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Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge : 28.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735684481-190612280
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735684481-19061228
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735684481-19061228
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-12
- Tag 1906-12-28
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Monat
1906-12
-
Jahr
1906
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Nr. 98. Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge. Freitag, den 28. Dezember 1906. gelegenheit auch mit dem jetzt in Gmunden weilenden Groß- Herzog von Mecklenburg-Schwerin noch eingehend verhandelt wird, liegt bei den engen, verwandtschaftlichen Be ziehungen zwischen dem Grohherzog und dem Herzog von Cum berland klar zutage. — Freier spricht die Köln. Ztg.: „Am Schlüsse einer Darlegung, in der das braunschweigische Mini sterium sich gegen Behauptungen eines braunschweigischen Blat tes wendet, heißt es: Ein endgültiger Beschluß darüber, ob eine Entscheidung des Bundesrats über die braunschweigische Thron- solgesrage jetzt anzurufen sei, ist im Regcntschastsrat nochnicht gefaßt." Wir hassen, daß ein solcher Beschluß n i e gefaßt werden wird, weil er die Lage nicht ändert, wohl aber das braunschwei gische Ministerium in ein recht zweifelhaftes Licht setzt. Was man in den nationalen Kreisen des Reiches und Preußens jetzt von den führenden Männern in Braunschweig erwartet, ist ein Aushören des Schwankens und der Zweideutigkeit, man erwartet Entschlüsse, die Braunschweig Beruhigung und geregelte Zustände bringen, ohne die Empfindungen Preußens noch mehr zu ver letzen, als cs bisher schon geschehen ist." Man kann diesen Aus führungen des Kölner Blattes nur zustimmen. Die Unterwerfung der Bondelzwarts. Ein Berliner inspiriertes Telegramm der Köln. Ztg. besagt: Die hochersreulichen Nachrichten aus Südwestasrika bedeuten einen ganz wesentlichen Fortschritt in der Herstellung des Frie dens. Nach Ansicht militärischer Autoritäten glaubt man die Niederwerfung des Ausstandes als in der Hauptsache beendet «»sehen zu können. Es sollte uns nicht wundern, wenn das Zen trum versuchen sollte, den Erfolg unserer Waffen für die Wahlen auszuschlachten und die Behauptung auszustellen, daß angesichts dieser Entwicklung die feste Haltung der Negierung unnötig ge wesen ist und daß sich die Reichstagsauslösung nachträglich durch die Tatsachen als eine völlig unberechtigte Handlung erweise. Dieser Darstellung, die uns wohl nicht erspart bleibe» wird, kau» »icht entschiede» genug entgegcngetreten werden. Allerdings wird man sich jetzt darüber in leitenden politischen und militärische» Kreisen einig sein und sehr rasch eine starke B c r m i n d e r u n g. der in Südwestasrika stehenden Truppen zahl vorgenoinmen werden. Aber dies war schon von der Reichs regierung in Aussicht gestellt srü den Fall, daß die militärische Lage das erlauben sollte. — Die Köln. Volksztg. triumphiert natürlich und meint, die amtlichen südwestasrikanischen Meldun gen dürften in Regierungskreisen mit sehr gemischten Gefühle» ausgenommen worden sein. Sie wären ein schlagender Beweis für die Richtigkeit der Haltung des Zentrums in Sachen des Nachtragsetats. — Das Wesentlichste an der Unterwerfung der Bondelzwarts ist jedenfalls der Umstand, daß die 120 Männer 105 kleinkalibrige Gewehre abgeliesert haben, also so gut wie gar keine modernen Gewehre zurückbehalten haben. Ebenso haben die 55 Mann, die sich später noch gestellt haben, 19 kleinkalibrige Gewehre abgeliefert. Bisher machten wir häufig die Erfahrung, daß nur der vierte oder fünfte Teil der Leute inodcrne Gewehre zur Ablieferung brachte, der Rest aber alte