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leitete, aus Mangel an Mitteln zum billigen Portlandzement griff, trug ihm den Tadel urteilsfähiger Zeitgenossen ein, dem wir uns anschließen müssen. Die Freistellung der Goldenen Pforte, die gleichsam historisch notwendig gewesen war, um der Mitwelt den Blick auf das herrliche Kunst werk erst einmal zu erschließen, mußte später wieder zurückgenommen werden, weil der Verwitterungsprozeß dadurch begünstigt worden war. 1902 wurde der neue schützende Vorbau errichtet. Zu fast tragischen Zerwürfnissen kam es in den Jahren 1868—1871 zwischen Heuchler und Heinrich Gerlach, dem Buchhändler und Gründer des Frei berger Altertumsvereins, wegen der Tulpenkanzel im Dom. Beide Männer waren von dem gleichen Wunsch beseelt, die alten Kunstdenkmäler zu erhalten und zu pflegen, schlugen aber bisweilen verschiedene Wege dazu ein. Heuchler nannte die „Stil- und kunstgerechten“ Restaurierungsarbeiten durch einen handwerklich geschickten Bildhauer „Entstellungen und Ver unstaltungen“. Er vertrat die Meinung, „daß ein so seltenes plastisches Gebilde der Vorzeit von keiner Hand, wie empfehlend und von welcher Seite auch dessen Herstellung das Zeugnis geschickter Ausführung für sich haben mag, je umgeformt und der späteren Zeit als unverändertes Meisterstück trügerisch überliefert werden darf.“ Mag diese Auffassung den Vorzug der Pietät für sich haben und überall dort gelten, wo blinder Unverstand am unersetzlich Einmaligen sich vergreift, in der Praxis der lebendigen Denkmalpflege haben wir uns weitgehend die Ansicht zu eigen gemacht, daß verständnisvolle Einfühlung in den Geist des Schöpfers und die Verwendung stilechter Werkstoffe die Wiederherstellung manches Zerstörten und seine weitere Erhaltung ermöglichen. Es kann freilich nicht der Ansicht Einzelner überlassen werden, was im jeweiligen Falle zu tun oder zu lassen ist, und gewiß ist die Bewahrung echter Trümmer mehr wert als ihre unsachgemäße Ergänzung zu einem nur scheinbar vollkommenen Ganzen. Aber die Geschichte der Kunst weist viele Beispiele auf, wo eine gelungene Ergänzung den Wert des Gegenstandes und den Genuß an ihm, also seine künstlerische Wirkung, beträchtlich gehoben hat. Vermögen wir also dem Denkmalpfleger Heuchler nicht in allen Einzelheiten seiner Ansichten zu folgen, so sehen wir doch in seinem Bemühen um die Er haltung der großen Werke der Vergangenheit denselben Geist walten, der auch seine Bilder kennzeichnet, um deretwillen diese biographische Ein leitung veranstaltet wird. Die 14 Bilder des „Albums für Freunde des Bergbaus“ aus den Jahren 1851—1852 und mehr noch die weiteren Bilderfolgen aus den Jahren 1857 bis 1859 halten fest und wollen bewahren, was die stürmende Zeit zu ver schütten drohte: das berg- und hüttenmännische Tun als ein in sich wohl geordnetes, von altem Brauchtum getragenes Ganzes, zu dem also das Gebet im Huthaus vor der Einfahrt ebenso gehört wie das Bergbier und die Bergparade und das Ehrengeleit im Ehrenkleid zur „Letzten Schicht“. Die Heimkehr von der Schicht wie der Abschied zur Arbeit zeigen ent schlossene, würdige, aber durchaus zufriedene und glückliche Menschen, die an Frau und Kind sich freuen und die eigenen Kinder offenbar voll Stolz auf den gleichen Berufsweg schicken, den sie gegangen sind, obwohl ihnen die Härte der Scheidebank noch in lebhafter Erinnerung ist, Tod und Gefahr ihre täglichen Begleiter sind und Not und Elend sie ihr Leben lang nicht verlassen haben. Im Vorwort zu seinem 1867 geschriebenen Büchlein „Des Bergmanns Lebenslauf“ nennt Heuchler die Arbeit des Bergmanns „wenig lohnend, mit vielen Gefahren verbunden und sein Los darum nicht beneidenswert“ und bekennt, es sei nicht zu leugnen, „daß die Freuden der Bergknappen nicht reich genug fließen, um ihre Leiden auszugleichen“. Er zieht aber den für seine Zeit und seine Person bezeichnenden Schluß: „Deshalb muß sich auch der Bergmann ganz besonders mit Genügsamkeit und Gott vertrauen rüsten, um in trüben Stunden den Lebensmut aufrecht zu erhal ten“, und im Schriftbogen, der das Titelblatt krönt, wo ein alter, zu Ehren und Würden gekommener Bergmann seiner in lieblicher Eintracht um ihn versammelten Familie aus seinem Leben erzählt, prangen die Worte: „Gottvertrauen, Hoffnung, Kraft und Mut, Zufriedenheit“. Am Fortgang der berg- und hüttenmännischen Arbeit und an ihrem technischen Fort schritt hegte Heuchler keinen Zweifel, trugen doch er und seine Kollegen an der Akademie durch ihren Unterricht fortgesetzt zu diesem Fortschritt bei. Ob aber Sitte und Brauchtum den Wandlungen der Zeit gewachsen seien und Staat und Kirche Zucht und Ordnung würden aufrecht erhalten können, diese Frage mußte einen Mann bewegen, den die revolutionären Stürme der 48 er Jahre wohl mehr erschreckt als begeistert hatten. Heuchler wäre offenbar seinem innersten Wesen untreu geworden, wenn er in ein anklägerisches Pathos verfallen wäre. Sozialkritik lag ihm fern, und wir dürfen von ihm nicht erwarten, was er seinem Wesen nach nicht geben