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Auerthal-Zeitung : 09.11.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189811099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-09
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 09.11.1898
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KilMfche K»«dfch«». Deutschlod. * Da- Katserpaar besuchte am Donners tag tu Jerusalem das Johanniter-Hospiz, in welchem Kaiser Friedrich als Kronprinz 1869 wohnte, ferner die Königsgräber und das soge nannte neue Golgatha. Nachmittag- fand in der Erlöserkirche ein Gottesdienst und Freitag früh 9 Uhr die Mreise nach Jaffa per Äsen bahn statt. *Der Reichskanzler hat sich auf Wunsch de- GroßherzogS von Baden zu einer Besprechung mit dem Grobherzog nach Baden-Baden begeben. Am Sonntag kehrt der Reichskanzler sodann nach Schillingsfürst zurück, von wo er am Montag wieder nach Berlin abreist. *Der neue Kolonialdirektor von Buchka läßt durch die ,Nordd. Allg. Ztg/ er klären, er denke nicht daran, sich amtsmüde zu fühlen. Ebenso falsch sei es, daß der kaiserliche Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, General major Liebert, der soeben aus dem traurigen Anlaß des Todes seiner Gemahlin in Berlin augelangt ist, -um eventuellen Nachfolger des Herrn Dr. v. Buchka ausersehen sei. „General major Liebert beabsichtigt, wieder nach Ostafrika zurückzukehren." * Die preu ß. Landtagswahlen, die am Donnerstag stattgefunden, haben das Stärke verhältnis der Parteien nur unwesentlich geändert. Die beiden konservativenFraktionen sehen ihre Zahl um sieben vermindert, die beiden freisinnigen Fraktionen ihre Zahl von 20 auf 35 erhöht, größtenteils auf Kosten der Nationalliberalen. Das Zentrum dürfte in derselben Stärke wie bisher bleiben. *Wie schon von anderer Seite, wird jetzt auch in einer offiziösen Mitteilung erklärt, von einer Wiedereinbringnng des Vereins- gesetzes im preußischen Landtage sei nach Erkundigungen in maßgebenden Kreisen nichts bekannt. Auch die Meldungen einzelner Blätter über die Absicht der Regierung, ein Anarchistengesetz dem Reichstage vvM- legen, dürste mehr auf Vermutungen beruhen. Es sei zu vermuten, daß die Reichsregierung zunächst die Ergebnisse der internatio nalen Anarchistenkonferenz abwarten wolle, ehe sie nach dieser Richtung hin ent scheidende Beschlüsse fasse. * Das .Reichs-Gesetzblatt^ enthält den auf dem letzten Weltpostkongreß in Washington ver einbarten Weltpo st vertrag, sowie die im Anschluß daran getroffenen Uebereinkommen bett, den Austausch von Briefen und Kästchen mit Wertangabe, den Postanweisungsdienst, den Austausch von Postpaketen, den PostaustragS- dienst und den Postbezug von Zeitungen und Zeitschriften. * Ein neuesSozialistengesetz wird durch die badisch-offiziöse ,Südd. Reichskorr.' in Mannheim für die nächste Reichstagssession angekündigt. Dem neuen Reichstag sollen „Eindämmungsmaßregeln gegenüber der sozial demokratischen Hochflut" vorgeschlagen werden. Das Blatt schreibt, es habe sich herausgestellt, daß in der Behandlung der Umsturzpropaganda seitens der Regierungen und der staatserhaltenden Parteien Fehler begangen seien; mit der bis herigen Taktik müsse endgültig gebrochen werden. Sie müsse durch Maßregeln ersetzt werden, die es außer jeden Zweifel stellen, daß der Kampf gegen die „Todfeinde aller göttlichen und menschlichen Ordnung mit rücksichtslosester Energie angenommen wird." * Von einzelnen Kreisen wird noch immer das Verlangen aufrecht erhalten, daß