichtigste vom Tage. Kolonialdirektor Der »bürg hielt gestern abend in Stuttgart einen Kolonialvortrag mit dem Appell: Halte, wasduhast. * Aus allen Gegenden Europas liegen Nachrichten über furchtbare Kälte und Unwetter vor. Biele Per sonen sind erfroren. * In Lemberg fanden im Universitätsgcbäudc schwere Ausschreitungen der Studenten statt, bei denen der Rektor nicht unerheblich verletzt wurde. * * Der russische M a r i n e m i n i st c r Birilew hat seine Entlassung erhalten. Zu seinem Nachfolger wurde Admiral Dickow ernannt. » Nach dem Bankett im Königlichen Schlosse in Madrid be auftragte der Ministerrat gestern seinen Präsidenten, dem Könige heute die Vertrauensfrage zu unter breiten. Der französische Admiral Bilranger ist plötzlich ge hör den. In Kingston sind abermals heftige Erdstöße erfolgt, die an Gebäuden schweren Schaden anrichteten. * *) Näheres siehe unten. Nachdenkliches zur Kanzlerrede. - Und Bülow sprach! Auf den Silvesterbries des Kanzlers ist eine Rede vor dem kolonialpolitischen Aktionskomitee gesolgt, und hat das offiziöse Depeschenbureau auch die grotze Rede des Kanzlers noch fast ehe sie gehalten war, im Wortlaut der Oessentlichkeit übergeben. Es war das um so notwendiger als ja aus den speziellen Wunsch des Kanzlers die Presse von dem Festessen und der damit verbundenen Kanzlerrede ausge schlossen blieb. Nun ist die grotze Rede veröffentlicht und natürlich auch bereits entsprechend kommentiert worden. Ihr Inhalt lätzt sich trotz ihrer respektablen Länge recht kurz zu jammensassen: der Kanzler wünscht ein Zusammengehen der Konservativen und Liberalen gegen das Zentrum, das aus kleinlichem Partei- und Fraktionsgeist heraus einer grotzen nationalen Frage gegenüber völlig versagt hat, und das auch sonst seiner Tendenz nach eine Gefahr für das Bestehen des Deutschen Reiches bedeutet. Darum also: Kamps aller na- Der Kaiser kommt. Ben Friedrich Sieck (Nachdruck verboten.) Die norwegische» Fjorde in ihrer düsteren Romantik üben einen mächtigen Eindruck aus jeden Menschen aus, der in ihren Bannkreis kommt. Es ist daher wohl begreiflich, datz der deutsche Kaiser allsommerlich in die erhabene Einsamkeit der nordischen Landschaft zieht, um sich zu erholen von seinen Regierungsge- schästen und neue Krast zu schöpfen hier aus dem unentweihten Born der Einsamkeit. Kaiser Wilhelm sucht mit Vorliebe die einsamsten Winkel der düsteren Fjorde und der nordischen Berg welt aus und ist aus der Suche nach solchen Plätzen, die vielleicht kaum jemals Meuschenfutz betreten, Psadsinder und Entdecker gerade der landschaftlich schönste» Punkte geworden, um welche noch das Geheimnis der Urzeit weht. Kaiser Wilhelm, der Nord- landssahrer, hat Norwegen dem Weltverkehr erschlossen und da mit eine neue Lcbensquelle für Norwegen, die auch dem deutschen Unternehmergeiste zugute kommt — — — Thor Thorsen kam vom Fischsang zurück. An der Tür seines Hauses empsing ihn seine greise Mutter in gewohnter Weise mit ihrem frommen Grutz „Gott sei gedankt". Thorsen achtete dies mal kaum aus den Grutz. „War Erik Eriksen hier, Mutter?" fragte er barsch und ein finsterer Blick begleitete seine Worte. „Nein, Erik war nicht hier; er ging vorüber." „Und Thora?" „Thora? Thora sieht nicht aus, wenn's ihr Vater nicht haben will." „So — hm " Der Fischer hatte sich bald seines Oelkittels und Südwesters entledigt und trat dann in das behagliche Wohnzimmer, wo seine Tochter Thora ihm den Tee bereitet l-atte. Thora