Donnerbüchsen vorzeigte, während sie ihr im Kampfe benutzten Gewehre irgendwo versteckt hatten, um sie später wieder hervor zuholen. Daß die Bondelzwarts jetzt bei ihrer freiwilligen Stellung 124 Gewehre abgeliesert habe», das erst in eine aus - reichendeGarantic dafür, daß es ihnen wirklich Ernst ist mit ihrer Unterwerfung. Japanische Umtriebe gegen Nord-Amerika. - Sonderbare Kunde kommt aus New Port: Dortigen Blät tern wird nämlich aus Havanna gemeldet, daß die Japaner eine Insurrektion aus Kuba, den Philippinen und Havai vorbcreiten zu dein Zweck, die nordamerikanische Ober herrschaft zu erschüttern. Eine amtliche Bestätigung liegt bisher nicht vor, aber als gänzlich unwahrscheinlich wird man diese Ge rüchte kaum von der Hand weisen können. Die Differenzen zwi schen Washington und Tokio sind in der letzten Zeit so bedeutend geworden, daß die Japaner nicht den Rus besonderer politischer Schlauheit verdienen würde», wen» sic den Ernst der Situation unterschätzten. Wir glauben zwar nicht daran, daß ein Zusam menstoß zwischen Nord-Amerika und dem Reich des Mikado be reits in der n äch ste n Zeit erfolgen wird, vor allem deshalb, weil die Japaner sich von den Folgen ihres Krieges mit Ruß land finanziell und militärisch noch nicht so weit erholt haben, um einen Wasfengang mit de» Pankees wagen zu könne». Ihre Menschenverluste aus den Mandschurischen Schlachtfeldern konn ten sie noch nicht ganz ersetzen, vor allem nicht durch ein gleich wertiges Soldatenmaterial, das sie erst wieder heranbilden müssen. Dann werden sie sicher nicht eher losschlagen, bevor sie nicht ihre Flotte durch die zum Teil noch im Bau begrissenen Mammuth-Schlachtschisse und Riesenpanzcrkreuzer ergänzt habe». Denn die nordamerikanische Flotte ist ei» a » derer Gegner als die russische, und zu welcher militärische» Leistungsfähigkeit sich die Amerikaner aufschwingen können, das haben sie im Se zessionskriege zur Genüge gezeigt. Aber die Japaner treffen eben bei Zeiten ihre Vorkehrungen auch für die Eventualität eines Krieges mit Nord-Amerika, und wenn sich ihre Umtriebe in den Kolonien des Sternenbanners bestätigen sollte», so wären deren Absichten wohl deutlich genug zu erkennen. Die starke anti japanische Partei im Washingtoner Kongreß wird aber die Nach richten der New Parker sicher zum Borwande nehme», um aus eine weitere Steigerung der Nordamerikanischen Kricgsrüstungen hinzuarbeitcn. So ballt sich dci^n in Ost-Asien ein neues schweres Ungewitter zusammen. Aus dem Königreich Sachsen. Umgestaltung des Landeskulturrats in Sachsen. Mit dem Beginne des Jahres 1907 erfährt die Organisation der Vertretung der Wirtschasts- und Erwerbsgruppen des König reiches Sachsen durch das Inkrafttreten des Gesetzes über die Umgestaltung des Landeskulturrats eine nicht unbedeutende Ver änderung. Durch das Gesetz wird der Landeskulturrat nicht mehr ausschließlich eine Vertretung der sächsischen Landwirtschaft bil den, sondern zum gemeinschaftlichen Organ der Inter essen der Land- und Forstwirtschaft, sowie des Gartenbaues um gewandelt, und außerdem erhält die Bürgerschaft ein bedeutend erweitertes Arbeits- und Rechtsgebict. Er wird dem Wesen nach unter Berücksichtigung speziell sächsischer bewährter Einrichtungen den preußischen Landwirtschaftskammern nahe gebracht. