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Nr. AI. Erster Jahrgackg. M WWW MM» - über JUW »M«ikii! Dienstag, 18. Derember IstAE 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: Fritz Arn hold. Für die Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer, beide iu Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonnlagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—5 Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Znh.: Paul Beuthner) in Aue. Br zu gspreis: Durch unser« Boten srei ins Haus monatlich sn psg. Bei dec Geschäftsstelle abgcholt monatlich psg. und wöchentlich 40 psg- — Lei der Post bestellt und sesbst abgeholt vierteljährlich l-bo Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich l-d2 Mk. — Einzelne Nummer »o psg. — Deutscher postzcitungs- katalog — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. 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Fürst B ü l v w im Reichstage.' * Das E i n s n b i v e r b o I für Vieh aus dem Aus- lande ist verschärft werden!* Das neue V i n i c n s ch i s f O ist gestern von der ft ai > erin aus den Rainen SchleSwig-Hol st c i n gelaust n'vrdcn. * * Näheres siehe unten. Ausblicke. -- Durch die Auslösung des deutschen Reichstages ist natur gemäß ein Strich durch manche schöne Rechnung gemacht worden, und eine Reihe von Gesetzentwürfen, die man schon halbseitig glaubte, ist in der Versenkung mit verschwunden und wird im nächsten Jahre im nächsten Reichstage erst wieder eingebracht werden müssen. Es ist schade für manche gesetzgeberische Arbeit, die hier mit einem Handstreich ungeschehen gemacht wurde, und dem neuen Reichstage werden Ausgaben gestellt werden müssen, die er nnr schwer, oder gar nicht zu erfüllen imstande sein wird, mag seine Zusammensetzung auch aussallen wie immer. Da ist vor allem der noch unberührte Etat. Es liegt nns ferne, nns etwa in das uferlose Meer von Ziffern stürzen zu wollen, bas überlassen ivir ruhig kundigeren Beuten, die mit größerem Gedächtnis für Zahlen ans die Welt gekommen sind. Aber der Etat bedeutet für den kommenden Reichstag eine vertrackte Ge schichte. Er soll bis zum l. April vcrsassungsgemäß fertig gestellt sein. Run ocsteht allerdings ein Notstand und die Regierung wird wohl oder übel den: neuen Reichstag gleich bei seinem Zusammen tritt im Februar ein Notstandsgesetz vorlegen müssen. Aber wenn dieses auch anstandslos bewilligt würde, deshalb bleibt dem neuen Reichstage die Riesenarbeit doch nicht erspart. Und da der neue Reichstag ohne Zweifel ivicdcr die bisherigen Haupt- st ü tz c n answeiscn wird, also die gleichen R cn c r, wer den auch wieder unendliche Redestuten über die schuldigen Häupter der Regierung hcrnicderiräuseln. Ucbcr die schuldigen Häupter! Denn der Etat sieht durch aus nicht so anS, wie man es wünschen mochte. Die Regierung, die nach der Genehmigung der neuen Steuern sich so ungemein hoffnungsvoll zeigte, und bei der Propagierung rosenrote Zu kunftsbilder an die grauen ReichStagSwände malen ließ, wird dem Reichstag recht nncrbauliche Dinge vortragen müssen) am Schluffe der Denksch.ist zu», Etat ist bekanntlich sogar von neuen Steuern die Rede. Daö wird man bitter empfinden, eine ZukunslShossnung, die nicht einirifft, ist immer etwas sehr unan genehmes. Nun kommt natürlich alles ans die Zusammensetzung des kommenden Reichstages an. Wir haben aber schon betont, daß starke Verschiebungen sich kaum ergebe» werden, und darum dürfte der neue Reichstag sich an dem Etat nicht allzusehr