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Auerthal-Zeitung : 09.11.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189811099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-09
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 09.11.1898
- Autor
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GerichlshaUr. Lyon. Vor dem Schwurgericht von Bourg im Departement Ain wurde, wie schon kurz gemeldet, am Freitag die dreitägige Verhandlung gegen den Massenmörder Vacher beendet. Am 3V, August 1895 wurde in der Umgebung von BcnouceS bei Belle») Rotenburg (Hessen). Wüste Szenen haHen sich im Dorfe Hamrode abgespielt, die von einem widerspänsttgen Bauern, der sich den Gesetzen nicht fügen wollte, zu seinem eigenen verderben heraufbeschworen wurden. Der Bauer Brand hatte ein Strafmandat über 1,50 Mk. erhalten, weil seine Gänse auf fremdem Land gehütet waren. Anstatt den Betrag zu zahlen, zeriß er Len Strafbefehl und beleidigte den Bürgermeister. Wiederholt vorgeladen, erschien er nicht nur nicht, sondern stieß ganz gefährliche Drohunyen aus, wonach er jeden tot machen wolle, der ihn anrükre rc. Als der Gerichtsvollzieher erschien, um ihn abzuführen, schlug der rabiate Bauer Lermaßen auf ihn los, daß der Beamte aus reißen und zu Hause angelangt, das Bett hüten mußte. Nun wurde Sonntag früh der Gendarm Kaiser abgeschickt, um Brand festzunehmen. Der widerspänstige Mensch leistete der gütlichen Auf forderung, mitzugehen, reine Folge, schlug den Beamten vielmehr mit einer Hemmtette über den Kopf, so daß der Helm entzwei ging und der Gendarm Verletzungen davöntmg. Dann riß er sich los und sprang fort, von dem Gendarmen über den Hof weg in den Garten verfolgt, wo lich eine förmliche Hetzjagd abspielte. Brand hatte sich inzwischen mit einer Mistgabel be waffnet und nahm nicht nnr eine drohende Hal tung an, sondem äußerte geradezu, er werde den Beamten niederstechen, falls er Hand an ihn legen wolle. Der Gendarm zog nunmehr seinen Revolver und forderte Brand auf, die Waffe fortzulegen, als dieser es nicht that, vielmehr auf ihn eindrang, schoß der Beamte, die Kugel drang dem Widerspänsttgen in den Unterleib und tödlich getroffen sank er zusammen. Wenige Stunden später ist er gestorben. Strastbura. Auf eigenartige Weise ist ein wegen Diebstahls zur Anzeige gebrachter Soldat Les hier garnisonierenden Hu aren - Regiments Nr. 9 desertiert. Mt Einbruch der Nacht sattelte er sein Pferd und verließ mit hm die Kaseme; dem Posten, an dem er vorbeireiten mußte, -sagte er, er hätte einen Distanzritt zu machen. Ohne von Polizei, Gendarmettebeamten oder Grenzwächtern gestellt zu werden, gelangte er über die Grenze, wo französische Gendarmen ihn anhielten. Der Deserteur ist ein Lothringer aus Saarburg, namens Joseph Oswald. München. Auf der Straße von Frittlingen hatten sich Montag vormittag herumziehende Bärenführer gelagert, denen natürlich eine große Schar Kinder folgte. Dabei kam ein 6 jähriges Mädchen den Bären zu nahe, so daß es von einem derselben erfaßt und mit Zähnen und Krallen derartig zugerichtet wurde, daß es einige Stunden später seinen Verletzungen erlag. Der Bär mußte halb tot geschlagen werden, ehe er sein Opfer fahren ließ. Eichtersheim. Hier ertönte plötzlich zu