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder steigt hierbei von 26 auf 28. Der sächsische Gartenbau erhält eine Vertretung durch Bildung eines führenden Ausschusses, dessen Vorsitzender dem Landes kulturrat als ordentliches Mitglied angchört. Für einen Ver treter des in Sachsen mächtig entwickelten landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens wird ebenfalls ein neuer ständiger Sih im Plenum des Landeskulturrats geschassen. Die Aufgaben des Landeskulturrats sollen derart erwei tert werden, daß es ihm in Zukunft möglich ist, die Tätigkeit der landwirtschaftliche» Kreisvereine in gemeinsame» Angelegen heiten zusamnienzufaßen. Außerdem soll der Landeskulturrat nunmehr auch bei der Verwaltung und bei den Preisnotierungen der Produktenbörsen und der Märkte, insbesondere der Vieh- märkte mitwirken. Endlich soll der Körperschaft das Recht eingeräumt werden, zur Deckung ihres Bedarfes Steuern von Unternehmern der Landwirtschaft und des Gartenbaues unmittel bar zu erheben. Schließlich regelt das neue Gesetz auch noch die S t i in in b e r c ch t i g u n g für die Fälle, in denen Güter ganz oder teilweise verpachtet sind. Die F o r st w ir t s ch a s t Sachsens wird in dem Gesetze als ein Teil der Landwirtschast betrachtet. Das Gesetz bringt nicht nur neue Rechte, sondern es erlegt ihnen nach dem gegenwärtig iii der sächsischen Gesetzgebung verfolgten Prinzip von Lichtung und Gegenlichtung auch neue Pflichten materieller Art aus, indem der Aufwand des Landeskulturrates, soweit er nicht durch die Staatsbeihilfen bestritten werden kann, nicht mehr nur durch die Mitgliederbciträge der landwirtschaftlichen Vereine, sondern auch durch eine von den Landwirten aufzubringende Steuer ge deckt werden muß. Diese Steuer setzt das Ministerium des In nern fest. Die wenig leistungssähigcn Elemente der im Landes kulturrate vertretenen Berussgruppen sollen allerdings mit die ser Sondcrsteuer nicht belastet werden. Ebenso bleibt der sorstsis- kalische Grundbesitz ausnahmslos, der übrige Grundbesitz des Staates, einschließlich der der Kgl.Zivilliste zugewiesenen Grund stücke von der Beitragspslicht zum Landeskulturrate befreit, xrv. Unschuldige Kindlein. Der 28. Dezember führt im Kalender die Bezeichnung Un schuldige Kindlein. Er soll uns an den b e t h l e h e in i t i s ch e n Kindcrinord erinnern, den Herodes, im Zorne darüber, daß die Weisen aus dem Morgenlande nicht mehr nach Jerusalem, sondern direkt in ihre Heimat zurückgekehrt waren, bekanntlich an allen Knaben unter zwei Jahren ausüben ließ. Anfänglich ge hörte das Fest Unschuldige Kindlein indenZyklusderEpiphanien- tage, späterhin aber griff man den einzelnen Feiertag heraus und verlegte ihn aus zwei Tage nach der Gedächtnisfeier des heiligen Stephanus. In früheren Jahrhunderten waren am 28. De zember allerlei Bräuche üblich, die sich nur zum geringsten Teil noch bis auf die Jetztzeit erhalten haben. Vornehmlich pflegten an diesem Tage Kinder oder junge Burschen mit Ruten resp. grünen Zweigen umherzuziehen und die Erwachsenen damit durchzupeitschen. Während dieser Zeremonie wurde gewöhnlich ein Verslcin hergesagt, das bei Kindern auf die Darreichung eines Lebkuchens, bei den jungen Burschen aus Erhalt eines Gläschens Schnaps abzielte. Der Brauch, der je nach der Gegend Pfesern, Pfihen, Klingeln, Kindeln oder Schapen genannt wird und zu dem der Landessitte gemäß Zweige der Birte, Tanne, des Vuchbaumes, Schlehdorns, des Haselnuß- oder Wachholderstrau ches verwendet werden, findet seinen Ursprung in grauer Heiden zeit. Die alten Germanen, bei denen der Kultus der Natur in höchster Blüte stand, glaubten, daß die frischen saft strotzenden Zweige das ihnen innewohnende quellende Leben aus diejenige Person übertrügen, die damit berührt werde und diese gesund und stark mache. Auch die T i e r e wurden von den heid nischen Priestern unter Absagung geheimnisvoller Sprüche mit frischen Zweigen berührt, auf daß sie von Seuchen verschont blie ben. Die Sitte des Rutenstreichens oder, wie sie am häufigsten genannt wurde, des Psesserns, artete in früheren Jahrhunderten derart aus, daß die Behörde sich genötigt sah, gegen diesen Unfug mit aller Strenge einzuschreiten. Am Feste der Unschuldigen Kindlein wurden ehemals auch sogenannte Narren