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Zunächst beginnt eine allge oeine Debatte über die 88 1, 'einer 2 (Hausschlachtun.ten) und 14 bis I4ä (Bestimmungen über die Einfuhr). — Ein Antrag Al brecht (Soz.) will den die Hausschlachtungen untcr günstigere Ausnahmebestimmungen stellenden 8 2 ganz streichen, eventuell in der Fassung der Borlage wieder Herstellen. — Abg. Gerstenberger (Zentrum) wen- det sich gegen den Antrag Albrecht und bezeichnet eS als verwunderlich, wie die Sozialdemokraten a!s Ar beiteroertreter die Hausschlachtungen der kleinen Leute unter so belästigende Bestimmungen zu stellen geneigt seien. In Bayern seien die Sozialdemokraten nicht gegen diese Bestimmungen. — Abg. Freese (srs. Vg.) wendet sich gegen den Vorredner und dessen Behaup tung, daß das Gesetz der Industrie keinen Schaden bringen werde. Auch dagegen wendet er sich, daß mit dem Gesetz die Absicht einer Preissteigerung nicht ver« Kunden sei. Wenn dieses Gesetz keine Preissteigerung brächte, so würden Sie (zu Herrn Gerstenberger ge wendet) sich .wenig dafür interessieren ^Rufe: Sehr richtig! Ohoruse!). Ein solcher Streich wie hier sei noch niemals gegen Industrie, Handel und Schiffahrt geführt worden (Sehr richtig !-. Eigentümlich sei auch wie spät dieser Kommiffionsvericht erschienen sei. 814» bedeute direktes Einfuhrverbot, Ausbeulung der arbei tenden Krassen (Ruse: Sehr wahr! Unruhe rechts). Was hier geschehen solle, komme einer Diskreditierung der ganzen amerikanischen Waren gleich. Das habe inan auch in Amerika verstanden. Amerika werde sich dafür schon revanchieren. Für Deutschland handele es sich um Frachlverluste für seine großen schönen Frachtdampfer. Der Frachtverkehr aus diesen Dam pfern habe in den letzten beiden Jahren an Wert 70 und 76 Millionen Marl betragen. Wie würde Eng land sich freuen, »rwnn unser Schissahrlsverkehr so niedergehe! Auch die Landwirtschaft würde leiden; man möge nur an die Maissrachren denken. Auch die Baumwollfrachren dürste man nicht vergessen, han del und Industrie seien die Säu.en unseres Staates. Wolle die Regierung diese Säulen Niederreißen lassen? Redner bedauert schließlich noch, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes nicht anwesend sei. Dieses Gesetz in der Form der Kommissionsbeschlüsse könne Sonntag, den 11. März 1900. er, Redner, nicht annehmen (Beifall links). — Abg. Gras Klinkowström (kons.) führt den Widerstand gegen die Kommissionsbeschlüsse zurück aus die „Angst vor Amerika". Die Beschlüsse der Kommission seien auf einer mittleren Linie gefaßt. Er würde eS geradezu als ein ungeheures Unglück halten, wenn dieses Ge setz an dem Widerst inde des Bundesrats scheitern würde. Morgen I Uhr Fortsetzung der Debatte. — Schluß 6 Uhr. 2trr» -e* D-stttische« wett. Deutschland. * Der nachdrückliche Widerstand, dem das Ein fuhrverbot von ausländischem Fleisch in den Kreisen der Industrie, des Handels und der Schiffahrt begeg net ist, hat auf die Rerchsregierung Eindruck gcmacht. Wie aus guter Quelle verlautet, wird die Regierung das Schlachtvieh- und Fleischschaugesetz in der Fassung der Budgetkommtsston, die jenes Einfuhrverbot ent hält, nicht annehmen, trotzdem nicht bezweifelt werden kann, daß der Entwurf, dessen zweite Beratung gestern begonnen hat, im Reichstage eine Mehrheit finden wird. Inzwischen mehren sich die Protestkundgebungen gegen das Gesetz. * In Berlin nimmt man in unterrichteten Kreisen an, daß der Bundesrat mit großer Mehrheit für die Gewerbenovelle mit obligatorischem 0 Uhr-Ladenschluß eintreten werde. HLrttK iir Sü-erfvik« * Bloemfontein, 8. März. Präsident Krüger traf hier ein und wurde vom Präsidenten Stejn arH.dem Bahnhofe empfangen. Krüger richtete eine Ansprache an die Menge, in der er ausführte: Wenn das Volk im Glauben festbleibe in der Zeit der Not, so werde ihm Gott endlich >en Lieg verleihen. * Das Generalkommando der Buren hat auf Er suchen der Bürger beschlossen, alle Lehrer an Schulen des Freistaate« und der südasrikanffchen Republik nach Hause zu senden, da die schulpflichtigen Kinder andernfalls im Lernen zurückbleiben würden. * Pretoria, 9. März. In einem amtlichen