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Auerthal-Zeitung : 23.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189810239
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981023
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981023
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-23
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 23.10.1898
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V-lMsche Kimdscha«. Deutschland. * Am Mttwoch fand beim Sultan im Mldiz - Kiosk ein Prunkmahl zu Ehren des deutschen Kaiserpaares statt. Trink sprüche wurden nicht ausgebracht, da der Sultan als Muselman keinen Wein trinkt. Kaiser Wilhelm verlieh dem Großwesir den Schwarzen Adlerorden. Das Kaiserpaar besuchte die deutsche Schule und das deutsche Krankenhaus in Kon stantinopel. Die Palais aller Botschaften und Gesandtschaften prangen im Flaggenschmuck. Außer auf dem Mdiz-KioSk und dem Artillerie- Arsenal weht die deutsche Flagge auch auf dem Galataturm und dem Palais in Dolma Bagdsche. «Für die Zeit der Abwesenheit des Kaisers hat, wie nach der ,Straßb. Post' sowohl in Berlin als in Baden „in durchaus ernst zu nehmenden Kreisen" angenommen wird, der Großherzog von Baden auf aus drückliches Ersuchen des Kaisers übernommen, „im Falle gewisse Maßnahmen notwendig werden" sollten, helfend einzutreten. Der Kronprinz ist minderjährig; der nächste Agnat, Prinz Heinrich, weilt in Ostasien. Unter diesen Umständen habe nahe gelegen, für den in besonderen Fällen etwa denkbaren Zwischenzu stand „besondere landesherrliche und dem Familienhaupte wohl zustehende Anordnungen" «u treffen. Die staatsrechtliche Form, die dafür gewählt wurde, werde in weiteren Kreisen vorerst wohl nicht bekannt werden. * Ueber die verbrecherischen Pläne, die gegen das Leben des Kaisers be standen haben, geben folgende Mitteilungen näheren Aufschluß: Nach amtlicher Feststellung enthielt jede der beiden zu dem Attentat gegen Kaiser Wilhelm bestimmten Bomben zwei Pfund Knallquecksilber und 26 Revolverpatronen von großem Kaliber. Die Bomben selbst bestehen aus galvanisiertem Eisen, das mit Bleidraht umsponnen ist. Die Auffindung der Bomben ge schah in dem Magazin eines Italieners. Die Sprengwerkzeuge waren in einer Kiste verpackt. Mit der Ueberbringung der Bomben nach Jaffa war ein aus Triest gebürtiger Italiener beauf tragt. Dieser hatte sich an Bord des für die Verschiffung der Bomben ausersehenen Dampfers als Kellner in Dienst nehmen lassen. Eine gleiche Stellung hatte er sich schon in dem Hotel Bristol in Jaffa verschafft, um dort in unauf fälliger Weise die Bomben für die zu ihrer Ver wendung bestimmten Teilnehmer des Verbrechens aufzubewahren. *Zu der Abberufung des preuß. Gesandten v. Bülow aus Rom schreibt die .Köln. Volksztg.': „Wenn wir unbefangen urteilen wollen, kann man es denn der deutschen Regierung so übel nehmen, daß sie angesichts des Gebührens der Franzosen etwas gereizt ist? Im übrigen ist ja der Fall nicht tragisch zu nehmen. Den Franzosen freilich wäre sehr ge dient, wenn Herr v. Bülow keinen Nachfolger erhielte und die deutschen Katholiken in scharfen Gegensatz zur Regierung träten. So liegen die Dinge aber offenbar nicht. Ein Konflikt, bei dem die Katholiken zwischen der Bethätigung ihrer nationalen Gesinnung und ihrer Anhäng lichkeit an den h. Stuhl zu wählen hätten, liegt nicht in der Lust. Wir können in diesem Falle unsere nationale Gesinnung rückhaltlos bethätigen, ohne unserer kirchlichen Gesinnung das mindeste zu vergeben." * Ueber die Novelle