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Auerthal-Zeitung : 26.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189810263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981026
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981026
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-26
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 26.10.1898
- Autor
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Dichtung: «Der Landsknecht von Kochem. Ein Sana von der Mosel- entnommen. In diesem Werke hat sich Wolff wieder einem rein deutschen Stoffe zugewandt. Die Handlung im .Lands« knecht von Kochern-, die an keine historische Begebenheit, an keine Sage oder Anekdote sich anlehnt, ist freie Erfindung des Dichter- und spielt an der Mosel, deren romantische Schönheit und weinfröhliches Leben er schildert um> ver herrlicht. Karlsruhe. Mn peinlicher Vorfall ereignete fich hier letzthin abends. MS ein höherer Offizier mit seiner Gattin die Amalienstraße passierte, näherte fich ihm ein junger Mann, der den Stock wie zum Schlage erhöhen hielt. Während der Offizier, den Scherz eines Be kannten vermutend, sich bemühte, diesen zu er kennen, führte der Zivilist im Vorbeischrriten einen Schlag gegen den Offizier, so daß besten Mütze zu Boden fiel. Zugleich entfloh der Be treffende, im Fortlaufen seinen Namen rufend. Der Offizier begab sich alsbald auf daS Polizei- büreau, um die Peinlichkeit deS Angreifers näher festzustellen. Dieser hatte fich gleichfalls dorthin begeben, um zu melden, daß er ein Renkontre mit einem Offizier gehabt habe. Im weiteren Verlauf der Untersuchung erfuhr man, daß man eS mit einem Irrsinnigen zu thun habe, der an dem Wahn leidet, von Offizieren und Studenten verfolgt zu werden und eben erst aus der Behandlung eines Irrenarztes ent lassen worden war. Ein Verwandter deS Un glücklichen hatte inzwischen diese Aufklärung nicht nur der Polizeibehörde überbracht, sondern fich in die Wohnung des Offiziers begeben, um mit Worten des Bedauerns den Sachverhalt zu Widern und den peinlichen Vorfall aufzuklären. Der junge Mann wird demnächst in eine Irren anstalt übergeführt werden. Stuttgart. Vor einigen Tagen ging der Holzhauer Finkheiner von Poppelthal bei Besen feld mit dem Holzbeil in den nahen Wald. Da er am Abend und am folgenden Tage nicht zurückkehrte, so suchte man nach ihm. Einige Anwohner von Poppelthal fanden den Unglück lichen mit abgehauener Hand im Walde auf. Wien. Eine der beiden Wärterinnen, welche den unter Pest-Erscheinungen verstorbenen Labo ratoriumsdiener Barisch gepflegt hatten, ist unter Fieber-Erscheinungen erkrankt und vorsichtshalber in ein Jsolierzimmer des Jnfektionsspitals ge bracht worden. Fiume. Mn Wolkenbruch ging hier am Donnerstag nieder; infolgedessen der Recsina- Fluß austrat und einen Teil der Stadt über schwemmte. Das Wasser drang in zahlreiche Häuser und Geschäfte ein; mehrere Häuser stürzten ein. Der Schaden ist sehr bedeutend; eine Frau und zwei Kinder ertranken. — Der Taucher der Hafenbau-Unternehmung' Nikolaus Stricia, hat neulich in Ausübung seines Berufes sein Leben eingebüßt. Er hatte sich auf den Meeresgrund hinabgelassen; als er jedoch durch längere Zeit kem Lebenszeichen von sich gab, ahnte man, daß ein Unglück ge schehen sei, und thatsächlich wurde er von den bei den Pumpen befindlichen Angestellten als Leiche hinaufgezogen. Er war erstickt, während er in einer Meerestiefe von 17 Meter arbeitete. Die Polizeibeschlagnahmtesämtliche Tauchapparate und leitete eine strenge Untersuchung em. Der Verunglückte war Vater von fünf Kindern. Paris. Aus Clermont-Ferrand wird ge meldet, daß dieser Tage zwei sechs- bis sieben jährige Knaben in ein Weinfaß stiegen, um zu spielen. Dabei rührten