Bericht über die Kriegslage v^m ü. März heißt es: Trotz aller anders lautenden Meldungen sehen die Bürger dem Ausgange des Krieges mit Vertrauen entgegen und sind voll Muts. IS. Jahrgang. * Wie wenig übrigens von einem Sieg der Eng- länder bei Paardeberg-KoodooSrand gesprochen werden kann — die Kapitulation Cronjes erfolgte bekannt lich nur wegen Mangel an Lebensmitteln und Muni- tion — zergt folgende Nachricht: Kapstadt, 8. März. Zwei Schwadronen irregulärer Kavallerie, die nach einer Nachricht vom 13. Februar vermißt wurden, sind nach Paardeberg zurückgekehrt. Die 3. Schwadron (ISO Mann) ist gefangen genommen und nach Pretoria geschafft worden. * Pretoria, 8. März. Amtlich wird berichtet, daß am letzten Sonntag ein heftiges Gefecht bei Dordrecht stattgefunden habe. Die Engländer wurden mit gro ßen Verlusten zurückgeschlagen. S Kanonen wurden oo ' den Buren erbeutet. Auf Seite der Buren wur den » Mann getötet und 5 Mann verwundet. . * Bei Mafefing wird gefochten. Alle Außensorts bis auf eins find von den Buren genommen worden. * London, 8. März. Ossontein gestern Abend: Die Buren haben auf ihrem Rückzüge ein Geschütz und große Mengen von Fourage, sowie Zelte zurückgelassen. General French verfolgt jetzt die Buren auf dem nörd lichen Ufer des Flusses. * London, 8. Mtzrz. Ein Telegramm Lord Roberts aus Poplar Grove besagt: Zwei Kavalleriebrigaden und eine Division Infanterie mit berittener Artillerie sind heute 10 Meilen in östlicher Richtung oorge- mngen. * Eine Brüsseler Meldung besagt, man befürchte dort die Umzingelung des Burengeneral» de Wett, falls ihm nicht ein schleuniger Rückzug gelinge. (?) Ve * in i seh t e * Deutschland. 8 Die Zahl der ausständigen Tischler in Berlin hat sich in oen letzten Tagen nur wenig vermehrt. Nach den Angaben der Gesellen sollen sich noch 2000 Tisch ler in Arbeit befinden, doch dürfte die Zahl zu hoch gegriffen sein. In Bezug ar s dis Teilnahme an den in Aussicht stehenden Verhandlungen vor dem Einig ungsamt herrscht vollständige Einigkeit unter den Ar, beitgebern. Diese sind ohne Ausnahme bereit, mir ihren Arbeitern zu verhandeln, wenn kann dauernde und befriedigende Zustände g-währleistet werden können. A Berlin, 9. März. Die Aeltesten der Kaufmann schaft veranstalten am Sonntag, 18, März, im hies. A« dar Irem de Roman von Alexander Blumenberg L Ein scheuer Blick streifte den Vater, als er ein verwun dertes: „Noch nicht schmuck gemacht, Minna?" hören ließ, und sie klapperte in den unmäßigen Holzschuhen so schnell dieselben es ihre» Füßen gestatteten au» der Stube Dem Jungen war der Vesperappetit vergangen, er hatte seine Minna deutlich aufschluchzen hören Seine Tasse aus der Hand setzend, lief er zum Vater an» Fenster und stützte seine Ellenbogen auf dessen Knie. „Badder, worum schriet denn uns'Minna?" fragte er in seinem Plattdeutsch, denn eine andere Ausdrucksweise hatte er noch nicht ge lernt. HanS, fei» Taschenmesser zuklappend und den letzten Bissen zermalmend, sah mißvergnügt seinen Jungen an „Geiht deck nichts an, Jung, 'S dumme Gör hät kein Ur- sach, tau schrien. Ga und drink bin Melk ut." Der Kleine zog ein lange« Mäulchen, ging aber doch wieder zu seinem Vesperbrot zurück. HanS Lutzweiler stützte den Kopf sinnend in die Hand. E» ging ihn« doch nah, daß seine Minna weinte, er wußte auch wohl weshalb, aber an der Sache Ivar nicht» zu ändern, nein, partout nichts zu ändern, und Minna mutzte ja von Recht» wegen froh sei», eine reiche, unabhängige Hofbesitzerin zu werden. Reiche Freier hingen nicht wie reife Aepfel an den Bäumen, und um sieben Mädchen nach einander unter die Haube zu bringen, durste man nicht allzu wählerisch sein So ungefähr waren die Gedanken de» Bauern. Die Sache verhielt sich jedoch folgendermaßen Da wohnte in Dornbruch, einem drei Stunden von Ohnthal entfernte» Dorfe, der reiche Gevatter Steinherz. Der hatte einen Grundbesitz, wohl dreimal so -roß, al» derjenige-dt» Bauern Lutzweiler, und seine Frau, die vor einem Jahre gestorben war, hatte ganze Aasten voll Thaler gespart,und e» sollte so viel Leinen im Hause aufgespeichert liegen,«daß «atz ganz Dvrnbruch >md Ohnthal dumtt »udrcken konnte. Bauer Steinherz war ein entfernter Verwandter der Bäue rin Lutzweiler, und die hatte sich den reichen Witwer daun auch scharf aufs Korn genommen. Daß er um viele Jahve älter war als ihr eigener Eheherr, kam durchaus nicht in Betracht, der Gevatter war kinderlos und Minna konnte dermaleinst alles erben. Einmal den Heiratsplau fest in» Auge gefaßt, ging auch die Bänerin resolut ans Werk, und zwar wurde direkt aufs Ziel zugesteuert. So halte sie sich denn eines Tages das Kvrbwügelchen zurecht machen las sen, der Knecht war im Sonntagsstaat und mußte die besten Gäule anschirren, zwei prallgefüllte Bettkissen wurden auf die Bänkchen des Wagens gelegt und darauf setzten sich die Bäuerin und ihre Tochter Minna wurde gesagt, daß man die Dornbrucher Verwandten einmal besuchen wolle Es wohnte in dem Orte nämlich eine Schwester der Bäue- rin, die war in die Sache eingeweiht und sollte eine Art Freiwerberin bei dem reichen Gevattersmann spielen. Bet der Schwester wurde eingekehrt, dann gi>H man aber, „um den Steinherzer Hof zu sehen." Die beiden Frauen, da heißt, die Bäuerin Lutzweiler und deren Schwester, be wunderten alles: Hof, Hans, Vieh und den Herrn Ge vatter Minna war still und in sich gekehrt. Sie hätte keine Bauerntochter sein müssen, um nicht endlich zu verstehen, wo das alles hinaus wollte. Die langen Wimpern hoben sich kaum von den schneeweißen Wangen, ihre Lippen schlos sen sich krampfhaft, sie ließ sich willenlos vvm Milchkeller bis zu den Kornspeichern schleppen, ohne daß nur ein Wort de» Tadels oder des Beifalls ihr entschlüpft wäre Nur al» beim Abschied sie dem Bauer die Hand reichen füllte, und dazu erst durch einen verständnisvollen Puff, von ihrer Mutter aufgefordert werden mußte, that sie allerdings, wa» man von ihr erheischte, aber ein jo wilder, gehetzter Blick streifte dabei die Bäuerin, daß dieselbe beinah' für «inen Moment ihre Ruhe verlor. Minna hatte kaiim ihre Fingerspitzen dem Bauer gereicht; die Bänerin Lutzweiler schüttelte de» Gevatter- Hand desto kräftiger, «ine Höf- ltche und bringend« Einladung an ihn dabei ergehen las- send. Und dann befand sich Minna wieder im Korbwägel- * chen neben ihrer Mutter sitzend, und während die ketten Gäule im bequemem Trott sich Dhnthal und ihrer Krippe wieder näherte«, fing für Minna Lutzweiler da» Drama ihres jungen Leben» an „Minna," begann die Bäuerin, nachdem sie eine ganze Weile ihre schweigsame Tochter betrachtet hatte „Du hast , Dich benommen wie eine dumme Gans!" Und als Minna auf diese Beschuldigung keine Einwendung machte, fuhr sie weiter fort: „Ja, wie eine richtige Gan», und hätte ich die Sache nicht gleich beim rechten Ende erfaßt, her fette Bissen wäre uns sicher entgangen So weiß ich bestimmt, die Geschichte ist so gut wie abgemacht, Steinherz, kann eine Frau nehmen ohne einen Pfennig Vermögen, sie braucht nicht einmal Leinwand mitzubringen i 'S ist alle» im Ueberfluß da. In vier Wochen bat er seinen Besuch zu gesagt, da» ist so gut, Mädchen, al» eine Verlobung, und in sechs Monaten kannst Du schon die reichste Bäuerin im Lande sein. Da» nenne ich Glück!" Jeder Blutstropfen schien au» dem Gesicht de» Mäd- chens gewichen.,« sein. Die blassen, krampfhaft geschlos- senen Lippen öffneten sich, und mit demselben wilden Blick in den großen Augen ries sie: „Mutter, wenn Du mich dem Manne zur Frau giebst, wenn Du .." Sie konnte nicht weiter sprechen, ein Schauer durchrüttelte ihren Kür- per und in krampfhafte» Weinen und Schluchzen ausbre chend, schlug sie beide Hände vor» Gesicht. Der Knecht drehte sich erstaunt um, aber die Bänerin schalt ihm ein energische» „Paß opp Dine Päre, Gottlieb" zu, sodaß er aicht wagte, diesen Befehl zu überhören. Die Bäuerin Lutzweiler war auch einmal siebzehn Jahre alt gewesen, und war im stände, Mitleid mit ihrer Tochter zu sühlen.fie glaubte nichts anderes, al» daß e» mädchenhafte Scheu uud wohl auch etwa» Enttäuschung darüber sei, daß e» kein jüngerer FreierSmann war, dem st« al» Weib fol ge» sollte Die Scheu überwand sich; und da» Alter de» Bauern? bah, er war ja so reich, „steinreich" nannten ihn die Dornbrucher Leute. 72,18*