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einer purpurroten Decke überhängten Schrein tragen. Dieser Zug begibt sich nach der Mitte des Hintergrundes, wo, von einem Baldachin über deckt, ein erhöhtes Ruhebett aufgerichtet steht, auf welches Amfortas von der Sänfte herab niedergelassen wird; hiervor steht ein altarähnlicher länglicher Marmortisch, auf welchen die Knaben den verhängten Schrein hinstellen. — Jünglinge. Den sündigen Welten mit tausend Schmerzen wie einst sein Blut geflossen, dem Erlösungs-Helden mit freudigem Herzen sei nun mein Blut vergossen. Den Leib, den er zur Sühn’ uns bot, er leb’ in uns durch seinen Tod. Knabenstimmen. Der Glaube lebt; Die Taube schwebt, des Heiland’s holder Bote. Der für euch fließt, des Wein’s genießt, und nehmt vom Lebensbrote! Als der Gesang beendet ist, und alle Ritter an den Tafeln ihre Sitze eingenommen haben, tritt ein längeres Stillschweigen ein. — Vom tiefsten Hintergründe her vernimmt man, aus einer ge wölbten Nische hinter dem Ruhebette des Am fortas, wie aus einem Grabe die Stimme des alten Titurel: Mein Sohn Amfortas! Bist du am Amt? (Schweigen.) Soll ich den Gral heut’ noch erschau’n und (Schweigen.) [leben ? Muß ich sterben, vom Retter ungeleitet? Amfortas (im Ausbruche qualvoller Verzweiflung). Wehe! Wehe mir der Qual! — Mein Vater, oh! noch einmal verrichte du das Amt! Lebe! Leb’ und laß’ mich sterben! Titurels Stimme. Im Grabe leb’ ich durch des Heiland’s Huld; zu schwach doch bin ich, ihm zu dienen: du büß’ im Dienste deine Schuld! — Enthüllet den Gral! Amfortas (den Knaben wehrend). Nein! Laßt ihn unenthüllt! — Oh! — Daß Keiner, Keiner diese Qual ermißt, die mir der Anblick weckt, der euch ent zückt ! — Was ist die Wunde, ihrer Schmerzen Wut, gegen die Not, die Höllenpein, zu diesem Amt — verdammt zu sein! — Wehvolles Erbe, dem ich verfallen, ich, einziger Sünder unter allen, des höchsten Heiligtums zu pflegen, auf Reine herabzuflehen seinen Segen! — Oh, Strafe! Strafe ohne Gleichen des — ach! — gekränkten Gnaden reichen! — Nach Ihm, nach Seinem Weihegruße muß sehnlich mich’s verlangen; aus tiefster Seele Heilesbuße zu Ihm muß ich gelangen: — die Stunde naht: — der Lichtstrahl senkt sich auf dasheiligeWerk; die Hülle sinkt: des Weihgefäßes göttlicher Gehalt erglüht mit leuchtender Gewalt; — durchzückt von seligsten Genusses Schmerz, des heiligsten Blutes Quell fühl’ ich sich gießen in mein Herz: des eig’nen sündigen Blutes Gewell’ in wahnsinniger Flucht muß mir zurück dann fließen, in die Welt der Sündensucht mit wilder Scheu sich ergießen: — von neuem sprengt er das Tor, daraus es nun strömt hervor, hier durch die Wunde, der Seinen gleich, geschlagen von desselben Speeres Streich, der dort dem Erlöser die Wunde stach, aus der mit blutigen Tränen der Göttliche weint’ ob der Menschheit Schmach in Mitleids heiligem Sehnen, — und aus der nun mir, an heiligster Stelle, dem Pfleger göttlichster Güter, des Erlösungsbalsams Hüter, das heiße Sündenblut entquillt, ewig erneu’t aus des Sehnens Quelle, das, ach! keine Büßung je mir stillt!