zur Invaliditäts- Versicherung, welche dem Bundesrat zu gegangen ist, wird offiziös ausführlich berichtet. Danach ist auch jetzt wieder ein teilweises Zu sammenwerfen der Vermögen der einzelnen Pro vinzialversicherungs-Anstalten beabsichtigt, derart, daß jeder Verficherungsträger drei Fünftel seines Vermögens in den Beiträgen der Gemeinlast aller Anstalten Vorbehalten soll, während die übrigen zwei Fünftel der Sonderlast der ein zelnen Anstalten dienen. Sodann ist neu in der Vorlage die Errichtung örtlicher Renten stellen namentlich zum Zweck der Rentenfest setzung in den Lokalinstanzen. *Der in Vorbereitung begriffene Gesetz entwurf zum Schutz Arbeitswilliger bildet zur Zeit den Gegenstand kommissarischer Beratung zwischen den verschiedenen, bei der Fertigstellung beteiligten Instanzen. Oesterreich-Unaanr. *Dte parlamentarische Lage in beiden Hälften der Monarchie gestaltet sich höchst bedenklich. Die Aufforderung des österreichischen Finanzministers Dr. Kaizl im Ausgleichs-Aus schüsse, die Ausgleichsvorlagen ehestens zu erledigen, da sonst mehr auf dem Spiele stehe, als der österreich-ungarische Ausgleich, wird in Linkenkreisen aufs lebhafteste erörtert und als neuerliche Drohung der Ver fassungsänderung aufgefaßt. Auf der Rechten freilich behauptet man, der Finanz- minlster wollte sagen, daß die Zerreißung der Einheit der Monarchie auf dem Spiel stände, an Staatsstreich und Verfassungsbruch denke das Kabinett Thun nicht. Jedenfalls aber kann dieser Zwischenfall als der Vorläufer neuer Parlamentsstürme bewachtet werden. Frankreich. * Graf Murawiew weift gegenwärtig in Paris. Wie es heißt, ist er bemüht, in der Faschoda-Frage eine freundschaftliche Verständigung zwischen Frankreich und England anzuregen und soll zu diesem Zweck den von der französischen Regierung gebilligten Vorschlag gemacht haben, zunächst den Major Marchand zu einer mündlichen Berichterstattung nach Paris kommen zu lassen. * Brisson soll aus Gesundheitsrücksichten amtsmüde sein, aber die erste Abstimmung der zusammentretenden Kammer abwarten wollen. * Die Namen der acht französischen Generale, welche an der Spitze der Ver schwörung gegen die Regierung stehen, will die ,St. James Gazette' aus angeblich „zuver lässiger Quelle" erfahren haben. Es wären die Generale: Mercier, de Nögrier, Gonse, Metzinger, Zurlinden, de Pellieux, Ladvocat und Herrs. * An der merkwürdigerweise zuerst vom Marineministerium bestätigten, später aber von der ,Agence Havas' abgeleugneten Nachricht, daß vier Kriegsschiffe in Toulon kriegs mäßig ausgerüstet werden, muß doch wohl etwas sein. Nur die Angabe, daß diese Schiffe nach Brest gehen sollten, war augen blicklich falsch; vielleicht war sie eigens dazu bestimmt, das Ausland, das sich eine solche Maßregel nicht erklären konnte, irreznführen. Jetzt sind Gerüchte im Umlauf, wonach jene Flottenrüstung als Vorbereitung zu einem französischen Streiche gegenTri- polis erscheint. Es ist im Hinblick auf die Faschoda - Angelegenheit keineswegs unmöglich, daß Frankreich die Ausdehnung seiner Ober hoheit auf Tripolis anstrebt, nm sich eine neue Position in der Nachbarschaft Aegyptens zu sichern. Sollte diese Vermutung richtig sein, so hat auch Italien, das s. Z. schon in Tunis von den Franzosen so jämmerlich übers Ohr gehauen worden ist, Grund, sich beunruhigt zu fühlen. * Der ,Rappel' weiß zur Dreyfus-An- gelegenheit zu melden, die Verhandlung über Zulassung des Revisions gesuches werde wahrscheinlich Ende der Woche in öffentlicher Sitzung stattsinden. Italien. *Aus