nachtschlafender Zeit die Schelle des Ortsdieners, der verkündete, daß das sechsjährige Mädchen Les Bäckers N. spurlos verschwunden sei. Die Aufregung steigerte sich, als '/. Stunden später von jeder Familie ein Mann durch die Orts schelle aufs Rathaus beordert wurde, um mit einem zielbewußten Plan auf die Suche zu gehen. Plötzlich ein Freudengeschrei: Sie ist La! Sie ist da! — Und wo war sie? — Zu Hause unter dem Kanapee lag sie und schlief, wie die ,Bad. Ldsztg.' behauptet, den Schlaf Les Gerechten!! Wie«. An den Kliniken des Allgemeinen Krankenhauses, ausgenommen jene des Pro fessors Schrötter, wurden am Donnerstag die Vorlesungen wieder ausgenommen. Alle Pro fessoren gedachten der jüngsten Ereignisse und ' widmeten dem verstorbenen Dr. Muller ehrende ' Nachrufe. Besonders lebhaft gestaltete sich die « Wiederaufnahme der Vorlesungen au der Klinik Prof. Nothnagels; als er im überfüllten Hör saal erschien, empfingen ihn minutenlange Hoch- . rufe und Beifallssalven. ! — In Kolomea, wo eine große Garnison liegt, wurde ein mit der Einsenbahn ange kommener Dragoner-Leutnant in mehreren Hotels wegen Ueberfüllung abgewiesen. Er verlangte , zuletzt im Hotel Rückenstein ein Zimmer. Der ' Sohn des Besitzers erklärte, daß keines frei sei, weil bereits fünf Offiziere einquartiert und auch alle übrigen Zimmer besetzt seien. Der Leutnant beschimpfte den jungen Mann und befahl den ihn begleitenden Dragonern, die Thür eines Zimmers zu erbrechen und die Glasscheiben derselben zu zerschlagen, waS die Soldaten auch auSführten. Als der BefitzerSsohn protestierte und mit einer Klage bei der Militärbehörde und Forderung des Schadenersatzes drohte, zog der Leutnant den Säbel. Der Bedrängte flüchtete auS dem Hotel auf den Platz, der Leutnant verfolgte ihn aber und spaltete ihm durch einen Säbelhieb den Schädel. Eine große Volksmenge sammelte sich an und bedrohte den Leutnant. Dieser wurde von den Dragonern mit gezogenen Säbeln verteidigt. Die Dragoner kehrten darauf in das Hotel zurück, und als der dort ange langte Besitzer Rückenstein, ein alter Mann, über den Vorfall jammerte, mißhandelten sie ihn. Bisher ist die Militärbehörde noch nicht emgeschtttten. Catania (Sizilien). Ein heftiger Erdstoß, welcher auch hier verspürt wurde, hat in Mineo an mehreren Gebäuden Beschädigungen ver ursacht ; auch in Caltagirone wurde die Bevöl kerung durch den Erdstoß aufgeschreckt; neuer liche Stöße wurden in Biancavilla, Acireale, Ademo und Linguaglossa verspürt. Fjitllbaeka (Schweden). In der Nacht zum Donnerstag wütete ein furchtbarer Nordwest orkan. Lotsen und Fischer fanden Donnerstag früh in der Nähe der Baderinseln das hollän dische Barkschiff „Amuiden" treibend an. An Bord befand sich ein Mann. Das Schiffs journal und zwei Boote werden vermißt. Bon der Mannschaft find 13 Mann wahrscheinlich in die Boote gegangen und umgekommen. Petersburg. Ein seltenes Verbrechen — der Raub einer Regimentskasse durch den Posten, der sie bewachte, fand dieser Tage in Jekateri- noslaw statt. Verübt wurde das Verbrechen von dem Gemeinen des 134. Feodosiasischen Infanterie-Regiments Kirill Popow, der in der Zeit zwischen 3 und 5 Uhr niorgens am Abra- mowitschew-Platz, wo sich die Kasernen des Regiments befinden, auf Posten