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Auerthal-Zeitung : 14.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189810141
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981014
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981014
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-14
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 14.10.1898
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. P»Uttfche N«»dfchim. Deutschland. * Vor seiner Abreise nach dem Orient ! hat sich das Kaiserpaar noch am Dienstag nach Schloß Camenz (Schlesien) begeben, wo am Mittwoch vormittag die Trauerfeier lichkeiten für die am 8, d. fast plötzlich dahingeschiedene Prinzessin Albrecht von Preußen (Gemahlin des Prinz-Regenten von Braunschweig) stattfanden. »Der Kaiser kürzt seine Palä- stinafahrt ab: Der AuSflng nach Aegyptenunterbleib t. .Wolffs Büreau' kündigt diesen Entschluß in folgender Form an: „Die kürzlich in auswärtigen Blättern versuchten Ausstreuungen, als könne die Reise des Kaisers nach Konstantinopel und Jerusalem eine Ver zögerung erleiden oder überhaupt aufgegeben werden, find ebenso unbegründet, wie die noch immer andauernden Bemühungen gewisser fremder Organe, den Charakter dieser Reise politisch zu entstellen. Hingegen hat gutem Vernehmen nach der Kaiser, von dem Wunsche geleitet, bei der Wichtigkeit der in Aussicht stehenden Vorlagen die parlamentarischen Arbeiten in Deutschland keinerlei Aufschub erleiden zu lassen und den Reichstag in Person zu eröffnen, den Entschluß kund gegeben, auf den Abstecher nach Aegypten zu verzichten." — Der plötzliche Entschluß, die Reise des Kaisers abzukürzen, dürfte in der Kronratssitzung am Freitag gefaßt sein. »,Wolffs Büreau' meldet überraschender weise : „Der preußische Gesandte beim päpstlichenStuhle, v. Bülow, welcher sich z. Z. auf Urlaub in Deutschland befindet, wird voraussichtlich nicht auf seinen Posten zurückkehren." Veranlassung zum Ab bruch der diplomatischen Beziehungen zum päpst lichen Stuhle ist in dem Umstande zu suchen, daß der Papst in seiner Ansprache an französische Pilger das „traditionelle Protektorat Frankreichs" im Orient betonte. »Die Reisedispositionen der Prinzessin Heinrich sollen, wie nach dem ,Berl. Tagebl.' in Kiel verlautet, infolge der in China herrschenden Wirren und neuerdings ge troffenen Bestimmungen betreffs der prinzlichen Division, deren Schiffe auseinandergezogen find, dahin geändert sein, daß sie erst nach dem Ein treffen beruhigender Nachrichten nach Kiautschou abreist. »Die bayrische Regierung ist nach einer Münchener Meldung der .Franks. Ztg.' verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes, das dem Reichstage über eine Reichsversiche rung vorgelegt werden soll, nicht geneigt. Namentlich scheine es ihr Bedenken zu erregen, daß die Konzessionierung von Berlin aus (beim Reichsversicherungsamt) geschehen soll. Es hätten dann die Einzelstaaten kein Recht mehr, in ihrem Gebiete einer Versicherungsgesellschaft aus irgend einem Grunde die Geschäftsthätigkeit zu ver wehren. Die bayrische Regierung dürste zu ihrem Standpunkt u. a. wohl auch durch die Rücksicht auf ihre staatlich geleiteten Versiche rungsanstalten (Hagel-, Rindvieh-, in Vor bereitung begriffene Pferdeversicherung rc.) ge kommen sein. Frankreich. »In Paris ist ein großer Arbeiter - Aus stand in Szene gesetzt worden, der zu einem Generalstreik auszuarten droht. Die Stadt bietet das Bild des Belagerungs zustandes. Alle Straßen der volkreichen Viertel Billette, Grenelle und Belleville find militärisch besetzt. Fortwährend ziehen Provinztruppen