stoßen. Man ist die ewige Misere ja schon gewöhnt, also kommt cö auf eine neue Enttäuschung auch nicht mehr an. Neue Steuern aller dings — den Wunsch wird die Reichsregierung zurttckstellen müssen, denn eine neue Steuervorlage durchznberaten, wird die „gesetz gebende Versammlung" im nächsten Jahre aus keinen Fall im stande sein. Denn wenn vielleicht auch der gute Wille vorhanden wäre - es ist aus der Welt bekanntlich alles möglich ! — so wird es doch au der nötigen Zeit fehlen. Die Zeit wird überhaupt das wenigste sein, das der neue Reichstag zur Verfügung hat. Zunächst müssen natürlich außer dem Etat die Nachtrags- sorderungcn s ü r Südwe st afrika eingebracht wer den, die sich bis dahin noch um eine hübsche Lumme ausgerundet haben dürsten. Und da kann es unter Umständen schon zu ftonstikten kommen. Mau kann nicht in die Znkunst schauen, aber cs ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß Zentrum, Sozialdemokraten und Polen zusammen auch im zukünftigen Reichstag wieder eine ausschlaggebende Mehrheit besitzen, und daß dann eine besondere Wahrscheinlichkeit für die Annahme des Nachtragsetatü bestünde, werden wohl auch Optimisten nicht annehmen. Wir glauben bestimmt, daß das Zentrum heute schau einige Reue empfindet, mit der Ablehnung der Regicrungsfordcruug der Re gierung noch den letzten Anstoß, die willkommene Gelegenheit, den passenden Vorwand zur Reichstag-auslösung gegeben zu habe». Wir zweifeln auch nicht daran, daß das Zentrum bei der letzten Lesung den Nachlragselat schließlich genehmigt hätte, und durch die Ablehnung blos seinen Aerger über die Affäre Dern- burg-Roereu zum Ausdruck bringen wollte, was natürlich nicht zu billigen ist. Aber daß das Zentrum nach diesem Vorfall, nach diesem offenbaren Bruch mit der Regierung geneigt wäre, ein zwcitesmal milder und patriotischer zu handeln, das wird wohl niemand aunehmen können. Daß die Regierung aber im Falle einer wiederholten Ab lehnung ihres Postulats den Reichstag ohne Zweifel wieder anslösen würde, muß man nach den bisherigen Verlautbar ungen unbedingt aunehmen. Indes, nehmen wir diesen schlimmsten Fall nicht einmal au: der Reichstag wird auch ohne solche Kon flikte alle Hrnde voll zu tun haben, um mir die drin gen st en Staatsnoiwendigkeiten zu erledigen, ehe es Sommer oder Herbst wird. Davon, daß gesetzgeberische Arbeiten anderen Charakters erledigt werden könnten, daß man sich beispielsweise mit der S t r a s p r o z e ß r c s o r m, ans die wir schon so lange warten, befassen könnte oder mit der Untermauerung unserer Sozialgesetz gebung, ist keine Rede. Es bleibt außerdem liegen, was schon liegt, und wenn nach Pfingsten der Etat unter Dach und Fach ist, wird inan sehr froh sein müssen. Daß die eigentliche gesetz geberische Arbeit des deutschen Reichstags durch den verzweifelten Schritt der Regierung auf ein ganzes Jahr vernichtet ist, versteht sich nach dem Gesagten von selbst. Das ist bedauerlich, aber es ließ sich jedenfalls nach der Ansicht der Regierung nicht ändern, und wir wollen uns mit dem Faktum zufrieden geben, ohne weiter aus die Mißlichkeitcn, die daraus erwachsen, einzugehen. Jedenfalls aber ist das eine sicher, daß die ftrisenzcit nicht vorüber ist, sondern eine Neuauflage erfährt, wenn erst der neue Reichstag zusannnengetretcn ist. Wenn es wahr ist, daß Fürst Bülow bei der ganzen Aktion nur die aussührende Per sönlichkeit war, dann können wir gelegentlich auch mit einer ft a n z l c r k r i s is rechnen, und wenn der Herzog fällt, muß auch Herr