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Auerthal -Zeitung Billigste Tageszeitung im Erzgedu»v Verantwvrttichcr Redakteur: Ernst Funk», Aue > Erzgebirge' Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. Erscheint täglich Nachmittag«, anher an Som: n. Feiertagen. — Precs pro Mona, frei ins hau» SO Pjg-, abgcholt 1b Psg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" Bei der Post abgcholt pro Vierteljahr 1 Ml. — Durch den Briefträger 1.40 Marl. Lagevlart für -ie Stadt Aue and Unrgedrrng Inserat« ne einspaltige Petitzeile 10 Pf«., m»tltche . Inserate die EorpuS-Zeil« 25 Psg., Reklame» pro Zeile 20 Psg. Bei 4 malige» Ausnahm» d/p Rabatt. — Bei größeren Inserat« >. mehrmaliger Aufnahme wird entspreä end höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten mrd Landbriefträger nehmen Bestellungen an. Nr. 7b Sonntag, den l. April l900. 12. Jahrgang. Ve * n» ifetzt < » Deutschland. 8 Gleiwitz, 28. März. Wie der .Oberschlesische Wanderer meldet, sand gestern Abend in der Friedens hütte der Oberschlesischen Eisenbahnbedarf-Aktien-Ge- sellschaft ein größeres Schadenfeuer statt, ^ie Adjustage der Walzwerke wurde zerstört. Der Schaden beläuft sich aus über ^2 Million Mark, ist jedoch durcb Ver sicherungen gedeckt. Bis zum Wiederaufbau der durch das Feuer zerstörten Theile ruht die Arbeit in den selben. Weiterer Schaden dürfte irdoch nicht ent stehen. 8 Bankier Sternberg vor Gericht. Eine Skandal- affaire, die seit Monaten die Oefsentlichkeit beschäftigt, wird jetzt vor der neunten Strafkammer des Ber liner Landgerichts zur gerichtlichen Erörterung ge langen. Vor derselben hat sich der Bankier August Sternberg aus Charlottenburg unter der Anklage der Nothzucht und des Sittltchkeitsverbrechens in 3 Fällen zu verantworten. Die Verhandlung des Prozesses, die allerdings zum größten Theile unter Ausschluß der Oefsentlichkeit vor sich gehen dürste, wird ein äußerst trübes Sittenbild entrollen. Vor Allem wird sie das Leben und Treiben einer Reihe der berüchligsten Kupplerinnen Berlins enthüllen, das im engen Zn- sammenhange mit den Strafthaten des Angeklagten steht. Unter der Maske als .Masseusen", .Heilgehil- finnen" usw bieten sich seit einigen Jahren in ver schiedenen Berliner Zeitun» en Personen an, die ent weder selbstständig das Unzuchtsgewerbe betreiben oder aber als Kupplerinnen für Mädchen, die eben erst der Prostitution sich in die Arme geworfen habrn, auf treten. In letzterem Falle handelt es sich oft auch um junge, unerfahrene Mädchen vom Lande, denen die Kupplerinnen Stellungen aller Art zu vermitteln vorgeben und die schließlich, nachdem man sie mürbe gemacht hat, durch die Noth gezwungen werden, sich l er Prostitution hinzugeben Eine dritte Serie dieser Kupplerinnen beschäftigt sich mit der Vermittelung von Kindern bezw. Personen, welche noch > im gesetz lichen Schutzalter stehen, an Leute, deren perverse Neigungen für solche Dinge bekannt sind. Um die Mädchen in Sicherheit zu wiegen, werden sie meist als .Modelle" engagirt und verkuppelt, so daß es der «Polizei oft recht schwer fällt, festzustellen, ob das ver führte Mädchen sich des ihm bevocstehendcn Schicksals bewußt war oder nicht. In diesen Kupplerinnenkreisen war namentlich der Angeklagte Sternberg als ein Mann bekannt, der Neigungen dei vben angedeuteten Art fröhnte. 