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Üduard Heuchler, 14 Jahre älter als Menzel, aber ungefähr gleichaltrig mit Ludwig Richter, Moritz von Schwind und Gottfried Semper und nur sieben Jahre älter als Spitzweg, wollte ursprünglich nichts als ein tüchtiger Lehrer des Zeichnens und der Zivilbaukunst an der Bergakademie sein und sich zugleich als praktischer Architekt betätigen und bewähren. Erst um sein 50. Jahr entschloß er sich, das Leben der Berg- und Hüttenleute in Bildern festzuhalten. Dazu hatte sein Entwicklungsgang ihm alle Voraus setzungen gegeben. Es ist im 19. Jahrhundert gewiß selten geschehen, daß die Meilensteine am Lebenswege eines Bergmanns diese Kennzeichen trugen: Bergjunge — Förderknecht — Schüler einer Montanschule — Stipendiat einer Montan hochschule — Stipendiat zweier Bauhochschulen — Studienreisen in mehreren europäischen Ländern — Lehrer an einer Montanschule und einer Montanhochschule — Ehrenmitglied einer angesehenen Akademie der Bildenden Künste. Der am 31. 12. 1801 eine halbe Stunde vor der Jahreswende im alten „Dunkelhof“ (jetzt Kreuzgasse Nr. 7) in Freiberg in Sachsen geborene Johann Eduard Heuchler konnte bei seinem Übertritt in den Ruhestand 1873 auf ein an Erfolgen, aber auch an Mühen und Kämpfen reiches Berufsleben zurückblicken. Sein Vater, der Zeug- und Leineweber Johann David Heuchler, war der einzige Sohn des Stadtwachtmeisters Johann David Heuchler in Freiberg, der die Tochter eines Freiberger Schmelzers und Silberabtreibers geheiratet hatte. Er war ein Liebhaber der Malkunst, die er auch ausübte, weshalb er gelegentlich als Maler bezeichnet wurde. Eduards Mutter aber war die Tochter eines Freiberger Böttchermeisters. So flössen in ihm von den Vor fahren her handwerkliche und hüttenmännische Freiberger Traditionen zu sammen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern gestatteten eine künstlerische Ausbildung des zeichnerisch begabten Jungen nicht. Er sollte Bergmann werden. Nach seiner Schulentlassung erwarb sich Heuchler auf „Himmelfahrt-Fundgrube“ als Scheidejunge, Ausschläger und Haspel knecht seine ersten praktischen Kenntnisse, die er anschließend in den Jahren 1819—1820 als Schüler der Freiberger Bergschule für seine künftige Stellung als unterer Bergbeamter theoretisch und praktisch wesentlich er weiterte und vertiefte. Das hervorragende Zeichentalent des Bergschülers Heuchler erregte die Aufmerksamkeit des Vizeberghauptmanns v. Herder, der ihm 1820 eine Stipendiatenstelle an der Bergakademie Freiberg ver schaffte (Matrikel-Nr. 923). Dem erfolgreichen Abschluß dieses Studiums 1822 folgten, ebenfalls durch Vermittlung v. Herders, Baufachstudien in Dresden und Karlsruhe. In Dresden war er Schüler auch des Kupfer stechers Karl August Richter, des Vaters Adrian Ludwig Richters. Nach Karlsruhe reiste er im Oktober 1823, um Schüler des berühmten Oberbau direktors Friedrich Weinbrenner, des Hauptvertreters der klassischen Richtung in Süddeutschland, zu werden. Sein Reisepaß dorthin spricht von den braunen Haaren, bläulichen Augen und der langen Statur des 22 Jahre alten Bergstudenten Heuchler, der nach Karlsruhe reiste, „um die Lehr stunden des Baulehr-Instituts, das Weinbrennersche genannt, zu be nutzen“. Während der bis Anfang 1826 dauernden Ausbildung in Karlsruhe führten ihn zwei Studienreisen in die Schweiz und das Elsaß (Juni 1824) und wiederum in die Schweiz und nach Württemberg (März/April 1825). Im Dezember 1825 stellte die sächsische Staatsregierung dem „Bergstipendiaten und Architecten Eduard Heuchler“ die Mittel für eine längere, seine Aus bildung abschließende Studienreise in mehrere europäische Länder zur Ver fügung. Ende Februar 1826 zeichnete er seinen verehrten Lehrer Wein brenner drei Tage vor dessen Tode. Anfang März 1826 reiste er über Stuttgart, Augsburg, München, Salzburg, Klagenfurt, Laibach, Triest, Venedig, Bologna nach Rom, wo er vom 20. Mai bis Ende Juli oder Anfang August 1826 fruchtbare Studien trieb. Die Weiterreise führte über Florenz, Pisa, Genua, Mailand, Como, Lugano, Lausanne, Genf, Lyon nach Paris (dort Aufenthalt vom 20. 9. bis 26. 10. 1826) und dann über Brüssel, Gent, Antwerpen, Lüttich, Aachen, Düsseldorf, Köln, Bonn, Mainz, Frankfurt/M. zurück nach Karlsruhe, wo er am 12. 12. 1826 eintraf. Die beiden umfang reichen Bände architektonischer Zeichnungen und das dazugehörige „Journal einer architectonisch-wissenschaftlichen Reise durch Italien, Frankreich, die Niederlande, die Rheinprovinzen und den südlichen Teil von Deutschland“, im Besitze der Bücherei der Bergakademie Freiberg, legen ein beredtes Zeugnis ab für das hohe Können und den außerordent lichen Fleiß des Fünfundzwanzigjährigen. Als er am 2. 2.1827 nach Frei berg zurückkehrte, waren seine Lehr- und Wanderjahre beendet. Sein übriges langes Leben verbrachte Heuchler in seiner Heimatstadt. Der inzwischen zum Oberberghauptmann beförderte Freiherr v. Herder blieb bis zu seinem Tode (1838) Heuchlers väterlicher Freund und Förderer.