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ZWEITER TEIL. Fünf Gedichte (von Mathilde Wesendonk), in Musik gesetzt von R. Wagner, gesungen von Frau Aaltje Noordewier-Reddingius. (Die vier ersten instrumentiert von F. Mottl, das fünfte von R. Wagner.) i) Der In der Kindheit frühen Tagen Hört’ ich oft von Engeln sagen, Die des Himmels hehre Wonne Tauschen mit der Erdensonne, Daß, wo bang ein Herz in Sorgen Schmachtet vor der Welt verborgen, Daß, wo still es will verbluten, Und vergehn in Tränenfluten, Engel. Daß, wo brünstig sein Gebet Einzig um Erlösung fleht, Da der Engel nieder schwebt, Und es sanft gen Himmel hebt. Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder, Und auf leuchtendem Gefieder Führt er, ferne jedem Schmerz, Meinen Geist nun himmelwärts! Stehe still. Daß in selig süßem Vergessen Ich mög’ alle Wonnen ermessen! Wenn Aug’ in Auge wonnig trinken, Seele ganz in Seele versinken; Wesen in Wesen sich wieder findet, Und alles Hoffens Ende sich kündet; Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen. Keinen Wunsch mehr will das Inn’re zeugen: Erkennt der Mensch des Ew’gen Spur, Und lös’t dein Rätsel, heil’ge Natur! 2 ) Sausendes, brausendes Rad der Zeit, Messer du der Ewigkeit; Leuchtende Sphären im weiten All, Die ihr umringt den Weltenball; Urewige Schöpfung, halte doch ein, Genug des Werdens, laß mich sein! Halte an dich, zeugende Kraft, Urgedanke, der ewig schafft! Hemmet den Atem, stillet den Drang. Schweiget nur eine Sekunde lang! Schwellende Pulse, fesselt den Schlag; Ende, des Wollens ew’ger Tag! 3) Im Hochgewölbte Blätterkronen, Baldachine von Smaragd, Kinder ihr aus fernen Zonen, Saget mir, warum ihr klagt? Schweigend neiget ihr die Zweige, Malet Zeichen in die Luft, Und, der Leiden stummer Zeuge, Steiget aufwärts süßer Duft. Weit in sehnendem Verlangen Breitet ihr die Arme aus Und umschlinget wahnbefangen Öder Leere nicht’gen Graus. Treibhaus. Wohl, ich weiß es, arme Pflanze, Ein Geschicke teilen wir, Ob umstrahlt von Licht und Glanze, Unsre Heimat ist nicht hier! Und wie froh die Sonne scheidet Von des Tages leerem Schein, Hüllet der, der wahrhaft leidet, Sich in Schweigens Dunkel ein. Stille wird’s, ein säuselnd Weben Füllet bang den dunkeln Raum: Schwere Tropfen seh’ ich schweben, An der Blätter grünem Saum. 4) Sonne, weinest jeden Abend Dir die schönen Augen rot, Wenn im Meeresspiegel badend Dich erreicht der frühe Tod; Doch erstehst in alter Pracht, Glorie der düstren Welt, Du am Morgen neu erwacht, Wie ein stolzer Siegesheld! Schmerzen. Ach, wie sollte ich da klagen, Wie, mein Herz, so schwer dich sehn. Muß die Sonne selbst verzagen, Muß die Sonne untergehn? Und gebieret Tod nur Leben, Geben Schmerzen Wonnen nur: O wie dank’ ich, daß gegeben Solche Schmerzen mir Natur!