in Paris ein, bisher sind 15 000 Mann Infanterie, 3000 Mann Kavallerie eingetroffen. Die Zu züge dauern fort. Die Lage ist äußerst bedenk lich. Faure wagte am Sonntag nicht, dem Pferderennen in Longchamvs beizuwohnen, aus Furcht vor feindlichen Kundgebungen seitens der Arbeiter. »Clemenceau macht in der ,Aurore' neue sehr pikante Mitteilungen über die famosen im Archiv des Generalstabs liegenden angeb lichen Briefe des Kaisers Wilhelm an den Grafen Münster, in denen von Dreyfus die Rede ist. Danach hat kein anderer als der frühere Minister des Auswärtigen Hanotaux diese Briefe für 27 000 Frank von Geheimagenten gekauft. Die Briefe find aber in Wirklichkeit nur Photographien der angeblichen Originale. Inzwischen hat Hanotaux selbst eingesehen, daß er getäuscht wor den ist, nachdem eine Pariser Revue die Methode gezeigt hat, wie man durch willkürliche Anein anderreihung ausgeschnittener Buchstaben Fäl schungen erzeugt, die photographiert einen ver blüffenden Eindruck machen. »Die Rückkehr DreyfuS' nach Frankreich steht bevor und als Landungsort ist das Fort Bayard, gegenüber der Insel Rs, ausersehen, von wo aus der Gefangene nach Paris, auf den Mont Valerien gebracht werden soll. »Gegen den Herzog von Orleans geht die französische Regierung entschieden vor. Einer Meldung des ,Figaro' zufolge wurde der Gendarmerie eingeschärft, daß der Herzog von Orleans, falls er den französischen Boden be trete, verhaftet werden müßte. Schweiz. »In der ersten Woche des November wird nun der Mörder der Kaiserin Elisabeth vor dem Genfer Schwurgericht erscheinen. Mehrere andere Anarchisten find in dieselbe Untersuchung einbegriffen, kommen aber erst später an die Reihe. Da ist zunächst als erster Mitschuldiger Martinelli, der den Griff der Feile herstellte. Da ist femer der Anarchist Silva, auch Salvi, der erklärt haben soll, von der Absicht Lucchenis unterrichtet gewesen zu sein; vielleicht wird Silva noch vorher ausgewiesen. Galducci, ein Freund Lucchenis, hat die That gepriesen und öffentlich gesagt, sein Freund Luccheni habe recht gehabt. Romboli und Gino haben zwar Luccheni nicht persönlich gekannt, wohl aber vor Zeugen die Mordthat als Helden- that dargestellt. Weitere Verhaftungen sollen noch in Aussicht stehen. » Bekanntlich find aus Frankreich etwa fünfzig ausländische Anarchisten ansgewiesen und an die Grenze geführt worden. Die ,Gazette de Lausanne' fragt nun, ob die Betreffenden etwa an die Schweiz abgeschoben worden seien, und bemerkt, angesichts derartiger Zu- und Abschiebungen von Anarchisten sei die von Italien vorgeschlagene internationale Kon ferenz wahrlich notwendig und die Schweiz habe alle Ursache, daran teilzunehmen. England. »Der Hauptfitz der ägyptischen Heeresleitung soll baldigst von Kairo nach Chartum verlegt werden; der Sirdar soll so in den Stand gesetzt werden, den für eine vollkommene Verwaltung des Sudans notwendigen Einfluß auszuüben. Der Londoner Mitarbeiter des Mestern Daily Mercury' erfährt, die französische Re gierung habe sich erboten, Faschoda zu räumen, wenn England Unterhandlungen über die ganze ägyptische Frage an knüpfen wolle. Salisbury erwäge dieses Aner bieten ernstlich, indes nicht in dem von Frankreich gewünschten Sinne. Salisbury erwäge vielmehr, ob nicht die Zeit erschienen sei, die Stellung Großbritanniens in Aegypten zu regeln. Wenn er einwillige, mit Frankreich über die britische Besetzung Aegyptens zu ver handeln, werde es mit der Absicht geschehen, die europäischen Mächte zu bewegen, die britischeSchutzherrschaftin Aegyp ten anzuerkennen und zu ermitteln, ob die französischen Vorurteile