stand. Während dieser Zeit hatte Popow den Geldkasten des Regiments erbrochen und ihm eine Schatulle entnommen, in welcher sich 2877 Rubel Krons- gelder und Sparkassenbücher im Bettage von 40000 Rubel befanden. Mit dem Raube ist er unter Zurücklassung des Gewehrs desertiert. Um 7 Uhr morgens fanden Arbeiter die grraube Schatulle, in welcher sich noch zwei Sparkassen bücher, auf den Betrag von 8000 und 2000 Rubel lautend, befanden. New Aork. Ein räuberischer Ueberfall auf einen Berliner Offizier, den Premierleutnant im Garde-Landwehr-Regiment Walther Wensky, erregt hier großes Aufsehen. W., welcher seit mehreren Monaten in Amerika weilt, um in seiner Eigenschaft als Zivilingenieur für deutsche Privatgesellschaften im Westen Vermessungen vorzunehmen, logierte im Union Square Hotel. Als er sich abends auf dem Heimweg befand, näherte sich ihm ein gutgekleideter Mann und fragte, wie spät es sei. Noch ehe Wensky ant worten konnte, hatte ihn der Fremde an der Kehle gepackt, niedergeschlagen und ihm seine Brieftasche, in der sich 1400 Dollar in bar und Wertpapieren befanden, entrissen. Der Beraubte sprang auf, als sein Angreifer mit der Beute davoneilte, und verfolgte ihn durch mehrere Straßen. Endlich gelang es zwei Polizei beamten, die durch Wenskys Hilferufe auf merksam gemacht worden waren, den Räuber einzuholen und festzunehmen. Derselbe ent puppte sich als ein mehrfach vorbestrafter Ver brecher, namens Albert Barnes. Die geraubte Brieftasche wurde bei dem Verhafteten, der den Ueberfall auf Wensky eingestand, nicht vor gefunden, er will sie auf seiner Flucht von sich geworfen haben. Der Verbleib der Tasche und des Geldes hat bisher nicht ermittelt werden können. Er schüttelte mit würdevoller Trauer den Kopf, wenn er von seinem schweren Verluste sprach, und nahm einen salbungsvollen Ton an, sonst aber hatte er seine frühere Sorglosigkeit voll ständig wiedergefunden. Es machte ihm großes Vergnügen, seine neue Wohnung von oben bis unten elegant einzuttchten, und zu Idas und Onkel Gustavs heimlicher Verwunderung hatte er immer Geld in Ueberfluß. Auch gegen Onkel Gustav war er milder als früher gestimmt. „Dein Oheim, mein liebes Kind," sagte er zu seiner Tochter, „hätte einen ausgezeichneten Geheimpolizisten abgegeben, wenn er kein so großer Schwärmer wäre." „Dein Vater, liebe Ida," sagte Onkel Gustav, „ist ein sehr gelehrter Mann, aber er besitzt auch nicht für einen Heller gesunden Menschenverstand." Weihnachten und Neujahr waren unterdessen gekommen und gegangen, ohne daß sie Ida aus der tiefen äußeren und inneren Trauer um ihre Schwester hätten reißen können. Es war Anfangs Januar, als Willy Boßler ganz ver stört zu Onkel Gustav kam. „Was ist geschehen?" fragte dieser, ihm be sorgt entgegengehend. „Ich werde beobachtet," berichtete Boßler flüsternd. „Beobachtet? von wem?" „Das weiß ich eben nicht. Haben Sie mir die Polizei auf die Fersen gehetzt, Herr?" „Sie find nicht gescheit!" „Aber man spioniert mir nach, und ich müßte mich sehr irren, wenn sie nicht auch demselben Manne, den Sie suchen, auf der Spur wären." „Was kann das zu bedeuten haben?" mur melte Onkel Gustav, nachdem er Willy Boßler, ihn zur größten Vorsicht ermahnend, entlassen hatte. „Sollte die Polizei denselben