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Auerthal-Zeitung : 09.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189810095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981009
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981009
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-09
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 09.10.1898
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aus vom PslMfche Krmdschiir. Deutschland. » "»Gin deutscher Kreuzer ist aMßlich Ler Vorgänge in Peking nach Taku be- ordert worden. In Peking haben die auswärti gen Gesandten der chinesischen Regierung eine gemeinsame Note überreicht. »In ihrer bisherigen Zusammensetzung wird die Ko «Mission für Arbeiter st atisttk im November -um letzte» Male zusammentreten. Die Kommission besteht, äbgHhen von dem durch den Kaiser ernannten " . _ ' , BundeSrat ernannten und vom Reichstage ae- wählten Mtgliedem. Die letzteren werden für die Dauer der Legislaturperiode gewählt und bleiben an deren Schlüsse so lange im Amt, bis die Neuwahlen vollzogen sind. Zu den ersten Aufgaben des wieder zusammentretenden Reichstages wird die Neuwahl der auf ihn ent fallenden sieben Mitglieder der Kommission für Arbeiterstatistik gehören. Diejenigen Fraktionen, deren bisherige Vertreter in der Kommission wieder Mitglieder deS Reichstages aeworden find, dürsten diese von neuem für die Komission präsentieren, andere werden sich für andere Ver treter entscheiden müssen. »Die Richtigkeit der Meldung, daß die be- standene Absicht, einen verstärkten Schutz Arbeitswilliger auf dem Wege der Er weiterung deS 8 der Gewerbe - Ordnung herbeizuführen, bei mehreren Bundesstaaten auf Schwierigkeiten gestoßen sei, bestätigt sich. Wie es scheint, gehört zu den betreffenden Bundes staaten auch Preußen. Denn es verlautet zu verlässig, daß, der Antrag, den gewollten Zweck nicht auf dem Wege der Gewerbe-Ord nung, sondern durch Erweiterung gewisser Bestimmungen des Strafgesetzbuches zu erreichen, von Preußen ausgehe. *Jm Kolouialetatfür 1899 werden mehrere Eisenbahnlinien bestimmt in Vorschlag kommen. Zunächst die Uebernahme und die Fortsetzung der Ufa mb ara - Eisen- b"hn. sodann die Verlängerung der Bahn in Südwestafrika, und schließlich Kleinbahnen in Togo und Kamerun. Voraussichtlich wird aber im Kolonialrat auch die Frage be sprochen werden, ob nicht die Inangriffnahme der großen Zentralbahn in Deutsch- Ostafrika geboten sei. Ebenso dürste die Errichtung eines besonderen Eisenbahndezernats in Erwägung gezogen werden. Oesterreich-Ungarn. * Das Entlassungsgesuch des öster reichischen Handelsministers v. Bärnreither ist vom Kaiser durch Handschreiben vom Montag angenommen worden. Frankreich. »Die spanisch-amerikanische Frie- denSkommission hat am Montag nachmittag von 2—4 Uhr ihre zweite Sitzung in Paris abge halten. Die Delegierten haben sich auf die Er öffnung der Generaldebatte über das'Friedens protokoll beschränk. Die nächste Sitzung findet am Freitag statt. Am Dienstag wurden die Kommissare dem Präsidenten Faure vorgestellt. »Zum englisch-französischen Streit um Faschoda meldet, während eine Reutermeldung von sofortigen Verhandlungen der französischen und englischen Regierung sprach, eine Pariser Depesche des »Standards em französischer Beamter sei über Kairo nilaufwärts nach Faschoda gesandt, um mit Marchand zu verhandeln und dessen Bericht einzuholen. Dann erst, also in etwa vier Wochen, werde die Verhandlung zwischen den Regierungen beginnen können. »Die ,Paix' will von einer dem Ober