gegen solches Ver fahren nicht durch hochwichige Zugeständnisse an der Mittelmeerküste versöhnt werden könnten. Spanien. »Angesichts der wachsenden Karlisten ge fahr wurde beschlossen, eine Präsenzstärke von 100 000 Mann beizubehalten. Amerika. »In einer Unterredung mit einem Bericht erstatter der Morning Post' bezeichnete Mac Kinley die gegenwärtigen Zustände in den Unionsstaaten als überaus gedeihlich. Die neuen Besitzungen würden eine Zeitlang unter militärischer Verwaltung bleiben, aber schließlich als Territorium unter den, Ministerium des Jnnem verwaltet werden; die Politik gegen über den Einwohnern werde versöhnlich sein. Zolltarif wie Verwaltung würden im allgemeinen Gr-rn dir Anarchist-«. Me aus Rom gemeldet wird, veröffentlicht die dortige ,Agenzia Stefani' den Wortlaut der Note, die der italienische Minister des Auswärti gen Canevaro an die diplomatischen Vertreter Italiens bei den Mächten gerichtet hat in der Angelegenheit des Zusammentritts einer inter nattonalen Konferenz zur Feststellung von Maß regeln gegen die Anarchisten. Die Note lautet: Die Regierungen finden sich seit mehreren Jahren bei der Ausführung der ihnen obliegen den Aufgabe, für die Sicherheit des Staates und der Bürger zu sorgen, einer Thatsache gegenüber, deren Ernst ein ganz besonderer ist und die ihre Aufmerksamkeit und Sorge in höchstem Grade in Anspruch nimmt. In allen Ländern machen die Behörden aufmerksam auf das Vorhandensein einer mehr oder weniger zahlreichen Klasse von Menschen mit entarteten Grundsätzen, deren Bestrebungen und deren Ver brechen, wie offen zugegeben wird, nur das Ziel haben, die Grundlagen, auf deren die gegen wärtige Gesellschaftsordnung ruht, zu unter graben und diese Ordnung vollständig umzu stürzen. Diese überspannten Menschen, die vor keinem Attentat, und sei es noch so scheußlich und wahnwitzig, zurückschrecken, sprechen öffent lich Prinzipien aus, die sie selbst anarchistische Prinzipien nennen, und die sie aut ihren Wande rungen durch ganz Europa verbreiten. Sie werden bei dieser Propaganda von einer ge heimen Presse unterstützt, welche unaufhörlich zu eder Gewaltthat auffordert, und welche die ab- cheulichsten Verbrechen rühmt und preist als die wirksamsten Mittel, den der ganzen Gesellschaft erklärten Krieg bis zum äußersten fortzuführen. Die Regierungen haben sich bisher bemüht, durch Ausnahmemaßregeln der Verbreitung dieser verbrecherischen Theorien so viel als möglich Einhalt zu thun. Es hat sich indessen gezeigt, daß diese Bemühungen, da sie nur vereinzelt geblieben, nicht wirksam genug gewesen sind, das Uebel zu bezwingen und Herr der Schliche zu werden, mit denen die Anarchisten aller Länder sich zu verständigen, sich beizustehen und sich zu organisieren suchen, was ihnen zuweilen auch gelingt. Es scheint sich demnach für die Regierungen, welche sich angesichts der gemein samen Gefahr solidarisch fühlen, die Notwendig keit zu ergeben, sich gegenseitig ständige Unter stützung zu gewähren auf der Grundlage eines Systems der gemeinsamen Verteidigung, welches in allen seinen Einzelheiten genau erwogen ist. Die Regierung Sr. Majestät hat sich ihrerseits schon lange mit solchen Gedanken getragen und sich darin mehr und mehr bestärkt gesehen. Angesichts der langen Reihe von anarchistischen Verbrechen, die wie namentlich die Ermordung des Präsidenten Camot und der zweimalige Mordversuch gegen unfern König, das Entsetzen der ganzen Welt erregt haben, angesichts der schrecklichen Frevelthat, die jetzt in Genf be- so wenig als möglich verändert werden. Heer und Flotte würden, den neuen Aufgaben