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Auerthal-Zeitung : 20.11.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189811204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981120
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-20
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 20.11.1898
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Psttttschr Kvndfcha«. Deutschland. * Auf seiner Heimreise berührte daSKaiser - paar am 15. d. Malta, ohne an Land zu gehen und setzte sodann die Weiterreise nach Cagliari fort. * Da nunmehr feststeht, daß der Inkognito» charakter der Kaiserfahrt weder an der spanischen, noch an der portugiesi schen Küste unterbrochen wird, sind amtliche Begrüßungen durch Kriegsschiffe von diesen Ländem ebensowenig zu er warten , wie von französischer Seite. WaS geschehen wird, wenn die „Hohen- zollern" den Kanal und die britische Küste berührt, bleibt abzuwarten. Man darf dabei nicht vergessen, daß Kaiser Wilhelm als Admiral der englischen Flotte geführt wird. "Wie jetzt offiziös angekündigt wird, ist die Eröffnung des Reichstages erst für Anfang Dezember in Ausficht genommen. Bis her hieß es bekanntlich, daß der neue Reichstag für den 29. November einberufen und an diesem Tage durch den Kaiser eröffnet werden solle. Da der Kaiser bereits am 26. d. in Bruns büttel eintrifft, dürsten anderweitige Rücksichten für die Hinausschiebung der Reichstagseröffnung bestimmend gewesen sein. * Zu der Veröffentlichung derDenkschrift des Graf-Regenten von Lippe äußert sich die ,Köln. Ztg.' in einem offenbar inspirierten Artikel, der sehr scharfe Wendungen gegen den Regenten enthält, das Blatt geht von der (nach anderen Meldungen übrigens wohl nicht zu treffenden) Voraussetzung aus, daß die Denk schrift indirekt von lippe-detmoldischer Seite in die Oeffentlichkeit gebracht worden sei, so daß dem Graf-Regenten in erster Linie die Schuld zuzumessen sei, wenn der Gegensatz zwischen ihm und dem Kaiser noch verschärft würde. Hätte der Graf-Regent bessere politische Berater, so würde er rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht worden sein, daß, »wenn er größere militärische Ehrenrechte für seine Kinder durchsetzen wollte, als ihm nach der Militärkonvention zustanden, er dazu nicht den Weg einseitigen Befehls, sondern den Weg der Verständigung mit dem allerhöchsten Kriegsherrn hätte wählen müssen. * Der ,Na ionalzeitung' wird von unter richteter Seite geschrieben: „Man ist in Detmold von der neuen Indiskretion (der Veröffentlichung der Rechtsverwahrung) auf das peinlichste berührt; es können nur Gegner oes Regenten sein, die ihm diesen neuen Streich gespielt haben, um die vorhandenen Schwierigkeiten zu erhöhen." *Die Zahl der Reichstagsman date und der für die einzelnen Parteien bei der Hauptwahl abgegebenen Stimmen ist infolge der ungleichen Größe der Wahlkreise bekanntlich sehr verschieden. Berechnet man auf Grund der jetzt veröffentlichten amtlichen Statistik der Reichstagswahlen von 1898 den Anspruch auf Mandate, den die Parteien bei gleichmäßiger Verteilung nach der Stimmrnzahl hätten, so ent fielen nach der ,Voss. Ztg.' auf die Sozialdemo kratie 118. Mandate (erhalten hat sie 56), auf das Zentrum 82 (erhalten 110), auf die nattonal- liberale Partei 54 (47), auf die deutschkon servative Partei 48 (60), auf die freisinnigG Volkspartei 31 (29), auf die deutsche Reichs partei 19 (23), auf die freisinnige Vereinigung 11 (12). Frankreich. *Zur Revision des