patrioten Deroulede nahestehenden Seite den Plan eines gegen die Regiemng oder gar gegen die Republik gerichteten Komplotts erfahren haben. Das Blatt erzählt, der Aufmarsch der Antisemiten und Nationalisten vom vorigen Sonn tag sei nur eine Art Generalprobe gewesen. Am Tage des Zusammentritts der Kammern werde alles, was die Revisionsgegner an Mannschaft auftreiben können, vor das Palais Bourbon ziehen und den Rücktritt Brissons verlangen. Drei Generale seien für daS Komplott ge wonnen. Brisson wisse bisher den Namen des einen derselben. Nun, man muß sich zwar auf allerhand gefaßt machen, aber die Gefahr ist wohl nicht sehr hoch anzuschlagen. »Du Paty de LlamS verschwin den wird bestätigt; niemand kennt seinen Aufenthalt; man vermutet, daß er nach London -u Esterhazy gereist ist. — Der Senator Rane erhielt ein Schreiben Licquarts, worin dieser erklärt, den Kampf für Wahrheit und Recht mutig fortzuführen; er sei niemals in so gehobener Stimmung gewesen wie jetzt. Belgien. * Die .Jndependance beige' veröffentlicht einen Artikel über die internationale An- archistenkonferenz, welcher die An schauungen der maßgebenden Kreise Belgiens widerspiegelt. Der Artikel erklärt, die Konferenz werde kein greifbares Resultat ergeben, höchstens ein Uebereinkommen einer besseren Ueberwachung bekannter Anarchisten, was auch durch bloße diplomatische Unterhandlungen erreichbar ge wesen wäre. Belgien, England und Frankreich würden sich aber entschieden allen Maßregeln widersetzen, hinter welchen sich reaktionäre Be strebungen verbergen. Balkanstaate«. »Entgegen der bisherigen Annahme, daß derSultan sich den vier Großmächten gegen über nachgiebig zeigen wird, hat jetzt Dschewad Pascha den türkischen Gouverneur in Kandis telegraphisch benachrichtigt, daß der Sultan be schlossen habe, die türkischen Truppen nicht von Kreta -urückzuziehen. »In Armenien will man augenscheinlich keine Zeitungsberichterstatter haben. Leutnant Kuylenstjerna, der diesen Monat nach Persien reisen wollte, um von dort Berichte an die schwedische Presse zu senden, hat diesen Plan wieder aufgeben müssen, da der Ministerrat in Konstantinopel beschlossen hat, daß ausländische Zeitungsberichterstatter armenischen Boden nicht betteten sollen. »Serbien braucht Geld, viel Geld für Eisenbahnen und industrielle Untemehmungen. Und da hat es denn eine Reihe deutscher Bankiers, Industrieller und Zei tungsschreiber eingeladen, um die Herr lichkeiten und Bodenschätze selbst in Augenschein zu nehmen und dann Geld herzugeben oder doch für die Hergabe in Deutschland zu wirken. Ministerpräsident Georgewitsch empfing in seinem Hause die deutschen Gäste. Er wies in einer Rede auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Serbien hin und gab der Hoffnung Ausdruck, daß auch die wirtschaft lichen Beziehungen zum Heile beider Länder sich innig gestalten werden. Serbien befinde sich erst im Anfangsstadium seiner kulturellen Entwicke lung und habe darum ein Recht auf Nachsicht und Gerechtigkeit. Serbien lege das größte Gewicht darauf, in seinen ehrlichen Bestrebungen besonders von Deutschland richtig beurteilt zu werden. (Vor allem aber natürlich darauf, viel Geld gepumpt zu stiegen!) Amerika. * Die Nachrichten englischer Blätter über die Absicht der Ver. Staaten, die Philip pinen zu behalten, haben in Spanien höchstes Erstaunen hervorgerufen, da das Friedensprotokoll eine solche Inanspruchnahme nicht gestattet; die Regierung ist entschlossen, dagegen energisch Einspruch zu erheben. Das wird ihr nicht viel helfen, da die Amerikaner Herren der