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mäßia Gesellschaftsfahrten von Waldenburg in Schlesien bi» Aachen durchführt. Die Schuldfrage konnte noch dicht gekliirt werden. Bezirksziegenschau in Kirschau. Kirschau, 4. Juli. Unter zahlreicher Beschickung fand hier am Sonntag eine züchterisch außerordentlich mteres- sante Bezirksziegenschau statt. Zum Eröffnungsakt hatte sich eine Anzahl hiesiger und auswärtiger Züchter einge funden. Vorsitzender Mieth sprach einleitende Be- grüßungsworte. Die Schutzherrschast hatte Bürgermeister Seifert übernommen. Er eröffnete die Ausstellung mit besten Wünschen für ihren Verlauf und würdigte dabei die volkswirtschaftliche Bedeutung der Ziegenzucht. Alten züch terischen Geist atmeten die Ausführungen, mit denen sich Herr Faßmann, Bautzen an die Versammelten wandte. Bewertung und Preisverteilung hatten folgendes Er gebnis: Cs. erhielten: für Böcke: 12 RM. (Staatspreis): Ziegenzuchtverein Geißmannsdorf; je 5 RM. (Preis des KreisziegenZuchtverbandes): die Vereine Bautzen und Kir schau; «ine Fußbadewanne: Verein Bautzen; einen Zink eimer: Verein Wehrsdorf. Für Jährlingsziegen: 5 RM. (Preis Kreisverband): Karl Schneider-Bautzen; einen Eimer: Heinzke-Bautzen; ein Dutzend Eier: Wauer- Kirschau; je eine Wurst Holubec und Hobrack-Kirschau. Für ältere Ziegen: 8. RM. (Staatspreis): E. Jantschke- Bautzen; «inen Satz Messer und Gabeln: E. Jantschke-Baut- zen; je 8 RM. (Staatspreis): E. Manitz-Kirschau, und R Wagner-Geißmannsdorf; einen Satz Töpfe: C. Manitz-Kir schau; 5 RM. (Preis Kreisverband): Zimmermann-Kirschau; einen Satz Löffel: A. Simmank-Bautzen; «inen Sack Fut- terkalk; W. Wagner-Kirschau; eine Fleischschere: Fickert- Geißmannsdorf; eine Gießkanne: Hobrack-Kirschau; verschie dene kleinere Preise: Adam-Bautzen, Töppel-Kirschau, Mä- bert-Bautzen, Sbyschni-Kirschau, Zimmermann-Kirschau. Seifert-Kirschau; Simmank-Bautzen und Lischke-Klrschau. Landgericht Bautzen. (Nachdruck verboten.) Bautzen, 4. Juli. Diebisch« Slreifzüge hatte der 23 Jahre alte ledige Paul Ehrhardt Koneil aus Bischofs - werd'« im Sommer vorigen Jahres unternommen. Er hat in seiner Jugend schon nicht gut gtztan, war 9 Monate lang in Fürsorgeerziehung gewesen und mehrfach bestraft wor den. Bei seinen Eltern hatte er Wohnung und Kost gehabt. Pom 1. August 1933 ab hatte er Diebstähle in Kuppritz, Neschwitz, Großerkmannsdorf, Luga, Hennersdorf, Langen wolmsdorf, Birkau und Truppen begangen. In der Haupt sache hatte er bares Geld mitgehen heißen, zweimal waren ihm größere Betrag« in die Hande gefallen, so beim Bürger meister in Luga 181 RM. und in Hennersdorf bei einer Witwe 151 RM. In einem Falle hatte er ein verschlossenes Behältnis mit Gewalt geöffnet, um zu Geld zu gelangen, also einen schweren Diebstahl ausgeführt, in den anderen 9 Fällen hatte es sich um einfache Diebstähle gehandelt. Ko- neil, der geständig war, wurde unter Annahme mildernder Umstände u. Anrechnung der Untersuchungshaft mit 3 Jah ren Gefängnis und 5 Jahr«n Ehrenrechtsverlust bestraft. In geheimer Sitzung wurde gegen den 52 Jahre alten, wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen an einem Schul mädchen schon vorbestraften Gustav Hermann Menschel aus Niederoderwitz verhandelt. Für diese erste Strafe hatte ihm das Schöffengericht Zittau eine Bewährungsfrist be willigt, die noch nicht abgelaufen ist. Heute handelte es sich um gleiche Sittlichkeitsverbrechen, die er vom Herbst 1933 biß Frühjahr 1934 im Walde bei Niederoderwitz an 4 Mäd chen unter 14 Jahren begangen haben sollte. Er wurde aus Wobbes Ferienreise. Heitere Skizze von G. Buetz-Dessau. (Nachdruck verboten.) Lieschen Wobbe hegt seit Tagen einen Traum. Sie will eine richtige Ferienreise machen. Der Gatte, Otto, läßt sich indessen nicht erweichen. „Lieschen", wehrt er mit der Energie des verantwortungsbewußten Familienhauptes ab, „sowas überschreitet unsere Verhältnisse. . . Aber wenn Du das Seidenkleid haben willst, das dünne, grüne, das Dir so gut gefiel... wenn es unbedingt sein muß — das ließe sich machen." Ein Seidenkleid ist kein Ersatz für eine heißersehnte Sommerreise. Lieschen zerquetscht eine Träne und haucht: „Ja." So kommt das herrliche, hauchdünne Grüne in Wob bes Haus. Die junge Frau findet, es steht ihr „einfach apart". Auf dem Fest der Kegler wird sie beinahe Mittel punkt. Lieschen sagt „Ottochen" und hängt sich eng an den Gattenarm, so oft sie das Grüne trägt. Indessen — das liegt nun einmal im menschlichen G- müt — je mehr die Sonne wärmt, als gar Müllers auf die Sommerreise gehen, die sonst stets zu Hause blieben .... Lieschen flötet nicht mehr „Ottochen", und Kleider, die „nach viel mehraussehen als dasGrüne", spreizensich jetzt in jedem Ausverkauf. „Es wird sich auch nicht halten", nörgelt Lies chen. Trotzdem. Das Aeußerste, was Otto nach schweren Bedenken zugeben will, ist eine Extrafahrt über Wochenend. Lieschen zuckt die höhnend aufgeworfenen Lippen. Selbst Otto muß schließlich zugeben, daß sie „richtig elend aus sieht". „Kunststück, wenn man niemals etwas für die Gesund heit tut! Immer in verdorbener Stadtluft! Aber ich sage nichts mehr." Otto hat sein niedliches Lieschen aus uneigennütziger Liebe gefreit. Er mag es anfanaen, wie er will, sobald er sich jetzt in eine Zeitung vertieft, stets findet sein krampfhaft ablehnender Blick die Anpreisung einer billigen Ferienreise. Wenn man recht bedenkt, so etwas ist auch für den kleinen Beutel erschwinglich. Als Otto sich das erste Mal bei diesem verwerflichen Gedanken ertappt, sieht er erschrocken zu Lies chen hinüber. Die stichelt mit beleidigtem Gesicht an schad hafter Wäsche. Für Otto folgt eine unruhige Nacht; es kann auch nickt behauptet werden, daß er die nächsten Tage im Büro m,t der notwendigen Sorgfalt arbeitet. Wobbe ist fahrig und zerstreut. Er rechnet heftig, doch „privat". ,Hch geh noch mal aus, Lieschen", wirft Otto kurz hin. Seine mageren Beine bringen ihn widerwillig zur Tür. Schließlich, er könnte auch morgen. . . Nein! Wobbe gibt sich einen Ruck. „Auf Wiedersehen!" ruft er rauh. Lieschen blickt vom Geschirr kaum hoch. Was ist schon groß dabei, wenn Otto auf die Straße geht! ,Ln welchen der Untersuchungshaft voraeftckrt. Da» Urteil lautet« un