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Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge : 05.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735684481-190612051
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735684481-19061205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735684481-19061205
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-12
- Tag 1906-12-05
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Monat
1906-12
-
Jahr
1906
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Nr. 80. Auer Tageblatt uns Anzeiger für das Erzgebirge. Mittwoch, den 5. Dezember 1906. Zur Braunschweigischen Thronsolgesrage. Der Vertreter der Braunschw. N. N. der, wie wir schon kurz meldeten, am Hofe des Herzogs von Cumberland empfangen wurde, macht seinem Blatte über die Unterredung folgende Mitteilungen: Herzog Ernst August hält nach wie vor fest an dem unantastbaren Thronrechte seines jüngsten Sohnes, des Prinzen Ernst August. Nach der Auffassung der Umgebung des Herzogs sei es Pflicht der braunschweigischen Regierung, die Thronsolgesrage unter allen Umständen vor das Forum des Bundesrates zu bringen. Man hofft, daß der Bundesrat die Berzichtleistung des Prinzen Ernst August auf Hannover sich vollständig genügen läßt, und die Besteigung des braunschweigischen Thrones durch diesen Prinzen gestattet. Am herzogliche» Hofe glaubt man nicht, das; der Bundesrat auch aus dem vom braunschweigischen Landtage verlangten Verzicht des Herzogs und seines ältesten Sohnes, des Prinzen Georg Wilhelm, bestehen wird. Dies sei der einfache, klare Rechtszustand. Aus einen Verzichtsausspruch seitens des Herzogs und seines, ältesten Sohnes aus Hannover innerhalb der ihnen gestellten Frist, sei somit nicht zu rechnen. Der Herzog sehe der Entscheidung des Bundesrats mit größtem Vertrauen entgegen, im übrigen aber sei die Situation seit dem 23. Oktober u » veränder t. Das Gerücht, der Herzog habe inzwischen selbst die Entscheidung der deutschen Fürsten und des Bundesrates an- gerusen, ist nach demselben Blatte sals ch. Er sei hierzu nicht kompetent. Die Meldungen von einer Erkrankung an einem Blasenleiden seien übertriebe». Der Herzog unterziehe sich gegen wärtig einer Kur. u. Der Kaiser ist gestern nachmittag 5 Uhr 6 Minuten von Breslau kommend in Klitschdors eingetrosfen und vom Für sten S o l m s - B a r u t h, dessen Sohn und Landrat Rosen- st i e l empfangen worden. Tausseier in Darmstadt. Gestern mittag ll'/^ Uhr fand im Neuen Palais zu Darmstadt die Taufe des am 8. November ge borenen Erbgrosjherzogs statt. Der Kaiser als Pate war ver treten durch den Prinzen Eitel Friedrich. Den Taufakt vollzog Oberhofprediger Ehrhardt. Während der Taufe hielt Prinz Eitel Friedrich den Täufling, der den Rufnamen Georg erhielt. Der verstorbene Prinz Karl von Vaden hat ein Alter von fast 75 Jahren erreicht. Prinz Karl, der am 9. März 1832 ge boren wurde, war ein Bruder des Großhcrzogs von Vaden und seit 187l mit Rosalie Luise Gräfin von Rhena (geborene Freiin von Kruft) morganatisch vermählt. Der Prinz, der an Verkalkung der Arterie n gestorben ist, war preußischer General der Kavallerie und erster Präsident der Ersten badischen Kammer. , . In das preussische Herrenhaus berufen wurde der Erste Bürgermeister der Stadt Halle a. S., Dr. R i v e. >v. Landtagsersatzwahl. Bei der gestern stattgesundcnen Stichwahl im dritten Berliner Landtagswahlkreise erhielten Dr. M ii l l e r - S a g a n (Frs. Volksp.) 