Situation find und sich an papierne Proteste wenig kehren werden. » Gegen den General Otis, der sich gegenwärtig in Manila befindet, hat sich eine besondere Gesellschaft gebildet, bestehend aus Verwandten und Angehörigen „der durch die mangelhafte Fürsorge dieses Generals getöteten Soldaten.» Asten. * Die Nachrichten aus China lauten recht beunruhigend; es scheint gar nicht ausgeschlossen, daß der Staatsstreich der Kaiserin- Witwe gerade das befördem wird, was er verhindem wollte: das Eindringen der Fremden in China. Man spricht von einer Flottendemon- fttatt'on der europäischen Mächte, ja englische Meldungen wissen bereits von einer gemein samen Besetzung Pekings zu erzählen. Nun, >ar so schnell wird eS nicht gehen, dafür wird chon die Eifersucht der Mächte gegeneinander orgen; jedenfalls aber wird schon die Rücksicht aus die Sicherheit der in China weilenden Euro päer und die europäischen Interessen unter den jetzigen Umständen dazu führen, Vorbeugungs maßregeln zu treffen, welche die „Europäisierung" Chinas ein gut Stück vorwärts bringen wird. »Der Pöbel in Peking hat die Fremden ernstlich bedroht. Die Gattin deS italieni schen Vertreters wurde, als sie im Begriff stand, in die Kirche zu gehen, angegriffen. Ver einzelt wurden Amerikaner, die von der Bahn kamen, durch Steinwürfe verwundet. Eine Pekinger Meldung der Londoner,Daily Mail' besagt, der Kaiser versuchte aus dem Palast zu flüchten, konnte aber nicht auS den Gärten entkommen und wurde von den Leuten der Kaiserin verhaftet. Er sei jetzt hilflos und dem Sterben nahe. Einige angebliche Ver schworene wurden verhaftet und enthauptet. Außerhalb des Palastes sei alles ruhig, da die Bevölkerung sich um die politischen Wirren nicht kümmere. Girr Abend in Nominier» wird im .Memeler Dampfboot' folgendermaßen geschildert: Während am Tage der schönste Sonnenschein den Wald im prächtigsten dunklen Grün be strahlt, ist der Abend wunderbar hell im Monden schein. Dann erstrahlt das Schloß im weißen Lichte. Auch für Musik ist gesorgt. Plötzlich ertönt ganz unerwartet — ein Leierkasten. Dem unerschrockenen Spieler schwebt wohl das 20-Markstück vor Augen, das Kaiser Wilhelm vor 10 Jahren dem armen Leiermann in Berlin während des strengen Winters schenke. Dann ist auch diese unvermutete Musik verstummt, dafür lauscht das Ohr dem Läuten der beiden Glöcklein in der Kapelle, die jeden Abend um sechs Uhr erklingen, den Waldarbeitem das Zeichen gebend, daß des Tages Mühe und Lasten nun überwunden find, und sie kehren heim zu ihren hübschen, freundlichen Wohnungen. Vor dem Schloßthor haben sich mittlerweile die jenigen versammelt, die das kaiserliche Paar zu Gesicht bekommen wollen. Gehorsam nimmt jeder an dem Platze Aufstellung, der ihm von den Gendarmen angewiesen wird. Die Uhr gibt im Scheine der hell leuchtenden Reflektoren die siebente Stunde an — die Zeit, in welcher der Kaiser, der öfters von seiner hohen Gemahlin begleitet wird, von der Jagd zurückzukehren pflegt. Alles wartet in atemloser Stille. Da plötzlich ein lautes Rollen — die Pferde fliegen mit dem kaiserlichen Wagen über die kleine Rominter Brücke. Noch ein kurzer Augenblick und das magische Halbdunkel unter den alten Föhren wird von einem hellewSchein erleuchtet, der sich rasch nähert. Nun fährt der Wagen im schlanken Trabe vorbei. Vier edle Trakehner- Rappen ziehen ihn. Letztere tragen vom an der Brust elektrisches Licht, das vom kaiserlichen Kutscher durch einen Druck ein- oder abgeschaltet werden kann. Im Glanze dieses Lichtes ist das Herrscherpaar, wenn auch nur