Dernburg nach Die Winde pflegen sich bei uns sehr rasch zu drehen. Doch wir haben darauf nicht Rücksicht zu nehmen — sür nns gibt es hier nur den Gedanken an das Vaterland! Politische Tagesschau. Aue, 18. Dezember 1906. Zum Besuch des norwegischen Königspaarrs. Während sonst gekrönte Häupter, wenn sie dem Deutschen Kaiser in Preußens Stammland Brandenburg einen Besuch abstatten, ihren feierlichen Einzug in Berlin zu halten pflegen, wurde dieses Mal die Hauptstadt Deutschlands ge schnitten, denn das norwegische Königspaar stieg in Wild park ab, um sich von dort aus mit dem Kaiserpaar nach dem Potsdamer Schloß zu begeben. Man kennt die Gründe nicht, die König Haakon und seine Gemahlin veranlaßten, aus den prunkvollen Empfang zu verzichten, der ihnen in Berlin bereitet worden wäre, aber immerhin ist es aussällig, daß die Herrschaften aus Norwegen es vorzogen, in der alten Residenz der preußischen Könige Wohnung zu nehmen, anstatt in der imposanten Metropole des Deutschen Reiches. Ob politische Motive dabei mitgespielt haben, ist unbekannt, aber es scheint fast so, als ob König Haakon aus Rücksicht aus gewiße Empfin dungen seiner Gemahlin alles vermeiden wollte, was seinem Besuche hätte ein politisches Gepräge geben können. Anders als eine H ö f l i ch k e i t s visite ist den» auch die Hierherkunst des norwegischen Königspaares nicht zu betrachten, ja es ver dient hervorgehoben zu werden, daß die Königin Maud, wie es vor einiger Zeit hieß, so leidend gewesen sein soll, daß es zweifelhaft war, ob sie überhaupt ihren Gemahl auf seiner Berliner Reise begleiten werde. Ob dabei politische Einflüße mitgcspielt haben, läßt sich natürlich nicht mit Bestimmtheit be haupten, aber fast scheint cs so, daß der e n g l i s ch e H o f in ge wißer Beziehung auf Christiania eingewirkt hat. Wahr scheinlich paßte es ihm nicht, daß Könige Skandinaviens in einem Zwischenraum von wenigen Wochen gleichsam dem St. Ruprecht. Bon Dr. Heinz Helding. (Nachdruck verboten.) St. Ruprecht und St. Nikolaus sind die Personisikationen des Lhristkindleins aus Erden. Sie sind die Dezemberheiligen, deren Kommen von der Kindcrwelt so sehnsüchtig erwartet wird. '2ie sind cs, die mit dem Schneeschimmer, der aus ihren Pelzen liegt, *ffe Wochen vor Weihnachten erleuchten. Etwas Kinderliebes ist iyften eigen. Und auch die Erwachsenen haben sie gern und rufen ihnen ei» herzlichs Willkommen entgegen. Aber der Ruprecht kann noch mehr, als Kindergaben bringen. Ist an Ruprecht der Himmel rein, So wird er auch im Juli sein. Er kann eben auch das zukünstige Wetter prophezeien. Und so etwas merken sich die Erwachsenen am ehesten. Freilich fällt, wie wir weiter unten sehen werden, der Geburtstag des heiligen Ruprecht nicht etwa in den Dezember, sondern in den März. Wir haben es hier in erster Linie aber mit dem Kinderfrcund zu tun, der beliebt ist, wo er auch immer anpocht. Auf den Heilgen Ruprecht wird hier und da jener allbekannte Kinderreim angewandt, der da lautet: Ei du lieber heil'ger Christ! Komm nur nicht, wenn's finster ist, Komm im Hellen Mondenschein, Wirs mir Nüß' und Aepfel rein! Er ist also in all seinen Funktionen den weihnachtlichen Eabenbringern, wie sie auch immer heißen mögen, nahe ver wandt. Ja, er ist eins mit ihnen. Nur sein Name ist ein anderer geworden. So ist er gewissermaßen der Bruder des heiligen Nikolaus, der schon anfangs Dezember seinen Rundgaug antritt, während Ruprecht bis kurz vor Weihnachten, oder gar bis zum Fest, selbst, warten muß. Knecht Ruprecht