Verdacht wie ich gefaßt haben? Nun, wir werden ja sehen." Eiir paar Tage später erhielt Doktor Wellner einen Brief von seinem Bruder in Köln. Der selbe schrieb ihm, daß man ihm, der als Perlen liebhaber bekannt sei, einen Perlenschmuck zum Kauf augeboten habe, der demjenigen; welchen er Martha zur Hochzeit spendete, täuschend ähn lich sehe, und fragte an, ob es möglich sei, daß sie sein Geschenk verkauft habe. „Großer Gott!" rief Ida erregt, „unsere arme verlorene Schwester trug den Schmuck, als sie verunglückte!" Doktor Wellner schrieb zurück, daß ein Irrtum vorwalten müsse und erhielt eine steife Anwort. Es sei kein Irrtum, und der Geber hätte nicht erwartet, daß man sein Geschenk so gering achten werde. Onkel Gustav war zugegen, als der Brief an kam. „Nun habe ich nicht recht gehabt?" ries er. „Ich war immer der Meinung, daß Martha um dieser Perlen willen den Tod fand." Ich begreife nicht," entgegnete Doktor Wellner aufgebracht, „wie dieser Brief deine unsinnige Behauptung bestätigen soll! An genommen, daß mein Bruder sich nicht irrt und die Perlenkette wirklich mit jener identisch ist, die Martha trug, so beweist das höchstens, daß der Körper meines armen Kindes aufgefunden worden ist, vermutlich von Fischern, und daß ... eS ist mir zu schmerzlich, fortzufahren. Wenn du doch um Gotteswillen die Sache unbefangen ein Landstreicher bemerkt, dessen Aussehen den Bauern auffiel. Al» Tag» darauf die gräßlich ver stümmelte Leiche de» 16jährigen Schäfers Portalier aufgefunden wurde, schöpfte man sofort gegen den Landstreicher Verdacht; allein alle Nachforschungen, die durch volle zwei Jahre mit dem größten Elfer betrieben wurden, bliebm erfolglos. In der Zwischenzeit wurden in anderen Gegenden Frank reichs junge Schäfer und Schäferinnen unter ganz ähnlichen Umständen ermordet, und jedes mal wurde der in BenouceS bemerkte Land streicher in der Umgegend gesehen. Er konnte aber nirgends gefaßt werden. Erft am 4. August 18S7 wurde Vacher, der Landstreicher, in Champis in dem Augenblick fcstgenommen, da er eine alte Frau er morden wollte. Er wurde deshalb zu drei Monat Gefängnis verurteilt und nach Verbüßung seiner Haft an den Untersuchungsrichter von Belley auSge- liefert, dem er dem» auch die Ermordung des jungen Schäfers gestand, den er nach dem Morde mit den Zähnen in unsagbarer Weise verstümmelte. Der Lebenslauf des Mörders, der von drei Aerzten auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht wurde, ist folgender: Joseph Vacher stammt von gesunden Landleuten und trat init 18 Jahren als Postulant in das Maristenklostcr von Saint-Gems-Laval, das er aber nach Aussage eines Zeugen nach zwei Jahren wegm Sittlichkeitsvergehen verlassen mußte. Er ging nach Genf, trat im November 1890 in das 60. Infanterie-Regiment zu Besan?on, wurde 1891 wegm angeblichen Verfol gungswahns dem Lazarett zur Beobachtung über wiesen, nachher zum Sergeanten befördert und 1898 wegen „geistiger Störungen" von neuem ins Krankenhaus ausgenommen, worauf man ihn dauernd aus dem Heer entließ. Im Juni desselben JahreS verwundete er zu Beaunes seine Geliebte durch einen Revolverschub und suchte sich dann selbst zu er schießen, wobei eine Kugel ihm durch das rechte Ohr in den Kopf drang, wo sie noch