einen kurzen Augenblick, den ost von weit herbeigeeilten Leuten sichtbar. Befriedigt, daß ihr Wunsch in Er füllung gegangen ist, besteigen dann die meisten ihre Wagen, um nach Hause zu fahren. Die jenigen jedoch, die noch später' abends hier weilen, erwartet dann noch ein seltener Genuß. Es ist nämlich die Zeit herangerückt, wo der Wald von dem Schreien oder vielmehr Brüllen der Hirsche erdröhnt. Und daß es alte Tiere sein müssen, die da spät abends das Wald konzert veranstalten, davon zeugt der tiefe Ton, der langgezogen durch die Forst dahinrollt. Ko« Nah ««d Fern. Elbing. Die Meldung von der Erwerbung der Herrschaft Kadie durch den Kaiser ist zu treffend; jedoch handelt es sich nicht um einen Ankauf, sondem um eine Schenkung des bis herigen Besitzers an den Monarchen. Schon vor Jahren hatten Landrat a. D. Birkner und sein inzwischen verstorbener Bruder den Ent schluß gefaßt, im Falle sie ohne Leibeserben blieben, Kabinen dem regierenden Könige voir Preußen im Wege der Erblassung zu vermachen. Durch ein Immediatgesuch wurde der Kaiser von der Absicht in Kenntnis gesetzt. Herr v. Lucanus erhielt den Auftrag, Kabinen zu besichtigen; dies geschah. Anfang September erklärte sich der Kaiser in einem sehr gnädigen Handschreiben an Herrn Birkner bereit, daS hochherzige An erbieten anzunehmen. Kabinen, zwischen Elbing, und dem Stäbchen Tolkemit gelegen, gehört zu den schönsten Besitzungen Westpreußens. Das stattliche Schloß, vor dessen Front zwei ge waltige Kanonen aufgefahren find, lehnt sich mit seinem Park gegen einen bewaldeten Höhen rücken, den die Ruine eines alten Klosters krönt. Dresden. Eine peinliche Unterbrechung er litt am letzten Sonntag der Gottesdienst in der katholischen Hofkirche, dem auch der König von Sachsen beiwohnte. Während der Predigt stieg ein in mittleren Jahren stehender Mann aus den Zuhörern plötzlich die zum Hochaltar empor führenden Treppen hinauf, öffnete die den Altar abschließende Äitterthür und rief mit erhobener rechter Hand: ,,Es gibt keinen Christus!" Zwei sofort hinzueilende Kirchendiener und zwei Kirchenpottiers entfernten den offenbar geistig unzurechnungsfähigen Ruhestörer und übergaben ihn dem vor der Hofkirche postierten Gendarmen. Die Predigt war nur auf einige Sekunden unter brochen und wurde dann fortgesetzt. Münster. In großer Gefahr schwebte am 3. d. der Nachmittags um 4 Uhr von hier nach Emden abgegangene Personenzug in der Nähe von Emsdetten. Die Mittelachse des Tenders brach hart am Rade, und beide Räder sprangen infolgedessen aus dem Geleise. Der Lokomotivführer gab sofort Gegendampf, und nur der Geistesgegenwart des Beamten verdanken es die zahlreichen Passagiere, daß sie mit dem allerdings nicht geringen Schrecken davon kamen. Eine Stunde später konnte, nachdem von Ems detten aus eine Güterzugmaschine gestellt war, der Zug über ein Nebengeleise weiterfahren. Neu-Ruppin. Ein angesehener hiesiger Bürger ist von einem eigenartigen Mißgeschick bettoffen. Während er eine Reise nach Berlin machte, ist ihm seine junge hübsche Frau aus und davon gegangen. Der schon 50 jährige Mann hatte kürzlich eine Bauerntochter aus der Umgegend geheiratet. Als er dieser Tage in Geschäften nach Berlin reiste, telegraphierte die junge Frau, der es bei ihrem Manne nicht gefiel, an ihren Vater, der an demselben Tage mit einem Fuhrwerk kam und die Frau samt allen eingebrachten Sachen wieder ins heimat liche Dorf zurückfühtte. Der verlassene Mann fand abends bei seiner Rückkehr die leere Woh nung vor. Sondershausen. Die Romantik stirbt aus. Die letzte