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Auerthal-Zeitung : 19.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189810190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981019
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981019
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-19
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 19.10.1898
- Autor
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Zehn Personen wurden getötet und fünf tödlich und ebensoviel schwer verwundet. — Nach einem Telegramm aus Chicago haben die dortigen Eisenvahnbeamten einen Bericht erhalten, wonach 50 Bergleute, 6 Beamte und 1 Polizist getötet wurden. Der Sheriff telephonierte nach Spring field, daß über 100 Personen getötet seien, doch scheint diese. Zahl übertrieben zu sein. — Der Gouvemeur befahl, daß Miliztruppen nach Bilden abgehen. — Die Polizei verhaftete dieser Tage in einem der elegantesten Salons einen bis dahin als reicher Kaufherr und vomehmer Lebemann bekannten Mann mit Namen Travis, der im Augenblick seiner Verhaftung ohne weiteres zwei Revolver zog und auf die Beamten losfeuerte. Mehrere von diesen wurden verwundet, aber schließlich gelang es doch, Travis zu überwältigen und dann festzunehmen. Kaum war dies ge schehen, so entschuldigte er sich in verbindlichster Weise, bedauerte aufrichtigst das Mißverständnis, und er schob alles auf seine Ueberraschung, da er natürlich nicht wissen konnte, daß er es mit Detektiven zu thun habe und an einen Ueber- fall geglaubt hätte. Natürlich half ihm das nichts. Als man ihn durchsuchte, fand man in seinen Taschen für mehr als 20 000 Dollar Ju welen und Goldsachen. Travis kehrte gerade von einem „Ausflugs in eine der vornehmsten Villen Brooklyns zurück. Seit langederPolizeiverdächtig, hatte diese trotz der größten Mühe niemals Be weismomente gegen ihn feststellen können. Travis bewegte sich in der elegantesten, vor nehmsten Gesellschaft New Jorks, bewohnte seit 10 Jahren eine der reichsten Villen Brooklyns, war verheiratet und Vater mehrerer Kinder, Mitglied des ersten Brooklyner Klubs, ein regelmäßiger und anscheinend sehr andächtiger Kirchenbesucher, von angenehmen Manieren und verbindlichstem Wesen. Er machte ein großes und offenes Haus, zählte und empfing zahlreiche Freunde. Weder diese noch seine Familie hatten die leiseste Ahnung, woher die uner schöpflich scheinenden Mittel zu seiner verschwen derischen Lebensweise kämen. Travis „studierte auch Chemie" und hatte zu diesem Zweck ein weites Laboratorium in seiner Wohnung ein gerichtet. Thatsächlich schmolz er hier die ge stohlenen Gold- und Silbersachen ein, nahm die Juwelen aus ihren Fassungen und ließ auch diese in die Schmelze wandern. Die Polizei behauptet, daß er an 100 Einbrecher in seinen Diensten hatte. nach Unterschlagung von 100 000 Gulden flüchtige und verfolgte Kontrolleur der städtischen Spar kasse in Jungbunzlau ist mit dem Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große" nach New York , entkommen. Dot-dam. Am Dienstag nachmittag hatte der Reitknecht Ludwig ein Pferd seines Herrn, des Herzogs Ernst von Sachsen-Altenburg, Premier-Leutnant im 1. Garde-Regiment, auS- zureiten. Im Nedlitzer Gehölz wurde das noch junge Tier plötzlich scheu und jagte mitten in den Wald. Bon einem vorstehenden Ast wurde Ludwig so unglücklich gefaßt, daß er vom Pferde stürzte und so heftig auf den Boden aufschlug, daß er das Genick brach. Er gab schon fünf Minuten nach seiner Einlieferung in das Garnisonlazarett den Geist auf. Das Pferd wurde später von Soldaten eingefangen. Altenburg. Der Schuldirektor Hesse hat sich aus Verdruß darüber erschossen, daß