1370 Stimmen, Ledebour (Soz.) 1108. Die Wirren in Posen nehmen kein Ende. Gestern wiederum ist eine größere Anzahl von Schulvorstehern und Gemeindebeam ten wegen des polnischen Echulstreiks ihres A intcsenthob e n worden. Für zahlreiche Ortschaften, in denen die Schulkinder den Gehorsam verweigerten, wurde die Polizeistunde für Gastwirtschaften ans 8 Uhr festgesetzt. In der Volksschule zu Samter wurden ans behördliche Anordnung drei neue Lehrer angestellt. Die Schul st euer n müssen deshalb bedeut e n d erhöht werden. Gegen den verantwortlichen Redakteur des Gnesener Lech, Stanislaus Szymanski, schweben beim Gne- sencr Landgerichte über zwanzig Strafprozesse, die mit dem Schulkinderstreik Zusammenhängen. Szymanski wurde deshalb wegen Fluchtverdachts in Untersuchungshaft genommen. Aus dem Königreich Sachsen. Verjährungsfristen am Jahresende. Das Jahr lllvli geht seinem Ende entgegen und jeder Ge schäftsmann sollte deshalb, um sich vor Schaden zu bewahren, baldigst eine Prüfung seiner Aussenstände vornehmen, da nm 31. Dezember eine gros;e Reihe von Forderungen verjährt. Mit dem Jahresschlus; sind nämlich von den im Lause des Jahres 1901 entstandenen Forderungen verjährt: l. die Ansprüche der Kaufleute, Fabrikanten und Handwerker für Lie ferung von Waren, Ausführung von Arbeiten und Besorgung fremder Geschäfte, mit Einschlus; der Ausgaben, sofern die Lie ferung usw. für den P r i v a t g c b r a u ch des Schuldners er folgt ist. 2. Die Ansprüche der L a n d - u n d F o r st w i r t e für Lieferung von land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, die zur Verwendung im Haushalt des Schuldners ersolgt. 3. An sprüche für F r a ch t b c s o r g u n g, K u t s ch e r s a h r t e n, Rechnunge n der Hoteliers und Restaurateure für Logis und Beköstigung, Ansprüche der Stellenvermittler, Lohnforderungen der Privatangcstellten und gewerblichen Arbeiter, sowie der Ar beitgeber für gewährte Vorschüsse und des Lehrherrn wegen des Lehrgeldes, ch Die Ansprüche der L c h r e r, A e r z t e, Rechts anwälte wegen ihrer Honorare und der Gerichtsvoll zieher, H e b a m in en, Zen g e n u n d S n ch v e r st ä n - di gen wegen ihrer Gebühren. — Außerdem verjähren noch von den im Jahre l!>02 entstandenen Forderungen: Kaufmännische und gewerbliche Warenschulden, Rückstände von Renten, Zinsen, llnterhaltungsbeiträgen und Pensionen. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsstel lung oder in anderer Weise anerkennt. Vielfach ist die Mei nung vorhanden, daß Mahnung des Schuldners die Verjährung unterbreche, dem ist jedoch nicht so, Mahnung unter bricht die Verjährung nicht. Ein rechtskräftig festge stellter Anspruch verjährt in dreißig Jahren. Rechtskräftig fest gestellte Ansprüche liegen außer bei einem Urteile auch bei einem Vollstreckungsbefehle vor. Das gleiche gilt für den Anspruch aus einem vollstreckbaren Vergleich oder einer vollstreckbaren Urkunde, sowie von einem Ansprüche, welcher durch die im Konkurs erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden ist. Der Prinz und die Frau