8 Wegen des Ausstandes der Berliner Schneider sind Verhandlungen zwischen den Meistern und Ge sellen im Gange. 8 Es ist gelungen, weitere Kreise Berlins für die Errichtung einer Berliner Bismarcksäule zu ge winnen. 8 Eisenbahnunglück. Am Dienstag Vormittag fuhr in Donauwörth eine Rangiermaschtne seitwärts in den gerade einfahrenden Schnellzug. Der Lokomotivführer der Rangiermaschine wurde getötet, der Zugführer, der Heizer und der Rangierstationsdiener wurden ver letzt. 8 Aus Unvorsichtigkeit erschoß sich der Gutsbesitzer PilarSkt aus Karlshof bei Schlochau. Aus Zassotsch bei Strelno wird ein ähnlicher Fall gemeldet. Dort wurde e§n Stubenmädchen, das mit einem Tesching spielte, tötlich verletzt. 8 Gewaltige Seefischfänge. Aus Alenbruch wird geschrieben: Nach einlaufenden Berichten ist die Zufuhr von Seefischen nach der Elbs und Wsser eine so ge waltige, wie man sie bisher kaum erlebt. So brach- ten dieser Tage 38 für die Weser bestimmte Dampfer einen Gesamtsang von 11 600 Zentnern. Befand ws die nach Island auf den Fang gegangenen Dampfer brachten gewaltige Fänge von 6 bis 1500 Zentnern an. Nach den Berichten der Fischdampferkapitäne soll da« Meer dort g^nwä.tig förmlich von Fischen wimmeln. Die Ätetze Ware.: oft -nach einstnndigem Schleppen bis an den Rand gefüllt und zerrissen mehrfach beim Einholen infolge der ungeheuren Last. Trotz der großen Zufuhr blieben die Auktionsprcise aber fast überall auf gleich guter Höhe. 8 Der Jngenieuroffizier Wessel, der vor mehreren Wochen unter dem Verdacht des Ländesverrates ver haftet wurde, aus dem Transport nach Thorn aber in Posen entsprungen war, ist nunmehr in London ver haftet worden. - /. § Ein überaus freches Gaunerstückchen wurde die ser Tage gegen einen Landwirth ausgeführt, der aus Sebnitz zum ersten Mal nach Berlin gekommen war, um die Frau seines Neffen, der sich dort vor kurzem verheiratet hatte, zu besuchen. Herr P. aus der Berg- mannstraße, Reisender eines Manufakturwarengeschäfts, trat vor 14 Tagen eine Geschäftsreise für sein Haus an, und zwar führte diese ihn zuerst nach SachseN. Er kam auch nach Sebnitz und besuchte dort selbst verständlich seinen Onkel, dem er so viel Liebes und Gutes von seiner Frau erzählte, daß der.etwa 50jährige Mann beschloß, der Frau seines Neffen einen Besuch abzustatten, zumal er bei der Hochzeit nicht zugegen war. In Dresden saßjim Eoupee, in welchem der alte Mann saß, «in Herr, der bald mit ihm Freundschaft schloß und da er auch nach Berlin fuhr, gern bereit war, den zum ersten Male in dem .Spreebabel" Weilenden mit Rath und Thal zu unterstützen. Al der Zug in später Nachtstunde auf dem Anhalter Bahnhof einltef, machte der freundliche Herr den alten Mann klar, daß er unmöglich die junge Frau zu so später Stunde aufsuchen könne, und lud den Sachsen ein, mit ihm eine Bierreise durch die Nachtlocale zu unternehmen. Beide besuchten nun mehrere Locale und bald war der Onkel aus Sachsen derart bctrunken, daß er nicht mehr wußte, was mit ihm vorging. Der Fremde kam nun mir dem Manne nach einem im Osten belegenen Hotel, brachte ihn dort unter und ersuchte den Portier, dem Herrn, wenn er morgens erwache, mitzutheiien, daß ihn sein Freund nm 11 Uhr abholen werde. Unterwegs hatte der Gauner es jedoch fertig gebracht, dem Manne seine Baarschaft in Höhe von 16t) Mk. abzunchmen. Dessen Schreck war nicht gering, als er morgens mit schwerem Kopfe erwachte und sein Geld vermißte. Nach langem Par- lamentiren war endlich der Hotelier dazu bereit, ihn durch den Hausknecht zur Wihnung der Nichte füh ren zu lassen, die sehr erstaunt wir, für ihren Onkel noch das Geld für das Nachttogis im Hotel bezahicn zu müssen. Ein über das andere Mal versicherte der Geprellte der jungen Frau, die ihn noch aus dem Bahnhose über sein Mißgeschick zu trösten suchte: .Nee, solche Ludersch giebt's in Sachsen doch nich". 8 Im Elberfelder Militärbesreiungsprozeß bean tragte der Erste Staatsanwalt gegen Dr. Ziel 2 Jahre, gegen Sackermann, Borlinghaus und Berger je ein und einhalb Jahre Gefängnis und Ehrverlust, gegen die übrigen Angeklagten Gefängnisstrafen von 3 bis 8 Monaten. Die Rechtsanwälte Dr Graf und Flucht beantragten die. Freisprechung von Dr. Ziel, Sackermann und Berger Das Urteil soll am Mon tag gesprochen werden. ß Pilsen, 30. März. Auf dem Pankrazschacht bei Dirschau haben ungefähr 300 Förderleute die Arbeit ringest-llt. Auf falschem Weg«. Roman von Oswald Reicher. LV .Da» Alter ist die Thatsache die vorläufig in Betracht kommt. Und wie steht e» mit der Gesundheit der jungen Dame?" .Sie war in ihrer Kindheit gefährlichen Nervenzu- fällen unterworfen." .Das wäre ein Punkt, der bei einem etwaigen Pro zesse sehr maßgebend werden könnte, gnädige Frau." .Aber ich sagte Ihnen bereit», daß ich e» auf einen Prozeß nicht ankommen lassen und doch verhindern möchte, meine Tochter, die noch in Gemüt und Wesen vollständig Kind ist, in die große Welt eingeführt zu sehen." „Der Fall ist, angesichts der klaren Bestimmungen de» Testament», ein äußerst schwieriger. Die einzige Hoffnung, auf die wir un» stützen können, find jene Nervenzufälle de» Fräulein»." „O, da» war vor Jahren, Dr. Halford aber hat meine Lockter erst kürzlich untersucht und ihren Gesundheitszu stand vollkommen befriedigend erklärt. Bon dem alten Leiden ist nichts, gar nicht-zurückgeblieben." „Sind keine Symptome," Spanner berührte fein« Stirn bedeutsam mit dem Zeigefinger. Er scheute sich doch, da» Wort Wahnsinn direkt auszusprechen. ^ba sei Gott für!" rief die Dame entsetzt. * Spanner fiel eS nicht ein, diesen Schrecken einem Aus bruch mütterlicher Zärtlichkeit zuzuschreiben. Er erinnerte bn nur an eine zweite Klausel de» Testament», nach wel« her da» Vermögen Ellys auf einen entfernten Vetter über- nng, wenn die Tochter de» Erlasse«» vor ihrer Mündig- 'eit unvermählt stürbe. .Gnädige Frau," sagt« er, .ich will ganz offen gegen Sie sein. L» gtebt nur «inen Weg, die Folgen abznwen- de«, di« Sie fürchten." .Rennen Sie ihn." .Gehen Sie selbst nach Lambden, holen Sie Ihr« kocht er vo« dort zurück und suchen Sie ihre Neigung zu gewinnen. Vielleicht ist es noch nicht zu svät dazu. Ihr Haus ist der passendste Aufenthalt für sie. Ist sie erst un ter Ihrer Obhut, dann wollen wir weiter sehen, was in Ihrem Interesse geschehen kann." „Er hat recht," murmelte die Mutter ans der Rück fahrt nach ihrem stolzen Palast. „Noch wird e» nicht zu spät sein, nur meines KindeS Liebe zu erobern." * * * Elly hatte mit der Schönheit ihrer Matter zugleich den starken Willen und die feste Entschlossenheit ihres Va ters geerbt. Ihr Herz, das von Natur warm und liebe voll war, erstarrte allmählich unter der kühlen Vernach lässigung, die sie von der Mutter erfuhr. Sie war zu stolz sich jemals darüber zu beklagen, selbst gegen Diana äußerte sie sich nie über diesen schmerzlichen Gegenstand, sondern brütete schweigend und einsam über das Leid ihrer jungen Seele. Elly besaß eine groß« Vorliebe für die italienische Sprache, deren Weichheit und Wohllaut ihr gefiel, und de ren leidenschaftlich-energische AnSdrucksweise in ihrem Herzen verwandte Stimmen wachrief. Sie schwärmte für Dante. Sie sympathisierte mit diesem Dichter tn dem Ge fühl, wie er, unverdiente Kränkung erduldet zu haben. Die Welt, die Gesellschaft hatte siede-Höchsten, der Liebe einer Mutter beraubt. Diana» Lieblingsdichter war Tasso und tn der Ver schiedenheit ihrer Wahl prägte sich der Charakter und die Sinnesart der beiden Mädchen aus. Kein Lächeln verklärte Elly» Gesicht, al» der Diener, welcher ste tm Garten aufsuchte, ihr die Ankunft der Mut ter meldete. .Soll ich Dich tn hen Salon begleiten ?" fragte Diana. „Nein," antwortete Elly nach einigem Zögern, .e» wird besser sein, daß ich Mama allein begrüße." Frau Carenzi und Diana sahen ihr mit kummervollen Blicken nach, al» sie langsam hinter den Bäumen ver schwand. Liana» Nu-m füllt« sich mit khränen. .Arm« Elly," seufzte sie. „Mit einem Herzen so voll Liebe, ist e» hart, sehr hart, so grausam vernachlässigt worden zu sein. Lady Garrick ist seit sechs Monaten nicht hier gewesen. Und doch hat sich Elly noch niemals über ihre Mama beklagt." „Sie ist zu stolz dazu, liebe» Kind," bemerkte Frau Earenzi. .Da» Herz, da» seine Wunden zeigt, fühlt ste weniger schmerzlich." . - Vorsichtig und ganz allmählich erklärte die Italien«, rin, weshalb ste sich in all den Jahren scheinbar so kalt gegen die beiden Mädchen'benommen und beiden in wan delloser Unparteilichkeit, ohne jeder einen oder der an deren den leisesten Borwurf zu gönnen, begegnet war. „Elly hat eine eifersüchtige Natur," bemerkte sie, „und nicht ste ist dafür zu tadeln, ihr liebebedürftiges Gemüt wurde von dem frostigen Hauche kalter Gleichgiltigkeit so schwer getroffen, daß eine krankhafte Verstimmung darin zurückblieb. Wenn ste den Schatz ihrer reichen Gefühle nicht auf Dich hätte übertragen dürfen, würde sie hart und bitter geworden fein." „Elly zu tadeln," wiederholte Diana bei dem Worte verweilend, da» ihre Aufmerksamkeit zuerst gefesselt hatte. „Wie könnte ich sie jemals tadeln? Freudig würde ich für sie, hie mir ein Schutzengel war, mein Lebe» opfern. War sie e» nicht, die mich rettete, welche die Nacht, die mich umgab, verscheuchte, und meinem Dasein Hellen, warmen Sonnenschein verlieh ?" Al» Elly in dem Empfangssalon erschien, in welchem Lady Garrick und Lady Myra sich miteinander unterhielt ten, sprang die junge Witwe lebhaft auf, eilte der Toch ter entgegen, schloß sie tn ihre Arlne und bedeckte ihre Wangen mit Küsten. Da» junge Mädchen erwiderte diese stürmischen Lieb kosungen mit auffälliger Kälte und Zurückhaltung. „Du scheinst nicht sehr erfreut, mich wtederzusehen," bemerkte die Mutter. .Fühlst Du Dich gedrückt Kind, weil ich so lange nicht bei Dir war?" Ell, schwieg.