in die dem Bundesrate vorliegende Novelle zum Jn- validitäts- und Altersversicherungsgesetz die Witwen- und Waisenversicherung der Arbeiter ausgenommen werde. An die Ver wirklichung eines so weit gehenden Projekts wird aber, wie aus einer offiziösen Notiz hervor geht, nicht gedacht. Einmal kommen die großen Kosten in Betracht. Regierungsseitig ist eine versuchsweise Berechnung der Witwen- und Waisenverficherung für die Zeit von 1890 bis bis 1900 ausgestellt. Es hat sich ergeben, daß in dieser Zeit, wenn vom Jahre 1897 ab jede Witwe nur «0 Mk. und jedes Waisenkind 32 Mk. jährlich erhielten, ein DeckungSkavital von 349 Millionen erforderlich wäre. Jede Versicherungs marke würde demnach eine Erhöhung um 22,83 Pfennig erfahren müssen. Das würde für die ersten veiden Lohnklaffen mehr als eine Ber- Koppelung, für die dritte nahezu eine solche und für die vierte eine Erhöhung um mehr als zwei Drittel bedeuten. Sodann kommt die Lage des deutschen Gewerbes gegenüber dem ausländischen in Betracht. In Berücksichtigung der Konkurrenz- sähigkeit Deutschlands auf dem Weltmarkt will man diese Lasten nicht zu stark werden lassen. Oesterreich-Ungarn. «AuchOesterreich-Ungarn wird eine kleineT ruppen-Abteilung nach Peking entsenden; sie wird von der in den ostasiatischen Gewässern befindlichen Korvette „Frundsberg" gestellt. *Jn Ungarn feiert die Presse aller Par teien den Entschluß des „Königs", daß das Denkmal der „Königin" Elisabeth in Ofen- Budavest an jener Stelle errichtet werde, wo jetzt das Denkmal des Generals Hentzi steht, „welches düstere Erinnerungen an die Revolutionsepoche erwecke". — In der öster reichischen Armee wird man es freilich mit schmerzlichem Bedauern hören, daß das ehrende Andenken an den tapferen Verteidiger der Festung Ofen-Budapest gegen das ungarische Aufstands heet politischen Erwägungen zum Opfer fallen muß. Denn es ist offenbar, daß die Sorge um den Ausgleich den Kaiser zu jenem Schritte veranlaßt hat. England. *Die englischen Rüstungen werden mit großer Beschleunigung fortgesetzt. Auch aus Hongkong wird von lebhafter Thätigkeit im Heer- und Marinewesen berichtet. — Die RäumungFaschodas durch die Franzosen scheint in Kürze bevorzustehen. Italien. *Die .Tribuna' veröffentlicht ein Schreiben aus Alexandria, anscheinend von dem dortigen italienischen Konsulat, das bekanntlich die Untersuchung in der An archistensache führt, herrührend, worin er klärt wird, die Untersuchung habe keinen Beweis für die Schuld der Leute erbracht; sie würden alsbald freigelassen werden. Die ,Voss. Ztg/ erhält ein Telegramm aus Rom, das diese Nachricht im wesentlichen bestätigend, folgendes meldet: „Ueber den In halt des hier eingettoffenen Berichts des italienischen Konsuls in Alexandria läßt die Regierung noch nichts verlauten. Zuverlässige, aus guter Quelle geschöpfte Meldungen aus Alexandria lassen jedoch erkennen, daß ein Mord anschlag gegen den deutschen Kaiser kaum nach weisbar sein wird. Jedenfalls find die Her steller der Bomben nicht entdeckt worden und konnte den verhafteten italienischen Anarchisten keinerlei Beteiligung nachgewiesen werden, wenn schon sie offenbar zu allem fähige Gesellen find. Sie dürsten unmittelbar nach der Rückreise des Kaisers entlassen werden; eine polizeiliche Her kunft der Bomben gilt deshalb nicht als gänz lich ausgeschlossen." — Es werden noch weitere amtliche Aufschlüsse abzuwarten sein. * Äne höchst bedenkliche Brotteuerung macht sich an vielen Orten Italiens, nament lich in Bari und