Prinzessin Johann Georg nahmen gestern nachmittag von 1 Uhr an Glückwünschungscouren an. Abends bereitete der Biirgerausschuß für patriotische Kundgebun gen dem Prinzen und der Prinzessin in Form einer Serenade eine Huldigung, die trotz des ungünstigen Wetters einen wohl gelungenen Verlauf nahm. Daran beteiligten sich etwa 1000 Sänger. Dir Zwischendeputation der Zweiten Ständekammer zur Vorberatung des sächsischen Wassergesetzes schreitet mit ihren Ar beiten trotz angestrengter Sitzungen nicht recht fort, so daß es fraglich erscheint, ob die Arbeiten tatsächlich zu Weihnachten beendet sein werden, wie man von vornherein angenommen hatte. Die wesentlichen Ursachen für die Erschwerung der Arbeiten bil den die Schwierigkeit der zu behandelnden Materie überhaupt und auch dann die zahlreichen Abänderungsvorschläge, die zu den einzelnen Paragraphen der Regierungsvorlage gemacht werden. Vis jetzt ist man nicht über den 8 20 hinausgekommen, so daß obige Befürchtung berechtigt erscheint, wenn man berücksichtigt, daß das Gesetz über 100 Paragraphen umfaßt. Welche Gestalt das Gesetz haben wird, wenn cs die Deputation passiert hat, kann man heute natürlich noch gar nicht sagen. Soviel steht aber fest, daß es mit dem ursprünglichen Entwurse wohl nur noch wenig Ähnlichkeit besitzen wird. Plauen, 3. Dezember. Ins Irrenhaus. In die Irren abteilung des WaldHeimer Zuchthauses eingeliesert wurde jetzt der Mörder Johann Schwab, der kürzlich den Landge richtsrat Müller in Hof erstochen hatte, um sich sür ein ihm nicht günstiges Gerichtsurteil zu rächen. Schwab ist wegen Unznrech- nungssähigkeit außer Strafversolgung gesetzt worden. Der Mör der war früher ein angesehener bemittelter Gutsbesitzer im obe ren Vogtlande und später Branntwein-Reisender. Regis, 1. Dezember. W assereinbru ch. Auf dem Tage bau des hiesigen Kohlenwerkcs brach am Sonnabend in recht beträchtlichem Umfange Grnndwasscr ein, das diesen und den in Verbindung stehenden Tiefbau überschwemmte, sodaß augenblick lich der Betrieb ruht. Im Förderturm steht das Wasser bereits 11 Meter hoch und das Wasser ist noch im Steigen be griffen. Gestern mußten infolgedessen 130 Arbeiter ent lassen werden. Es wird wohl längere Zeit vergehen, ehe der Betrieb in vollem Umfange wieder ausgenommen werden kann. Nossen, I. Dezember. Im Dienste verunglückt. Heute früh gegen >-7 Uhr ist aus dem hiesigen Bahnhöfe der Wagen rücker Heinrich Paul Gras vcn hier beim Rangieren zwischen die Wagen gekommen und tödlich verunglückt. Graf hinter läßt außer der Ehefrau 5 Kinder im Alter von 8 bis 1 Jahr. Leipzig, 4. Dezember. Rcichsgcrichtsrat Goecke ist unerwartet infolge Herzschlags gestorben. Der Verstor bene war am 23. August 1844 in Paderborn geboren. Er trat in den Justizdienst 1866 als Auskultator, wurde 18M Referendar und 1872 Assessor. Im selben Jahre wurde er Kreisrichtcr in Schweetz und 1881 Landrichter in Gncsen, wo er dann Landes- gcrichtsrat wurde. 189l war er als Oberlandrsgerichtsrat in Hamm tätig. 