Dreyfus- Prozesses weiß der,Gaulois' zu melden, Hauptmann Lebrun-Renault habe eine Vor ladung erhalten, am MontUg vor dem Kassations hofe zu erscheinen. Der Advokat Mornard werde dem Kassationshofe das Gesuch über reichen, dem Hauptmann Dreyfus die Ent scheidung des Kassationshofes mitzuteilen und die Rückberufung Dreyfus' anzuordnen. — Cavaignac soll in seinem langen Verhör nicht den geringsten Beweis für die Schuld von Dreyfus, sondern bloß persönliche Ansichten und Vermutungen vorgebracht haben. Charakteristisch ist die Aeußerung, die er gethan haben soll: „Ich hätte die Richter von der Schuld des Dreyfus überzeugen müssen, wären sie nicht voreingenommen!" Um die von Cavaignac hartnäckig betonten angeblichen Geständnisse deS DreyfuS definitiv aufzuhellen, beschloß der Kassationfthof, auch darüber Zeugen zu ver nehmen, unter anderen den Untersuchungs richter de BalleS, der bei einem Diner den Hauptmann Lebrun-Renault über die an geblichen Geständnisse befragte und die Antwort erhielt: -DreyfuS hat mir niemals Geständnisse gemacht." "Der Kassationshof, welcher seine Ent scheidung dahin getroffen hatte, daß bis jetzt die Strafe, die DreyfuS verbüßt, keiner Aendemng zu unterziehen sei, hat soeben den Minister für Kolonien davon in Kenntnis ge setzt, daß er eine gerichtliche Verfügung erlassen hat, welche besagt, der Kassationshof habe be schlossen, daß Dreyfus auf schnellem Wege von der Revision ieines Prozesses benach richtigt und aufgefordert werde, seine Ver teidigungsmittel vorzubringen. Der Minister für die Kolonien erhielt ein Telegramm, welches die Mitteilung enthält, daß Dreyfus bei guter Ge sundheit sei. * Der ,Soleil' bringt einen heftigen Artikel gegen Rußland. Frankreich hätte in Ostasien die Kastanien für Rußland aus dem Feuer geholt und werde jetzt in Faschoda im Stich gelassen. Ein paar Tele gramme an Faure und die Orden für Hanotaux könnten Frankreich nicht genügen. * Die Arbeiten zur Pariser Weltaus stellung 1900 schreiten rüstig vorwärts; sie sind so weit gediehen, daß man auf ihre Fertig stellung zum festgesetzten Termin bereits heute mit ziemlicher Bestimmtheit rechnen kann. Man kann sich aber auch schon ein Bild davon machen, wie hoch sich die Kosten dieser ganzen Bau lichkeiten belaufen werden. Veranschlagt find etwa 38 Millionen. Von Liesen sind bereits bezahlt bezw. werden noch im Laufe dieses Jahres 28 Mill, bezahlt werden. Die Stadt Paris gab von den 20 Mill., zu denen sie sich verpflichtet hat, bis heute 8, der französische Staat 6 und muß in diesem Jahre noch 7 Millionen zu zahlen. Die übrigen Gelder fallen auf Private. Um den Vorschuß der Bank von Frankreich nicht in Anspruch nehmen zu müssen und keinen Zins verlust zu erleiden, wird der Staat durch den Handelsminister um einen Nachttagskredit zu Gunsten seiner Ausstellungs-Subvention ein kommen. Schweiz. * Die Rechtseinheit in derSchweiz wird bald vollendete Thatsache sein. In der eidgenössischen Volksabstimmung wurden am Sonntag zwei neue Artikel der Bundesver fassung, welche dem Bunde die Zuständigkeit zum Erlaß eines einheitlichen Zivilgesetzbuches und einheitlichen Strafrechtes geben, mit rund 260 000 gegen 100 000 Stimmen und 16'/- gegen 5'/- Kantonstimmen angenommen. England. *Die Zeitungen melden, diese Woche noch werde sich ein fliegendes Geschwader in Portland unter Vizeadmiral Domville sammeln und Kreuzfahrten um die Küsten unter nehmen, während ein zweites aus Ply mouth absegeln werde, wahrscheinlich nach Gibraltar. Italien. *Wie