er wegen eines geringfügigen Vergehens, das er sich vor Jahren hatte zu schulden kommen lassen, bei seiner vorgesetzten Behörde angezeigt worden war. Dresden. Zwei Radfahrer wurden hier am 11. d. von einem Geschirr, dessen Pferde wild geworden waren, so unglücklich überfahren, daß der eine seinen Verletzungen sofort erlag, und der andere voraussichtlich stets ein Krüppel bleiben wird. Ein dritter Radfahrer wurde von dem Geschirr in den Straßengraben geschleudert und kam unverletzt davon. Breslau. Einen wertvollen Fund machten dieser Tage zwei Schulknaben. Als sie am Roten Graben hinter dem Sandkirchhof spielten, bemerkten sie unter einem Strauch einen Zipfel eines Taschentuchs aus dem Boden ragen. Sie gruben sofort nach und fanden, in das Taschen tuch eingepackt, 20 silberne Münzen, verschiedene silberne Armbänder, Broschen und andere Schmuck stücke alter Arbeit. Münzen und Schmuckstücke rühren von dem Einbruch in das Breslauer Museum her und find von dem Einbrecher Lang- Martin dort vergraben worden. Soest. Das alte, mit seinen Mauern und Wällen umgebene Soest soll durch Beseitigung der Binnenwälle und Wälle, Ausfüllung der „Gräften" (Wallgräben), Schaffung von Ring straßen u. s. w. in eine moderne Stadt umge wandelt werden. Die Stadtverordneten be schlossen auf Vorschlag des Magistrats, von dem Geh. Baurat Stübben, dem genialen Schöpfer der Kölner Ringstraßen, ein Gutachten einzu holen. Kleve. Als ein nach Kleve fahrender Personenzug die Station Köln-Nippes passiert hatte, wurden die Schranken geöffnet, wobei eine von der Güterstation Nippes kommende Loko motive nicht bemerkt worden war. DieMaschine fuhr in das den Uebergang übeHtzreitende Publikum hinein, erfaßte einen 66 jährigen Greis und fuhr demselben den Kopf vom Rumpfe weg. Mehrere andere Personen wurden leicht verletzt. Jülich. In einer Wirtschaft auf dem Maß platze in Gustorf trank ein junger Mann infolge einer angenommenen Wette zwei Biergläser voll Kognak. Der Unglückliche fiel nach dem Trunk bewußtlos zur Erde. Durch die sofortige ärzt liche Hilfe wurde der Kranke zwar vor dem augenblicklichen Tode bewahrt; dir Fuselver- giftung war jedoch so bedeutend, daß er nach mehreren Stunden ohne Bewußtsein starb. Die anderen Wettenden sind zur Untersuchung ge zogen worden. Elberfeld. Die stechen Butterfälschungen nehmen trotz der scharfen Kontrolle hier kein Ende. In der vergangenen Woche wurden - wieder Proben von „Süßrahmbutter" aus einer hiesigen Butterhandlung und von einem Hausierer entnommen und dem Stadtchemiker zur Unter suchung übergeben. Letztere hat nun ergeben, daß diese „Süßrahmbutter" mit 60 bis 65 Pro zent Margarine verfälscht worden war. Die ganzen Vorräte an Butter wurden infolgedessen beschlagnahmt. Paris. Der ,Figaro' ist außer sich vor Entzücken über eine hochherzige Handlung des Prinzen Henri von Orleans. Dieser fuhr Dienstag nachmittag mit dem Herzog von LuyneS nach dem Bois de Boulogne und be merkte an der Ecke einer Avenue eine Menschen ansammlung. Er erkundigte sich nach der Ur sache und erfuhr, daß ein Arbeiter, den die Aus ständischen vor drei Tagen von einem Gerüst der Komischen Oper herabgestürzt hatten, vor Hunger »usammengebrochen sei. Der Prinz übergab dem Unglücklichen 200 Frank und ge leitete ihn persönlich nach einer Apotheke, wo der Verband emeuert wurde. Ein Prinz aus dem Hause von Orleans, der 200 Frank für einen Unglücklichen hergibt, ist allerdings ein Unikum. Uebrigens ist Prinz Henri m der Familie als Verschwender verrufen. Havre. Der von New Jork hierher zurück gekehrte Transatlanter „Gascogne" hatte eine bewegte Reise. Zunächst erhängte sich auf der Hinfahrt nach Amerika ein