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Auerthal-Zeitung : 05.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189810053
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18981005
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18981005
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-05
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 05.10.1898
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Politische Rundschau» Deutschland. »Nach dem von türkischer Seite veröffent lichten Programm treffen Kaiser Wilhelm und Kaiserin Auguste Viktoria am 17. Oktober in Konstantinopel ein und reisen von dort am 22. weiter. »Die Erinnerungen des Fürsten BiSmarck erscheinen: sie erscheinen ohne Aenderung und Auslassungen im Verlage der Cottaschen Buchhandlung und bereits im No vember soll die Ausgabe beginnen: man be greift daher die Eile, mit der Moritz Busch seine „Enthüllungen" zu verwerten suchte. »Verschiedene Blätter melden: „Für die Zeit der Einberufung des Reichs tages ist daS Tempo bestimmend, in dem die Vorarbeiten innerhalb des Bundesrates zur Er ledigung gelangen. Voraussichtlich wird der Reichstag in der zweiten Hälfte deS November zusammemtreten — jedenfalls nicht vor der Rückkehr deS Kaisers aus Palästina, da ihn der Kaiser persönlich eröffnen will." Dieser Meldung steht eine andere entgegen, wonach die Dauer der Kaiserreise auf zwei Monat be rechnet ist und erst Mitte Dezember be endet werden wird. * Die Präsidialvorlage zum besseren Schutz Arbeitswilliger soll jetzt den Bundes regierungen zugegangen sein. »Die Kommission für Arbeiter statistik zu Berlin erläßt soeben an die Vor stände maßgebender Organisationen von Kellnern, Gastwirtsgehilfen u. s. w. ein Rundschreiben, worin sie mitteilt, daß sie Erhebungen über die Verhältnisse der m Gast- und Schankwirtschaften beschäftigten Personen anzustellen beabsichtigt. Zu diesem Zweck soll eine Anzahl von Arbeit gebern und Arbeitnehmern für den Monat Ok tober nach Berlin einberufen und zu ihrer Ver nehmung vorgeladen werden. Die Vernehmun gen werden für die betreffenden Auskunftsper- sonen nur je einen Tag in Anspruch nehmen, und es wird denselben für Zeitversäumnis und Auslagen eine Vergütigung von 12 Mark pro Tag bezahlt, außerdem freie Hin- und Rückreise zweiter Wagenklasse gewährt. »Im Laufe der nächsten Woche tritt in Berlin eine Kommission zusammen, die über den Mittellandkanal vorberaten soll. In den Entwurf ist. auch die Kanalisierung der Weser von Minden bis Hameln eingefügt worden. Die Gesamtkosten für den Kanal er höhen sich dadurch auf 211600 000 Mk- Oesterreich-Ungarn. »Die parlamentarische Lage in Oesterreich steht vor der Entscheidung. Der Klubmänner-Konferenz der deutschen Parteien kündigten die Großgrundbesitzer die Stellung eines Dringlichkeitsantrages an, der von der Regierung die ungesäumte Vorlage der Ausgleichsgesetze und die sofortige Be ratung derselben verlangt. Die deutschen Klubs nahmen hierzu Stellung. Die deutsche Volks partei ist einmütig gegen den Antrag und be schloß die Beibehaltung der bisherigen Taktik unbedingter Obstruktion. Die Fortschrittspartei ist gespalten, ein Teil drohte mit Austritt. — Die Regierung überraschte nun in der Donnerstag- Sitzung mit derVorlage sämtlicherAus- gleichsgesetze. Das Präsidium weigert sich, Dringlichkeitsanträge vor der Regierungsvorlage zur Beratung zu bringen, damit der Dringlichkeitsantrag der Großgrund besitzer formell illusorisch werde. Frankreich. * Der Matin' veröffentlicht eine