entsprechend, vergrößert werden. Für die Bedürfnisse der Regierung würden nötigen falls neue Steuern eingeführt werden. Eine andere Währung als die Goldwäh rung sei aussichtslos. »Präsident Mac Kinley forderte Spanien auf, Pjotorico spätesten» bis zum 18. d., Cuba spätestens bis zum 1. Dezember zu räumen. * Ueber dieamerikanischenBerluste im Kriege mit den Spaniern ist nunmehr ein amtlicher Bericht erschienen. Danach find nur 280 Mann im Gefecht getötet worden, während 2565 an Krankheiten starben. Das Verhältnis ist noch schlimmer, als man in den Ver. Staaten befürchtet hatte. Tausende find außerdem als Invaliden in die Heimat gesandt worden, die sich niemals von dem Fieber oder der Ruhr, die sie sich zuzogen, ganz erholen werden. »Der Jndianeraufstand in Minne sota ist bereits niedergeschlagen. Aus New Aork meldet ,Daily Telegraph, man sei jetzt des Jndianeraufstandes in Minnesota durch die dort eingetroffenen Truppenverstärkungen voll ständig Herr geworden. gangen wurde und die einen Maßstab dafür- bietet, wessen diese Elenden ohne Glauben und ohne Vaterland allein fähig sind, hat die könig liche Regierung beschlossen, die Initiative für einen vorläufigen Meinungsaustausch zu er greifen, welcher auf den Abschluß internationaler Abmachungen in dem von mir angegebenen Sinne hinauslaufen soll. Die Aufnahme, welche dieser Schritt bisher gefunden hat, ist eine Be stätigung dafür, daß die Anschauung der könig^ lichen Regierung im Prinzip geteiü wird, und daß als das am meisten angezeigte Mittel zur Erreichung dieses Zweckes der baldige Zusammen tritt einer internationalen Konferenz erscheint, auf welcher die europäischen Mächte nicht nur durch diplomatische Vertreter, sondem auch durch technische Delegierte der betreffenden Verwaltungen der Justiz und des Jnnem vertreten sein würden, ein wocku« prooeävncki, welcher durchaus den An sichten der Regiemng des Königs entsprechen würde. Ich bitte Sie, das Vorstehende zur Kenntnis des Ministers des Aeußeren derjenigen Regierungen zu bringen, bei der Sie akkreditiert find, und ihm eine Abschrift dieser Depesche zu geben, indem Sie ihm zugleich formell den Vor schlag unterbreiten, daß die betreffende Regie mng ihre Zustimmung zu dem Zusammentritt einer internationalen Konferenz erteile, die im Interesse der sozialen Verteidigung die Herbei führung einer wirksamen dauernden Entente zwischen den europäischen Mächten bezwecken soll, die dazu bestimmt ist, die Bereinigungen der Anarchisten und ihrer Anhänger erfolgreich zu bekämpfen. Ich bitte Sie, mir sobald als möglich die Entscheidung mitzuteilen, welche hin sichtlich unseres Vorschlages getroffen werden wird. gez. Canevaro. Mim Nah rmd Fern. Berlin. In der Grünenthalschen Straf sache ist noch in letzter Stunde eine erhebliche Erweiterung der Anklage eingetreten. Während früher die Fälschungen Grknenthals aut 250—300000 Mark geschätzt wurden, ist jetzt nach einer durch die Reichsbank erfolgten Zu sammenstellung konstatiert worden, daß bis jetzt bereits 494 000 Mk. von gefälschten Banknoten angehalten worden find. Demgemäß ist auch die Anklage auf diesen Bettag erweitert worden. Als Grünenthal durch Zustellung der Nachttags- Anklage von dieser weiteren Entdeckung erfuhr, soll er völlig bestürzt gewesen sein und erklärt haben, daß er, nachdem nunmehr alles entdeckt sei, er auch keine Veranlassung habe, irgend jemand zu schonen; er werde nunmebr alles aufdecken. Es stehen also vielleicht noch weitere Enthüllungen zu erwarten und man darf auf den weiteren Verlauf der Angelegenheit ge spannt sein. Kiel. Die Hebung des Torpedobootes „8 85" hat 