ging ihrer Hausarbeit wieder nach, still und in sich gekehrt. Grotz- mutter Thorsen sah sinnend vor sich hin. Nach kurzer Zeit gegen seitigen Schweigens sprach die Alte ernst, mahnend mit leiser, tional gesinnten Männer gegen das Zentrum And gegen die Sozialdemokratie! Das Echo, datz diese Rede des Kanzlers sand, war verhält- nitzmätzig recht matt. Man begnügte sich zumeist mit der Kon statierung, datz der Kanzler eigentlich absolut nichts neues gesagt hat. Was ja im allgemeinen auch zutreffcn mag. Und was an der Rede vielleicht neu war, das liest sich merk würdig und seltsam, und stimmt zudem wenig mit d e m überein, was bisher bekannt war. Den» bisher wusste beispielsweise niemand, datz unsere innere Politik sich bestimmt durch die kolonialen Ereignisse, wie der Kanzler andeutete. Und das Verhalten der Regierung dem Zentrum gegenüber lietz bisher wohl auch nicht daraus schliehen, datz der Reichskanzler diese Partei für vaterlandsseindlich hielt, und über sehr viele Dinge lietze sich noch reden. Die Feindschaft ist ja auch erst neueren Datums — doch, was kümmern wir uns augenblicklich darum! Nicht was der Kanzler dem Zentrum an Sünden vorwars, inter essiert uns in erster Linie, sondern vor allem anderem ist uns interessant, was der Kanzler von den Liberalen resp. von dem von ihm gewünschten Konservativ-liberalen Block will! Und darüber gibt die Rede des Reichskanzlers leider nur recht notdürftigen Ausschlutz. Wir wissen zwar, datz der Kanzler von diesem Blocke die bedingungslose Unterstützung seiner Kolonialpolitit verlangt, aber mehr ist uns leider nicht gesagt worden. Nun heisst es aber in der Politik noch viel mehr als anders wo: wenn du nehmen willst, so gib! Der Reichskanzler konnte nun allerdings nichts geben, denn die Regierung hat ab solut nichts herzuschenken. Aber versprechen hätte er wenigstens das eine oder andere können, und gerade davor hat er sich an scheinend ganz besonders gehütet. Er hat vielmehr ausdrUck- l i ch erklärt, sich über das Programm seiner inneren Politik nicht auslassen zu wollen. Ja, das ist denn doch gar zu merk würdig. Die liberalen Parteien sollten also nach dem Wunsche des Kanzlers brav regierungsfreundlich wählen; was nachher kommt und ob die Regierung dann zum Dank dafür auch ein wenig liberal regieren will, darüber schweigt des Sängers Höf lichkeit. Der Reichskanzler macht sich denn doch die Geschichte ein wenig gar zu leicht. Uns will scheinen, als ob die liberalen Parteien dem Kanzler eigentlich nur dann gut genug wären, das Zentrum zu bekämpfen. Sonst wird dann slott agrarisch weiterregiert. Die Regierung dürste sich aber in der Annahme, datz die liberalen Parteien ohne weiteres daraus eingehcn, denn doch etwas täuschen. Alles hat ein Ende und auch die Geduld. Wenn der Regierung die liberalen und nationalen Parteien nur als Mittel zum guten Zweck genehm sein sollten, um hinter her wieder einmal an die bekannte Wand gedrückt zu werden, dann sind sie es sich selber schuldig, der Regierung zu zeigen, datz sie ein solches Spiel sich gefallen lassen. N u r im Kamps gegen das Zentrum und die Sozialdemokratie Mitwirken und nachher brav Steuern zahlen und ruhig sein — das ist eine nicht besonders verlockende Ausgabe. Hoffentlich zeigt man unserem diplomatischen Reichskanzler gleich nachdem Zusammen tritt des neuen Reichstages, datz er sich dazu doch andere hätte aussuchcn müssen! stockender Stimme. „Mein Sohn, du solltest — die Herzen der Kinder — nicht — brechen du kannst — sie nicht — wieder heilen. " Thor Thorsen brütete finster vor sich hin. Die Sprache der Greisin wurde dringender. „Thor, hast du Erik gänzlich von der Thür gewiesen?" Es vergingen Minuten, ehe der Sohn antwortete. „Nein, — mit Worten nicht — aber er wird mich wohl auch ohne Worte verstanden haben." Die Sprache klang hart und rauh. „Dir wurde einst die Tür ge- össnet, mein Sohn, als du um Thoras Mutter warbst und — deine Mutter segnete deine» Gang." — Das Mutterwort klang weich und warm; ihr sanfter Blick verriet Schmerz. „Ich war Thor Thorsen — und nicht Erik Eriksen." — Der Stolz traf. „Mehr als ein liebendes Herz hattest du auch nicht zu bieten, und das genügte deinem Schwiegervater als Unterpfand zum Glück seiner Tochter und zu deinem Glück. — Wenig gehört zum Glück — nur das Rechte und dieses Wenige und Rechte wird Erik unserer Tochter auch bringen —. Der Eltern Segen baut den Kindern Häuser, mein Sohn — Thoras Mutter Hilst im Himmel sicherlich mitbauen —" „Erik! — In seinen Luft schlössern findet meine Tochter weder Brot noch Glück — Sein Kaiscrstein! — Seine Wikingerhütte! — Hahaha! — Narren possen!" „Mein Sohn, dein Grotzvater und dein Vater und wir alle haben die Wege durch das Gebirge gewandelt so gut wie Erik und haben — den Kaiserstein nicht gesehen, noch ent deckt — Wir haben von Wikingerhütten gelesen, aber bauen konnten wir sie nicht. — Der Kaiserstein ist ein Wunderwerk der Natur — wir haben'» alle nicht erkannt. Erik ist der Entdecker dieser Pyramide — dieses Kunstwerks der Natur, das alle Welt bewundern wird und Eriks Wiktngerhlltte am Kaiserstein — wer weitz, was sie einst gelten kann, wenn erst der Kaiser kommt. „Glaub' doch nicht daran, Mutter! Unser Fjord ist zu düster —, seine Fahrrinnen sind zu gefährlich für das Kaiserschiff Bis zu uns wird der Kaiser seinen Weg nicht finden. — Um den sogenannten Kaiserstein werden nur die Fledermäuse flattern — Politische Tagesschau. Aue, 24. Januar l»O7. Die Optanten-Frage gelöst! O-e Ganz unerwartet, publiziert, wie schon kurz bemerkt, die Regierung einen zwischen Deutschland und Dänemark geschlos senen Vertrag, der endlich die Obtanten-Frage einer Lösung zuzuführen verspricht. Damit dürste wohl einem Zustande ein Ende bereitet werden, der schon lange sowohl im Interesse der beiden Staaten wie der heimatlosen Dänen, die durch die Ab tretung Schleswig-Holsteins ihre bisherige Staatsangehörigkeit einbützten und die neue nicht erwerben konnten, einfach unhalt bar war. Zu der anti preußischen Agitation in Nord-Schles wig haben diese Verhältnisse entschieden beigetragen, wenn sich auch anderseits nicht verkennen läßt, datz Deutschland mit der Annahme dieses Vertrages sich des Rechtes begiebt, wider spenstige Elemente unter seinen Dänen einfach wie lästige Ausländer zu behandeln und auszuweisen. Aber diesem Nachteil steht wieder der moralische Zwang gegenüber, der durch den Vertrag aus Dänemark ausgeübt wird, denn wenn Preußen nunmehr den Optantenkindern auf Wunsch das p r e u - tzische Staatsbürgcrrecht verleiht, mithin cs nur an den Dänen liegt, sich aus diesem Wege den Ausnahmebehandlungen zu ent ziehen, so.wird wohl auch die Regierung in Kopenhagen in Zu kunft sich streng neutral verhalten. Außerdem darf dieser Ver trag als ein neues Symptom für die guten Beziehungen zwischen den beiden Höfen betrachtet werden, und so leicht das grotze Deutsche Reich die Freundschaft mit Dänemark in Frie