Rom verlautet gerüchtsweise, daß ein Anarchistenattentat gegen König Humbert rechtzeitig entdeckt worden sei. Rußland. * Die Ruhe, welche augenblicklich in Ruß land herrscht, scheint doch trügerisch zu sein. Ein Kopenhagener Berichterstatter der ,Frkf. Ztg.' hatte Gelegenheit, von bestunterrichteter russischer Seite über die Umtriebe der russischen Umstürzler und der An archisten verschiedenes zu erfahren, was in weiteren Kreisen Interesse erregen dürfte. So wurde mitgeteilt, daß man seit einiger Zeit innerhalb der russischen revolutionären Kreise in Rußland selbst (Charkow, Kiew, Odessa u. a.) und im Auslande (namentlich in Brüssel) eine sehr bedenkliche Rührigkeit bemerkt habe; die russische Staatspolizei sei von ihren Geheim agenten in den Reihen der Revolutionäre be nachrichtigt worden, daß diese sich vor nicht langer Zeit völlig reorganisiert hätten und fest entschlossen zu sem scheinen, als „Akttonspartei" aufzutreten, d. h. die Wirksamkeit der früheren terroristischen Partei wieder auszunehmen. Der Gewährsmann sieht der nächsten Zukunft mit großen Besorgnissen entgegen und meint, daß neue Attentate nicht lange auf sich warten lassen werden. valkanstaate«. "Der Sultan bat dem deutschen Staats- sekretär des Auswärtigen Amts Staatsminister v. Bülowdas Großkreuz des OS- manie-OrdenS in Brillanten ver liehen. "Die vier „Kreta-Mächte" dürsten dem Sultan nur daS eine Zugeständnis gewähren, daß die türkische Fahne neben den kretischen Landesfarben auf den öffentlichen Gebäuden wehen darf. Damit werde dieOber - hoheitdes Sultans auch äußerlich zum Ausdruck gelangen. Was das Begehren der Pforte betreffe, zur Mitwirkung bei der Errich tung der autonomen Institutionen herangezogen zu werden, seien die Mächte geneigt, den Gegen stand später in Erwägung zu ziehen. Amerika. *Der Gedanke, völkerrechtliche Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unterbreiten, hat auch bei heißblütigen Negerrassen bereits Fuß gefaßt. Die Präsidenten der beiden benach barten Republiken Haiti und San Do mingo sind nämlich übereingekommen, in allen Grenzstreitigkeiten sich dem Richterspruch des Papstes zu unterwerfen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist der zu außerordentlicher Sitzung einberufenen Dcpntiertenkammer Haitis unter breitet worden. Asten. *Wie das .Reutersche Büreau' aus Peking meldet, besuchte der Arzt der französi schen Gesandtschaft den Kaiser von China, um dessen Gesundheitszustand fest zustellen. — Mit der Zulassung des fremden Arztes zu dem Kaiser will man offenbar vor aller Welt beweisen, daß man dem Kaiser nichts zuleide gethan hat. Zu welchem Ergebnis der französische Mediziner bei seiner Untersuchung gekommen ist, wird noch nicht mitgeteilt. De» Kaiser» Ualastinafahrt. Infolge eines heftig wehenden Sirokkos war die „Hohenzollern" gezwungen, längere Zeit in der Nähe von Zante zu ankem. Ursprünglich waren nur wenige Stunden für diese Rast in Aussicht genommen, doch hat die „Hohenzollern", welche auch Samstag nachmittag vor Zante eintraf, erst am Sonntag vormittag die Fahrt von dort nach Konstantinopel fortgesetzt, sodaß in dem Reiseprogramm des Kaiserpaares eine fast 24 stündige Verschiebung eingetreten ist. Die Ankunft in den Dardanellen bei Sultanije- Kalessi konnte daher erst am Montag nachmittag etwa um 2 Uhr erfolgen, während die Ankunft in Konstantinopel Dienstag, den 18. Oktober, vormittags stattfand. Da das Programm für die Reise nach Palästina kaum eine Aenderung erleiden kann, weil bis zur Ankunft in Jerusalem über jeden