geeichte abgehalten, bei denen die gewählten Richter den Fremden, die vor ihr Tribunal geführt wurden, kecklich allerlei Dinge — die jedoch der Wahrheit entsprechen mußten — ins Gesicht sagen durften. Zwickau, 27. Dezember. Der Bezirksausschuß Zwickau bewilligte aus Vezirksmitteln je 5000 Mark für Gemeinden und I Private, die in diesem Jahre durch die in der Kirchberger Gegend niedergegangenen Wolkenbrüche arg geschädigt worden find. — DerhiestgePaulusgottesackerder ehemaligen Land gemeinde Marienthal geht am 1. kommenden Monats in städti sche Verwaltung über. — Den hiesigen Kirchenbeam ten werden vom Jahre 1907 an Teuerungszulagen gewährt. Freiberg, 27. Dezember. EefährlicheEasexplosion. Am Montag vormittag ereignete sich in dem Herrn Steinsetz meister Fritz Emmerich gehörigen neuen Eckhause am Schießplan eine Gasexplosion. Die Logisinhaberin war verreist und hatte in der Küche einen Eashahn offenstchen laßen. Als sich im gan zen Hause Gasgeruch bemerkbar machte, wurde die Wohnung im Beisein eines Schutzmannes geöffnet. Unvorsichtigerweise zündete der Bruder des Hausbesitzers. Max Emmerich, ein Streichholz an und hielt es hoch. Daraus explodierte das an der Decke ange sammelte Gas unter einer gewaltigen Detonation. Der Schutz mann wurde beiseite geschleudert, ohne Schaden zu nehmen. Da gegen erlitt Emmerich gefährliche Brandwunden am Kops und Oberkörper. Die Fenster wurden zertrümmert und eine Balkontür durchgedrückt. Auch eine andere Flügeltür wurde zerbrochen. Nerchau, 27. Dezember. Großseuer. Ain zweiten Weih- nachtsseiertage vormittags s/s-11 Uhr sind 6 Fabrikgebäude der Hesselschen Farbenwcrkc hier, in welchen sich die Farben mühlen befanden, infolge Selbstentzündung niedergebrannt. Zum Glück ist das Maschinenhaus unversehrt geblieben. Ein Teil der Fabrik ist schon am 15. März d. I. durch Feuer zerstört worden. Leipzig, 27. Dezember. Durch einen Revolverschuß ist am zweiten Feiertag gegen abend die in der Nikolaistraße wohnhafte 18 Jahre alte Anlegerin Louise Helene Linke aus Stötteritz lebensgefährlich verletzt worden. Der Por- gang hat sich in deren Wohnung abgespielt und führte zur Ver haftung des 25 Jahre alten Arbeiters Fritz Lange aus Schkeu ditz. Bis zur Stunde ist der Sachverhalt noch nicht völlig aufge klärt. Die Linke ist nicht vernehmungsfähig. Lange gibt an, er habe sich am gestrigen Tage besuchsweise bei dieser ausgehalten und beide hätten zum Zeitvertreib in dem Zimmer mit scharfen Patronen und einem Revolver auf eine dort aufgestellte Scheibe geschossen. Nachdem er einen solchen Schuß gegen die Scheibe abgegeben, hätte die Linke den Revolver ihm entreiße» wollen Dabei hätte sich die mit 6 Patronen geladene Masse entladen und die Kugel sei dem Mädchen in den Unterleib gedrungen. Struppen bei Pirna, 27. Dezember. Explosion. Ain ersten Weihnachtsseiertage abends ereignete sich im hiesigen Mit telgasthofe kurz vor Beginn einer Theateraufsührung eine heftige Explosion des Acetyle ngasapparates, wodurch der Saal des genannten Gasthofes demoliert worden ist. Auch an den in der Nähe liegenden Grundstücken sind durch den starken Luftdruck die Fensterscheiben zum Teil zertrümmert worden, wäh rend man aus der Straße ca. 100 Meter weit noch Ziegelstücken bemerken konnte. Leider ist dabei auch der Verlust eines blühen den Menschenlebens zu beklagen. Der 18jährige Sohn des Gast- hosbesitzers, Herr Hans Hoffmann, der erst am Tage zuvor von Berlin zum Besuch seiner Eltern gekommen war, stand ge rade im Begriff, am Apparat noch einiges zu verrichten, als die ser plötzlich mit einem furchtbaren Knall explodierte. Der junge Mensch, der außer einem Genickbruch noch andere schwere Verletzungen erlitten hatte, war aus der Stelle t o t. Uebcr die Ursache des Unglücksfalles konnte näheres noch nicht