die ,Italic' mitteilt, wandte sich der Vatikan an die mit ihm enger liierten Mächte mit dem Ersuchen, sie möchten den Versuch machen, es durchzusetzen, daß die Anti-An archist en-Konferenz in Florenz zu- sammenttete. Die .Italic' fügt hinzu, dieser Schritt sei in sehr höflicher Weise ohne Er wähnung des Vatikans durch den Vertreter einer jener Mächte beim Quirinal erfolgt. Nach einigen beiläufig gewechselten Worten und nachdem die italienische Regierung entschieden abgelehnt hatte, wurde nicht mehr über die Angelegenheit ge sprochen. Spanien. * Amtlichen Aufstellungen zufolge beträgt die Gesamtzahl der aus Cuba herüberzunehmenden Truppen 107 569 Mann, davon 19 570 Kranke. Die gänzliche Räumung erfolgt erst Ende Februar. Marschall Blanco kommt mit dem letzten Transport. 40 Mill. Pesos werden noch dem Operationsheer geschuldet. *Jn Spanien wächst die Befürchtung vor einem karlistischenAufstand. In Militär kreisen verlautet, es sei den Karlisten gelungen, eine größere Anleihe in England auf zunehmen, was fie jahrelang vergebens versucht hatten. Rastland. * .Petersb. Wedomosti' erklären, Frankreichs Nachgeben in Faschoda sei in der Absicht ge schehen, gemeinsam mit Rußland die ägyp- tische Frage aufzurollen. Die eng- lischenRüstungen gelten vornehmlich dem Schutze der ägyptischen Herrschaft. Dasselbe Blatt behauptet aus angeblich zuver lässiger Quelle, der Sultan habe den Mächten den Bruder des ägyptischen Cyedive Mohammed Ali Pascha als Generalgouverneur auf Kreta vorgeschlagen und wolle im Fall der Ablehnung die Insel Rußland abtreten (?) an Stelle des noch ausstehenden Restes der Kriegsent schädigung von 1878. Die Nachrichten find mit Vorsicht aufzunehmen. Balkanstaaten. * Die Notabeln von Kreta wurden durch Admiral Pottier benachrichtigt, daß Prinz Georg von Griechenland bald als pro visorischer Kommissar für die Insel der Pforte vorgeschlagen werden wird. Der russische Admiral teilte dem Exekutivkomitee mit. die türkische Flagge werde nicht, wie angekündigt, niedergeholt werden, was außerordentlichen Ein druck machte. Alle türkischen Soldaten sind jetzt in Suda eingeschifft bis auf zwei Offiziere, die den Materialttansport leiten sollen. Amerika. * Auf Cu b a herrschen bei den gegenwärtigen Verhältnissen wahrhaft anarchische Zustände. Neuerdings haben sich in Havana zwei Kom panien Polizeiagenten wegen rückständiger Sold zahlung aufgelehnt; der General Arolas ließ sie entwaffnen und in die Kaserne einschließen. Die Ruhe ist wiederhergestellt. Asten. *Eine erneute Kaltstellung Li-Hung- Tschangs scheint vorgenommen zu sein. Er hat soeben den Befehl erhalten, sich nach der Provinz Schantung zu begeben, um mit dem Vizekönig über Maßnahmen zu beraten, durch welche in Zukunft Ueberschwemmungen des Gelben Flusses verhindert werden könnten. Dieser Auf trag deutet laut einer Pekinger Meldung darauf hin, daß Li-Hung-Tschang seiner Dienste als Minister enthoben ist. — Doch ist der Inhaber der gelben Reitjacke schon so oft wieder aus der politischen Versenkung aufgetaucht, daß auch sein jetziges Verschwinden wohl nur als ein zeit weiliges betrachtet werden kann. Deutschland und England. Es läßt sich recht wohl verstehen, wenn man sich in England durchaus nicht überall durch die Rede Lord Salisburys befriedigt fühlt. Sieht doch ein großer Theil der englischen Nation nicht ein, weshalb die Marineverwaltung solch' umfangreiche, seit dem zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts noch nie erlebte Rüstungen