sitzt. Nachdem er wegen des Mordversuchs gegen seine Geliebte als Geisteskranker freigcsprochen wordm war, wurde er dem Jrrenhause von St. Robert überwiesm, aus diesem jedoch am 1. April 1894 als völlig herge- stcllt entlassen. Seitdem hat er nun nach seinem eigenen Geständnisse in den Jahren 1894, 1895, 1896 und 1897 vier Knaben und Mädchen, eine junge und eine ältere Frau ermordet, und zwar durchweg alle in derselben Weise wie den Hirten von Bcnouces, wobei er an den weiblichen Opfern unbe schreibliche Greuel beging. Er gab sich bei den» Ge ständnis als geisteskrank aus. Er habe Wutanfälle, in denen er töten, die Leichen seiner Opfer entstellen und schänden müsse. Er wäre als kleiner Junge von einem tollen Hunde gebissen worden und dann auf das Heilmittel, das man ihm gegeben, blöde geworden. Bei seiner Einführung in dm Gerichts saal hob Vacher die Hände zum Himmel empor und rief: „Ehre sei Jesus Christus, Ehre der Jeanne dÄrc, den großen Märtyrern der Zeit! Ehre dem großen Heiland!" Später verliest er eine lange Erklärung, worin er sich als ein Werk zeug des Willens Gottes und als „der Anarchist Gottes" hingestellt, lieber den Mord des Hirten von Benonces befragt, erklärt Vacher, nichts mehr davon zn wissen, und auf die Bemerkung des Prä sidenten, daß er vor dem Untersuchungsrichter genaue Geständnisse abgelegt, erwidert er: „Das mutzte ge schehen, weil die göttliche Vorsehung es mir befahl." Stach dem Gutachten der Aerzte ist Vacher kein Epileptiker, kein Impulsiver, sondern ein zu rechnungsfähiger gewaltthätigcr Verwahrloster, der vor» Zeit zu Zeit an Melancholie, Verfol gungswahn und Selbstmordideen leidet. Vacher stützte sich trotzdem auf seine Unzurechnungsfähigkeit und glaubte so seinen Kopf zu retten. Als der Vor sitzende das Verhör Bachers noch weiter fortsctzcn wollte, weigerte dieser sich, die ihm gestellten Fragen zu beantworten, nnd schweifte wieder auf andere Gebiete ab: namentlich zog er nochmals Vergleiche zwischen sich nnd Jeanne dÄrc, die ebensoviel zu dulden gehabt habe wie er. Schließlich beschimpfte er den Gerichtshof, an den» ihm nichts liege, »veil er nnr seinem Gott verantwortlich sei. Die Aus sagen der Zeugen sind von geringem Belang, da die Anklage sich auf den Mord von Benonces beschränkt, der Vacher, abgesehen von seinem Geständnisse', klar nachgewiesen ist. Schrecklich sind die Irrwege, auf denen sich die Polizei und die Gerichte bei dm Nachforschungen nach den mutmaßlichen Urhebern der verschiedenen von Vacher verübten Blutthatcn be funden haben; eine ganze Reihe von Personen sind als Thätcr verhaftet worden und würden wohl heute noch im Gefängnis schmachten, wenn nicht ein glück licher Zufall noch zur rechten Zeit zur Entdeckung des wahren Mörders geführt hätte. Die Sachver ständigen erklären Vacher auch vor Gericht für zu rechnungsfähig oder vielmehr für verantwortlich. Der Staatsanwalt beantragt gegen Vacher die Todes strafe, was von den Zuhörern durch Beifallsrufe und Händeklatschen begrüßt wird. Der Angeklagte gebärdet sich darüber höchst unruhig, so daß die Gendarmen ihn kaum scstzuhalten vermögen. Der Betteidiaer kommt nach längeren AuSfübrungm zu dem Schluß, daß man in dem Beschuldigten einen „großen Kranken" und nicht einen „großen