1900 erfolgte seine Ernennung zum Senatspräsi- dentcn am Oberlandesgericht in Posen. Noch im selben Jahre erfolgte seine Berufung an das Reichsgericht, wo er seinen Sitz im 7. Zivilsenat hatte. Der Verstorbene war Inhaber des Roten Adlerordens 4. Klasse. Wachwitz, 4. Dezember. Ein aufregender Vorfall spielte sich gestern mittag hier ab. Der etwa 25 Jahre alte Kut scher eines Dresdener Geschäftsinhabers wurde plötzlich von Tobsucht befallen. Er bedrohte die in der Nähe befind lichen Personen, zerschlug und zertrümmerte alles, was ihm in die Augen kam. Er warf mit Steinen auf vorübergehende Per sonen, mit den Waren eines zufällig vorübersahrenden Grün warenhändlers warf er Fensterscheiben ein, und es verging ge raume Zeit, ehe sich mehrere beherzte Männer fanden, die den Wahnsinnigen überwältigten, fesselten und in Ortsgewahrsam brachten. Der Unglückliche wurde der Bezirkssicchenanstnlt Len den zugesührt. Schandau, I. Dezember. A uswandcrcr haben im ver gangenen Monat November nach den hierüber vorliegenden Zusammenstellungen 397 1 die sächsische Grenze passiert. Ins gesamt zählte man in den verflossenen l l Monaten dieses Jahres 43 814, während die Zahl der ostmals nach großen Enttäuschun gen in die Heimat zurückgckehrten Personen 8 030 betrug. Im Jahre 1905 verzeichnete man eine Gesamtzisfer von 48 000 nusge wanderten Personen. sr Stadtvcrordnetcnivahlen in Sachsen. Buchholz, 4. Dezember. Das Ergebnis der Stadtverordneten- Ergänzungswnhl brachte insosern eine Ueberraschung, als die Arbeiterpartei geschlossen zur Wahl anlrat und da durch z w e i der srci werdenden Sitze mit ihren Anhängern be setzte. Von 500 abgegebenen Stimmen (das sind über 50 Pro zent aller Wahlberechtigten) vereinigten die Sozialdemokraten etwa 48 Prozent aus ihre Personen. Annaberg, 4. Dezember. Bei der gestrigen Wahl wählten von 1563 eingeschriebenen Bürgern 951, gleich 60,84 Prozent. Wiedergewählt wurden 7 Ausscheidende und je ein Kandidat des Bürger- und Hausbesihervereins, des Hausbesitzervereins und Freien Bürgerkomitees, des Freien Vürgerkomitees und Bürger vereins. Zwickau, 4. Dezember. Bei der Ergänzungswahl zum Stadt- verordnetenkollegium, bei der 15 Mitglieder des Kollegiums zu wählen waren, siegte die Liste der vereinigten bürgerlichen Wahlvereine. Lunzenau, 4. Dezember. Bei der am Montag stattgesundenen Stadtverordnetenwahl siegte die Liste des B ü r g e r v e r e i n s, während die Sozialdemokraten, wie bisher, unterlagen. Von 507 Wählern beteiligten sich 400 an der Wahl. Freiberg, 4. Dezember. Bei den Stadtverordnetenwahlen wurden 9 Stadtverordnete, 5 ansässige und 4 unansässige, ge wählt, bei den Unansässige» 2 wieder- und 2 neugewählt. Die Neugewählten sind Stellmachermeister Eppendorfer und der Di rektor des Bundes der Landwirte Oswin Schmidt. Von 2339 Wahlberechtigten haben 1276 ihre Stimmrecht ausgeübt, das sind an 54 Prozent. Lausigk, 4. Dezember. Bei der Stadtverordneten-Ergän- zungswahl wurden Braunkohlenwerksbesitzer E. Seirig, Kauf mann O. Keilhack, Kaufmann O. Apitzsch, Filzwarensabrikant A. Winkler und Kaufmann N. Müller als Ansässige, sowie Ober lehrer Carius, Galantcriewarenhändler E. Mätzold und Schlos- sermeister A. Fritzsche als Unangesessene bei einer Beteiligung von 62 Prozent der wahlberechtigten Bürger als Stadtverordnete gewählt, bezw. wicdergewählt. Döbeln, 4. Dezember. Bei de» gestrigen Stadtverordneten wahlen wurden die aus dem Stadtverordneten-Kollegium aus scheidenden Herren wieder gewählt, mit bürgerlicher Hilfe auch der ausscheidende einzige sozialdemokra tische Stadtverordnete Vieweg. Die übrigen acht sozialdemo kratischen Kandidaten brachten es bis zur Höchstzahl von 361 Stimmen, während 1063 Stimmen abgegeben worden waren. von Stavt lttld Land. Gedenktage am 5. Dezember. 