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ACHTZEHNTES GEWANDHAUS-KONZERT DONNERSTAG, DEN 2. MÄRZ 1916. Leitung: Professor Arthur Nikisch. ERSTER TEIL. Ouvertüre zu »Jessonda« (Op. 63) von Ludwig Spohr. Drei Gesänge des Epimetheus aus Goethes »Pandora«. Für Bariton und Orchester von Arnold Mendelssohn, vorgetragen von Herrn Kammersänger Alfred Käse. 1. Wer von der Schönen zu scheiden verdammt ist, Fliehe mit abgewendetem Blick! Wie er sie schauend im Tiefsten entflammt ist, Zieht sie, ach! reißt sie ihn ewig zurück. Frage dich nicht in der Nähe der Süßen: »Scheidet sie? Scheid’ ich?« Ein grimmiger Schmerz Fasset im Krampf dich, du liegst ihr zu Füßen, Und die Verzweiflung zerreißt dir das Herz. Kannst du dann weinen und siehst sie durch Tränen, Fernende Tränen, als wäre sie fern; Bleib! Noch ist’s möglich! Der Liebe, dem Sehnen Neigt sich der Nacht unbeweglichster Stern. Fasse sie wieder! Empfindet selbander Euer Besitzen und euern Verlust! Schlägt nicht ein Wetterstrahl euch auseinander, Inniger dränget sich Brust nur an Brust! Jener Kranz, Pandorens Locken Eingedrückt von Götterhänden, Wie er ihre Stirn umschattet, Ihrer Augen Glut gedämpfet, Schwebt mir noch vor Seel’ und Sinnen, Schwebt, da sie sich längst entzogen, Wie ein Sternbild über mir. Doch er hält nicht mehr zusammen, Er zerfließt, zerfällt und streuet Über alle frischen Fluren Reichlich seine Gaben aus. O wie gerne bänd’ ich wieder Diesen Kranz! Wie gern verknüpft’ ich, Wär’s zum Kranze, wär’s zum Strauße, Flora-Cypris, deine Gaben 1 Doch mir bleiben Kranz und Sträuße Nicht beisammen. Alles löst sich. Einzeln schafft sich Blum’ und Blume Durch das Grüne Raum und Platz. Pflückend geh’ ich und verliere Das Gepflückte. Schnell entschwindet’s. Rose, brech’ ich deine Schöne, Lilie, du bist schon dahin!