Tag verfügt worden ist, der Einzug in Jerusalem nach diesem Programm auf den 29. Oktober, nachmittags, fällt und am Sonntag, den 30. d., Gottesdienst in der Geburtskirche zu Bethlehem abgehalten werden soll, während am Montag, den 31. Oktober, die Einweihungsfeier der Erlöserkirche in Jerusalem stattfindet, so dürfte es bei den Bestimmungen verbleiben, die bezüglich der auf den 22. Oktober festgesetzten Abreise des Kaiserpaares von dort getroffen sind und der Aufenthalt des Kaisers und der Kaiserin am Goldenen Horn sich daher etwa um vierund zwanzig Stunden verkürzen. Dienstag vormittag gegen 9 Uhr traf das Kaiserpaar in Konstantinopel ein. Bei Hellem Sonnenschein und glatter See fuhr das aus drei Schiffen bestehende Kaisergeschwader dem Bosporus zu, voran, schon von weitem durch die am Mittelmast flatternde Kaiserstandarte kenntlich, die Jacht „Hohenzollern". Brausende Hurras und die Klänge der deutschen National hymne begrüßten es von den Schiffen der deutschen Kolonie, wo sich freudige Erregung geltend machte, als man die deutsche Flagge vom Topmast herabgrüßen sah. — N-« Uah rrnd Fern. Leipzig. Zum Völkerschlachtdenkmal auf dem Schlachtfelde von Leipzig wurde Dienstag mittag in Gegenwart von zahlreichen Vereinen und Ehrengästen in feierlicher Weise der erste Spatenstich bei Probstheida gethan. Nach musi kalischen Vorträgen hielten Oberbürgermeister Dr. Georgi und Gymnafialrektor Prof. Dr. Kämme! patriotische Ansprachen, worauf nach dem allgemeinen Gesang des Liedes „Deutsch land, Deutschland über alles" unter Böller schüssen der erste Spatenstich gethan wurde. Der gemeinsame Gesang eines Chorals beendete die Feier. Bremen. Bei dem Zuchthäusler Erpel wurden bei seiner Verhaftung noch 10 Taschen uhren, 4 Uhrketten, 3 Armbänder, 32 Trau- und Siegelringe und 59 Ohrgehänge vorge funden; außerdem 6 Mk. Bargeld, die der Erlös einer gestohlenen Uhr waren. Diese Wert sachen hatte Erpel neuerlich aus dem Schau fenster eines Uhrmachers gestohlen, indem er die Scheibe entzwei schlug, wobei er sich eine Verletzung zuzog. Posen. Zweiunddreißig hiesige Buchhändler und Kaufleute hatten eine Ansichtspostkarte vom Berliner Thor in Posen ausgestellt, beziehungs weise verkauft. Der Stadtkommandant von Livonius hatte darauf bei der Staatsanwalt schaft hier Strafantrag wegen Veröffentlichung militärischerGeheimnisse, beziehungsweise Landes verrats gestellt. Jetzt hat nun, wie man der ,Volksztg.' schreibt, auf Antrag der Staats anwaltschaft das hiesige Amtsgericht jene 32 Firmen zu je 3 Mk. Geldstrafe, event. 1 Tag Hast, in die Kosten sowie zur Einziehung sämt licher Ansichts-Postkarten und Unbrauchbar machung der Platten verurteilt. 8 360 I des Strafgesetzbuches lautet: „Mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Hast wird bestraft, wer ohne besondere Erlaubnis Risse von Festungen oder einzelnen Festungswerken aufnimmt oder veröffentlicht." Mehrere der verurteilten Buch händler werden Einspruch erheben. Die Post karten sind schon vor längerer Zeit konfisziert worden. Bleibt es bei dem Urteil, so werden verschiedene Ansichts-Postkarten aus Städten, die Festungen find, wie Spandau rc., ferner alle Ansichtspostkarten und Photogramme von Ehren breitstein, dem Königsstein in Sachsen rc. der Vernichtung anheimfallen müssen. Flensburg. Zwischen Langenhorn und Leck wurde ein Handwerksgeselle ermordet und be raubt aufgefunden. Als der That dringend verdächtig wurden seine beiden Reisebegleiter, welche kurz zuvor mit dem Ermordeten zu sammen in einer Wirtschaft gewesen