Ver- brecher" vor sich habe; doch konnte er dm Gerichtshof nicht zur Annahme dieser Auffassung bewegen und der Mörder wurde, wie schon berichtet, zum Tode verurteilt. Uever da« ,,«e«r Mädchr«" schreibt ein amerikanisches Blatt: „Es war nur eine Frage der Zeit, daß zu der „neuen Fran" das „neue Mädchen" sich gesellen mußte. Das neue Mädchen oder vielmehr die neue Jungfrau ist nun auf der Bildfläche erschienen und, wie man das von ihr erwarten durfte, hat sie sich mit einem gewissen Eklat eingeführt. Die Gründung eines „Anti - Stuhlwärmer - Vereins hereitSfähiyer Mädchen" ist die That, mit der die in Bridgepott aufgetauchte moderne Jung frau sich in die Welt einftihtt. Die besagte Bereinigung hat nämlich den Zweck, den Jünglingen die Schüchternheit abzugewöhnen. Der amerikanische Jüngling sucht nicht für die Holde, deren Spuren er errötend folgt, das Schönste u. s. w. Das verlangt auch das amerikanische Mädchen nicht von ihm. Wenn er in der Konditorei das Süßeste brachte und gelegentlich im Winter eine Schlittenfahrt mit ihr machte oder sie mit ins Theater oder Kon zert nahm, so war bisher die amerikanische Jungfrau zufrieden. Dann folgten die Besuche m elterlichen Hause. Der Jüngling machte Be uche, die sich immer häufiger wiederholten. Er aß jeden Abend im Parlor, bis daß daS Glöck- ein Elfe schlug und die Stimme des Haus vaters ertönte, wobei unheimliche Anspielungen auf die vorgerückte Stunde und die Höhe der Gasrechnung vernehmbar wurden. Dann ent fernte er sich — der Jüngling nämlich. Am nächsten Abend kam er wieder. Sein Benehmen blieb ehrfürchtig, freundschaftlich. Das war alles. Das soll aber nicht alles sein. Die moderne Jungfrau, die Vereinigung neuer Mäd chen in Bttdgeport will nicht, daß das alles sei. Die wackeren und praktischen Mädchen wollen ihre Zeit nicht mit Jünglingen ver trödeln, welche nicht den Mut oder die Lust haben, Ernst zu machen oder, um es gerade herausznsagen, „mit Papa zu sprechen". Die moderne Jungfrau ist praktisch. Sie rechnet, sie versteht zusammenzuzählen. Wenn zwei, drei, vier Winter vertrödelt find, jeden Winter mit einem „Stuhlwärmer", der nicht mit Papa spricht, dann ist's zu spät. Die neuen Jung frauen wollen dieser zwecklosen Stuhlwärmerei ein Ende machen. Wenn der Jüngling nach dem dritten Besuch nicht Miene macht, mit Papa zu sprechen, wird er nicht mehr empfangen. Er wird durch einen anderen ersetzt, und der Wechsel wird solange fortgesetzt, bis endlich das „Gespräch mit Papa" erfolgt. Die Einzel heiten ihres Operationsplanes halten die „Vereinigten Mädchen" noch geheim. Allerlei. Atterszahlen in Landwirtschaft und Industrie. Darüber gibt die vom Reichs- Verficherungsamt kürzlich veröffentlichte ein gehende Jnvaliditärsstatistik Auskunft. In der Land- und Forstwirtschaft beträgt die Zahl der männlichen Jnvalidenrentner annähernd das Doppeste der männlichen Jnvalidenrentner in der Industrie. Noch auffallender ist die Ver schiedenheit der Belastung durch Altersrenten in der Landwirtschaft und der Industrie. Für die Land- und Forstwirtschaft ergeben sich fast vier mal so viel Altersrenten wie für die Industrie, und fast doppelt so viel Altersrenten als für den Durchschnitt aller Berufszweige im Reiche. Neuartige Hundert- und Tausend- Markscheine