denszeiten entbehren kann, so wichtig kann dieselbe für uns bei einem Kriege sein. Zudem sind wir mit den Dänen st amm- verwandt, und die politischen Gegensätze würden schon längst ausgeglichen sein, wenn uns nicht immer wieder die dänischen Umtriebe in Schleswig zu schaffen machten. Hoffentlich wird jetzt einmal Ruhe, und die Optanten versöhnen sich mit ihrem Schicksale. Immer enger haben sich in den letzten Jahren die Fäden zwischen Deutschland und Dänemark gesponnen, und ein Ausflug nach dem schönen Kopenhagen gehört zu den beliebtesten Sommerreisen der Berliner. Wir haben der dänischen Lite ratur Tür und Tor geöffnet, und umgekehrt hat vor allem Richard Wagner mit seinem Ring des Nibelungen, der den allen germanischen Völkern gemeinsamen Mythos behandelt, die Dänen hingerissen. Also möge dieser Vertrag die schmale Kluft noch zudecken, die den zweiköpfigen Adler trennt vomDanebrog! Ausschridende Reichsboten. In den neuen Reichstag wird so manches bekannte Gesicht nicht wiederkehren. Vom Zentrum werden acht Herren aus scheiden : Graf Ballest rem, Szmula und Faltin haben vor den Polen kapituliert, Human» weicht in Bielefeld dem langen Möller, Dr. Bachem ist politikmüde, der bekannte So zialpolitiker Dr. Hitze ist verstimmt, und Rintelen zollt dem Alter seinen Tribut. Bon Nationalliberalen verzichten Dr. Beumer, Patzig, Becker-Hetzen, ob ganz freiwillig, weiß man nicht, sie hatten sich bei den Steuergesetzen zu sehr in die Nesseln gesetzt; auch Hosang und Zorns fehlen. Von den Freisinnigen hat sich nur Dr. Müller- Sagan nicht mehr Hirngespinste, weiter nichts." „Auch der Kaiseiaar wird seine Kreise darüber ziehen, mein Sohn! — Auch bis zu uns wird der Kaiser seinen Weg finden! Es gibt Menschen, die weiter schauen als wir, und Erik, Erik Eriksen hat ein Helles Auge." Thor Thorsen stand bald daraus hinter einem Gebirgsvorsprung und richtete sein Glas aufmerksam aus den Kaiserstein und — da war es ihm, als vernahm er hoch über dem Kaiserstein ein mächtiges Flügelrauschen. * Der Obcrlotse Store hatte die andern Lotsen zu einer Ver sammlung einberufen und sie waren alle gekommen, denn so ein Ruf bedeutete ein Ereignis und diesmal umsomehr, als vor einigen Tagen Regierungsherren und der deutsche Konsul mit dem Oberlotsen aus den Fjord hinausgefahren und die ganze Umgebung aufs genaueste in Augenschein genommen hatten. „Der Kaiser kommt!" ging es von Mund zu Mund. Nur Thor Thorsen schüttelte dazu den Kops. „Also hört mich an," begann der Oberlotse. „Der Kaiser will uns besuchen. — „Du zweifelst noch, Lotse Thor Thorsen? Hier sind die Papiere, die sehe an und dann sei kein ungläubiger Man» mehr." Thor Thorsen holte seine Brille hervor und ward — gläu big. „Jetzt sollen wir den sichersten und besten Lotse» bestellen. Wollt Ihr ihn vorschlagen?" Oberlotse Store sah sich im Kreise um. Thor Torsen nahm das Wort. „Wer anders als du, Ober lotse Store, wäre der Mann, das Kaiserschiss hereinzulotsen. Du und kein anderer kann'» sein." „Ich wüßte schon einen, der's Ketzer kann als ich —" Alle schwiegen erwartungsvoll und stau nend. „Und dieser eine ist — Erik Eriksen!" Der Oberlotse sprach so bestimmt, datz jede Einwendung abgeschnitten wurde. Alle stimmten nach weiterer Beratung überzeugt zu, nur Thor Thorsen schwieg hartnäckig. „Warum schweigst du, Thor? — Rede, wenn du anders denkst! Das verlange ich von dir. Aber spreche, wie du denkst, mir ist an deinem Wort gelegen." „Du mutzt es Witzen, Store,