Livorno, bemerkbar, besonders infolge des schändlichen Kornwuchers. Rußland. "Die Abrüstungskonferenz wird nach der Wiener ,Polit. Korr/ im Februar, vielleicht erst im März und wahrscheinlich in Petersburg zusammentreten. Balkanstaaten. *Der russische Botschafter in Kon stantinopel, Sinowjew, soll abberufen werden, weil er es verschuldet haben soll, daß das russische Uebergewicht am Goldenen Horn neuerdings bedeutende Einbuße erlitten hat. Sinowjews Nachfolger wird Iswolski, der jetzige Gesandte in München, werden. Amerika. * Bei der Räumung Cubas sollen nach spanischen Berichten die Amerikaner geradezu grausam vorgehen. Der transatlantische Dampfer Zur Kaiserreise. Beim Durchzug durch die Templerkolonie von Jerusalem erwiderte de: Kaiser auf die An sprache, welche der Führer der deutschen Kolo nisten Herr Sander an ihn richtete, folgendes: „Ich freue Mich, hier so viele Landsleute zu sehen, und Ich danke Euch für den schönen Empfang. Es fteut Mich, daß Ihr es ver standen habt, durch Euer persönliches Leben Euren Nachbarn ein gutes Beispiel zu geben, und daß Ihr gezeigt habt, wie man es machen muß, um in diesen Ländern dem deutschen Namen Achtung zu verschaffen. Ihr habt, wie Ich schon in den anderen Kolonien gesehen habe, durch Euren Fleiß und Eure Frömmig keit dem deutschen Namen Ehre gemacht und Euch einen guten Ruf erworben hier und auch im Auslande und gezeigt, wie man es angreifen muß, öde Felder wieder fruchtbar zu machen. Ihr seid dem größeren Teil nach, so viel Ich weiß, Schwaben; Ich habe dem König von Württemberg telegraphiert, daß Ich seine Lands leute in Haifa und Jaffa in gutem Wohlsein angettoffen habe, und habe auch von ihm eine freundliche Antwort erhalten, und er hat Mir aufgettagen, Euch zu grüßen. Ihr habt es hier leichter als Wir anderen, weil Ihr in nächster Umgebung der heiligen Stätten wohnt, wodurch Ihr immer wieder neue Antriebe zum Guten schöpfen könnt. Ich hoffe, daß, wie augenblick lich, so auch in Zukunft die freundschaftlichen Beziehungen zum osmanischen Reiche und ins besondere die Freundschaft zwischen Sr. Majestät dem Sultan und Mr dazu dienen wird, Eure Aufgabe Euch zu erleichtern. Wenn irgend einer von Euch Meines Schutzes bedarf, so bin Ich da, und er kann sich an Mich wenden, welcher Konfession er auch angehören möge, und erfreu licherweise ist das Deutsche Reich xa im stände, seinen Angehörigen im Auslande nachhaltigen Schutz zu gewähren." Am Dienstag mittag empfing der Kaiser den Lateinischen Kustoden der Terra Santa, Pater Aurelio, welcher, begleitet von deutschen Franzis kanern, dem Kaiser eine im Franziskanerkloster von Bethlehem aus Perlmutter angefertigte kost bare Nachahmung des kaiserlichen Wappens so wie Erinnerungen an Bethlehem und an den Oelberg überreichte. Zum Frühstück war Pastor Schneller geladen, welcher beide Majestäten auf dem Ausflug nach dem Oelberge begleitet hatte. Das Kaiserpaar verweilte am Mittwoch früh anderthalb Stunden lang in der Omarmoschec, dem nach Mekka heiligsten Platze der Moslems und jedenfalls einer der interessantesten Sehens würdigkeiten von Jerusalem. Die hohen Be sucher wurden dort an der zur Moschee hinauf „Montserrat", von Sibara kommend, ist am Dienstag abend mit 1498 Mann an Bord in Cadiz emgetroffen, die in die Heimat zurück gebracht werden. Während der Ueberfahrt star ken 98 Mann. Die Zahl der Erkrankten über- steigt 800. Der Chef der amerikanischen Sani tätsbehörden auf Tuba hatte, so melden die Spanier, auch die Einschiffung