sie die gärenden Träbem um, an deren Ausdünstungen sie erstickten. Ihre Leichen wurden erst einige Stunden später entdeckt. London. Das Segelschiff „Frivold", das von Boston (Linkolnshire) unterwegs nach Aren- dal war, scheiterte, als es bei Spurnhead in die Humber-Mündung einlaufen wollte, und sank sofort, von einer schweren Sturzwelle zertrüm mert. Sieben Mann der Besatzung ertranken; nur zwei konnten gerettet werden. — Mn un bekannter norwegischer Schoner scheiterte bei Gourdon (Schottland). Sechs Mattosen find ertrunken, zwei konnten gerettet werden. Rom. Im Duell gefallen ist dem ,Berl. Tagebl/ zufolge ein italienischer Advokat Donado. zmück. Allerlei. A«S dem Testament der Kaiserin von Oesterreich will daS ,Kl. I/ mehrere Einzel heiten aus zuverläßlicher Quelle mitteilen könnt». Universalerbin ist danach die älteste Tochter, Prinzessin Gisela von Bayern. In dem Testa ment spricht die verewigte Kaiserin den Wunsch aus, der Kaiser sylle fich der bei seinem schweren, aufreibenden Amte großen Mühe unterziehen, den Privatnachlaß selbst zu ordnen. Die Kaiserin hat von ihrem Privatnachlaß, um dem mit Arbeit überbürdeten Kaiser, wie sie schrieb, die Mühe zu erleichtern, eigenhändig einen Katalog ange fertigt. Alle auf ihren Sohn, den Kronprinzen Rudolf, bezüglichen Gegenstände, find in einem Extraverzeichnis notiert. Ueber die Briefe des Kronprinzen und zwei von diesem verfaßte Ge- dichtchen überläßt die Kaiserin ihrem Gemahl die Bestimmung. Der Inhalt des Behältnisses ist nur für ihren Gatten allein bestimmt. Die Müdigkeit vo« Metallen. Kürzlich ist unter dem merkwürdigen Titel: „Die Müdig keit bei unbelebten Wesen" in den Äer. Staaten eine eigenartige Abhandlung erschienen. Es ist etwa 30 Jahre her, daß der berühmte britische Physiker Kord Kelwin, damals Sir William Thomson, feststellte, daß Metalldrähte, die gewissen Erschütterungen, z. B. durch den elektrischen Strom unterworfen werden, fich ganz' verschieden nach einer längeren Zeit der Be nutzung und nach einer Ruhezeit verhalten. Dies läßt sich z. B. an Telegraphendrähten nachweisen, die nach der Sonntagsruhe am Montag für den elektrischen Strom besser leitend find, als in der Mitte der Woche. Gewährt man einem Draht eine Ruhe von drei Wochm, o erhöht fich die Leistungsfähigkeit um zehn Prozent. Die neue amerikanische Veröffent lichung über diesen Gegenstand stützt fich auf ne Ergebnisse zahlreicher Experimente, die am Franklin-Institut vorgenommen wurden. Nach fiesen Ergebnissen ist eS in der That angängig, von einer Ermüdung der Metalle zu sprechen, die durch eine entsprechende, in gleichem Sinne etwa als „Schlaf" zu bezeichnende Ruhezeit iberwunden wird. Berlinische Neubildungen. Bilde einen Satz mit „Fatalist": „Det Maul muß ick Halteri, wenn Vota liest." — Mnen Satz mit „Haken- : „Da ha'ken aber eins über'n Kopp jejebcn!" Einen Satz mit „Wahnsinn" : „Sagen Sie mal, wa'n Sie'n schon mal in unse'n Zarten?" ' Das Schreckenskind. Fritzchen: „Habt Ihr in der Brauerei auch Hühner?" — Onkel: „Wie kommst du daraus?" — Fritzchen: „Papa sagte, als er neulich aus der Brauerei heim kam, zu Mamachen: „Mn so fideles Bierhuhn gibt's zum zweiten Male nicht wieder"!"' Erster Gedanke. Anny: „Denk dir, unsere Freundin Bertha will später Chemie studieren." — Fanny: „Das stelle ich mir großartig vor, so in die tiefsten Geheimnisse der Schönheits mittel eindringen zu können!" Gi«r Pil-erfahrt «ach Kerafale«. Daß die Wallfahrten nach Jerusalem in früheren Jahren nicht immer ganz freiwillig ge schahen, beweist eine Uckunde vom 18. April 1203, durch welche eine Wallfahrt nach Jeru salem zur Buße für eine Mordthat vom Papste vorgrschrieben wird. Die Strafe betraf die edlen Herren Bodo von Ravensburg und Heinrich Hund von