ter Annahme mildernder umstände auf 2 Jahr« S Monat» Gefängnis und 3 Jahre Ehrenrechtoverlust. Ost und empfindlich vorbestraft ist der SS Jahre alte Ernst Hermann Nitsch« aus Bautzen, gegen den die 1 große Strafkammer weg/n Rückfallbetrugs und Unterschla gung zu verhandeln hatte. Mit ihm waren sein« Ehefrau Martha geb. Krause wegen einfachen Betruges und der 35 Jahre alte Fritz Kurt Frömteraus Bautzen wegen Heh lerei angeklagt. Hermann Ritsche hatte in Bautzen feit 1SS2 ein Möbelgeschäft betrieben, das früher auf der Rosenstraße gelegen und zuletzt in einem Grundstück der Moltkestraße unteraebracht war. Ritsche war bald in eine schwierige ge schäftliche Lage gekommen. Er hatte seinen Zahlungsver pflichtungen nicht, oder nur in beschränktem Maß« nachkom men können. Viele und oft erfolglose Pfändungen waren eingetreten. In letzter Zeit war das Geschäft auf d«n Na men seiner Ehefrau gegangen und er hatte als deren Ge schäftsführer in der Hauptsache den Ein- und Verkauf von Möbeln ausgeführt. Am 2. September 1932 hatte Ritsche die bei ihm lagernden, zum Teil als Kommissionswaren ge lieferten und nicht an die Lieferanten bezahlten Möbel samt seinem eigenen Hausrat an Frömter für 1425 RM. ver kauft und war mit seiner Frau geflüchtet. Dem Frömter hatte er erzählt, er gäbe sein Geschäft in Bautzen auf und wolle in Baden ein neues Geschäft errichten, die an ihn verkauften Möbel seien sein Eigentum. Nach der Flucht der Eheleute Nitsche hatte sich eine große Anzahl von Geschäfts- und Privatpersonen gemeldet, die sich von ihnen geschädigt gefühlt hatten. Auf der Flucht hatte Nitsche mitgenommene Koffer auf dem Zollamt Sohland/Spree lassen müssen, wo sie beschlagnahmt worden waren. Er und seine Ehefrau und sein Sohn waren über die Grenze entkommen und hat ten als angeblich politische Flüchtlinge in Zeidler in einem Gasthaus Unterschlupf gefunden. Dort waren sie von dem Inhaber Schmutzler, der am meisten geschädigten Möbel firma Doll L Co. in Radeberg aufgefpürt und auf seine Ver, anlassung durch tschechoslowakische Gendarmerie festgenom men worden. Bis zu ihrer Auslieferung hatten sie in Böhmisch-Leipa in Haft sitzen müssen. — In der gegen sie erhobenen Anklage handelte es sich um zwei Gruppen von Betrügereien. Die erst« umfaßte einige Lieferanten, dar unter die Fa. Doll L Co., die durch falsche Vorspiegelungen in den Glauben versetzt worden sein sollten, daß die Fa. Nitsche in der Lätze fsi, ihren Zahlungsverpflichtungen nachgukommen. Im zweiten. Falle handelte es. sich um Be trügereien zum Nachteil von Käufern, denen Möbel gegen eine Anzahlung bzw. Abzahlungsraten verkauft worben waren, die später die Möbel nicht erhalten und so die von ihnen gezahlten Barbeträg« eingebüßt hatten. Den Ehe leuten Nitsche sollte es hierbei nur darauf angekommen sein, diese Gelder in die Hände zu bekommen, ohne daß bei ihnen der Wille vorgelegsn habe, die Möbel auch zu liefern. Eine Unterschlagung wurde darin erblickt, daß an Frömter u. a. Küchenmöbel verkauft worben waren, die die Fa. Nitsche nur zum kommissionsweisen Verkauf geliefert erhalten hatte. — Alle