der schwer erkrankten, ja sogar einiger mit dem Lode rin gender Soldaten verlangt. Afrika. "Die Forderungen England- an Marokko find rasch bewilligt worden. Die Drohung Englands, das Zollamt in Mazagan zu besetzen, falls seine Forderungen nicht be willigt würden, hat gefruchtet. Die englischen Schutzbefohlenen, über deren ungesetzliche Fest nahme die englische Regierung Klage führte, sind in Freiheit gesetzt, und die geforderte Ent schädigung ist schon ausgezahlt. Auch die wettere Forderung, den Kaid Hermusy abzusetzen, wurde zugestanden. * Der spanischen Herrschaft an der Nordwestküste Afrikas (Marokko) drohen ernste Gefahren. Der Befehlshaber der am Rio deOro-Golfe stationierten spanischenTruppen- abteilung meldet, daß ein Haufe Eingeborener eine feindselige Haltung gegen die dortige spanische Faktorei zeigt. Es seien Maßnahmen gegen einen etwaigen Angriff getroffen. (Die spanische Kolonie in jener Gegend fristet Mr ein kümmerliches Dasein.) führenden mächtigen Freitreppe von den höchsten mohammedanischen Geistlichen der Stadt, dem Baschkajum Scheck Abdulab. und den Pascha empfangen und bei der Besichtigung geleitet. Sonst ist der Eintritt in die Moschee und die übrigen Heiligtümer der Moslem mit Schwierig keiten verbunden, dem Kaiserpaar aber standen selbstverständlich alle Pforten dieses heiligen Bezirks offen. Sie betraten die Moschee, nach dem sie üoer ihre Fußbekleidung an der Thür bereit gehaltene Schube gezogen hatten. Deraltehr- würdige Baschkajum in seinem violetten Talar mit goldgesticktem Kragen und grünem, goldbordierten Turban gab im Verein mit Professor Moritz die nötigen Erklärungen. Auf den Trümmern des hadrianischen Tempels erhebt fick jetzt wie ein märchenhaftes MosaikdieschillerndeOmar-Moschee. Auf dem natürlichen Felsenaltar, den sie über wölbt, brachten die Israeliten Tausende von Jahren, angeblich schon zu Abrahams Zeiten, ihre Opfer; es ist derselbe Fels, von dem Mohammed agte: „Ein Gebet, neben ihm gesprochen, ist wirk- amer als tausend andere Gebete." Das Kaiser- mar stieg auch in die Höhlung hinab, die sich unter dem Felsen befindet, und besichtigte dann die in einer Gebetsnische aufgelegten riesigen Korane. Daran schloß sich die Besichtigung der Moschee El Aksa, zu deutsch „entferntestes Heilig tum", deren Gebäude ursprünglich eine von Justinian erbaute Marienkirche war. Der Kalif Omar machte eine Moschee daraus. Eine die Trommel der Kuppel schmückende wundervolle Mosaik stammt vom Sultan Saladin her. — Die Kaiserin kehrte dann ins Zeltlager zurück, während der Kaiser dem lateinischen und dem griechischen Patriarchen Besuche abstattete. Beide wurden durch Verleihung des Roten Adlerordens erster Klaffe ausgezeichnet. Uou Muh und Fern. Kassel. Bei dem Neubau des Gebäudes für die königl. Eisenbahndirektton in der Köl nischen Straße ereignete sich ein schwerer Unglücks fall. Beim Hinaustragen von schweren Zement säcken stürzte ein Teil des Gerüstes ein, wo durch eine Anzahl Bauarbeiter aus der Höhe des dritten Stockwerkes herabstürzten. Ein Maurer blieb sofort tot auf dem Platze. Zwei andere wurden tödlich verletzt: sie erlitten doppelte Arm- und Beinbrüche und mußten ins Kranken haus getragen werden. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt. — Der Mörder Breucher, der vor einigen Tagen in Wickenrode seinen Vater mit der Axt erschlug, ist in dem zu jener Gemarkung gehörigen Walde ergriffen und in das KreiSgerichtsgefäng- nis Grob-Almerode eingeliefert worden. Erfurt. Einer unerhörten Blutthat machte sich der Steinmetzpolier Merks schuldig. Er war im Reppertschen Gasthause abends mit seinem 20 jährigen Sohne in Streit geraten. Plötzlich schlug der Vater den Sohn mit einem Bierseidel nieder. Der Schlag war so heftig geführt wor den, daß der Seideldeckel in der klaffenden Kopf wunde stecken blieb und ein Glassplitter einem Gast unter dem linken Auge in die Wange fahr. Der Sohn liegt hoffnungslos im Kranken haus danieder. Köln. Ein Steinmetzgehilfe feuerte auf seinen Meister, als dieser die sofortige Aus zahlung des Lohnes verweigerte, zwei Revolver schüsse ab, welche den Meister schwer verletzten. Bei der Verhaftung des Gesellen stellte sich heraus, daß man es mit einem Anarchisten zu thun hatte, der sich über die Ermordung der Kaiserin von Oesterreich, sowie über das gegen den deutschen Kaiser geplante Attentat in unge bührlichen, schmähenden Ausdrücken erging; im Besitze des Gesellen wurden 17 scharfe Patronen und 300 Mark Baargeld gefunden. Nienburg. Bei Holtorf überfuhr ein Schnellzug einen zwölfjährigen Knaben sanit einer Kuh, welche dieser weidete. Dem Knaben wurde der Kopf abgetrennt, die Kuh bis Draken burg mitgeschleist. Dortmund. Ein schändlicher Mord ist in Werne an der neunjährigen Tochter des Berg mannes Schneider verübt worden. Man fand die Leiche des Kindes hinter einem Kornhaufen an einem Pfahle hängen. Wie es heißt, sitzt der Thäter bereits hinter Schloß und Riegel. Am Vorabend der Hochzeit. 18j Roman von Helene StökI. lFsiMru»«.) „Was für ein Gerücht? Ich weiß ja von nichts." „O, die Leute in Neudorf erzählen sich, daß Heinrich v. Lestow seine Braut hinterging, und daß das arme Mädchen sich in der Verzweiflung von den Klippen stürzte." „Warum hast du mir denn nie ein Wort davon gesägt ?" „Weil ich allen Skandal Haffe. Ich würde auch jetzt nichts davon erwähnt haben, wäre es nicht unsere Pflicht, diesem alten Drachen, der Baumann, zu widersprechen. Aber das weiß ich: wenn Heinrich v. Lestow es nicht für gut findet, mir bald zu schreiben, so gebe ich die Verwal tung seiner Güter auf, dann wird er wohl zurückkommen müssen." „Warum erkundigst du dich nicht vorher bei seinem Bankier in Berlin nach ihm?" sagte Frau Mellien. „Als ob ich das nicht längst gethan hätte! Er hatte sich tausend Mark für seine Hochzeits reise auszahle» lasse», das ist alles, was dieser von ihm weiß., Außerdem hatte er fünfzehn- tausend Mark in Banknoten bei sich, die sein Vormund ihm übergeben hätte. An Geld fehlt es ihm also nicht." : - „Gr ist sonderbar, daß er nicht nach Neudorf ging, um die Einzelheiten des Unglücks zu er fahren," sagte Frau Mellien sinnend.. „Ich würde mich nie zufrieden gegeben haben, ohne selbst alle möglichen Nachforschungei, anznstellen. Er scheint aber alles für gewiß und abgemacht gehalten zu haben Und gleich ins Ausland gereist zu sein. Es sieht das dem gutmütigen, warmherzigen Herrn von Lestow so gar nicht ähnlich." „Eben deshalb dürfen wir ihn nicht zu hart beurteilen," nahm jetzt Mellien seine Partei, „der Schmerz muß ihn ganz verwandelt haben. Wo er jetzt auch sein mag, er ist sehr zu bedauern. Wir aber dürfen es niemand merken lassen, wie sehr uns sein Benehmen befremdet; es ist am besten, wenn die Leute annehmen, daß ich in fortwährendem, regelmäßigen Verkehr wie früher mit ihm bin." 12. Onkel Gustav war mit dem Entschlüsse nach Berlin gegangen, nicht eher ruhen zu wollen, als bis er Willy Boßler aufgefunden habe, und er hatte ihn wirklich gefunden! Einer der früheren