waren, ver haftet. AlS die Schiffe vor Anker gingen, erdröhnten die ersten Salutschüsse. Die fremden Kriegs schiffe, sowie die lm Hafen liegenden Handels schiffe standen in Flaggenparade. Unzählige Barken hatten nahe bei Dolma Bagdsche Auf stellung genommen. Eine Viertelstunde später begab sich daS Kaisechaar in einer Pinasse an Land. Von allen Schiffen ertönten Hurra rufe, als der Kaiser im grauen Mantel, die Mütze auf dem Kops, als erster die LandungS- treppe hinabftieg, ihm folgte die Kaiserin und dann die Suite. AlS die Pinasse vor Dolma Bagdsche hielt, wurde die Kaiser standarte vom Mittelmast der „Hohenzollern" heruntergrholl und an ihrer Stelle die türkische Flagge aufgezogen. In diesem Augenblick er schien der Sultan an der Pforte von Dolma Bagdsche. Elastischen Schrittes ging er den Gästen entgegen. Er verneigte sich tief vor der Kaiserin, indem er ihre Hand ergriff, und tauschte mit dem Kaiser kräftige Händedrücke. Nun reichte der Sultan der Kaiserin seinen Arm und führte sie ins Palais, wohin der Kaiser folgte. Nach kurzer Zeit verließen die Herrschaften daS Palais und bestiegen die Galawagen, in deren erstem die Kaiserin mit dem Sultan Patz nahmen, im zweiten der Kaiser, der Großwesir und Marschall Fuad Pascha, um sich nach Mdiz-Kiosk zu begeben. Den Kai hielt eine zahlreiche Menschenmenge besetzt, welche voller Interesse das ungemein glänzende Schauspiel betrachtete. Am Vorabend der Hochzett. 11j Roman von Helene Stökl. „Sie müssen von Sinnen sein!" „Nein, aber ich werde es, wenn ich länger hier bleiben muß. Was für ein Recht hatte er, mich in sein Haus bringen zu lassen?" „Aber es war ja alles ausgemacht!" wandte Frau Böhme ein. „Ausgemacht? Ich will Ihnen sagen, wie alles zusanimenhängt. Er kam auf die Mühle in seiner prahlerifchen, großthuerischen Weise und machte seine Scherze darüber, daß ich keinen von den dummen Bauernburscheu hier heirate. Hätte er das wohl zu einem Mädchen aus seinen Kreisen zu sagen gewagt? Dann steckte er sich hinter Onkel und Tante, um mich durch sie be reden zu lassen, bei ihm in Dienste zu treten. Mich fragt er gar nicht, ich würde ihm sonst schon gesagt haben, daß ich mein Brot lieber erbetteln als von ihm nehmen wolle. Ich habe mit keinem Wort meine Einwilligung gegeben, hierher zu kommen, aber da es ihm gerade ein fällt, so glaubt er natürlich, ich müsse ihm auf den Knieen für seine gnädigen Absichten danken. Lieber sterben! Zu allem Ueberfluß benutzt er meine Ohnmacht und läßt mich wie einen Koffer oder eine Schachtel in sein Haus transportieren. Die bloße Lust hier macht mich krank/ „Sie werden schon wieder gesund werden," sagt Frau Böhme trocken, „Sie wissen nicht, was Sie da reden." „Wenn ich mr erst wohl genug bin, so weiß ich, waS ich zu thun habe." „In meinem ganzen Leben ist mir solche Undankbarkeit noch nicht vorgekommen!" Die alte Frau schlug die Hände über dem Kopf zu sammen. „Wenn ich nicht dächte, daß Sie krank wären, so sollten Sie meine Meinung schon zu hören bekommen. Versuchen Sie jetzt ein wenig zu schlafen, das wird Ihnen gut thun. Ich will die Fenster verhängen und Ihnen später eine Tasse Thee bringen. Sagen Sie jetzt Ihr Gebet und bitten Sie den lieben Gott, daß er die bösen Gedanken aus Ihrem Herzen nimmt und Sie zu einem guten Mädchen macht." Frau Böhme schritt würdevoll aus dem Zimmer, Käthe drückte ihren Kopf in die Kissen und schluchzte, bis die Ermüdung und Dunkel heit um sie her ihre Wirkung thaten. Als die alte Frau nach einem Weilchen mit dem Thee kam, fand sie das Mädchen