Fallenberg, sowie deren Diener Herold und Konrad, die gemeinsam im Jahre 1202 den Bischof Konrad von Ravens burg in der Nähe deS BruderhofeS zu Würz burg erschlagen hatten. An diese Pilgerreise nach Jerusalem war übrigen- noch eine ganze Reihe sehr harter Bedingungen geknüpft. Die Mörder mußten nach ihrer Ankunft in Jerusalem vier Jahre lang gegen die Sarazenen kämpfen und in Jerusalem immer barfuß und in wollener Kleidung gehen. DaS Abendmahl dursten sie nicht empfangen außer in Todesnöten. Nach ihrer Ankunft im heiligen Lande sollten sie an allen Mittwochen, Freitagen und Vorabenden der Heiligenfeste nur Wasser und Brot genießen und außerdem noch dreimal im Jahre ein 40tägiges strenges Fasten, nämlich vor Ostern, Pfingsten und Weihnachten, beobachten. Fleisch speisen dursten sie außer an diesen drei Kirchen festen nur am Sonntag und Donnerstag, nie mals aber am Tage, an dem sie den Bischof Konrad ermordet hatten, genießen. Wenn sie auf einer Reise in eine große Stadt Deutsch lands kommen, sollen sie, um Sicherheit zu ge nießen, nur mit einer Hose bekleidet, sonst aber nackt, mit Weiden um den Hals und Ruten in den Händen in die Kirche gehen. In ähnlicher Weise sollten sie nach ihrer Rückreise nach Würzburg an Sonntagen die Kirche besuchen, an Ostern, Pfingsten und Weihnachten und am St. Kilianstage aber die Stadt Würzburg ver- lafsen. Nach Absolvierung ihrer harten Buße im heiligen Lande stellten sich die Mörder wieder in Rom, und sie wurden auch vom Nachfolger des ermordeten Bischofs Konrad, dem Bischof Heinrich, wieder in Gnaden im Hochstist Würz burg ausgenommen. „Könige" im Geil. Was wird aus Samory? fragt Maurice Spronck im Zourn. de Debats'. Er ist end gültig gefangen und wird die Zahl der exotischen Könige vergrößern, die wir Franzosen ins Exil chicken. Aber wo wird sein Exil sein? Und vie wird fich sein Schicksal weitab von seinem udanefischen Busch gestalten? Seine königlichen Kollegen, die von den Franzosen bereits ent thront wurden, haben seltsame Abenteuer erlebt. Was für Abenteuer erwarten den alten Almamy? Wird er fich den Resignierten anschließen, wie Behanzin, der ruhig auf Martinique lebt, mit einen Frauen und Kindern, deren Erziehung er ils guter Familienvater leitet, und der vor Rührung weint, wenn sein Erbprinz von der Preisverteilung in der Bürgerschule nach Hause ommt, die Arme schwer beladen mit Gold- chnittbüchern und die Stirn bekränzt mit Eichen- ilättern aus buntem Papier, der einzigen Krone, fie ihm von all seinem früheren Glanz ge blieben ist? Wird er fich in seinen Muße- tunden der ungefährlichen Leidenschaft für die Aquarellmalerei widmen, nach dem Vorbild des n der Nähe von Algier internierten anamitischen Prinzen Hamghi? Wird er, gleich der Königin Ranavalo, die jetzt, wie man sagt, psychologische llomane liest, seine wahrscheinlich sehr ober- lächliche Kenntnis der Schönheiten der Zivili- ation und der europäischen Kultur vervoll- tändigen wollen? Das alles wäre sicher besser, als wenn er sich grüblerischem Gram um seine verlorene Macht hingäbe. Es war das Unglück des famosen Dinah-Salifu, daß er sein Schicksal nicht mit Ergebung tragen wollte; Dinal-Salifu war aber kein Weißer. Er war 1889 zur Ans tellung gekommen, und er hatte vom Schah von Persien einen Ehrensäbel erhalten. Diese Reise und der Säbel erfüllten seine naive Seele mit wahnwitzigem Hochmut. Als er wieder in seine Maaren kam, me mir oesmuiren, muroe er für seine Beschützer unausstehlich; sie schickten ihn deshalb zum Senegal und forderten ihn auf, sich dort mit seinem Säbel und einer monat lichen Pension von 2K0 Frmck daS Leben so angenehm wie möglich zu machen. Dinal-Salifu jammerte, reklamierte, weirtte, keifte, aber kein Mensch kümmerte fich um seine Thränen