Personenpost von Frankenhausen, die am 31. v. nachmittag 4 Uhr hier ankam, wurde in feierlicher Weise eingeholt und bis zum Bahnhof geleitet. Der Postwagen, von vier Pferden gezogen, mit dem Postillon in Gala und einem Postschaffner auf dem Bock, war reich bekränzt. Zwei Unterbeamte auf bekränzten Fahrrädern, ein Postillon in Gala zu Pferd, ihm folgend ein Wagen mit dem Postdirektor des hiesigen Postamts und drei älteren Beamten, ein zweiter Wagen mit mehreren jüngerem Beamten in Uniform bildeten den Vorantritt.. Zahlreiche Bewohner der Stadt hatten an den. Fenstern der Häuser und auf den Straßen Auf stellung genommen. Am 1. d. fuhr die Eisen bahn von hier nach Frankenhausen zum ersten Male. Hannover. Zu der letzten hiesigen Ein jährigen-Prüfung hatten sich acht junge Leute gemeldet, die auf Grund des sogen. Künstler paragraphen auf die Verleihung des Berech tigungsscheines Anspruch erhoben. Dem Berufe nach waren dies em Opernsänger, ein Kupfer schmied, drei Maschinenbauer, em Schlosser, ein Buchbinder und ein Bautechniker. Sie bestanden sämtlich die für diesen Fall vorgeschriebene Prüfung in den Elementarfächern, und es wurde ihnen auf Grund ihrer besonderen Leistungen der Berechtigungsschein erteilt. Beckum. Von einem Bären angefallen wurde hier ein Fuhrmann. Das Tier war einer Wandertruppe davongelaufen. Während der Am Uorabe«b der Hochzeit. Roman von Helene StSkl. lForts,»>mz.) Vergebens erkundigte sich Onkel Gustav nach Heinrich bei einigen der bekanntesten Lebemänner und in den Klubs, wo die tonangebenden jungen Herren ihre Wetten zu schließen und ihr Geld beim Hazardspiel zu verlieren pflegten. Nachdem er ferner von einem Bekannten erfahren, daß der alte Lestow ein prächtiger Mann gewesen sei und der Sohn ihm nachgeraten scheine, zögerte er nicht länger, dem Doktor die gewünschte Nachricht zu schreiben. Sein Brief, den Martha in einem wahren Fieber der Erwartung dem Postboten schon unterwegs abnahm und aufritz, obwohl die Adresse nicht an fie gerichtet war, laute«: „Lieber Wellner! Ich gratuliere Dir und Martha von Herzen. Alles, was ich erfahren kann, spricht zu Gunsten des jungen Mannes, doch ist es deshalb immer möglich, daß er vielleicht irgend welche Thorheit begangen hat. Schicke ihn nur zu mir, so werde ich eS schon herausbekommen. Dein ergebener G. v. Bayer." Martha küßte den Brief, da fie den guten Onkel Gustav nicht küssen konnte, und eilte dem Hause zu, ihrem Vater die frohe Nachricht zu bringen. Hätte sie die Posttasche des Brief trägers in ihrer Eile nicht allzu flüchtig durch gesehen, so würde fie einen Bnef darin ge funden haben, bei dessen Anblick ihr Herz noch froher geklopft hätte, als bei dem andern. So hatte der Postbote ihn ruhig weitergettagen und dem DoKor übergeben. Als Martha einige Minuten später in das Zimmer ihres Vaters trat, fand fie ihn mit strahlendem Gesicht stehen, vergnügt seine weichen, wohlgepflegten Hände reibend. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, küßte sic erst auf die eine Wange, dann auf die andere und zuletzt auf die frischen, roten Lippen, als wolle er sagen: „Es ist alles in Ordnung, meine Liebe, alles, alles!" „Sei nicht böse, lieber Vater," sagte Martha, die mit Recht fürchtete, wegen des voreiligen Oeffnens des Briefes Vorwürfe zu erhalten, „sei nicht böse, daß ich den Brief auftnachte; aber ich wußte, daß er mich betraf und konnte der Ver suchung nicht widerstehen.'' Ein Schatten flog über des Doktors Züge, als er in das ernste Gesicht Marthas und aus den Bnef, den die elbe in der Hand trug, blickte; aber