Passagier in seiner Kabine, dann lief bei der Rückkehr der Dampfer am 1. Oktober auf einer Klippe auf. Am 5. Oktober brachte ein Passagier 2. Klaffe, der griechische Amt Hollis, eurem Landsmann und Kabinengenossen sechs Messerstiche bei und endlich versuchte ein mit dem Dampfer nach Fransteich zurückgekehrter Matrose Josselin sich zu ertränken; er sprang ins Meer, wurde aber von einem Rettungsboot eingeholt. Der Arzt Hollis wurde hier vom Untersuchungsrichter ver nommen. Er weigert sich, die Gründe seines Angriffs auf seinen Landsmann anzugeben. Der Verwundete wurde ins Krankenhaus gebracht. Toulon. Ein 18 jähriges bildhübsches Mädchen, Felicie Barbaroux, war seit längerer Zeit mit einem 22 jährigen wackern Handwerker namens Pellegrin verlobt. Bor einiger Zeit erhielt dieser em anonymes Schreiben, in dem seiner Braut die abscheulichsten Dinge nachgesagt wurden. Er zeigte ihr den Brief, und sie hatte keine Mühe, die lügnerischen Behauptungen zu entkräften. Allein Pellegrin schien nicht recht überzeugt zu sein und wurde etwas zurück hallender seiner Braut gegenüber. Diese war darob so gekränkt, daß sie ihrem Leben durch Erhängen ein Ende machte. Als Pellegrin der Leiche seiner Braut ansichtig wurde, erschoß er sich auf der Stelle mit seiner Jagdflinte. Der Urheber dieses Dramas, der Schreiber des anonymen Briefes, ist bisher noch nicht entdeckt worden. Brüssel. Eine große Waffernol herrscht in Flandern, da dort seit sieben Wochen kein Tropfen Regen gefallen ist. In Gent hat der Dampfer „Excelfior" dieser Tage eine ganze Ladung Süßwasser aus Terneuzen geholt und sodann in Gent den Eimer mit zwei Centimes verkauft. Nur die Kirchen, die stets in großen Behältern das Regenwasser einsammeln, haben noch Vorrat und verkaufen jeden Eimer mit zwei Centimes. Auch im Hennegauschen Mittel decken hat es seit acht Wochen nicht geregnet. In La Louviere muß jetzt das Wasser eimerweis aus dem Kanal geschöpft werden. In Morlau- wels und Haine - Saint - Pierre fehlt es den Jndustriewerken vollständig an Wasser. Petersburg. Der am Mittwoch reichlich niedergegangene nasse Schnee verursachte hier und in der Umgegend Störungen in den Tele graphen- und Telephonleitungen und den Leitungen der elektrischen Beleuchtung. Mittwoch abend war die hiesige Telegraphenstation zeitweilig vollständig vom telegraphischen Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten. (Vor Mitte Oktober!) Warschau. DerArtilleriehauptmann Noskow erschoß auf offener Straße den Fabrikverwalter Dasßkiewitfch und stellte sich sodann selbst seinem Regimentskommandeur, der ihn verhaften ließ. Das Motiv der Blutthat ist in einem Renkontre in einem Restaurant zu suchen, bei dem Daszkie- witsch den Offizier ohrfeigte. New Hork. Zu blusigen Streikkämpfen ist es am Mittwoch wieder einmal bei einer nordamerikanischen Kohlengrube gekommen. Die Ankunft einer Anzahl von Regem in Virden (Illinois) zum Ersätze von ausständigen Berg arbeitern gab dm Anlaß zu einem Kampfe zwischen 1500 Ausständigen und den Beamten des Sheriffs, die unterfwtzt wurden durch die Polizei der Chicago - Alton - Eisenbahn. Diese besetzten die Umfriedigungen der Minen und feuerten auf die Ausständigen, um die Neger zu beschützen. Etwa 500 Schüsse wurden gewechselt. Gerrchtshalle. Berlin. Ein unmenschlicher Vater, der seine achtjährige Tochter so geschlagen hatte, daß sie zwei Knochenbrüche davontrag, wurde am Donnerstag vom Landgericht I zu einem Jahr Gefängnis ver urteilt. Karlsruhe. Der 25 Jahre alte Edelsteinhändler Karl Gänzlc von Pforzheim, dessen Ehefrau sowie ein jüngerer Bruder Wilhelm hatten, um sich die Versicherungssumme von 50000 Mk. zu verschaffen, mit