Unterredung mit einem Rate des Kassationshofes, welcher die Ansicht äußerte, daß die Kriminalkammer des Kassationshofes sich nicht für die Revi sion werde aussprechen können, da sie in den Dreyfusakten nicht die erforderlichen Elemente finden dürste. Viel einfacher wäre gewesen, wenn die Aufhebung des Urteils ver langt worden wäre. Es würde dann die Fest stellung genügen, daß dem Kriegsgericht geheime Aktenstücke übermittelt worden seien. Aber man wollte das offenbar vermeiden und diejeni - genschonen, welche diese Ungesetzlich keit begingen. Dänemark. »Königin Luise von Dänemark ist am Donnerstag früh gestorben. Sie war die am 7. September 1817 in Kopenhagen ge borene Tochter deS Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel und wäre in Dänemark thron folgeberechtigt gewesen, übertrug ihre Rechte aber auf ihren Gemahl, den Herzog Christian von SchleSwig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, der dann im Jahre 1864 als Christian der Neunte den dänischen Königsthron bestieg. Der Ehe entstammen: Die Kronprinzessin von Wales, die Kaiserin-Witwe von Rußland, der König von Griechenland, die Herzogin von Cumberland, der dänische Kronprinz und Prinz Waldemar von Dänemark. Früher in ihrem Lande wenig be liebt, schlug dieses Volksempfinden später in das Gegenteil um und heute trauert daS ganze Dänemark an ihrer Bahre. Belgien. * In der Z u ck e r p r ä m i e n f r a g e hat die belgische Regierung nach einer Mitteilung der Jndependance beige' die diplomatischen Verhand lungen jetzt eingestellt, weil von Frankreich und Rußland keine Zugeständnisse zu erlangen waren. Balkanstaaten. »Es verlautet, daß der ägyptische Vizekönig Abbas Pascha auf den dringenden Wunsch des Sultans während des Besuches des deutschen Kaisers in Konstanti nopel ebenfalls dort anwesend sein werde. »In Orsova wurde ein Mann verhaftet, gegen welchen mehrere Anzeichen vorliegen, daß er ein Attentat auf den König Karl von Rumänien unternehmen wollte. Derselbe war im Besitze eines auf den Namen Deme- trowitsch lautenden, vermutlich falschen Passes. Bei dem Verhafteten, der schon früher der Orsovaer Polizei signalisiert war, wurden ein Fläschchen mit Gift, ferner ein Dolch und ver schiedene andere Waffen gefunden. Aegypten. » In Londoner Kreisen erzählt man sich, der Schatz des Kalifen, der in der Wüste verborgen war, sei gefunden und nach Kairo befördert worden, er betrage zehn Millionen. »lieber eine gegen die Fortdauer der mahdi st ischenBewegung gerichtete Maß nahme — allerdings roher, barbarischer Art — berichtet das Londoner ,Daily Chronicle' aus Kairo, das Grab des Mahdi sei ge öffnet, sein Körper in den Nil ge worfen und sein Haupt noch Kairo gesendet worden, um Pilgerzüge nach dem Grabe zu verhindern. Amerika. * Ueber London kommen über die argen tinisch - chilenische Streitfrage weitere beruhigende Nachrichten. Allerdings sind beide Staaten noch nicht so weit, daß sie ihre kriegerischen Vorbereitungen bereits eingestellt hätten, weil eben doch die Erregung eine zu große gewesen ist. Namentlich in Argentinien war bis in die letzte Zeit die Bevölkerung sehr erregt. In mehreren Provinzen haben Volks demonstrationen stattgefunden, um der Regierung eine Stütze zu bieten. In allen Städten und auf dem Lande waren Sammlungen eingeleitet worden, um Soldaten für die Armee beizustellen und um der Nationalgarde Mannschaften zuzu führen. Infolgedessen haben sich auch thatsächlich sehr viele Freiwillige gemeldet und sehr große Beträge find gezeichnet