be treibt, ohne daß es zum Klappen kommen soll. Was gab den Anlaß zu dieser großartigen Mobilisierung der Flotte? Die armselige Faschoda-Frage doch kaum. Wenn nicht dieser einzelne minimale Streitpunkt, so bot die allge meine politische Lage den Vorwand. Lord Salisbury gibt dies auch unumwunden zu, trotz des Abrüstungsvorschlages des Zaren, den Eng land nach der Versicherung Lord Salisburys sympatisch begrüße. Wenn der Redner mit voll ster Aufrichtigkeit und ohne jede verschleiernde Höflichkeitsform gesprochen hätte, würde er viel leicht gesagt haben: wegen jenes Abrüstungs vorschlages sehen wir uns von Gefahren be droht. Denn es wird niemand zu leugnen ver mögen, daß erst von dem Augenblick an jene Beunruhigung und Ungewißheit entstand, die jetzt die allgemeine politische Lage kennzeichnet. Eine Abrüstung im Sinne des Zaren müßte England der Bindemittel berauben, wodurch es sein gewaltiges Kolonialreich zusammenhält. England will sich aber kein Glied seiner Kolonien entreißen lassen; es beweist seine Kraft und Macht, die sich in die entferntesten Ozeane er streckt, durch die Entfaltung seiner imponierenden Flotte und die dem Zaren zuzurufen scheint: Wer kommt mir gleich und welche Entschädigung und Sicherheit gewährt man meiner Nation, wenn ich für immer verschwinden soll? Die Antwort wird nicht erfolgen können, ebensowenig wie eine praktische Durchführung des Abrüstungs vorschlages deS Zaren. Mit Deutschland beschäftigt sich die Rede Lord Salisburys so gut wie gar nicht; es lag. dazu auch nicht die geringste Veranlassung vor, da die deutsch - englischen Beziehungen einander in ihren Interessen nicht kreuzen und sich Deutsch land nach wie vor die Politik der freien Hand vorbehält, die außerhalb des Dreibundes selb ständig verfährt und nicht um ein Bündnis buhlt, sondern im Gegenteil sich suchen läßt. Wenn daher die.Times', die sich durchaus nicht durch eine deutschfreundliche Gesinnung aus zeichnen, die Rede mit Anspielungen auf Deutsch land kommentieren und angesichts der Macht entfaltung der englischen Flotte das Deutsche Reich in Bestürzung darüber darzustellen ver suchen, so daß es nichts Eiligeres zu thun habe, als sich England an den Hals zu werfen, so werden die ,Times' an der allgemeinen Zurück weisung dieser Unterstellung ihren Irrtum bald einsehen lernen. Bis auf den von den .Times' an den Haaren herbeigezogenen Kommentar beurteilt Deutschland die fnedfertig klingende Rede Salisburys wohlwollend und mit vollem Verständnis der allgemeinen politischen Lage, die England endlich am Schluß des Jahr hunderts zwingt, keinen Schritt weiter vor dem Drängen Rußlands zurückzuweichen und seinen Gegnern zu zeigen, daß es keineswegs eine im Zerbröckeln begriffene Macht ist und auch nicht gedenkt, einstmals dem Schicksal Spaniens zu verfallen, das eben jetzt seine letzte Kolonie preisgeben muß. Uon Nah «nd Fern. Berlin. In der Nacht zum Mittwoch ist im Süden der Stadt abermals eine Lustdirne, Emma Siegmund, in ihrer Wohnung ermordet worden. Als mutmaßlicher Mörder ist der „Geliebte" derselben, der Arbeiter Hermann Berg holz, festgenommen. Breslau. Der bekannte Quellenfinder Graf Wrschowetz ist Hierselbst plötzlich gestorben. Greiz. Der Expedient der .Reußischcii Volkszeitung' in Greiz, Hermann Schenderlcin, der wegen Preßvergehens zu fünf Monat Ge fängnis verurteilt war, ist, nachdem er drei Monat der Strafe verbüßt, vom Fürsten von Reuß begnadigt worden und wieder in Greiz eingettoffen. Kassel. In eine