drei Angeklagten bestritten, sich strafbar gemacht zu haben. Hermann Nitsche erklärte, es habe ihm fern gelegen, seine Lieferanten zu betrügen. Er sei immer ein reeller Geschäftsmann gewesen, habe ge glaubt, die gelieferten Möbel auch bezahlen zu können Und habe auch Möbel gegen Nachnahme bezogen. Falsche Vor spiegelungen habe er nicht angewendet, um in den Besitz von Möbeln auf Kredit zu kommen. Alle PSschäfte seien von ihm allein getätigt worden. — Frau Nitsche gab an, sie sei zwar Inhaberin des Möbelgeschäftes gewesen, habe sich aber um den Ein- und Verkauf der Möbel nicht gekümmert und weder die Lieferanten noch die Kunden getäuscht oder geschädigt. — Frömter venvahivt« stch argen den Vorwurf, sich einer Hehler«! schuldig tzemacht zu HÄ«. Er behauv- t«t«, er habe nicht annehmen können, daß di« ihm von Nit- sch« vertäust«» Möbel von diesem in strafbarer Weife er- worben od«r varüußert worden seien. Bei <ül«n derartigen Gelegenheitskäufen Hobe er stets die größte Vorsicht walten lassen. Nitsche habe ihm glaubhaft veHchert, daß di« betr. Möbel sein unbeschränktes Eigentum feien und habe dafür Belege beLgebrocht. Die von ihm ««zahlten Preis« seien keine Schl«uderpreife gewesen. — Das Gericht hielt einen Betrug zum Nachteil der Fa. Doll L Co. nicht für vorliegend. Dagegen kam es zu der Ueberzeugung, daß Nitsche durch die nach den erfolglosen Pfändungen vorgenommenen Be stellungen die betr. Lieferanten und in einem weiteren Falle den Käufe» eine» Möbelstückes betrogen habe. Frau Nitsche wurde nicht für schuldig befunden, sich an den Betrügereien ihre» Mannes beteiligt zu haben. Ritsche und seine Frau wurden aber als überführt angesehen, eine Unterschlagung gemeinschaftlich insoweit begangen zu haben, als die von der Fa. Doll L Co. als Kommissionsware» gelieferten Kü- chemnöbel an Frömter verkauft worden waren. — Betr. Frömters hielt das Gericht den Schuldbeweis für ein« Heh lerei nicht für ausreichend erbracht. Nitsche wurde unter Zubilligung mildernder Umstände wegen Rückfallbetrugs in 2 Fällen und Unterschlagung zu 1 Jahr 6 Monaten Ge fängnis und 3 Jahren Ehrenrechtsverlust, Frau Nitsche we gen Unterschlagung zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Frömter wurde kostenlos freigesprochen. Den Eheleuten Nitsche wurde 'die Untersuchungshaft, auch soweit sie im Ausland erlitten wachen war, auf ihre Strafen angerechnet. Riesenwaldbrand bei Elsterwerda. Elsterwerda. 6. Juli. Seit einigen Tagen wütet im Ostzipfel der Provinz Sachsen zwischen den Orten Plessa und Gorden im Kreise Liebenwerda ein Waldbrand, von dem nach und nach 1000 Morgen alter und junger Kiefern bestände und Moorwi«sen erfaßt worden sind. Die Flam men finden im Moorboden immer wieder neue Nahrung. Das Feuer schwelt unterirdisch weiter und bringt die Bäu me, wenn die Wurzeln vernichtet sind, zum Sturz. Etwa 30—40 000 Festmeter Holz müssen geschlagen weroen, dar unter über hundertjährige Bäume. Im Brandgebiet, das von einem ausgedehnten Grabennetz durchzogen wird, ar beiten «twck 1000 Mann an der Bekämpfung des Brander. Zwei Arbeitsdienstlager find eingesetzt. Feldküchen sorgen für die Verpflegung. Von der Technischen Nothnf« Finster walde wurden Feldtelefonleitungen gelegt. Ferner ist ein umfangreicher Sanitätsdienst eingerichtet worden, da die Helfer nicht selten von Rauchvergiftungen befallen werden. Dl« Umgrenzung des brennenden Waldstücks erstreckt sich auf «ine Länge von 8—10 Kilometern. Von der Grube Lauchhammer ist nach dem Brandgelänve eine etwa 4 Kilo meter lange Wasserleitung gelegt worden. — Todessturz vom verllaer Eolumbus-Haas. Vom- neunten Stockwerk d«s Columbus-Hauses in Berlin stürzte sich eine 38 Jahre alt« Frau F. auf den Potsdamer Platz hinunter Mit schwersten Verletzungen wurde sie zur Ret tungsstelle gebracht. Dort konnte der Arzt ab« nur mach den Tod feststellen. Der Beweggrund zur Tat ist noch nicht ermittelt. Die Frau versuchte vor dem Absprung, in ihrer Wohnung auch ihre zehnjährige Tochter zu töten. Als der Ehemann von seiner Ärbeltsstelle in die Wohnung zurück kehrt«, fand er die Räume mit Gas gefüllt. Auf einem Ruhebett lag seine Tochter. Das Kind, bas eine schwere Gasvergiftung Mitten hat, wurde ins Krankenhaus ge bracht. Saftladen willst Du denn gehen?" fragte sie ironisch. „Ist ja doch kein anständiger Mensch mehr bei der Hitze hier." Wobbe steht an der Tür. Sein gequälter, aber gewis sermaßen hoheitsvoller Blick flattert an Lieschen vorbei. „Man könnte hierauf vieles sagen, liebes Kind. Dennoch, ich schweige lieber." „Da tust Du auch gut daran", ruft sie ihm heftig nach und klirrt erbost mit dem Geschirr. Müllers sind schon vier zehn Tage fort und haben nicht mehr Gehalt als sie! Auch Otto denkt daran. Man kann doch Müller nicht des Leichtsinns zeihen! Ihm, Wobbe, fehlt nur sozusagen der nötige Schwung; er stellt sich zu schwer um. Wild fuchtelt der Mann mit dem Stock. Den Kopf in den kurzen Nacken gelegt, stürmt er dahin, die Hand fest auf der Hosen tasche, damit er das Geld nicht verliert. Vor dem Eingang des Reisebüros prallt er dennoch von heftigen Gewissens qualen bedrängt zurück. Schließlich ist es der Betrag, den er sonst für unvorhergesehene Fälle zurückzuhalten pflegt. Erst das wenig liebevolle Wort „Mensch, jeden Sie doch mit Ihrem breiten Rücken ejalement von der Tür fort!" und ein Rippentreller, der nicht ohne Schmerzgefühl verläuft, stürzen die letzten Schranken in ihm nieder. Wobbe hat es nun noch eiliger als der Unliebsame. Kühl im Ton, bewußt und sicher fordert er, was nötig ist, bezahlt mit weitaezogener Geste. Erst als er schon halb zu Hause anlangte, fühlt er das Zit tern in den Knien. „Lieschen", japst Otto und wirft sich erschöpft in den Großoaterstuhl, der noch von seinen Eltern stammt, „für Dich ist es, Lieschen. Meinetwegen hätte ich es nie getan!" Als Lieschen di« zwei Fahrkarten für den zehntägigen Aufenthalt in Bayern erblickt, bleiben ihr sämtliche Worte fort. Otto hat das bei ihr noch nie erlebt, er wird richtig bewegt. „Das Grünleidene nehme ich mit!" das ist Lieschens erster Jauchzerschrei. „Ausgeschlossen! Loden, Waschbluse und Nagelschuhe! Ich dulde keine Belastung im Gepäck. Das ist doch keine Tanzpartie, alle Tage werden Touren