und seine Schimpfereien; er war eben ein unerträg licher Monarch. SchlieÜtch blieb ihm nicht übrig als zu sterben, und da» war die gerechte Strafe für seinen bösartigen Charakter. Und doch ist sein Schicksal noch immer weniger traurig als daS jener Prinzessin au» Kambodscha, der wir gestattet hatten, in Parts zu wohnen, wo sie fich von einem gewissenlosen Arzt ihre Kassette samt den Juwelen entwenden ließ. Solche Bei spiele sollten Herrn Samory Stoff zum Nach denken bieten; er sollte vor der Abreise nach seiner künftigen Refiderq fich die Gestaltung seine» neuen Leben» gründlich überlegen. Uebri- genS könnte man, um die Bitterkeit seines Sturzes zu mildem, ihm ohne Schwierigkeit ge statten, auf fünf bis sechs Wochen zu unS zu kommen. DaS wäre eine Zerstreuung für ihn, und für unS wäre eS eine angenehme Ab wechselung in dieser schweren Not der Zeit. Vrrichtshaüe. Leipzig. Eine für Radfahrer wichtige Ent scheidung fällte da« Reichsgericht. Da» Landgericht BreSlau hat wegen fahrlässiger Tötung verurteilt dm Fahrradhändler Georg GembuS zu vier Monat uud seinen Kommis Franz Winkler zu einer Woche Gefängnis. Beide fuhren eines Abends auf einem Zweisitzer. Gembu» hatte dm Vordersitz inne. Bor ihnen fuhr ein Wagen der Pferdebahn, der gerade anhielt. Einer der Angeklagten (wer, konnte nicht ermittelt werden) soll nun gerufen haben: „Jetzt fahrm wir fest drauf los, wenn auch die ganze Karre bricht." Statt nun, wie eS Vorschrift ist, dm Pferdebahnwagm an dessen linker Seite zu überholm, fuhren die Angeklagten rechts vorbei. Dort war eben eine Dame mit ihrem anderthalbjährigen Söhnchen von dem Pferdebahn wagm gestiegen und fie wurde nun von dem an stürmenden Tandem samt dem Kinde zu Boden ge worfen. Der Knabe schlug mit dem Kopfe auf dm Bordstein und starb zwei Tage später an dem er littenen Schädelbruch. Die Angeklagten haben zwar die Begräbniskosten getragen, aber fie mutzten außerdem noch die strafrechtliche Verantwortlichkeit ihrer Handlungsweise auf sich nehmm. DaS Land gericht hat festgestcllt, daß die Angeklagten gesehen haben, daß Menschen aus dem Straßenbahnwagen auSstiegen. GembuS hat auch geklingelt und „Vorsicht!" gerufen. Dennoch hat das Land ¬ gericht angenommm, daß die beiden Ange klagten fahrlässig gehandelt und dm Tod des Knaben herbeigeführt haben. Sie seien bei so später Stunde so schnell gefahren, daß sie die Herrschaft über das Rad vcrlorm und nicht mehr anhalten konnten, als sie die Frau vor sich bemerkten. Die größte Schuld an dem raschen Tempo treffe dm GembuS; Winkler sei aber auch nicht schuldlos, dmn er hätte von vorn herein erklären müssen, daß er mir dann mitfahre, wenn ein mäßiges Tempo eingchalten werde. DeS weiteren hätte er physisch und moralisch dem Streben des GembuS, schneller zu fahren, entgegenwirken müssen. Er habe die Pflicht gehabt, daS Tempo, so weit er konnte, zu hemmen und GembuS darauf auf merksam zu machen. Da er dies nicht gethan und entweder die Aeußerung von dem FestdraufloSfahrm selbst gethan oder, falls GembuS fie gethan, sie ge hört habe, ohne dagegen etwas zu thun, so habe er an dem Vergehen des GembuS mitgewirkt. Da in dessen seine Mitschuld geringer sei, habe das Gericht die Strafe gegen ihn wesentlich niedriger bemessen. Gegm daS Urteil hatte nur Winkler Revision ein gelegt. Er bestritt, sich der Fahrlässigkeit schuldig gemacht zu haben. Sein Chef GembuS sei ein vor züglicher Radfahrer und er, Winkler, habe ihm unmög lich vor Antritt der Fahrt Verhaltungsvorschriften machen könnm. Er habe auch nicht das Tempo er mäßigen können, da die Beschleunigung erst un mittelbar vor dem Unfälle eingetreten sei. Seine Abmahnung würde jedenfalls den Unfall nicht ver hindert haben. Physisch konnte er auf GembuS gar nicht