eingeschlafen und entfernte sich leise wieder. Als Käthe aufwachte, war eS 8 Uhr vorbei. Sie fühlte sich erfrischt und gestärkt, aber der Gedanke, daß sie gegen ihren Willen im Hause behalten werde, hatte sie noch nicht verlassen. Wenn sie ihre Absicht zu fliehen, aussühren wollte, so war jetzt der geeignetste Augenblick dazu. Ihr Hut und Regenmantel lagen neben ihr, das Haus war wie ausgestorben. Sie öffnete vorsichtig die Thür und spähte hinaus — es war niemand zu hören oder zu sehen. Leise schlich sie die Treppe hinab, durch das VorhauS hindurch und stand au der Hausthür. Diese war unverschlossen, sie trat hinaus und war frei. Hochaufatmend eilte sie die Land straße entlang, da tönten Schritte hinter ihr. Sie trat in den Schatten einer Hecke, um den fie Kommenden vorbeizulassen. Es war der Kutscher, der sie am Morgen hierher gebracht hatte. „Gott sei Dank, Sie sind es, Johann!" rief fie, aus der Dunkelheit hervortretend, während dieser erschrocken einen Schütt zurückwich. „Sie müssen gleich Ihren Wagen holen und mich nach Hause bringen, hören Sie!" „Gleich, gleich, Fräulein, aber erst lesen Sie dies hier." Er gab ihr Alfred Baumanns Büef. Zehn Minuten später warf Käthe sich in leidenschaftlicher Erregung an die Brust eines Mannes, der auf der Straße auf fie wartete. Sie flüsterten schnell und eifrig miteinander, und als fie auseinandergingen, küßte er fie auf die Wange. — — — „Ich werde mit dem Neun-Uhr-Zuge fortmüssen, Mutter," sagte Dr. Baumann, als er zu seiner Mutter zurückkehrte. „Es ist mir sehr leib, ich hatte gehofft, bis um 12 Uhr mit dir zusammen sein zu können, aber es geht nicht anders." „Und drei Jahre willst du fortbleiben?" sagte trübe. „Vielleicht nicht so lange, vielleicht.. „Nun?" „Es geschehen manchmal seltsame Dinge — ich bin noch nicht sott." „Du hängst noch immer an dem Mädchen?" „An welchem Mädchen?" fuhr er auf. Nun, an Martha Wellner. Wen könnte ich sonst meinen? Ich kann daS dumme Ding nicht leiden: aber es ärgert mich, daß dieser Lestow dir den Rang abgelaufen hat." „Laß uns von etwas anderem sprechen, Mutter? „Du bist ein zahmes Geschöpf, Alfred," höhnte seine Mutter, „ganz wie dein Vater! Wenn du mehr von meinem Blute in deinen, Adem hättest, so ließest du dich nicht so unge straft beleidigen. Bei Gott, du schlichst ja Pute Morgen wie ein gepeitschter Hund davon!" „Meine Stunde wird schon kommen, lasse^ mir nur Zeit. Ich sagte schon einmal: es ge schehen manchmal seltsame Dinge. Er ist noch nicht verheiratet und ich bin noch nicht in Brasilien/' „Was hast du vor? Du darfst mir ver trauen, Alfred. Ich bin keine Frau von vielen Woüen, bin es nie gewesen, aber ich liebe dich, mein Sohn, und die Trennung von dir macht mich traurig." „Ich habe nichts Bestimmtes vor, nur hier in meiner Brnst habe ich ein Gefühl, das ich nicht beschreiben kann." Er saß in tiefem Nachsinnen da, dann fragte er plötzlich: „Sage mir, Mutter, faßte Käthe den Entschluß, znrück- zubleiben, vor oder nach Heinrich von Lestows Besuch? Wenn es vorher war, kann er nichts damit zu thun haben, er war zwei Jahre lang nicht hier." „Du magst über die Sache denken, wie du willst," fuhr Frau Baumann fort. „Was hatte er hier zu thun, nachdem Martha Wellner kaum seine Braut geworden war? Wie kann es ihm einfallen, ein so unerfahrenes Mädchen als Jungfer für seine Frau aufzunehmen? WaS versteht Käthe von einem feinen Dienst? Und wozu braucht diese armselige Doktorstochter eine Jungfer? Zu meiner Zeit pflegten übrigens-
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