ist einer der zahlreichen Weihnachtsfigurcn, die bei den Kindern so überaus beliebt sind. Und doch haftet ihm etwas fast ausgeprägt Unchristliches an. In vielen Ge genden wurde er zu einer regelrechten Spukperson, die in zot tiger Kleidung einhergcht und einen Sack und eine Rute als unausbleibliche Attribute der ihr zukommenden Funktionen trägt. Diese Attribute verleihen ihm eine eigentümliche Würde, aus deren Anerkennung er streng Acht zu geben pflegt. Zu seinen Funktionen aber gehört es, die unartigen Kinder mit der Rute zu strafen, die artigen hingegen mit Aepfel und Nüssen aus seinem großen Sacke zu belohnen. Selbstverständlich tut er das Belohnen viel lieber, als das Strafen und Schelten. Die Ruprechtsigur ist germanischen Ursprunges. Sie ge hörte ehemals den zur Julzeit umziehenden wilden Geistern an, die später in allerlei symbolischen Darstellungen durch Mumme reien verkleidet austratcn. Er ist der verkörperte, christianisierte Wotan, oder auch der gesittete wilde Jäger, vor dem man Angst hat. Im Grunde genommen, ist auch Knecht Ruprecht nichts anderes, als St. Niklas. Und in vielen Gegenden führt unser Heiliger auch ganz andere Namen, wie z. V, Pelzmärte, Aschen- klas, Butterklas usw. Ja in manchen Gegenden ziehen St. Nik las und St. Ruprecht sogar zusammen um, dann aber stellt Ruprecht immer den gebändigten bösen Geist dar, d. h. es wird den Zuschauern der Steg des Christentums über das Heidentum ad oculos demonstriert. Derartige Vorführungen ergeben ost die drolligsten Szenen und sind meist mit allerlei Scherzgedichten verknüpft, deren Zitierung wir uns jedoch an dieser Stelle hier ersparen wollen. Der geschichtliche Ruprecht hat freilich ein ganz an deres Aussehen, als der uns durch Brauch und Sage überlieferte. Wir sinden in ihm einen Eottesmann voll regen Eifers. Der heilige Rupertus — auch Rudbert, Ruprecht, Hrodbert genannt — ist ein spezifisch bayrischer Christenapostel gewesen. Der männliche Vorname Ruprecht kommt ja auch heute noch in Bayern besonders häufig vor. Die Sage erzählt, daß er aus fränkischem Königsgeschlecht entstammt und etwa um die Mitte des siebenten nachchristlichen Jahrhunderts geboren sei. Allerlei Wunder sollen seiner Geburt voraufgegangen sein und aus seine zukünstige Heiligkeit hingedeutet haben. Historisch ist, daß er Bischof von Worms war und als solcher den Herzog Theo dor II. von Bayern kaufte. Das gab ihm natürlich ein hohes Ansehen unter allen Heidenbekehrern der damaligen Zeit. Seine Bekehrungsersolge waren denn auch wirklich großartig. Er zog die ganze Donau entlang bis nach Lorch fort. Und die Schar der Getauften mehrte sich von Tag zu Tag, wo er auch immer predigte. Anfangs des achten Jahrhunderts gründete er das Bistum Salzburg, woselbst er auch im Jahre 717 starb. Die Trauer um sein Dahinscheiden soll in der ganzen Christenheit groß gewesen sein. Dir katholische Kirche feiert seinen Todestag am 27. März; auch der Tag der Uebertragung seiner Reliquien (2-1. September) pflegt würdig begangen zu werden. Gerade in Sllddeutschland ist St. Ruprecht besonders beliebt. Dem Heilgen zu Ehren stiftete im Jahre 1701 der Erzbischof von Salzburg, Johann Ernst Gras v. Thun, den Rupertus-Orden zum Schutze des katholischen Glaubens. Diesem Orden war je doch keine lange Lebensdauer beschicken, denn nach etwas mehr als hundertjährigem Bestehen erlosch ex im Jahre 1802 bereits wieder. - Doch zurück zum Kulturhistorische)»! An einzelnen Zügen erkennen wir in unserem Heiligen nur zu deutlich den alten