1905 Gefecht mit Hotten totten bei Eubuoms. 1894 Cchlußsteinlegung im neuen Reichs tagsgebäude. 1870 Manteuffel besetzt Rouen. — Einzug des Prinzen Friedrich Karl in Orleans. 1791 4 Wolfgang Amadeus Mozart in Wien. Mitterungsverl-ru! in Sactilen airi 4 Dezember ryoö. (Telephonische Mitteilung des König!. Sachs. Meteorologischen Instituts zu Dresden.) m Teniperalnr wind Kie-er schlüge Mar. Min. Dresden ' l.7 -b 4 N.l IV l !). Leipzig . i», 4 u 0 4 -',7 8ZV 0 Zschadraß ^2-. 1- 1,.'» 4 2.« IV l Nautzcn 4 >i,i» r- 22 ZV 4 HiNan 4 4 2,4 ZV Schcmnn, 4 , .D 4 l/> ZV Freiberg 4 7." i 2,0 ZV di ZV >1- 4 t»,7 ; :r.u 8ZV 2 Llftcr 4 ä,l i 2,4 ZV l tllcibcia 7.71 's l»,k» — o.i» X :i Neigenbain 7-- 4 >.» — l,ä ZV 2 Fichtelberg l-'IN 4 l 0 - — 2,1» ZV ... Der 4. Dezember war im ganzen Lande von Niederschlägen begleitet, welche zeit- und stellenweise stark und im Gebirge als Schnee austraten, daselbst eine leichte Schneedecke bildend. Die Temperatur zeigte geringe Aenderungen. Einem Minimum von —2 Grad am Fichtelberg stand ein Maximum von 10 Grad in Dresden gegenüber. Der Luftdruck war bis zu 10 Millimeter un ter normal, doch begann das Barometer wieder zu steigen. Meldung vom Fichtelberg. Starker ununterbrochener Nebel, gute Schlittenbahn bis Oberwiesenthal, Schnectiefe 20 Zenti meter, starker Reis, schwacher Nauhsrost, beide anhaltend. Sturm aus Nordwest. Wettervorhersage für den 6. Dezember. Schwache westliche Winde. Meist trübe. Niederschläge. Etwas wärmer. Wetterhäuschen der König Albert-Brücke. Barometerstand 726. Temperaturstand -s- 1 Grad. Feuchtig keit 38. Windrichtung N. Aue, 5. Dezember. 2i Die Gesellschaft Erholung wollte wohl an dem gestrigen Abend daran erinnern, daß sie nach Höherem geizt; denn sie rückte Earl Blum s Lustspiel: „Ein Ball zu Ellerbrunn" in den Mittel punkt ihrer Vortrag-Folge. Die Darbietung war temperament voll und impulsiv, ja mit sichtlicher Liebe bedacht, so daß diese ehrliche Leistung, die weit das Maß des Dilettantismus über schritt, die Hörenden zu stürmenden Beifall stimmte. Das Or chester spielte unter Herrn Kapellmeister Sättlers Direktion mit gewohnter Exaktheit. Ein slotter T a nz beschloß das wohl gelungene Dezembervergnügein heiratslustige Mädchen vorhanden sind, in Nußschälen aus dem in einer Schüssel befindlichen Wasser schwimmen. Jedes Mäd chen hat sein Lichtchen, während man den Nußschalen in Gedan ken den Namen des Geliebten beilegt. Der, dessen Schale zuerst dem Lichtchen des fragenden Mädchens naht, wird der zukünftige Lebensgefährte. Um über den B erus des Zukünftigen Ausschluß zu erhalten, legt man im Erzgebirge neunerlei Gegenstände aus den Tisch und bedeckt sic mit je einer Obcrtagc. Unter einer der Tassen befindet sich ein kunstvoll ausgeschichtetes Salzhäuschen. Jedes der anwesenden Mädchen muß sich nun, ohne daß es ge sehen hat, wie die Gegenstände liegen, eine Tasse aussuchen. Liegt unter ihr etwa ein Stückchen Leder, so bekommt es einen Schuhmacher, liegt ein Stückchen Tuch darunter, so ist sein Zu künftiger ein Schneider