einwirken, denn der vorn Sitzende bestimme die Fahrgeschwindigkeit. Hätte er plötzlich das Tempo hemmen wollen, so würde nur der Bruch des Rades die Folge gewesen sein. — Der Reichsanwalt erklärte das Rechtsmittel für begründet. Die Fahrlässigkeit ei in der That ungenügend festgestellt. Es jmüffe als fraglich erscheinen, ob Gembus auf eine im letzten Augenblick ergangene Warnung Winklers wirklich langsamer gefahren wäre. Was das Land gericht von dem physischen und moralischen Ent gegenwirken sage, könne zur Feststellung der Schuld nicht benutzt werden. Es handle sich doch nur darum, ob eine Unterlassung des Winkler für den Erfolg bestimmend war. Unzureichend sei auch die Feststellung der Aeußerung über das Fest- drauflosfahrcn. Wenn man annehme, daß Winkler ie gethan habe, so fehle die Feststellung, ob Gembus sich dadurch habe bestimmen lassen, schneller jN fahren. Da das Landgericht die Hauptschuld des GenibuS darin finde, daß er rechts statt links vorbci- ;efahren ist, so hätte doch festgestellt werden müssen, >aß Winkler daS Rechtsvorbeifahren hätte voraus- ehen müssen und vorausgesehen hat, ob er über haupt mit dieser Möglichkeit rechnen mußte. Endlich erscheine noch die Annahme der Gemeinschaftlichkeit bei einem Fahrlässigkeitsdelikt rechtsirrtümlich. Offen bar liege hier die Sache genau so, als wenn ein Kutscher einen Fahrgast im Wagen habe, wobei nur den Kutscher die Verantwortung für einen etwaigen Unfall treffe. — Das Reichsgericht erkannte unter Er ist da» dritte Opfer de» in Rom garniso- nterenden KavallerieosfizierS Pietro Tingio, der - obschon er kaum 34 Jahre zählt - 1887 einen Baron und 18S0 einen Rechtsanwalt im Zweikampf tötete. Der Grund der beiden ersten Duelle war politischer Natur, beim dritten Duell waren Familienangelegenheiten maßgebend. Da der Herr Rittmeister ftttS so schlau ist, fich au Schweizer Boden zu schlagen, so ersteut er fiö trotz aller Duellgesetze der goldensten Freiheit. , „Ich werde noch aufbleiben, Braun, ich habe noch zu thun. Warum brennt nur die Lampe so trübe?" „Die Lampe wird nicht daran schuld sein, gnädige Frau, der Nebel macht so dunkel. Es ist plötzlich so nebelig draußen geworden, daß man nicht zwei Schritte weit sehen kann." „Wahrhaftig," sagte Ida, an das Fenster tretend, „ich habe es mir gleich gedacht, daß die Hitze irgend etwas mit sich bringen würde. Schicken Sie mir noch eine Lampe, Braun." ' Die zweite Lampe ward gebracht. Thüren und Fenster wurden geschlossen und die Vor hänge niedergelassen. Ida nähte noch eine Zeit lang fleißig; als fie endlich auch zur Ruhe ging, klopfte fie im Vorbeigehen leicht an die Thür von MarthaS Zimmer. „Schlafe gut, mein Herz, und träume etwas Schönes! Ich hoffe, der Nebel hat deine Nase verschont." Nichts regte fich drinnen. „Ach, fie schläft schon," flüsterte Ida leise. „Das ist recht! Armes kleines Ding!" / Ida war keine besondere Freundin deS frühen Äufstehens. Sie nahm fich am nächsten Morgen Zeit, fich und die Kinder in aller Gemütlichkeit anzuziehen. Als fie mit ihnen in daS Frühstücks zimmer hinunterkam, war Martha noch nicht da. „O, daS faule Mädchen!" dachte Ida, einst- weilen in den Garten hinauStretend. Mn frischer Wind, der fich in der Nacht erhoben, hatte den Nebel hinweaarblasen, so daß nm noch hier und da einzelne Streifen davon in den Spalten und Klippen hingen. Der Himmel war rein und blau. MS Ida in» Hau« -urückging, trat Braun gerade heraus. „Kam der Herr noch zum Zuge zurecht?" fragte ihn Ida. „O ja, gnädige Frau, wir hatten noch Zeit genug. Der Herr läßt Ihnen sagen, daß er vielleicht erst gegen Abend zurückkommen wird, weil er möglicherweise von Stargard noch nach Stettin muß." Ida überlegte einen Augenblick, was ihr Vater wohl in Stettin zu chun haben könne; dann ging fie mit ihren Knaben zum Hause zurück und warf eine Hand voll Kies gegen Marthas Fenster. „Komm herunter, du Langschläferin, und gib uns unser Frühstück, wir find hungrig!" Es blieb alles still oben. . „Dürfen wir fie nicht aufwecken?