worden. »Aus Jamaika sind im Laufe des Sommers schon einige Male Nachrichten ge kommen, die von einer gewissen Mißstimmung der dortigen Bevölkerung mit den bestehenden Zuständen, zumal mit dem Verhalten der eng lischen Regierung in der Zuckerfrage sprachen, und es fehlte im Zusammenhang damit nicht an Hypothesen bezüglich der Insel und ihres etwaigen Verlustes für England. Jetzt liegt eine Meldung vor, die von einem bisher nicht zu Tage getretenen feindseligen Gegensatz der farbigen zur weißen Bevölkerung berichtet. Nach einer Depesche des ,New Jork Herald' aus Kingston haben sich die Mestizen in dem Küstengebiet empört und sich der Grundstücke der Engländer bemächtigt, die in die Stadt fliehen. Die Regierung trifft, wird hinzugesetzt, Maßregeln, um die Unruhen zu unterdrücken. — Für die englisch-amerikanische Freundschaft können jedenfalls hier mancherlei bedenkliche Hindernisse erwachsen. Asten. »Wie den .Times' aus Peking gemeldet wird, fordert em kaiserliches Edi», ln dem die stetig zunehmende Unpäßlichkeit des Kaisers beklagt wird, die Gouverneure der Provinzen auf, die besten Aerzte nach Peking zu senden. Einer Meldung aus Hongkong zufolge ist die Familie Kang-Au-Weis nach Macao geflüchtet. Da trotz zahlreicher Hinrichtungen der Aufstand inKwang-si noch imZunehmen ist, kam der Gouverneur der Provinz am 21. v. durch Wutschau, um den Befehl über die zur Bekämpfung der Auf ständischen bestimmten Truppen zu übernehmen. Der britische Gesandte Macdonald ist, einer englischen Meldung zufolge, vor dem Tfung-li- Pamen befragt worden, wozu die englische Flotte im Golf von Peking zusammengezogen sei. Der britische Gesandte sagte, es geschehe dies zur Wahrung der englischenJnteressen. Die englische Flotte liegt der russischen gerade gegenüber. ,Daily Mail' berichtet aus Chefoo, daß Li-Hung-Tschang den Tsung-li- Namen gebeten habe, ihn zu beschützen. Der Zu st and des Kaisers sei hoffnungslos. Sein Mieden werde stündlich erwartet. Klatsch rar Drryfus-Alfäre. Es wurde schon mitgeteilt, daß der Londoner ,Observer' dieser Tage Mitteilungen über an gebliche äußerst sensationelle wenig glaubhafte Enthüllungen Esterhazys zur Dreyfus-Affäre ge macht habe. Jetzt liegt ein ganzes Bündel ähnlicher Nachrichten vor, welche sich in noch viel höherem Maße als Klatsch charakterisieren, die wir aber registrieren müssen, weil auf die selben imLaufe desRevifionsverfcchrens zweifellos zurückgegriffen werden wird. So bringt die ,France Militaire' die Sensationsnachricht, daß ein Marinearzt, Dr. R., Dreyfus vor seiner Abreise nach der Teufelsinsel untersucht, im Futter seiner Kleider ein Paket Papier gefühlt, dieses an sich genommen und in einem ge schloffenen, die Aufschrift: „Erst nach meinem Tode zu öffnen" zu tragenden Umschläge bei einem Notar hinterlegt habe. Die Militärbehörde, die jetzt davon benachrichtigt sei, werde dem Notar das Paket abverlangen, das sichere Be weise für die Schuld Dreyfus' enthalte. Ein anderes Märchen tischt die ,Daily News' ihren Lesern auf, indem sie über den Rücktritt Periers folgende sensationelle Enthüllung macht: Ungefähr Mitte Dezember 1894 setzte der deutsche Botschafter Graf Münster einen langen Bericht über die Dreyftlssache auf und steckte ihn in ein besonderes, an den Kaiser persönlich adressiertes Kouvert, versiegelte dies mit dem Botschaftsfiegel uno that es mit anderen amt lichen Urkunden in eine Mappe, die einem Kurier zur Uebermittelung nach Berlin übergeben wurde. Dieser Brief wurde auf französischem Gebiet heimlich