derselbe verschwand schnell, als er den Inhalt überflog. „Das ist ja sehr erfreulich, meine Liebe, ganz so, wie es sich erwarten ließ. Ich habe ebenfalls eine Ueberraschung gehabt: Heinrich hat geschrieben. Ich laS seinen Brief gerade, als du hereinkamst. Er macht sehr freigebige und großmütige Vorschläge m betteff deines Heiratsgutes." „Meines HeiratSguteS?" wiederholte Martka schelmisch. „Ich glaubte, Papa, eS bestände noch gar kein Verlöbnis?" „Es war nur eine Formsache so zu sagen." „Und Alfreds geheimnisvolle Andeutungen?" „Sollen die Beachtung finden, die dergleichen Andeutungen verdienen," sagte der Doktor mit erhobener Stimme. Jetzt ist Martha an der Reihe, ihren Vater zu küssen, und fie thut es strahlend vor Freude. Natürlich will sie lesen, was ihr Liebster ihrem Vater geschrieben hat; aber dieser versichert ihr, daß Heinrichs Brief nur Geschästssachen be handelt, die nicht für ihr Auge bestimmt sind. „Siehst du, meine Liebe," beginnt er dann, „Heinrich hat erfahren oder vermutet, daß du ein Keines Vermögen besitzest, und überläßt dir dasselbe zu deiner eigenen, unumschränkten Ver fügung. Ist das nicht zart und liebevoll?" „Du hast doch nicht geglaubt, daß er mich um meines Geldes willen heiraten wollte?" „Nicht doch, nicht doch! Aber sechzigtausend Mark find immerhin eine hübsche Summe, die man nicht auf der Straße findet. Ein ver nünftiger Mann heiratet ein Mädche» nicht um ihres Geldes willen, aber er pflegt auch nichts dagegen zu haben, wenn fie Geld besitzt. Es gibt viel reichere Leute, die nicht so nobel wie Heinrich handeln würden." „Wieviel geben sechzigtausend Mark jährlich an Zinsen, Papa?" „Wenn fie sachgemäß angelegt werden, mindestens etwa 2500 Mark. „So viel? Das wird also mein — wie nennt man es doch gleich — mein Nadelgeld werden?" „Unsinn! Nadelgeld! Natürlich muß er dich damit ohnehin versorgen, Kind. Sagte ich dir nicht, daß diese sechzigtausend Matt dir gan- allein gehören sollen? Du kannst so stet dar über verfügen, als wenn du mündig wärest und nicht die Absicht hättest, zu heiraten. Verstehst du, was ich meine?" Sie blickt in sein über sie geneigtes Gesicht voll Schwäche und Auflegung und versteht,, was er meint. „Ja," sagte sie, die Augen niederschlagend, „ich kann es dir geben." „Was denkst du, Martha! Ich würde es nicht nehmen — als Darlehen höchstens! Wenn es dir recht wäre, so könntest du mir die Zinsen noch für ein paar Jahre leihen, bis, bis — du begreifst, Martha, so lange deine Mutter lebte,, half ihr Vermögen die Kosten des Haushalts- bestreiten; jetzt aber, wo es zwischen dir und Ida geteilt worden ist," er beginnt Martha zu erkären, was wir bereits wissen, aber er ver steht es so geschickt zu drehen, daß es auf Martha den Eindruck macht, als sei es von iHv sowohl, als von Ida eine außerordentliche Un bescheidenheit gewesen, erstens auf die Welt zu kommen und zweitens noch heiraten zu wollen. Des Doktors Stimme wird immer kläglicher, je länger er spricht, ohne daß Martha ihn durch die gewünschte Antwort unterbricht. Erleichtert atmet er auf, als ihre ernsten Worte ihm zeigen, daß fie die Angelegenheit für abgemacht an siebt und mit ihren Gedanken bereits ganz wo anders ist. „Darf ich ihm jetzt wohl schreiben?" fragt fie schüchtern, auS ihrer Versunkenheit auffahrend. „Gewiß, mein Kind. Nur wäre es vielleicht besser, zu matten, bis er zuerst an dich schreibt." „Natürlich, Papa, ich werde nicht den Anfang machen. Wie aber soll er erfahren, daß alleS^ in Ordnung ist?"
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