Kameraden Willys bei den, Pferdever leiher in Pritzow hatte dem Major den ersten Fingerzeig gegeben, wo und wie sein Freund zu finden sei. Mit einem Scharfsinn und einer Ausdauer, die einem Indianer auf dem Kriegs pfade alle Ehre gemacht hätte, war Onkel Gustav dieser Spur nachgcgangen. Hundert Mal hatte er sie verloren und hundert Rial wseper ausgenommen. Von keiner Enttäuschung entniutigt, vor keiner Mühe zurückscheuend, — »denn der eine ihm keine Auskunft geben konnte, sich an den andern wendend, seine Erkundigungen je nach den Verhältnisse«» durch Höflichkeit oder Geld unterstützend, hatte er endlich seinen Zweck ,erreicht, Willy Boßler stand vor ihm. Es war eiu nuansehnlrcher Mann mit halb scheuem, halb keckem Wesen und verschmitzt blickenden Augen. Es war nicht der müheloseste Teil von Onkel Gustavs Aufgabe gewesen, das Mißtrauen dieses Mannes zu besiegen, der jeden, welcher ein zu großes Interesse für seine Verhältnisse an den Tag legte, mit der ausgesprochensten Abneigung zu bewachten pflegte. Erst sehr all mählich war es ihm gelungen, Willy Boßler die Ueberzeugung beizubringen, daß sein An liegen an ihn keinerlei .nachteilige Folgen für seine Person nach sich ziehen könne. Ob schließ lich Onkel Gustavs große Menschenkenntnis und Geschicklichkeit im Behandeln der verschieden artigsten Charaktere oder die glänzendsten Ver sprechungen, an denen er es nicht fehlen ließ, den Sieg davontrugen, wollen wir unentschieden lassen, — genug, daß Willy Goßler sich nicht länger abgeneigt zeigte, auf Onkel Gustavs „ ... den Flamen des Mannes," " vom Wünsche einzuaehen. „Kennen Sie d< fragte dieser, „der das Pferd in der Nacht 28. Juni bei Ihnen mietete?" „Nein, Herr, den kenne ich nicht." „Sahen Sie den Mann je zuvor?" „Nein, Herr." „Aber Sie würden ihn wieder erkennen?" „Ja, Herr, ich habe ihn sogar schon wieder gesehen!" „Ah!" rief der Major überrascht, „wo war das?" „Hier in Berlin." „Sind Sie ihrer Sache ganz sicher?" „Ja, er trug eine blaue Brille, aber ich er kannte ihn sogleich." „Glauben Sie, daß cs Ihnen möglich sein würde, ihn wieder zu treffen." „Und wenn ich ihn träfe?" „Dann müßten Sie ihm bis zu seiner Woh nung folgen und alles Nähere über ihn zu er fahren suchen." „Das kann aber lange dauern und viel Mühe machen." „Es soll Ihr Schaden nicht sein. Ich ver spreche Ihnen monatlich 200 Mark, u«ü> wenn Sie ihn gefunden haben, 200 Mark extra." Boßlers Gesicht sprach seine vollkcm nenste Zustimmung zu diesen Bedingungen aus. „Es gilt, Herr. An mir soll die schuld nicht liegen, wenn »vir ihn nicht erwischen!" „Sobald Sie etwas Wichtiges erfahren, kommen Sie, um es mir zu melden." Mit diesen Worten verabschiedete Onkel Gustav seinen Bundesgenossen. Doktor Wellner hatte indessen seine Absicht, seine Praxis in Neudorf mit einer ,n Berlin zu vertauschen, ausgeführt. Er hatte thatsächlich diejenige des jungen Arztes übernommen, der an seiner Stelle nach Neudorf gegangen war. Dieser Wechsel war für ihn, wie er jedermann, der es hören wollte, mitteilte und wie wir ihm gern glauben wollen, wenn wir auch die Ein künfte aus seiner Neudorfer Praxis nicht für allzuhoch halten, mit großen pekuniären Nach teilen verbunden, aber wie hätte ihm ein Opfer zu groß sein können, um in der Nähe seiner geliebten Tochter leben zu köunen! War es; ihm doch nach dem Verluste, den er an seinem! früheren Aufenthaltsorte erlitten hatte, zu - schmerzlich geworden, länger dort zu verweilen
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