herausgenommen, mit Oxyhydrogenlicht photographiert, dann in das Kouvert zurückgethan und erreichte den Kaiser richtig mehrere Tage später. Das Berliner Nachrichtenbüreau wurde hierauf vom Brüsseler, welches die französische Sektion hat, davon unterrichtet, daß die Photo graphie des Berichts an den Kaiser in den Händen des französischen Kriegsministers sei. Die deutsche Regierung wies Münster sofort an, er habe seine Pässe zu verlangen, da die Hand lung der französischen Regierung eine Verletzung des Exterritorialitätsarundsatzes und eine per sönliche Beleidigung des Kaisers sei. Der Auf tritt, der sich darauf im Elysee Anfangs Januar abspielte, war außerordentlich. Pener, über wältigt von der plötzlichen Enthüllung, war außer sich und gab Münster sein Ehrenwort, daß er als Staatsoberhaupt jede Verbindung mit derartigen Handlungen zurückweise. Er ge lobte, eine Wiederholung zu verhindern. Graf Münster versprach darauf, dem Kaiser einen Be richt über die Audienz zu senden, und schickte solchen durch einen Kurier denselben Abend auch ab. Dieser Beucht wurde wieder heimlich photo graphiert und binnen 48 Stunden dem fran zösischen Ministerium des Aeußeren überbracht. Am 12. Januar abends erschien Graf Brünster plötzlich wieder im Elysee und erklärte dem Präsidenten, Deutschland werde sofort mobili sieren, um die neue Beleidigung zu rächen. ES entwickelte sich ein dramatischer Auftritt. Graf Münster sank in einen Lehnsessel und warf Perier por, er habe ihn vor dem Kaiser entehrt, da er diesem auf das Ehrenwort des Präsidenten,, seine feierliche Versicherung gegeben. Perier faßte: „Berichten Sie dem Kaiser, daß ihm von mir selbst als Präsidenten Genugthuung gegeben werden soll, indem ich öffentlich solche Rechts verletzungen gegen eine Macht, die in Frieden mit Frankreich lebt, zurückweise. Ich will mein Land nicht opfem und werde vom Präsidium zurücktreten. Bitten Sie den Kaiser, sich zu frieden zu geben." Zwei Tage später kündete Perier seinen Rücktritt an. Dieser Vorgang war noch folgendeu Personen bekannt: Dupuy,. Hanotaux, den Generalen Mercier und Boisdcffre, Schwartzkoppen, Sandherr, Henry und Esterhazy, femer allen Kriegsministern, und leitenden Ministern der Kabinette Meline und Brisson und den verschiedenen Mitgliedern des Kriegs rats, welche den Dreyfus-Dossier gesehen, zu sammen über 50 Personen. Den Charakter absoluter Erfindung trägt auch eine aus Londoner Quelle stammende Nach richt, wonach nach der Verurteilung Dreyfus' zwei Einbrüche in der Pariser deutschen Bot schaft verübt worden seien, um nachträgliches Beweismaterial gegen Dreyfus zu fabrizieren. Das erste Mal seien Dokumente gestohlen, das zweite Mal jedoch die Diebe gefaßt worden und hätten sie eingestanden, in Verbindung mit hohen französischen Personen zu stehen. Nicht geringes Aufsehen erregt gegenwärtig auch die Meldung, daß demnächst unter dem Titel „Kulissen der Dreyfussache" Esterhazy ein Buch herausgeben werde, um seine Kenntnisse von dem Fall Drey fus zu Gelde zu machen. Der Pariser Verleger Fayard habe das ausschließliche Recht der Publikation; er besitze bereits die von Angriffen gegen leitende Militärs und Staatsmänner strotzende Vorrede Esterhazys. Den ersten Band, für den Esterhazy 100 000 Frank erhält, ver sprach Esterhazy zu liefem, sobald er weder durch die Uniform noch durch das Kreuz der Ehrenlegion geniert sein würde. Fayard erzählte noch, er hätte drei Unterredungen mit Esterhazy gehabt, deren Inhalt preiszugeben er vorläufig nicht für opportun