werden demnächst in den Verkehr gelangen. Diese neuen Reichsbanknoten tragen daS Datum 1. Juli 1898 und weisen ver schiedene Abweichungen von den alten Scheinen auf. So ist z. B. der Pflanzenfaserstreifen nicht rechts, sondern links vom Datum gesetzt; bei den 100-Märkscheinen ist er rot, bei den Scheinen zu 1000 Mark grün gefärbt. Ferner haben die neuen Scheine noch ein zweites Wasserzeichen, das abwechselnd einen großen Buchstaben deS lateinischen Alphabets in sich birgt.--» --- betrachten wolltest; aber du willst mit aller Gewalt beweisen, daß jemand eigens von Berlin kam und meinem Kinde einen Brief brachte, um sie eines Schmuckes zu berauben, den sie ganz zufällig an jenem Abend trug." „Ich behaupte nicht, daß er zu diesem Zweck kam." „Weshalb hätte er sonst kommen sollen?" „Das muß eben herausgebracht werden. Ich werde nach Köln fahren und zu erfahren suchen, wie das Halsband in den Handel kam." „Ich hoffe zu Gott, daß du das nicht thun wirft," stöhnte der Doktor. „Darf denn mein armes Kind keine Ruhe in seinem Grabe finden? Was können deine Nachforschungen nützen? Im besten Falle kannst du ein paar schauerliche Einzelheiten über die Auffindung von MatthaS Leichnam erfahren. Lieber Gustav," er nahm dessen Hände bittend in die seinen, „wenn du meine Gefühle auch nur im geringsten berück- fichtigst, — und ich glaube, als Vater hätte ich wohl em Recht, dies zu behaupten, — so lasse die Angelegenheit ruhen." Eben wollte Onkel Gustav eine Antwort geben, als das Dienstmädchen eintrat und ihm meldete, daß ein Mann draußen sei, der ihn dringend zu sprechen wünsche. Hastig verließ er das Zimmer, im Flur kam ihm ein Herr entgegen. „Ich habe ihn gesehen," flüsterte dieser atem los, „und ich weiß jetzt, wo er lebt." „Der Mann, der daS Pferd bei Ihnen mietete?" „Ja, ich kann beschwören, daß er eS ist. Ich kann Sie augenblicklich zu seiner Wohnung führen, wenn Sie wollen/ „Nein, nein, augenblicklich nicht. Wie heißt er?" „Alfred Baumann." Unmöglich!" rief Onkel Gustav zurück prallend. „Es ist so," entgegnete Willy, einen Stroh halm zwischen den Zähnen drehend. „Erkannte er Sie?" „Ja, und es ist meine Meinung, daß, wenn Sie sich nicht beeilen, er sich wieder davon machen wird, er und die Dame." „Welche Dame?" „Nun, seine Frau vermutlich; sie wird wemastens Frau Baumann genannt." „Kommen Sie herein/ sagte der Major, die Thür zu des Doktors Studierzimmer öffnend, „das muß ich genauer hören." Willy betrat daS Zimmer und ließ seine Blicke neugierig darin umherschweifen; plötzlich hasteten sie an einer Photographie, die in einem goldenen Rahmen aus dem Kaminsims stand. „Bei Gott, das ist sie I" rief er, verwundert auf das Bild zeigend. „Das ist Martha Wellner, die von den Klippen zu Neudorf stürzte," bemerkte der Major. „Das ist Frau Baumann, die in der Buckowerstraße vordem SchönhauserThor wohnt," behauptete Willy. „Ihr könnt eure Trauer für Martha ab legen," sagte Onkel Gustav, als er eine halbe Stunde später zu Ida und ihrem Vater zurück- kehrte. „Wir sind alle auf das grausamste ge-, täuscht worden. Martha ist in jener Nacht nicht! über die Klippen gestürzt. Sie ist mit Alfred l Baumann entlaufen." «v(Fortsetzung folgt.)
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