- bat der älteste der Knaben. „Nein, mein Jungh das arme Tantchen wird wohl noch müde sein/ „Aber Mama, wir find schon so hungrig und möchten unser Frühstück haben." „Wärtet nur noch ein kleines Weilchen, Tante Martha muß ja gleich kommen." Aber Martha kam nicht. „Lassen Sie daS Frühstück hereinbringen, Braun/ sagte Ida nach zehn Minuten zu diesem, „und lassen Sie Fräulein Martha durch Susanne sagen, daß das Frühstück auf getragen ist." Braun entfernte fich, aber er kehrte nicht «stück. Statt seiner ließ fich draußen auf dem Korridor ein seltsames Murmeln und Wüstem hören. Ida hatte keine Ahnung, was e» be- deuten könne; aber r» klang so sonderbar, daß es fie unwillkürlich ängstlich machte. Sie öffnet die Thür und das Küchenmädchen zieht fich eilig in die Hinteren Regionen zurück, nur Susanne bleibt stehen. Sie hat die Hände fest auf die keuchende Brust gepreßt und ihr Antlitz ist mit Todesblässe überzogen. „Um Gotteswillen, Susanne, was ist ge schehen? Ist irgend jemand em Unglück zu gestoßen ?" ruft Ida entsetzt. „O, gnädige Frau! Fräulein Martha ist nicht in ihrem Zimmer!" „Nun, dann wird fie wohl spazieren gegangen sein. Wamm geht niemand, um fie zu rufen. Was um des Himmels willen stehst du da, als hättest du ein Gespenst gesehen? „Sprechen Sie nur jetzt nicht von Gespenstern, ich bitte Sie, gnädige Frau! Fräulein Martha ist gestern abend nicht ausgegangen, fie ist heute nacht gar nicht im Hause gewesen/ „Wamm nicht gar!" Ida wird bleich bis in die Lippen. „Braun sah fie ja herein kommen." „Aber fie hat fich nicht niedergelegt, ihr Bett ist noch gerade so, wie ich eS gestern zurecht gemacht habe. Aber, du lieber Gott, du lieber Gott/ Mt einem Schrei der Angst fliegt Ida die Treppe hinauf. Susanne hat recht — das Bett ist unberührt und augenscheinlich hat niemand darin geschlafen. Von Martha ist keine Spur zu entdecken. Mt ängstlichen Gesichtern und scheuem Wüstem drängen sich die Dienstboten zusammen. Ida sucht mit Gewalt ihre Fassung zu bewahren. „Mer Braun," wandte fie fich an diesen, „Sie sagten mir doch, Fräulein Martha sei in Papas Studierzimmer gegangen, als Sie niir die zweite Lampe brachten?" „Jemand ist hereingekommen, das ist gewiß. Ich dachte natürlich, es sei Fräulein Martha. Ich kann einen Md darauf ablegen, daß jemand an dem Fenster des Vorhauses vorbeigina und in das Zimmer des Henn trat. Aber der Nebel war so dicht." „Der Nebel!" Ida atmete hoch auf bei diesem gewöhnlich nicht angenehm berührenden Worte. „Wie konnten wir nur nicht an den Nebel denken!" Sie machte einen schwachen Versuch zu lächeln. „Er wird sie plötzlich Über fällen haben, und verständigerweise vermied fie es, den gefährlichen Weg längs den Klippen zurückzugehen, sondern verbrachte die Nacht anderswo, vielleicht bei ihrer alten Lehrerin Fräulein Hancke. Gehen Sie gleich, Braun, und fragen Sie, ob fie dort ist. Auch wäre eS möglich, daß fie in einer der Hütten geblieben ist, die zwischen den Klippen liegen. Erkundigen Sie sich überall. ... Die arme Martha, wie mag fie fich geängstigt haben!" Braun kam unverrichteter Dinge zurück. Fräulein Hancke hatte Martha fett dem Mittag deS vorigen Tages nicht gesehen; sie war in keiner der Hütten, niemand konnte die leiseste Auskunft über fie geben. „Mein Gott, mein SotU" jammerte Ida, mit von Thränen erstickter Stimme. „Und ich ließ sie hinauSarhen! O, war soll ich nur Heinrich sagen? Was soll ich Papa sagen?" »0 l, (Fortsetzung folgt)
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