hält. Anderseits freilich wird gemeldet, der Verleger Grant Richards werde Esterhazys Buch herausgeben. Das Buch, werde zugleich in deutscher Sprache erscheinen und die gesamten Beziehungen Esterhazys zu dem Drey- fusfall aufklären, auch die Entstehung des Bor dereaus. Richards lehne es ab, zu sagen, ost die bisherigen Enthüllungen in der Presse richtig oder falsch seien, er könne sie nur als gänzlich unauthentisch bezeichnen. Es wird für den Kassationshof keine leichte Aufgabe sein, sich durch diesen Wust von sensationellen Nachrichten durchzuarbeiten und den Weizen von der Spreu zu sondern. Uoir Nah imd Fern. Krossen. Ueber das Eisenbahnunglück bei Krossen liegt jetzt folgende amtliche Darstellung vor: „Auf der am Mittwoch zweigleisig in Be trieb genommenen Strecke Guben-Rothenburg/Oder die bisher eingleisig befahren wurde, erfolgte ein erheblicher Zusammenstoß des um 10 Uhr 14 Minuten vormittags abgehenden GütcrzugeS mit einem von Rothenburg kommenden Arbeits zug dadurch, daß der Weichensteller den Güter zug bei dek Ausfahrt aus dem Bahnhof Krossen auf das falsche linksseitige Gleis abließ. Durch Unaufmerksamkeit des Zugpersonals konnte der Güterzug bis zum Zusammenstoß 4 Kilometer fahren. Der Maschinenführer des Arbeitszuges wurde erheblich, das übrige Fahrpersonal un bedeutend verletzt. Von den Arbeitern des Arbeitszuges blieben 4 tot, 3 wurden erheblich, 12 leicht verletzt. Der Materialschaden ist groß. Etwa 18 Arbeits- und 10 Güterwagen wurden mehr oder weniger zertrümmert. Die Strecke blieb von vormittags ab gesperrt. Der Per sonenverkehr wurde durch Umsteigen aufrecht: erhalten." Am Uoravend der Hochzeit. 3) Roman von Helene Stökl. <FortIN>ung.) Aber lange konnte Heinrich sein Glück nicht für sich allein behalten. Er rief die Beschließerin des Hauses, die alte, würdige Frau Böhme herbei und begann mit großem äußerlichen Gleich mut, innerlich aber nicht wenig auf die Wirkung feiner Worte gespannt: „Ich denke zu heiraten, Frau Böhme." Die gute alte Frau schlug die Hände über den Kopf zusammen. „Du meine Güte, was Sie da nicht fügen, junger Herr, das kann Ihr Emst doch nicht fem?" „Gewiß ist es Emst," sagte Heinrich so würdevoll, als es ihm nur möglich war, „und der jungen Dame ist es auch Emst, was die Hauptsache ist." „Wie die Jahre vergehen I Ist es mir doch noch wie heute, daß ich Sie als ein kleines Bübchen auf den Armen getragen habe. Wenn das Ihre gute Mutter hätte erleben können!" Die alte Frau fuhr mit dem Zivfel ihrer Schürze über die Augen. „Und man darf auch fragen, ' wen Sie heiraten wollen?" - „Warum denn nicht? Fräulein Wellner, die Tochter des Doktors zu Neudorf." „Was Sie nicht sagen l DaS war ja Alfred BaumannS Erzieher." „Ja, Baumann war ein paar Jahre in Pension bei ihm." „Und ist er noch immer sehr viel dort?" „Ich glaube wohl, ich kam durch ihn in daS HauS." „Hat die junge Dame noch Schwestern, wenn ich fragen darf?" „Nur eine." „Aha, dann ist es also die!" flüsterte Frau Böhme vor sich hin. Aber Heinrich hatte ihre Worte gehört. „Was ist mit ihr?" fragte er. „Die Leute erzählen, daß er der einen Tochter des Doktors den Hof mache. Vielleicht gibt es gar zwei Hochzeiten im Hause." „Warum nicht gar! Sie ist ja schon längst verheiratet." „Wer? die andere?" „Die, welche ich heiraten will, allerdings nicht!" lachte Heinrich. „Aber Sie können mir glauben, junger Herr, er läßt sich hier damit necken, daß er der Ver lobte einer der jungen Damen ist." „Dann ist er ein niederträchtiger Hallunke, fuhr Heinrich auf „und