der Gänzle bei der Gesellschaft „Fides" in Berlin gegen Diebes- und FeucrSgefahr versichert war, selbst einen Raubanfall ins Werk gesetzt. Die Wertgegen stände wurden zunächst im Walde versteckt, worauf sich Karl Gänzle zum Kegclspicl begab, während der jüngere Bruder die Frau Gänzle fesselte und knebelte, dm Schrank erbrach und alle Manipulationen vornahm, die dm Eindruck eines wirklichen Raub anfalles an der Ehestau Gänzle hinterlassen konnten. Karl Gänzle wurde nun durch einen Hausgenossen aus dem Wirtshausc se tz It. Die Ehefrau Gänzle beschrieb ihm und der .umell herbeigerufmcn Polizei den Raubanfall und schilderte auch die angeblichen zwei Einbrecher. Hätte nicht ein Junge im Walde die Edelsteine aufgefunden, so wären dem Gänzle von der „FidcS" 38000 Mk. ausbezahlt worden. Die wegen dieses Vorfalls vor dem Schwurgericht Angeklagten warm völlig ge ständig. DaS Gericht verurteilte Karl Gänzle, der bei feiner Vernehmung auf dem Amtsgericht seine Aussagen beschworen hatte, wcgm Meineids und Betrugsversuchs zu 1'/- Jahr Gefängnis, die Ehe stau Gänzle zu drei Monat Gefängnis und Wilhelm Gänzle zu acht Wochen Gefängnis. Koblenz. Von der Strafkammer wurden drei Fabrikarbeiter abgeurteilt, die auf der Chaussee zwischen Andernach und Weißenthurm einen Rad fahrer angehalten und von ihm Zigarren und Geld verlangt hatten. Der Fahrer gab ihnen 50 Pfg, brachte darauf aber sofort die Sache zur Anzeige und ließ durch Gendarmen di« Wegelagerer einhole«, di« nun wegen Erpressung je zu «inan Jahr Ge fängnis verurteilt wurden. Ueker die Gedenkfeier de- West fälische« Friedens, die anläßlich der deutschen GeschichtS- und Alter» tumsvereine in Münster stattfand, wird be richtet: Der Saal war gedrängt voll, und die Spitzen der Behörden waren anwesend. Nach einem von der Liedertafel unter Leitung deS Professors T. O. Grimm vorgetragenen Liede ergriff zunächst der erste Bürgermeister Junge- blodt das .Wort. Er schilderte in kurzen markigen Zügen die Blüte Deutschlands im Mittelalter in Kunst, Gewerbe und Handel, die Vernichtung des gesamten Wohlstandes und des Nasionalgefühls durch den dreißigjährigen Krieg und das allmähliche Wiedererstarken Deutsch lands unter Führung der hohenzollernschen Fürsten. Erst jetzt, nach zweihundertfünfzig Jahren, habe der Wohlstand und besonders der überseeische Handel die gleiche Höhe wieder er reicht, auf der er vor dem großen Kriege ge standen habe. Die eigentliche Festrede hielt der Univerfitätsprofessor Dr. Finke. Es sei eine Eigentümlichkeit des deutschen Volkes, nicht bloß der freudigen Ereignisse seiner Geschichte zu ge denken, sondem auch der traurigen, weil man daraus eine Lehre für die Zukunft ziehen könne. Nur dieser Umstand rechtfertige es, daß man ein Ereignis festlich begehe, das als eines der chmählichsten in der Geschichte unseres Bater- andes bezeichnet werden müsse. Der Redner childerte nun das große Elend, das der Krieg iber das Land gebracht habe. Er könne nicht ne Auffassung derjenigen Historiker teilen, die oen Krieg als eine geschichtliche Notwendigkeit betrachteten, da er die Vorbedingung zu der päteren Entwickelung unseres Volkes bilde. Der Krieg sei auch, im Gegensätze zu der vor nehmlich in Schulbüchern vertretenen Ansicht, nur im Anfänge ein wahrer Religionskrieg ge wesen. Die Hauptfesdherren, Tilly, Maximilian von Bayern, Gustav Adolf, hätten sich zu einen, großen Teile von religiösen Beweggründen leiten lassen; Wallenstein bilde in dieser Be ziehung eine Ausnahme Der Friede sei, im Gegensätze zu unserer jetzigen Auffassung, überall als ein freudiges Ereignis betrachtet worden; für die Schmach, daß deutsche Länder vom Reiche losgerissen