nsw. Das Mädchen aber, das die Tasse, unter dem sich das Salzfäßchen befindet, aufhebt, muß im folgen den Jahre sterben, falls das Häuschen auseinandergefallen ist. In Schlesien knien die Mädchen abends, ehe sic zu Bett gehen, nieder und beten: Hcrzgeliebter Andrees! Gib mir zu erkennen, wie er hceß! Gib mir zum Augenschein, Welcher soll mein Liebster sein! Weitverbreitet war und ist zum Teil noch heute die Sitte des Betttreiens Mit der großen Zehe abends beim Schla fengehen an dir untere Bettwand stoßend, sprechen die Mädchen: Beltspond (Bettbrett), ich trete dich, Laß doch ersc.','einen Den Herzallerliebsten, meinen. Mitunter schlossen sich an diese Verse noch folgende: Soll ich mit ihm werden reich, Kommt er mit dem grünen Zweig, Soli ich mit ihm werden arm, Kommt er mit dem Knust Brot im Arm. In der Gegend von Zürich setzen sich die heiratslustigen Mäd chen aus den Bettrand und sprechen: Hier auf der Bettstatt sitz' i', O, Andreas, i' bitt' Di', Zeig mi hinacht in der Nacht, Welle Schatz mi dann bewacht! Ist er reich, so chumt er g'ritte, Ist er arm, so chumt er g'schritte. Vielfach gehen die Mädchen nachts zwischen elf und zwölf Uhr zu einem Erbzaun, rütteln an ihm und sprechen: Erbzann, ich schüttle dich, Lieber Andreas, ich bitte dich, Laß mir erscheinen, Den Herzallerliebsten meinen, Wie er geht, wie er steht, Wie er mit mir zum Altar geht! Im Elsaß schauen die Mädchen um Mitternacht in gewiße Brunnen oder Quellen; anderswo nehmen sie ein brennendes Licht und sehen mit dem Schlage Zwölf in einen Spiegel, um darin das Bild ihres künftigen Lebensgefährten zu erblicken. Wie die Andreasnacht, so ist auch die Thomasnacht (Nacht zum 2l. November) geeignet, einen Blick in die Zukunft zu tun. Wie in jener, so gießt man auch in der Thomasnacht Blei, geht vor die Türen horchen usw. Auch den hl. Thomas bitten die Mädchen, ihnen den zukünftigen Gatten erscheinen zn lassen, in dem sic punkt zwölf Uhr nachts beten: Bettschemel, ich tritt dich, Heiliger Thomas, ich bitt' dich, Zeig mir an: Meinen künftigen Mann! Die Schwäbin setzt vorsichtig noch die Worte hinzu: Kommt er mit einem Glas Wasser, So will ich ihn lassen: Kommt er mit einem Glas Wein, * So soll er mein Eigentum sein. Hier und da schreiben die 'Mädchen auch Buchstaben aus ein zelne Zettel, die sie unter das Kopfkissen legen, um in der Nacht einen davon hcrvorzuzichen und aus dem Buchstaben den Na men des Zukünftigen zu erraten. Auch die Christnacht eignet sich vorzüglich zu Liebes orakeln. Schon nm das Jahr 1600 eifert ein Pfarrer gegen die sen Mißbrauch und Aberglauben, wenn er schreibt: Was vor aber gläubische Häntl werden nur in der heiligen Christnacht began gen! Da gießt man zerlassen Zinn oder Blei ins Wasser, man setzt Salzhäuschen, man greift nach Haaren, man wirst den Schuh, sogar hat der Teufel sein Werk auch zu solcher Zeit, da man viel andere Gedanken haben sollte. Soviel man aber auch gegen derartige Bräuche geeifert hat, so hat man doch nicht vermocht, sic ganz zu beseitigen. Noch heute treibt unsere weibliche Jugend in der Advcntszeit der artige Kurzweil, um den dunklen Schleier, der die Zukunft ver hüllt, zu lüsten und sich an künftigen Geschehnissen vorahnend zu erfreuen.
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