sestgestellt werden, doch dürste wohl die eingeleitete Untersuchung darüber Ausschluß geben. Borna, 27. Dezember. Schwere Brandwunden. In Hain wollte dieser Tage gegen abend ein 1 1 jähriges Schul mädchen mit einer brennenden Laterne, in der eine Scheibe fehlte, zu einer Freundin gehen, um gemeinsam mit dieser die Schularbeiten zu erledigen. Damit nun das Licht nicht verlösche, drückte das Kind die Laterne mit der defekten Seite an das Kleid. Unglücklicherweise wurde aber die Flamme durch einen Wind stoß entfacht und setzte die Kleider des Kindes in Brand. Auf dessen Hilferufe eilten die Nachbarn herzu, die die Flamme er stickten. Das Kind hatte aber trotzdem schon so erhebliche Brand wunden erlitten, daß cs schwer krank darniederliegt. Zittau, 27. Dezember. Ein sehr trauriges Weih nacht sfest war der Familie des hier in der Weststraße woh nenden Kutschers Hergesell beschieden. Während Frau Her- gesell auf dem Hose Holz klein machte, spielten ihre beiden klei nen Kinder im Wohnzimmer: Hilfeschreie schreckten die Frau plötzlich von ihrer Arbeit auf. Sie eilte in die Stube und sah dort ihr 2 jähriges Söhnchen Otto in Hellen Flam men stehen. Die Kinder hatten am Ösen gespielt, wobei die Kleider des Knaben Feuer singen. Die Verletzungen waren der artig schwer, daß das Kind nach einigen Minuten starb. Von Stadt und Land. Gedenktage ain 2 8. Dezember: 1905 f Bischof Dr. G Wuschanski. Apostolischer Vikar im Königreich Sachsen. 187» Schlacht bei Longprc. 1819 Fürst Herbert von Bismarck-Schön- Hausen bei Berlin. 1524 -f Johann von Staupitz zu Salzburg. Abt. zu St. Peter, der Freund Luthers. nicht mehr durch den großen Rat, sondern durch direkte Volks abstimmung zu wählen. Von großem Interesse für das Ausland war die neue schweizerische Militärorganisation, die speziell die Gebirgstruppen berücksichtigte. Um die jungen Schweizer bereits in der Zeit zwischen der Schule und dem Beginn des Militär dienstes dem Vaterlande nützlich zu machen, wurde die Einfüh rung sogenannter Rekrutenschulcn beschlossen. Junge Leute, die sich dem kavalleristischcn Dienste widmen wollen, müßen diese 80 Tage lang besuchen, alle anderen Waffengattungen 70 Tage. Die Hauptsache soll die Ausbildung im Schießen sein. Die Schüler sollen in jedem Jahre bis zur Militärdienstzeit dann els Tage eingezogen werden. Desgleichen wurde die Zahl der Hebun gen nach beendigter militärischer Dienstzeit neu geregelt. Die Ermordung des französischen Rentiers Müller durch die russi sche Anarchistin Tatania Leontjew gab der Schweiz An laß, auch mit ihrer Anarchistengesetzgebung auszuräumen. Die Schweiz hat auch nicht länger Lust, Zufluchtsort all der Elemente zu bilden, die an anderen Orten wegen anarchistischer Umtriebe nicht mehr geduldet werden. Bemerkenswert ist, daß ein gegen das entsprechende Gesetz von den Sozialdemokraten beantragtes Referendum für das Anarchistengesetz ausgefallen ist. Ueber Belgien und die Niederlande ist nicht viel zu sagen. Belgien hat in diesem Jahre eine liberale Kam- mermehrheit gehabt, die aber wohl kaum von Bestand sein dürste. König Leopold hat die Absicht, seinen Kongostaat auf Belgien übergehen zu laßen. Belgien wird damit zweifellos keine erwünschte Erbschaft machen, wartet doch Großbritannien schon aus den Augenblick, wo es selbst seine Hand aus den fetten Bißen legen kann und nur die Besorgnis vor Verwickelungen mit Frankreich hat das bislang gehindert. Die Nieder lande haben der Hoffnung aus einen Thronerben wohl end gültig entsagen müßen. Im Interesse der tapferen jungen Kö nigin ist das zu bedauern. Unsere Beziehungen zu den Nieder ¬ landen haben sich jedenfalls im letzten Jahre sehr srcundschastlich gestaltet. Das können wir auch von den drei nordischen Neichen sagen, speziell von D ä n e in a r k, wo nach dem