und daß den Franzosen und Schweden die Ueberwachung des Friedens über tragen worden sei, hätten damals nur wenige Männer ein Gefühl gehabt. Der größte Schaden, der dem Reiche erwachsen sei, habe aber darin bestanden, daß Deutschland aus einem Seestaat ' in einen Binnenstaat verwandelt worden sei. Die einzige gute Frucht, die der Friede zwar nicht hervorgebracht, deren Keim er aber ein gepflanzt habe, sei der dem ganzen Altertum und Mittelalter fremde Begriff der Gewissens freiheit, Glaubensfreiheit und Parität, der in seiner späteren Ausbildung die Grundlage unserer modernen Bildung und unseres modernen Staatslebens bilde. Prof. Dr. Pieper machte sodann noch interessante Mitteilungen über die Aeußerlichkeiten beim Friedensabschlufse. Der eigentliche Friede zwischen dem Kaiser, Frank reich und Schweden sei in dem sogenannten Friedenssaale weder verhandelt noch abgeschloffen worden. Die Verhandlungen sanden durch Mediatoren in den Wohnungen der einzelnen Gesandten statt, die Unterzeichnung des FriedenS- instruments in dem damaligen Bischofshofe, dem jetzigen Regierungsgebäude. Wohl aber sei in dem Friedenssaale der Friede zwischen Spanien und den Generalstaaten verhandelt und unter zeichnet worden, der einige Monate vor dem end gültigen Frieden zu stände kam und allgemein als Vorbote desselben betrachtet wurde Kmrte» Allerlei. Ei« G'fchettle. Schultheiß : „Wie g'sagt, ihr Herre', der Doktor von Bräglinge thät hier- herziehe', wenn m'r ihm .sechshundert Mark Wartgeld aussetze' thätet. Was ischt dei' A'ficht. Gmeindspfleger?" — Gemeindepfleger: „I mei' einfach, mir wöllet de Doktor lasse, wo'n er ischt und umsonscht sterbe, wie bisher!"--- - »«-« — '< Ida ist unterdessen als gute Schwester bei Martha im väterlichen Hause, um dieser bei den Vorbeireitungen zu ihrem Ehrentage zu helfen. Martha und Heinrich wollen natürlich eine Hochzeitsreise machen und gedenken dieselbe aus zudehnen — erst durch die Schweiz und dann durch Italien bis zum äußersten Süden mit längerem Aufenthalt in Florenz, Rom, Neapel und Sizüien. Einstweilen aber stattet die ganze Gesellschaft: Martha, Ida, Onkel Gustav und Justizrat Melken, einen Besuch in Roßlau ab, um mit Heinrich die künftige Heimat der Verlobten in Augenschein zu nehmen. Martha ist entzückt von dem alten romanti schen Herrenhause und dem weiten Park mit den sonnigen Rasenplätzen, den schattigen Baum gängen und dem quer hindurchfließenden, rauschenden Flusse. Sie macht Bekanntschaften im Städtchen und findet ebenso großen Gefallen an den fünf Mellienschen Schwestern, als diese jetzt, da jedes Vorurteil gegen Martha ge schwunden ist, an ihr finden. „Nun, Martha," sagt Heinrich mit vor Glück strahlenden Augen, als er allein mit ihr auf der >' Terrasse vor dem Hause steht, „gefällt dir das ' alte Haus?" „O, überaus gut, Heinrich." „Jetzt mußt du es dir nur recht elegant ein gerichtet vorstellen! Wir wollen auf unserer Reise alle möglichen hübschen Sachen zusammen- kausen, um «S damit zu schmücken. Und was Teppiche, Möbel und dergleichen betrifft, so wird es am besten sein, einem Berliner Tapezierer freie Hand zu geben/ „Alfreds Mutter?" „Ja, die alte Katze!" „Ich bitte dich, Heinrich, laß uns sie ein holen und mit ihr sprechen/ „Wenn du Lust hast, — aber sie wird dich beißen, ich warne dich." Die Witwe fährt zusammen, als sie plötzlich Heinrichs lautes, fröhliches „Guten Tag, Frau Baumann!" hinter sich hört. Sie wendet sich um und, ihre Kleider zusammennehmend und an sich ziehend, mißt sie Frank mit einem Blicke, als sei er eine Kröte oder eine Schlange, der man nicht ängstlich genug aus dem Wege gehen könne. „O, Sie find's!" sagt sie