wenn Sie dergleichen Reden hören, Frau Böhme, so thun Sie mir den Gefallen und sagen Sie den Leuten, daß ihn die verheiratete Schwester nicht ausstehen kann, und daß die andere ihre erste Liebe heiratet, und das bin ich," Er wirst sich lachend in seinen Sessel zurück, aber seine Fröhlichkeit ist nicht mehr so unge zwungen wie vorher. „Darf man davon sprechen, junger Herr?" „So viel Sie immer wollen." „Und wann wird die Hochzeit sein?" Sobald ich mündig sein werde, waS Gott sei Dank nicht mehr lange dauert." „Wie die Zeit vergeht!" Die alte Frau er hebt sich von ihrem Sessel. „Man merkt am wesen ! Es ist uns eine große Freude, Sie noch einmal hier zu sehen, ehe wir von hier fortgehen." „So ist es also wirklich wahr, daß wir Sie verlieren?" fragt Heinrich, nachdem er im Triumph in die Mühle geführt worden ist, den besten Platz in der großen, niedrigen, alten Stube eingenommen und von dem selbstgebrauten Bier gekostet hat, das die Müllerin ihm ge schäftig vorgesetzt. „Ja, das ist wahr genug," antwortet der Müller, indem er große Züge aus seiner silber beschlagenen Pfeife thut. „Hier geht es nicht mehr, wie es gehen sollte. Die Dampfmühlen nehmen alles Korn und die Bleichen oben am Fluß alles Wasser; da bleibt für so altmodische Leute, wie wir sind, nichts übrig." „Das Wasser im Fluß ist wirklich sehr niedrig," bemerkte Heinrich. , „Niedrig ist nicht das rechte Woxt — der Fluß ist trocken fast den ganzen Sommer hin durch ; regnet es aber einmal mehr als gewöhn lich, so tritt er gleich über und richtet eine solch« Ueberschwemmung an, daß man Gott dankeU kann, wenn er nicht die ganze Mühle mit sich fortreißt." „Und glauben Sie, daß eS Ihnen in Amerika gefallen wird?" „O, wenn wir nur erst dort sind, wird eS uns schon gefallen, nicht wahr, Alte?" Seine Frau nickte mit dem Kopfe. „Wir haben ja unsere Söhne dott," setzte sie erklärend hinzu. „ES sind gute Burschen, die Gott segnen möge. Ich danke dem Allmächtigen auf meinen Knieen, daß er sie nur gegeben hat, und daß. besten, wie alt man wird, wenn man die jungen Leute heranwachsen sieht. Nun, Gott segne Sie, junger Herr, Gott segne Sie und Ihre Braut!" Sie hält Heinrichs dargebotene Hand mit mütterlicher Zärtlichkeit einen Augenblick in ihren welken Händen und verläßt dann geschäftig das Zimmer, um bald darauf mit einem sorglich zu bereiteten Abendessen wieder hereinzukommen, dem Heinrich alle Ehre anthut. Lange noch liegt dieser dann im offenen Fenster und blickt in glücklichem Sinnen in die Nacht hinaus, bis er sein Lager aufsucht und Marthas liebliches Bild in seine Träume hinübernimmt. Früh am andem Morgen ist er auf und schlendert, ein paar Angelruten über der Schulter, den Fluß entlang und an den frühlingsgrünen Wiesen hin, der alten Mühle zu, in der er als Knabe so viele frohe Stunden und Tage zuge bracht hat. „Guten Tag, Vater Hartung I" ruft er schon vou weitem einem alten Mann zu, der aus der Bank vor dem Hause sitzt. Dieser legt die Hand iber die Augen, um besser sehen zu können, und pringt dann überrascht auf. „Bei Gott, der unge Herr! Seien Sie vielmal willkommen in »er allen Heimat, Herr Heinrich! Du, Alte," — er wendet sich nach dem Jnnem des Hauses — „komm einmal heraus und sieh, wen wir hier haben!" Eine bejahrte freundliche Frau mit weißem Häubchen auf dem filbergesprenkelten Haare kommt eilia daher und streckt dem jungen Mann, sobald sie ihn kennt, beide Hände entgegen. „Ei, junger Herr, Sie find aber lange nicht hier ge
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