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konnte. Aber wir wollen ihm gern zugestehen, daß die Verklärung des harten Loses der Bergleute, die seine Bilder auszeichnet, der Liebe und Ver bundenheit entsprang, die er zu ihnen besaß, nicht aber der Absicht, sie über ihr wahres Schicksal zu täuschen. Hier ist weder die Koketterie, mit der mancher moderne Künstler vor der Welt der Arbeit sich verneigt, noch der pflichtschuldige Tribut, den der Halbkünstler den Forderungen einer verwandelten Gesellschaft glaubt zollen zu müssen: Hier ist freudige Darstellung des Lebenskreises, in dem der Künstler selbst sich sein Leben lang als Lehrender und Lernender bewegt hat und dem er seine Ausbildung und letztlich seinen Aufstieg vom Bergjungen zum Akademieprofessor zu danken hatte. So echt und subjektiv wahr sie also in ihrer persönlichen Auffassung der Dinge sind, so sehr sind die Heuchlerschen Bilder und Schriften natürlich Ausdruck eines Bürgertums, das nur in der Treue zum Hergebrachten die Sicherheit der Zukunft gewährleistet sah. Vom liberalen Aufschwung der 40er Jahre, der auch Freiberg erfaßt hatte, verraten die Blätter Heuchlers also nichts. Seit 1850 waren auch hier die konservativen Kräfte wieder am Ruder und taten alles, die 36 Forderungen vergessen zu machen, die fortschrittliche Bergleute im August 1848 ihrer vorgesetzten Behörde überreicht hatten. Daß im Mai 1849 auc h Freiberger Bergleute zu den Barrikadenkämpfen nach Dresden gezogen waren und Rethels „Totentanz“ sich eingereiht hatten, überstieg Heuchlers Aussagewillen und künstlerisches Aussagevermögen. Seine politische Stellungnahme be steht im Schweigen und im mehr oder weniger unbewußten Verklären. So halten wir uns denn vor Augen, daß uns Heuchlers Bilder in eine Blüte zeit des Freiberger Bergbaus versetzen, wo man begonnen hatte, den Rothschönberger Stölln zu bauen, dieses Wunderwerk der damaligen Technik, und wo das Ausbringen an Feinsilber um das Doppelte gegenüber vergangenen Jahrzehnten gestiegen war, die Löhne der Bergleute aber mit achtstündiger und der Hüttenleute mit meist zwölfstündiger Schicht nichts destoweniger außerordentlich niedrig waren und mit dem Steigen der Preise nicht Schritt hielten. Im Mai 1855 spricht der Finanzdezernent der Stadt Freiberg von Deutschlands unsicherer politischer Lage und der „nun schon seit mehreren Jahren anhaltenden Teuerung aller Lebensmittel“, und bereits 1847 hatte Hermann Breithaupt, Schichtmeister und Sohn des Professors August Breithaupt, festgestellt, daß „die schwere, oft ungesunde Arbeit, der oft sehr weite, 2—3 Stunden betragende Zechenweg und die Gefahr, welche in den Gruben täglich droht, in keinem Verhältnis zum Lohn stehen.“ Es käme nicht gerade selten vor, daß die Arbeiter wegen mangelnder Geldmittel ihren Lohn nicht voll ausgezahlt erhielten und auch nicht mit Bestimmtheit auf die nachträgliche Zahlung der so entstandenen Lohnverluste durch die Grubenverwaltung rechnen könnten. Der Schluß folgerung Breithaupts, „und doch, wollte man das Lohn wesentlich er höhen, so müßte fast der ganze Bergbau auf hören“, kann man angesichts der damals stetig steigenden Ausbeute nicht zustimmen, wohl aber seinen weiteren Ausführungen, daß in Anbetracht dieser Umstände das Berg volk billige Berücksichtigung verdiene, dem seine früheren Freiheiten genommen wären, ohne durch neue Rechte ersetzt worden zu sein, und daß das „nicht selten verkürzte oder kränkliche Leben“ der Berg- und Hüttenleute ohne Entschädigung bliebe. Das um 1850 etwa 13000 Ein wohner zählende Freiberg bestand fast ausschließlich aus Bergleuten im engeren und weiteren Sinne. Der seit Jahrhunderten geübte Beruf füllte das Denken und Trachten der Freiberger aus. Ihm gehörte ihre Liebe trotz der oft handgreiflichen Misere ihres Daseins, und aus ihr, aus dieser Liebe des „Trotzdem“ und „Dennoch“, sind die Bilder eines Eduard Heuchler geboren. Von Heuchlers Nachfolgern auf dem großen Feld der Darstellungen moder ner Technik und Arbeit erwarten wir anderes. Menzel, Meunier und Kätel- hön, um nur einige Namen von vielen zu nennen, geben mehr, und wir empfinden sie bereits als den Ausdruck einer Zeit, die wir die unsere nennen. Das individuelle, idyllisch-familiäre Dasein der Träger dieser Arbeitswelt tritt zurück gegenüber dem beherrschenden Tempo und Rhythmus der Maschinenwelt, innerhalb derer der Mensch, wenn nicht zur Maschine, so doch zu einem Teil der Maschine wird, der er sich weitgehend anpassen muß, wenn er sie beherrschen will. Aber hier sei es noch einmal in aller auch Heuchlerschen Bescheidenheit wiederholt: Er war sich der Grenzen seines Talents wohl bewußt und strebte nicht nach der großen Kunst, der er aber doch eben in der Naivität seiner Darstellung vielfach nahekommt. Nicht um seine Anerkennung ging es ihm, sondern um die Anerkennung der Berg- und Hüttenleute. Dafürstelite er sein reiches Talent zur Verfügung, das sich trotz der Zerstreuung auf die vielfäl tigsten Arbeitsgebiete doch dieKraft zu einer umfassenden und geschlossenen Darstellung des Berufs der Berg- und Hüttenleute hatte bewahren können. 15