verächtlich, seine Begleiterin vollständig ignorierend. „Ich möchte Sie gerne Fräulein Wellner vorstellen." „Wirklich? Zn meiner Zeit pflegte man die Mädchen den Frauen vorzustellen und nicht umgekehrt, aber das wird vermutlich nicht mehr Mode sein. Ich gratuliere Ihnen, Fräulein Wellner; wenn Sie so fortfahren, wie Sie angefangen haben, dann können Sie es weit bringen." „Ich danke," sagt Martha freundlich, die Ironie ihrer Worte überhörend, „ich freue mich herzlich, Sie kennen ,u lernen. Alfred ist ein so alter, lieber Freund von uns. Mr hoffen, Sie beide viel bei uns zu sehen, nicht wahr, Heinrich?" Dieser beeilt sich, ihr zuzustimmen, aber die Witwe unterbricht ihn, indem sie scharf sagt: „Möchten Sie nicht die junge Dame bitten, noch etwas zu warten, bis sie per „wir" spricht? Wäre es nicht hübscher, wenn wir alles selber aussuchten, Heinrich ? Mir würde es viel größere Freude machen und wir müssen uns auch hüten, zu verschwenderisch zu sein." „Du kleines, liebes Gänschen, was sollte ich denn mit meinen 60000 Mk. jährlich anfangen, wenn ich meinem Vögelchen kein hübsches Nest dafür bauen wollte?" Arm in Arm schreiten sie später durch Zimmer und Säle. Sie machen tausend Pläne und Entwürfe, während Frau Böhme würdevoll vor ihnen hergeht, einen mächtigen Schlüssel bund in der Hand, mit dem fie Kasten uud Schränke zur Besichtigung öffnet. Martha hat gewaltigen Respekt vor der erfahrenen alten Dame, demütig nimmt fie den Titel „gütige Frau/ den diese ihr jetzt schon beharrlich gibt, entgegen und sucht allen verfänglichen Fragen, welche diese über Haushaltungsangelegenhelten stellt, durch so allgemein als möglich gehaltene Antworten auszuweichen. Am Nachmittag gehen Heinrich und Martha nach Roßlau, um sich die Familienschmucksachen und das Silbergeschirr zeigen zu lassen, welche der Sicherheit wegen in der Bank des Städt chens verwahrt werden. Einen Teil davon läßt Heinrich einpacken und nach Bersin schicken, da mit er moderner gefaßt wird. Als fie langsam durch die Hauptstraße des Städtchens zurückwandern, von einer Menge neugieriger Augen verfolgt, sehen fie eine atte Dame m einem verschossenen Seidenkleide vor sich her gehen." „Da sieh, Martha!" flüstert Heinrich, „da ist Frau Baumann!" Uebrigens stehe ich nicht gern auf der Straße, besonders wenn ich zu thun habe." So sagend, geht fie quer über die Straße und läßt die beiden ohne Gruß stehen. „Habe ich dich nicht gewarnt?" lacht Hein rich. „Sie kann nicht höflich sein, es ist ihr nicht gegeben." „Arme Frau I Ihre Art und Weise ist der Harrys so ähnlich. Aber im Grunde hatte fie recht, ich hätte noch nicht per „wir" reden sollen." „Warum denn nicht, mein Lieb? Ich wenig stens habe längst aufgehört, anders als in der Mehrheit zu denken." „Wie gut du bist, und wie glücklich ich sein sollte!" „Sage lieber: wie glücklich wir sein werden." „Nein, nein, Heinrich, ich will Frau Ban- manns Lehre befolgen und nicht eher „wir* sagen, als bis zum neunundzwanzigsten Juni." „Ich wünschte zu Gott, seufzte Heinrich, „daß der alte Rabe zu Hause geblieben wäre, statt dich mit seinem Gekrächze zu beunruhigen/ Sie kamen gerade wieder zur rechten Zett im Herrenhaus« an, um sich mit den andern zum Mittagsmahl zu begeben. Jedermann ist in frohester Laune, selbst Marthas Stirn ist frei von dem leisesten Schatten. Heinrichs Benehmen während des ganzen Besuches war tadellos. Er sagt nicht: „Sieh, was für hübsche Sachen ich habe, und wie glücklich du bist, fie mit mir teilen zu dürft«/ sondern: „Sieh, wie glücklich ich bin, so vieles zu besitzen, was dir Freude machen kann." »»» (Fortsetzimg folgt.)
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