unerquickliche Lage ist die Ohmthal-Bahn im Kreise Kirchhain geraten. Der Bau-Unternehmer, ein Berliner, hat die Arbeiten eingestellt, und nun sind zwei Loko motiven, die zur Beförderung größerer Erdmassen beschafft wurden, vom Gerichtsvollzieher ge pfändet. Das gleiche Schicksal widerfuhr den Gerätschaften, Materialien rc., soweit fie Eigen tum des Unternehmers find. Marienburg. Von musterhafter Genauig keit zeugt folgendes postalische Kuriosum, das aus Marienburg Werder gemeldelt wird. Ein Lehrer, dessen Sohn bislang eine Unteroffizier- Vorschule besucht hatte, erhielt als Rest der Weg- und Zehrungskosten für diesen von der Anstalt durch Postanweisung die Summe von — 0,01 Mark zugesandt. Da das Bestellgeld aber bekanntlich fünf Pfennig beträgt, so ver weigerte der Adressat die Annahme der An weisung. Arnsberg. Vor einigen Tagen wurde in der Pfarrkirche zu Obermarsberg von einer Diebesgesellschaft ein großer Raub ausgeführt. Die Gesellschaft raubte alles, was ihr wertvoll erschien, sie erbrach die Schränke in der Sakristei und zerstörte viele Gegenstände. Schließlich legten die Diebe sämtliche Schlüssel, welche sie in der Sakristei gefunden, auf den Altar, Bohrer und andere Einbruchswerkzeuge legten sie auf die vorderste Kirchenbank und die zum Einsteigen in die Kirche benutzte Leiter ließen sie am Fenster stehen. Von den Thätern fehlt jede Spur. .'MWMWWWWMMWWWUMtWWM Am Vorabend der Hochzeit. L3j Roman von Helene Stökl. <?oiii«vunga „Ich bedauere, nicht dienen zu können," ant wortete Mellien der Wahrheit gemäß: hatte Heinrich ihm doch geschrieben, daß er nicht wisse, wie lange er in Madrid bleiben und wohin er dann reisen werde. „Es wird Ihnen bekannt sein, daß ich sein Generalbevollmächtigter bin; wenn Sie also etwas wünschen . . ." „O, nein, ich danke," entgegnete der sehr fein und vornehm aussehende Fremde nachlässig, „es handelt sich um eine persönliche Angelegen heit. Darf ich fragen, wann Sie zuletzt von Herrn von Lestow hörten?" „Hm," überlegte Mellien, „das ist sich einer von denen, die den armen Frank mit ihrer Zu dringlichkeit belästigten." — „Eine persönliche Angelegenheit?" wiederholte er laut, „nun, wenn Sie persönlich mit meinem Klienten bekannt find, so werden Sie wissen, Herr ..." „Richartz," ergänzte höflich der Fremde. „Er lauben Sie mir, Ihnen meine Karte zu geben." „Ich danke, — so werden Sie wissen, Herr Richartz, daß der junge Gutsherr in der letzten Zeit von einem der härtesten Schicksalsschläge, die einen jungen Mann treffen können, heim gesucht worden ist." „Allerdings. Die Dame, mit der er verlobt war, stürzte, wie man sagt, von den Klippen zu Neudorf herab." „WaS meinen Sie mit dem Ausdruck: wie «m lagt?" fragte der Justizrat scharf. „Verzeihen Sie, ich begreife, WaS Sie gegen Mit einem höflichen Schwenken des Hutes verließ der Fremde das Zimmer. Aber nicht die Stadt. Als Mellien am Abend desselben Tages seiner Wohnung zu schritt, sah er ihn auf der Brücke in lebhafter Unterhaltung mit Käthe Rallas. Was konnte das bedeuten? Der Justizrat fühlte sich unan genehm überrascht und ging nachdenklich weiter. Vor dem Eingang in die Allee, die zu einem Hause führte, blieb er in Gedanken versunken einen Augenblick lang stehen. Da kam Käthe vorbei, diesmal allein. „Wer ist der Herr, mit dem Sie auf der Brücke sprachen?" wandte Mellien sich an das Mädchen. „Herr Richartz." „Und wer ist, bitte, dieser Herr Richartz?" „Ein Herr aus Berlin." „Der gekommen ist, Sie zu besuchen?" „Nein." „Weshalb