120000 Mk. Kosten verursacht. Durch die lange Lagemng im Seewasser sind die Bettiebsmaschinen und Lancierrohre un brauchbar geworden. — Die Versuche mit den Nachtwinkern (Semaphoren mit elektrischen Licht feldern) haben außerordentlich günstige Resul taten ergeben. Es sollen daher alle Kriegs fahrzeuge der Marine mit diesen Apparaten ver sehen werden, deren Herstellung in der Mecha nikerwerkstatt der kaiserlichen Werst eifrigst be trieben wird. Ebenfalls daselbst werden neue Widerstände für sämtliche Nachtfignalapparate angefertigt. Lübeck. In dem nahe bei dem Ostseebade- Travemünde gelegenen Waldhusen ist das viel aufgesuchte Hünengrab von ruchloser Hand zer stört worden, so daß eine Wiederherstellung kaum sich wird ermöglichen lassen. Die ganze That stellt sich als ein Akt der bodenlosesten Gemeinheit dar. Der Schlußstein des Grab einganges ist abgehoben und in den Zugang geworfen; sämtliche Reilsteine, welche die oberen Schlußdeckel befestigten, find herausgebrochen und zunächst durch Gegenwerfen zerstückelt und verschleppt worden. Leider sind die Thäter, auf deren Ermittelung das Lübecker Finanzdeparte ment eine Belohnung ausgesetzt hat, bisher nicht ermittelt worden. Gronau. Ein Revolverschuß wurde auf den am Donnerstag nachmittag von hier ab- Am Uoralrend der Hochzeit. 7) Roma» von Helene Stökl. (8ortle,un«.) Heiytich gab den Brief selbst zur Post, wenig - ahnend, welch bittere Früchte aus der eben verlebten Viertelstunde die Zukunft für ihn reifen würde. Er fteute sich, seinen Willen durchgesetzt zn haben und wenn er vielleicht auf dem Grund seines Herzens ein etwas unbehagliches Gefühl über die Art und Weise, in der er seine Absicht erreicht hatte, empfand, so war dies schnell bis auf den flüchtigen Schatten verschwunden, als er am nächsten Tage ein Telegramm und dann einen Brief von dem Doktor erhielt, die beide mit „Mein lieber Sohn" anfingen, ihm die Erlaubnis gaben, an Martha zu schreiben, so viel er wolle und die Adresse von Marthas Schwester und Onkel Gustavs angaben, damit er diese beiden aufsuchen und sich ihnen als künftiges Familienmitglied vorstellen könne. 5. Onkel Gustav und Heinrich von Lestow fanden schon am ersten Tage ihrer Bekannt schaft großes Wohlgefallen aneinander. Sie ver brachten einen höchst gemütlichen Abend zu sammen und trennten sich mit dem gegenseitigen Vorsatze, so ost als möglich zusammenznkommen. Viel angenehmer aber noch, als sich mit Onkel Gustav zu unterhalten, däuchte es Heinrich, die hübsche, liebenswürdige Frau Vierling, Marthas Schwester, „liebe Schwäge rin" und „Ida" nennen zu dürfen und mit ihr nach Herzenslust von seiner Liebe plau dern zu können. Das einzige, was ihm bis her noch zu seinem Glück gefehlt, war eine teilnahmsvolle Seele gewesen, nnt der er ohne Rückhalt von Martha sprechen konnte; nun hatte er diese gefunden. Die gute Ida wurde nie müde, sich von ihrem jungen Schwager alle kleinen Zwischen fälle und Begebenheiten seiner Brautwerbung erzählen zu lassen; ihr liebevolles Interesse folgte ihm treulich von deni ersten Zusammen treffen mit Martha an bis zu jenem erhabenen Augenblicke auf der Bank unter dem Goldregen busche, als er plötzlich Marthas beide Hände in die seinen nahm und ihr das Geständnis seiner Liebe machte. Sie freute sich, daß ihr Schwesterchen ein so treues Herz gewonnen hatte, und daß ihr die harten Kämpfe erspart blieben, welche sie selber durchzumachen hatte, ehe sie es erreichen konnte, dem Manne ihres Herzens, der damals noch nicht so wohlhabend und angesehen wie heute watt folgen zu dürfen. Sie gelobte sich im Men, den Weg der leiden