Tode des Königs Christian König Friedrich VIII. den Thron bestiegen hat. Einer der ersten Besuche des Königs galt unserem Kaiser und war ein Beweis dafür, welchen Wert Dänemark auf gute Be ziehungen zu uns legt. In Norwcge n sitzt jetzt König Haa kon, des Dänenkönigs zweiter Sohn, auf dem Thron und Kaiser Wilhelm hat ihn bereits gelegentlich der Nordlandsreise besucht. Der König hat im Dezember den Besuch in Potsdam erwidert. Das Verhältnis zwischen Schweden und Norwegen hat sich nach der Trennung sehr gut gestaltet, z. Z. geht Norwegen damit um, sich seine Neutralität von den Mächten garantieren zu laßen. Auch zuSchweden sind unsere Beziehungen die denkbar besten, unterstützt von dem zu Anfang des Jahres abgeschloßenen Han delsverträge. Was Frankreich anbclangt, so hat die Republik ein schweres Jahr hinter sich. Trotz des Wechsels der Personen hat sich der sogenannte republikanische Bloc von Bestand er wiesen und die Trennung von Staat und Kirche ist so gut durch geführt worden, daß sogar die Spanier, das kirchliche Land der Welt, Appetit nach einer ähnlichen Maßnahme bekommen haben. In dem Konflikt mit Venezuela, der zu Anfang des Jahres neben der Maroktosragc aus der Tagesordnung stand, ist Frank reich im Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten Sieger ge blieben. Der unverschämte Präsident Castro, der die Frech heit beseßen hatte, den französischen Gesandten, der ein franzö sisches Schiff besucht hatte, nicht wieder landen zu laßen, sah sich unter diesen Umständen genötigt, eine Zeitlang von der Bild fläche zu verschwinden. Auf die Marokkosrage hier noch des Näheren einzugehen, erübrigt sich wohl, da wir diesen Punkt bereits bei der deutschen Politik besprochen haben. Am 17. Februar wurde der Senatspräsident Falliöres zum Präsidenten der Republik gewählt, gerade in der Zeit, wo die Regierung mit der entschiedenen Durchführung des Gesetzes der Trennung von Staat und Kirche begann. Daß cs hierbei nicht ohne hestig« Zusammenstöße mit den Gläubigen abgehen werde, die sich der Inventaraufnahme widersetzten, war klar. Die Regierung hatte dementsprechende Maßnahmen getroffen. Immerhin kam es selbst in Paris zudirekten Kämpfen namentlich bei der Llo- tildenkirchc. Noch schlimmer aber war es in den Provinzen. Denn während in Paris größtenteils die Feuerwehr genügte, um die Kirchen frei zu machen, mußte im Lande vielfach das Militär eingrcifen. In Voeschocpe in Nordsrankreich ^vurde bei einem Zusammenstöße vor der Ortskirche sogar eine Person getötet. Eine in dieser Angelegenheit sofort in der Kammer eingebrachte Interpellation führte zum Sturze des Ministeriums Rouvier, dem mit 267 gegen 234 Stimmen ein Mißtrauens votum erteilt wurde. Gerade in diesen Konflikt hinein fiel die Nachricht von derGrubenkatastropheinCourriöres, wo 1800 Bergleute in einer brennenden Grube eingeschloßen und nur 400 gerettet wurden. Die Aufregung über die Verwahr losung dieser Grube war. furchtbar und steigerte sich noch, al» man erfuhr, in wie laxer Weise die Erubenverwaltung vorging, sich zu vergewissern, ob nicht von den 1200 lebendig Begrabenen noch etliche am Leben seien. Eine deutsche Hilfsmannschast mußte den Franzosen erst die Wege weisen, wie man in brennende Gruben eindringt, und dank der Tätigkeit der Deutschen tonnten noch nach 10 Tagen 30 Bergleute gerettet werden. Da die Grn- benverhältniße bei den anderen Gruben des nordsranzöstschen Kohlenbeckens nicht anders lagen, wie in der ausgebrannten Mcricourt-Grube, war cs den Arbeitern nicht zu verdenken, wenn sie ihre Haut für den bisher bewilligten Lohn nicht mehr zu Markt tragen wollten und das in dem neuen Ministerium Säu rten gebildete A r b e i t s m i n i st e r i u m bekam zum ersten Male Arbeit.
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