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ungebrochenes, ja ausgesprochen harmonisches Ganzes abgeben, zum ande ren sind Heuchlers Bergbaubilder in ihrer Peinlichkeit und Treue, in ihrer sauberen Strichführung, in der Abrundung des Dargestellten zum schönen Bild, in der liebenswerten und warmherzigen Erfassung ihrer Motive ein vollendeter Ausdruck der Persönlichkeit, die sich diese Motive als die ihr vertrautesten und liebsten wählte. Dankbarkeit und Ehrfurcht führten dem Künstler die Hand. Heuchler warb mit jedem Strich — und er wollte werben. Er wollte dem Stande, dem er von frühester Jugend an verbunden war als ausübender Bergmann, als Bergschüler, Bergstudent und Lehrer an der Bergakademie ein Denkmal setzen, das zur Nachfolge begeistern sollte. Er tat dies vorbehaltlos und in höchst unproblematischer Weise. Agricola, der schreibende Wissenschaftler, hatte den Künstler zu Hilfe ge rufen, um seine Beobachtungen, Feststellungen und Erkenntnisse in Bildern festzuhalten, und wurde wesentlich durch sie zum Chronisten des für seine Zeit wichtigsten Zweiges der Technik. Sein Bilderwerk bewahrte stärker fast als sein Wort das Wissen um alles Bergbauliche und machte es über den Kreis der Fachleute hinaus allen technisch und wirtschaftlich Interes sierten zugänglich in so mustergültiger Weise, daß es für Jahrhunderte absolut gültiges Zeitdokument und Quellenwerk blieb, aus dem heute, so fern uns keine anderen Quellen zur Verfügung stünden, der damalige Stand der Bergbau- und Hüttentechnik rekonstruiert werden könnte. Heuchler, der Künstler, wählte sich den Bergbau und das Hüttenwesen in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen zum Objekt seiner Darstellung, obwohl diese industriellen Motive bis dahin keineswegs zu einem üblichen oder beliebten Gegenstand der Kunst geworden waren. Er bebaute also durchaus Neuland in seiner Zeit und tat dies so sicher, kühn und selbst verständlich, daß uns heute ob der biedermeierischen Geschlossenheit seiner Darstellung das Revolutionäre an seinem Unternehmen gar nicht mehr zum Bewußtsein kommt. In dem Bemühen, seinem Berufe und vor allem dem Berufe seiner Schüler ein begeisternd-werbendes Denkmal zu setzen, dem Laien aber einen richtigen Begriff davon zu geben, wurde er in gleicher Weise zum Chronisten der Bergbau- und Hüttentechnik seiner Zeit, wie einstmals Agricola mit seinen Kunstgehilfen es wurde. In der überzeugenden Richtigkeit und Echtheit des Dargestellten mag der Archi tekt und Lehrer der Zivilbaukunst an der Bergakademie Freiberg, Eduard Heuchler, seine Vorgänger aus dem 16. Jahrhundert noch übertroffen haben. Gleich ihnen zielte er auf das Instruktive. Schüler der Bergschule und Studenten der Bergakademie sollten daraus lernen, alle Laien und Freunde des Bergbaus aber aus seinen Darstellungen einen zureichenden Begriff des Dargestellten erhalten können. Weil aber der Gegenstand, viel fach unter der Erde, den meisten notwendigerweise fremd sein mußte, rief er nun das Wort zu Hilfe, wie Agricola das Bild gerufen hatte, und gab zu seinen Bildern knappe und sachlich durchaus zuverlässige Erklärungen des Dargestellten in einer pädagogisch und methodisch vorbildlichen Art und Sprache. Er hatte in mancher Hinsicht schärfere Kritiker zu erwarten als Agricola, der als erster zusammenfaßte und wissenschaftlich begründete, was seit Jahrhunderten nur Praxis gewesen war, und der mit seinem Werke die Wissenschaft erst schuf, als deren Diener und Helfer Heuchler 300 Jahre später auf den Plan trat. Er wußte, daß er jeden Strich vor dem unbestech lichen Auge seiner Kollegen zu verantworten hatte, die als Lehrer der Mechanik, der Markscheidekunst, des Bergbaus und aller hüttenmänni schen Verfahren gleichzeitig mit ihm an einer montanistischen Hochschule wirkten. Heuchler hat den Ansprüchen seiner Kollegen Genüge getan. Es ist nicht bekannt, daß seine bergbaulichen Darstellungen von Seiten der Techniker und Ingenieure eine abfällige Kritik erfahren hätten. Die An erkennung, die seine nunmehr 100 Jahre alten Bilder auch heute noch bei den Fachleuten finden, stempelt auch sie zu Dokumenten der Bergbau- und Hüttentechnik ihrer Zeit. Das wollten sie gewiß sein. Aber zugleich wollte Heuchler dem Menschen ein Denkmal setzen, der diese Technik beherrschte, dem Berg- und Hüttenmann, der in zäher Arbeit der Erde ihre Schätze, dem Erze das Metall entringt, und es war nur recht und billig, daß er neben den Kumpel, den Hauer und den Haspelknecht, den Wissenschaftler stellte, den er nicht nur hinter seinen Maschinen verborgen wirken ließ, sondern den er, wie Julius Weisbach, den Professor der technischen Mecha nik und der Markscheidekunde, persönlich im Kreise seiner Studenten bei Übungen unter und über Tage verewigte. Die oft außerordentlich markanten und individuell gezeichneten Gesichter der von Heuchler dargestellten Berg- und Hüttenleute legen die Vermutung nahe, daß er sich bei ihnen genau so an lebendige Vorbilder gehalten hat wie im Falle Weisbach. Diese Hervorkehrung und Betonung des Mensch lichen gibt Heuchlers Bildern über die Zeit ihrer Entstehung hinaus Wärme und Glanz, ein Grund mehr zu ihrer Wiederherausgabe in unseren Tagen.