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Auerthal-Zeitung : 28.09.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189809281
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18980928
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18980928
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-09
- Tag 1898-09-28
-
Monat
1898-09
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 28.09.1898
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Gerichtshaüe. Erfurt. Der Hauptmann a. D. v. Lilienstern in Bendheim bei Meiningen war 1894 von der dortigen Strafkammer zu ein Jahr drei Monat Ge fängnis verurteilt worden, weil er im Streite mit dortigen Landwirten einen von ihnen mit einem Rcvolverschuß am Unterkiefer verletzt hatte. Der Hauptmann beantragte Revision und das Reichsgericht verwies den Fall an die Strafkammer zu Erfurt. Diese erkannte auf Freisprechung, da der Angeklagte damals in der Notwehr und berechtigt gewesen sei, sich gegen wiederholte Angriffe zu verteidigen. Jnowrazlaw. Das hiesige Schöffengericht verurteilte den Tischlermeister Stanislaus Gutsch zu 150 Mark Geldstrafe oder einem Monat Haft, weil er seinen Namen in „Gucz" polonisicrt hatte. Die Verurteilung erfolgte auf Grund einer Kabinettsordre vom 15. April 1822, nach welcher niemand berechtigt ist, seinen Namen eigenmächtig zu ändern. - hielt , die unter und die Leer« ihre» Die Zeugenaussage des Papageies. Der Strafrichter des Bezirksgerichts Leopold- stadt in Wien, Gerichtssekretär Dr. Daum, hatte am 14. d. in einer Strafsache eine Entscheidung zu fällen, welche wesentlich von der Aussage eines Papageies abhing. Auf dem Graben wurde nämlich kürzlich der aus Palästina ange kommene Barbier Moses Jude! Lober angehalten, weil er einen Papagei zum Kauf seilhielt, den die vorbeigehende Kaufmannsgattin Flora Ulmann Dir Hofdame der Kaiserin. Die allgemeine Aufmerksamkeit hat sich in letzter Zeit auf die Hofdame der verblichenen Kaiserin Elisabeth von Oesterreich, Gräfin Irma Sztaray, gerichtet; war dieselbe doch die einzige Dame des Gefolges, die bei dem schrecklichen Unglück zugegen war. Gräfin Irma Sztaray hat in den furchtbaren Tagen eine geradezu be wundernswerte Umsicht und Entschlossenheit ge zeigt, und diese Selbstbeherrschung muß um so mehr anerkannt werden, wenn man bedenkt, welche Erschütterung sie durchgemacht hat und welche Verantwortung auf ihr lastete. Sie ist eine schlanke Erscheinung, dunkelblond, mittelgroß, mit äußerst sympathischen Gesichtszügen. Ihr Vater, Graf Viktor Sztarah, Besitzer des Gutes Sztara im Zempliner Komitat, war mit Marie Gräfin Török von Szenderö vermählt; er starb 1879 und hinterließ zwei Söhne und zwei Töchter, von denen die jüngere, Gräfin Irma, 1864 geboren wurde. Was eine edle, treffliche Mutter der Tochter auf den Lebensweg mitgeben kann, das wurde Gräfin Irma zu teil. Sie genoß eine vortreffliche Erziehung. Erzherzogin Klothilde, die Gemahlin des Erzherzogs Joseph, wurde schon vor einer Reihe von Jahren auf die junge Gräfin aufmerksam und bewog dieselbe, in ihren Hofstaat einzutreten. Gräfin Irma genoß auch in diesem Kreise hohes Ansehen und die freundschaftliche Zuneigung der Töchter des Erzherzogs. Sie verlebte einige Jahre im Kreise der erzherzoglichen Familie, sah sich aber aus Gesundheits- und Familienrücksichten gezwungen, nach Hause zurückzukehren. In der Folge machte man die Kaiserin auf die junge Gräfin aufmerk sam und schlug diese zur Hofdame vor. So sehr Gräfin Sztaray hierdurch erfreut war, so fürchtete sie doch, den Anstrengungen des Berufes, insbesondere den weiten Märschen, welche die Kaiserin so gem unternahm und auf denen eine ihrer Damen sie zu begleiten hatte, nicht ge wachsen zu sein. Gräfin Sztaray trat kurz vor der letzten Reise der Kaiserin nach Aegypten ihre Stellung provisorisch an. Das liebens würdige, schlichte Wesen der jungen Hofdame, vereint mit eiserner Pflichttreue, gewann ihr rasch die Zuneigung der hohen Frau. Ein heißer Schmerz traf sie, als ihr Bruder Stephan kurze Zeit nach seiner Vermählung auf seinem Gute meuchlings erschossen wurde. Der Fall machte damals ungeheures Aufsehen; der Mörder wurde nicht entdeckt. Die junge Hofdame nahm damals einen längeren Urlaub, um ihre gebeugte Mutter aufzurichten. Sobald als möglich nahm sie dann ihre Pflichten wieder auf. Ihre Stellung war längst eine definitive geworden; überdies war ihre Ernennung zur Sternkreuz-Ordensdame erfolgt. Nun hat zum zweiten Male eine Mörderhand in ihr Leben gegriffen und ihr Schicksal in so tragischer Weise beeinflußt. Kaiser Franz Joseph hat die hingebungsvollen Dienste, welche die Gräfin Sztaray der Heim gegangenen Kaiserin stets und besonders in der Todesstunde geleistet hat, in einem besonderen Handschreiben anerkannt, in dem er ihr die Ver leihung des Großkreuzes des neugestifteten Elisabethordens mitteilt. die sich rings um den Hügel zog, war mit Tausenden von bunten Blumen bedeckt, über denen Schmetterlinge gaukelten, Käfer brummten und surrten. Goldiger Sonnenschein überflutete die freund liche Landschaft, er malte auch einen rötlichen Schimmer auf LisaS blasses Gesicht. Ihre schwermütigen Augen waren in die Ferne ge richtet — fie hielt den zweiten Teil des Faust in der Hand, aber fie laS nicht darin. In ihr wogten bange Gedanken — endlose Fragen an die Gottheit. Immer tiefer sank die Sonne und mahnte fie anS Fortgehen, an daS Aufgeben dieses zauberischen Platze». Doch fie beachtete die Mahnung nicht — hörte auch nicht die nahenden Schritte auf dem weichen Boden. Plötzlich schaute fie auf, und „Erich" tönte der Freudenruf von ihren Lippen. Er, dessen Bild fie unablässig beschäftigt, stand vor ihr.. Sie hatte sich jäh erhoben, die Arme ihm ent- gegengestreckt, nun ließ fie dieselben schlaf herab finken. Mit seiner Liebe war es ja vorbei für immer, Mitleid braucht« fie nicht. — Sie wollte an ihm vorüber, um den Rückweg anzutreten, aber ihre Kräfte verließen fie, — sie fühlte den Boden unter fich wanken und sank besinnungs los in WellmerS Anne. Sorglich bettete Wellmer da» blaffe Haupt an seiner Brust, er nannte zärtlich ihren Namen und strich mit leiser Hand über dar seidenweich« Haar. Als Lisa nach kurzen Sekunden die Augen öffnete, bebte fie erschrocken zusammen, fie ruhte Lebens aller BevölkerungSkreise der modernen Großstadt. Die Erzählung „L'Adultera" war der erste tastende Schutt auf dieser Bahn; „Irrungen und Wirrungen", „Stine", „Quitt" bezeichnen rühmliche Etappen und in „Effi Briest" erreicht der Dichter die Höhe, auf der er noch lange seinen Platz behaupten wird. