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Primärätzung an Eisen-Kohlenstoff-Legierungen zur Kennzeichnung des Kristallisationsablaufes Von Prof. Dr.-Ing. habil. JOSEF CZIKEL und HEINZ KLEMM, Freiberg Das charakteristische Merk mal der Gefügebilder techni scher Eisen-Kohlenstoff-Legie rungen ist die Mischkristall- seigerung. An ihr nehmen be sonders der Phosphor und einer dunklen Haut, läßt aber keine Konzentrations unterschiede erkennen, insbesondere dann, wenn das Phosphid fehlt. Im Schrifttum der letzten Zeit wird mit Hilfe der Primärätzung nach JURICH [5] versucht, Klarheit über die Erstarrungsverhältnisse, insbeson dere bei veredeltem Grauguß, und in dem Zusammen- der Kohlenstoff teil. Hierbei hängt die Höhe des Kon zentrationsanstieges zwischen Mischkristallkern und -Peripherie von der Größe des Erstarrungsintervalles, von der Abkühlungsgeschwindigkeit, also von dem Kristallisations- und dem Diffusionsvermögen der ein zelnen Legierungskomponenten ab. Die Gleichgewichts verzögerung kann derart stark auftreten, daß infolge Anreicherung in der Mischkristallperipherie eine zweite Phase entsteht, obwohl die Legierung im Gleichge wicht einphasig erstarren müßte. An der Lage der er starrten Restschmelze kann man das Ende der Erstar rung, also auch die Kristallisationsfolge, erkennen. Wenn es infolge beschränkter Löslichkeit zur Bildung eutektischer Restschmelzen mit ihrem typischen Gefüge aufbau kommt, ist die Deutung einfach und eine Primär ätzung meist nicht nötig. Ansonsten muß zu ihr ge griffen werden. Der zonige Kristallaufbau gibt dann Aufschluß über die Konzentrationsverhältnisse und über die zeitliche Folge der Erstarrung. Die Primär ätzung ist demnach ein wichtiges Hilfsmittel zur Klä rung des Kristallisationsablaufes, besonders dann, wenn verwickelte Erstarrungsvorgänge vorliegen. Die kupfersalzhaltigen Ätzmittel, die das Primär gefüge bei Stahlformguß entwickeln, haben, um nur aus ihrer Reihe die Phosphorätzung nach OBERHOFFER zu nennen, auf Gußeisen keine Wirkung. Das negative Ergebnis wird ausschließlich durch die Zusammenset zung des Gußeisens bedingt. ROLL [1] wendet den Baumannabdruck zum Nachweis des Primärgefüges bei grauem und weißem Gußeisen an. Das gleiche Ver fahren benutzen auch HANEMANN und SCHRADER [2]. Wenn hierbei eine Unterscheidung insofern möglich ist, weil im untereutektischen Guß die Mangansulfide mehr der dendritischen, im übereutektischen der netz förmigen Anordnung folgen sollen, so kann nicht im mer mit so zahlreichen Mangansulfiden gerechnet wer den, daß ihre Menge zur Wiedergabe der Primärstruk tur ausreicht. Im allgemeinen wird beobachtet, daß besonders Mangansulfide in jeder Anordnung anzu treffen sind, wenn sie nur in geringer Anzahl vorliegen. Außerdem gestattet der Baumannabdruck keine Mi krobeobachtung. Die Primärgefügeätzung für Guß eisen nach wood [3] m it Salpeter- und Chromsäure kennzeichnet zwar das Phosphidnetz, entwickelt aber gleichzeitig zu stark das Sekundärgefüge. Die alka lische Natriumpikratlösung als Primärätzung für Guß eisen nach MEYER [4] überzieht den Mischkristall mit hang über die Graphitbildung zu bringen. Die Ätzlö sung, ein Schwefel-Borsäuregemisch, baut den /-Misch kristall nur in der unmittelbaren Umgebung der beim Erstarrungsende angeschwämmten Verunreinigungen ab. Diese Primärätzung kennzeichnet also nur das Er starrungsende. Es ist deshalb unmöglich, mit diesem Ätzverfahren den gesamten Kristallisationsablauf zu verfolgen, besonders dann, wenn nicht nur zwei, son dern mehrere Bestandteile, die in einer bestimmten Zeit folge kristallisieren, am Gefügeaufbau beteiligt sind. Die Wirkung einer Primärätzung kann erst dann als ausreichend bezeichnet werden, wenn dieselbe auf die Verteilung desjenigen Legierungselementes anspricht, welches am stärksten im Mischkristall seigert. Bei den hier behandelten Legierungen ist es, schon wegen sei nes großen Atomvolumens, der Phosphor. Dieser Bedingung, die an eine Primärätzung gestellt werden muß, trägt das Ätzverfahren mit Natriumthio sulfat Rechnung [6], Die Ätzlösung, die aus ein bis zwei Gramm Kaliummetabisulfit auf 50 cm 3 kaltgesättigter Natriumthiosulfatlösung mit etwas Bodenkörper zu sammengesetzt ist, reagiert auf die Phosphorverteilung bei ferritischem und auch bei perlitischem Grauguß. Im Sinne der Gleichung 2 Fe + 2 Na 2 S 2 O 3 = 2 FeS + 2 Na 2 SO 3 wird hierbei nur der Ferrit sulfidisch gebunden. Dieses Verfahren gehört seiner Gefügeentwicklung nach zur Gruppe der Niederschlagsätzungen. Die Stärke der Sulfidhaut hängt von der Phosphorkonzentration im Mischkristall ab. Mit zunehmendem Phosphorgehalt wird die Sulfidschicht dünner, d. h., das Mischkristall zentrum (Erstarrungsbeginn) erscheint dunkel, die Au ßenzone (Erstarrungsende) dagegen hell. Mit dem bei Raumtemperatur maximal erreichbaren Phosphorgehalt des Ferrits ist auch gleichzeitig die Passivitätsgrenze gegenüber der Natriumthiosulfatlösung erreicht. Die unmittelbare Umgebung des Phosphideutektikums ist demnach praktisch ohne Sulfidniederschlag, also hell. Entsprechend dem Konzentrationsgefälle entsteht kon tinuierlich die Sulfidhaut in zunehmender Dicke, wo durch die Farbe von hell- bis dunkelbraun ansteigt. An der Gradiation der Braunwerte erkennt man, ob das Konzentrationsgefälle steil oder flach ist. Es sei hier vermerkt, daß die Sulfidhaut gegen Lufteinwirkung instabil ist und demzufolge die Braunwerte nicht ste hen bleiben. Je nach der Ätzzeit entsteht direkt bzw.