Liebenden, so weit es in ihrer Macht tehe, mit Rosen zu bestreuen. Das erste, was ie that, um dieses Gelöbnis aüszuführen, war, hrem Vater ein verbindliches Briefchen zu chreiben, worin sie darauf bestand, daß er die Sorge für Marthas Ausstattung ganz und gar ihr und ihrem Manne überlasse. Wir können uns denken, daß der Dostor «licht sonderlich viel gegen diesen Vorschlag einzuwenden hatte, und daß auch Idas zweite Bitte, Martha möge für einige Wochen zu ihr kommen, um alles nach ihrem Geschmack auszusuchen und sich noch ein wenig in Berlin umzusehen, ehe sie heirate, auf keinen allzu großen Widerstand bei ihm stieß. Heinrich zählte die Tage und Stunden, die noch vergehen mußten, bis Martha kam; in zwischen schrieb er täglich an sie und sie schrieb täglich an ihn. Alfred Baumanns Name ward nie in ihren Briefen erwähnt. Heinrich erwähnte ihn nicht, weil er von Tag zu Tag seltener an ihn dachte, und Martha erwähnte ihn nicht — weil, nun, weil sie von Tag zu Tag mehr und öfter an rhn dachte. Ihr erster Zom über die Anmaßung, mit der er ihrer Liebe sicher zu sein geglaubt hatte, ohne darum geworben zu haben, ist längst verflogen. Gerade das ihr Unverständliche in seinem Be nehmen regt sie an, fortwährend darüber nach zugrübeln. Immer wieder legt sie sich die Frage vor, wie er sie als Weib begehren und doch als Kind behandeln konnte. Sinnend sitzt sie auf ihrem Lieblingsplätzchen auf den Klippen und ruft sich die Vergangenheit zurück. Es ist ihr, als brächte das Murmeln der Wellen zu ihren Füßen Worte in ihr Gedächtnis zurück, die damals unverstanden und unbeachtet von ihr geblieben waren, jetzt plötzlich Smn und Bedeutung gewannen. Die fliegenden Wolken über ihr erinnern sie an den wechselnden Aus druck seiner Züge und den verschiedenartigen Blick seiner Augen, und vergebens sehnt sie sich nach jemand, der Klarheit «n ihre schwankenden Ge danken bringen könnte. Weder sie noch ihr Vater haben wieder eine Zeile von Alfred erhalten, aber Onkel Gustav erwähnt, daß er ihn getroffen habe und daß er hohläugig wie ein Gespenst aussehe und schreibt, daß er im Begriff stehe, seine Berliner Praxis aufzugeben und nach Buenos Ayres zu gehen. Was kann ihn aus der Heimat treiben und seine Augen hohl machen? Sie scheut sich, die Antwort daraus selbst zu geben, und ihren Vater kann sie nicht danach fragen. Er will nichts mehr von Alfred wissen und ärgert sich, wenn er nur seinen Namen hört. Kann sie sich aber auf sein Urteil verlassen? Vor wenigen Wochen galt Alfred ihm alles und jetzt gilt er ihm nichts. Ist das recht und ist das dankbar? Nein, gewiß nicht! Sie ahnt, daß ihre 60000 Mark den Aus schlag bei dem schnellen Wechsel in ihres Vaters Gesinnung gegeben haben, und es macht sie krönst zu denken, daß dieses Geld gewissermaßen der Preis war, um den ihr Vater sie verkaufte. Wenn Heinrich jemals denken könnte, daß sie ihn um seines Reichtums willen genommen habe! O, lieber alles, als dies! Sie grämt sich, daß Alfred Baumann Kummer hat, und daß ihr Vater so undankbar gegen denselben ist; sie grämt sich, daß Alfred und Heinrich mcht Freunde sein können, und daß, alles durch sie so gekommen ist. Es ist gut für Martha, daß Idas Einladung, sie diesen selbstquälerischen Gedanken entreißend, ihrem einsamen Grübeln mit einem Male ein Ende macht. Es ist der erste Besuch, den Martha in dem Hause ihrer Schwester macht, und er erfüllt sie mit Entzücken. Alles ist so neu und schön, Ida ist so liebevoll und Heinrich so gut und zärtlich. Mit voller Freude gibt sie sich dem neuen, auf regenden Leben hin.
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