antworten Sie so karg?" „Unverschämte Fragen beantworte ich immer kurz, wenn ich fie überhaupt beantworte," sagte das junge Mädchen kühl. „Nun, allzu höflich sind Sie gerade nicht!" erwiderte der Justizrat, ärgerlich lachend. „Ich wollte Sie übrigens nicht beleidigen, Herr Richartz war heute bei mir, um sich nach Herrn Lestow zu erkundigen, und es überraschte mich. Sie mit ihm zu sehen, das ist alles." Er hatte absichtlich so ausführlich geant wortet, um fie zu einer Entgegnung zu verleiten, aber sein Versuch mißglückte. Sie blieb schweigend stehen, ohne daß ein Zug ihres hübschen, aber zarten Gesichtes sich geändert hätte. diese Worte haben. Es besteht ein thörichtes Gerücht, daß die junge Dame selber den Tod gesucht habe, aber ich war weit davon entfernt, meine Worte daraus zu beziehen. Ich sagte nur aus dem Grunde so, weil niemand that- sächlich den Sturz sah und der Leichnam nir gends aufgefunden wurde." „Sie find Jurist?" fragte Mellien. „O, nichts weniger als das." Herr Richartz lächelte. „Wie kommen Sie zu dieser Ver mutung ?" „Weil Sie Ihre Worte so genau abwäaen. Herr Lestow ist un Auslande, wo er zu dem ausdrücklichen Zweck reist, um Zerstreuung für seinen Kummer zu finden. Sie werden es deshalb begreifen, daß ich Ihnen seine Adresse nicht gebe. Wenn er wünschte, Briefe nach beschickt zu erhalten, so würde er sicher mich oder jemand anders damit beauftragt haben." „Er scheint Sie aber im Gegenteil gebeten zu haben, jede Verkehrsanknüpfung mit ihm un möglich zu machen," sagte der Fremde, verbind lich lächelnd und nach seinem Hut greifend. „Vielleicht weiß Herr von Lestow nicht einmal, wie nachteilig seine Handlungsweise für seinen Ruf ist. Sein Benehmen der jungen Dame gegenüber hat Anlaß zu sehr ungünstigen Be urteilungen seines Charakters gegeben." „Was kann man an seinem Benehmen auS- -usetzen finden?" „Seine augenfällige Selbstsucht. Er dachte nur an sich und seinen Kummer und hielt es nicht einmal für nötig, sich persönlich von dem Unglücksfall zu überzeugen. Niemakd war so schnell von dem Tode Fräulein Wellners über zeugt wie er; er benahm sich, als käme ihr Tod ihm nicht unerwartet. Sobald er die Nachricht bekam, reiste er ins Ausland, ohne die, welche denselben Kummer wie er zu tragen hatte, auf zusuchen und mit ihnen die Verlorene zu be trauern." Mellien war während dieser Worte, deren Wahrheit er nur allzu sehr fiihlte, bald rot, bald blaß geworden. Der letzte Satz des Fremden half ihm jedoch über seine Verlegenheit h „Was, Sie wissen von ihm?" sagte er ge ringschätzig. „Herr von Lestow steht in fort währender Korrespondenz mit Doktor Wellner, dem Vater seiner Braut." „Ah, das wußte ich nicht!" entgegnete Herr Richartz mit einem so eigenen Lächeln, daß der Justizrat augenblicklich bereute, die Bemerkung gemacht zu haben. „Wenn Sie sein Freund find." sagte er, sich erhebend, zum Zeichen, daß er die Unterredung als beendigt ansehe, „so werden Sie seinen Wunsch beachten und ihn unbelästigt lassen; wenn Sie jedoch sein Freund nicht sein sollten, dann thäten Sie jedenfalls besser . . ." „Mich um meine eigenen Angelegenheiten zu bekümmern," nahm ihm Herr Richartz das Wort aus dem Munde; „das will ich thun, Herr Justizrat, Sie wissen nicht, wie verbunden ich Ihnen für Ihre freundliche Auskunft bin. Ver zeihen Sie, wenn ich Ihre kostbare Zeit so lange in Anspruch nahm." „DaS hat gar nichts zu sagen." „Ich habe die Ehre. mich Ihne» zu em pfehlen."
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