gemacht." „Aber Sonntag, Ottochen, Ottochen, Sonntag muß ich doch etwas Besseres anziehen l" „Dein Lodenmantel genügt." „Ottochen", Lieschen ringt vor Glück die Hände, „das Seidene wiegt doch nichts, so dünn, wie das ist!" „Na, gut, dann nehme ich ein Hemd weniger mit." Lieschen ist zu selig, um auf dies Problem noch weiter einzugehen. Vier Tage wird bei Wobbes gepackt, gemottet, gewaschen, gestärkt und überlegt. Am fünften ist dann das Unglück geschehen. Lieschen hat beim Plätten den Aermel des Grünseidenen versengt u. kann den Schaden nicht stlber beseitigen, die Schneiderin muß heran. Frau Melusine Hüpka schnüffelt mit der Spitznafe ungnädig in die Luft. „Sofort? Ausgeschlossen!" Doch auf Lieschens heißes Flehen, und weil doch nun einmal morgen mittag der Zug abgeht, will Melusine Hüpka einmal die Ausnahme machen: „Punkt zehne ist es da!" Aber das Grünseidene ist bis zehn nicht heran, auch um elf läßt sich von ihm noch nichts erspähen, Lieschen hängt unten beim Kaufmann am Telephon, obgleich sie alle Hände voll zu tun hat. Zwölf Uhr; das Seidene ist nicht da . . . „Schluß!" gebietet nun Otto, kniet auf dem Koffer und schnallt zu. Während Wobbe vorsorglich immer wieder auf die Klinke faßt und sachte bollert, ob auch das Schloß der Korridortür richtig gefaßt, jagt Lieschen nach unten, schreit in den Apparat: „12 Uhr 56, Bahnsteig drei! Bringen Sie mir das Kleid, wie es ist, im Karton!" Dem Feldherrn gleich, der noch im letzten Augenblick die Schlacht gewann, schwebt Lieschen erhobenen Hauptes neben Otto her. Erst auf dem Bahnsteig zeigt sie sich merk lich erregt, während sich der Mann der Lage vollkommen gewachsen zeigt. Seine Knickerbocker, sanft kariert, ver schwinden freudig im Abteil. „Lieschen, mach! Willst Du, daß ich allein reise?" Die Frau zuckt heftig zusammen, steigt fluchtartig ein und stürzt dann sofort an das Fenster. „Die Hüpka bringt mir doch noch das Kleid", ruft sie gepreßt. Otto unterdrückt einen Kraftausdruck und schiebt den bleischweren Koffer ohne Hilfe in das Netz. Sanz weit hängt sich Lieschen zum Fenster heraus, damit die Hüpka sie sehen kann. Da taucht auch der Schneiderin hochrotes Haupt über dem Treppen aufgang auf. „Hierher!^ schreit Lieschen und wedelt mit den Armen. Da braust der Zug ab. Denn die Zeit ist um. Allein in jäher Energie hat Lieschen der heranschnaufenden Hüpka noch den Karton entrissen. Jubelnd will sie Otto künden: „Ottochen, das Kleid ist da!" Da erblaßt sie, stummverzerr ten Mundes. Der Karton ist zu groß. Er läßt sich nicht durch das Fenster in das Wageninnere ziehen. Lieschen hält das Grünseidene außerhalb des fahrenden Zuges in zitternden Händen. ,Laß es fallen!" ruft Otto. Aber Lieschen hält fest. Als sie die Finger nicht mehr um die Kantenecken krampfen kann, muß der Gatte heran. „Halt fest!" schreit Lieschen. „Faß an der Strippe mit an, damit es Dir nicht entgleitet! Ottochen, bald kommt doch mal 'ne Station." Mit wogendem Busen japst Lies chen nach Luft, schief thront der nagelneue Hut auf ihrem Hintertopf. Und das ist erst der Anfang von Wobbes Ferienreise. Was kommt nun n-chs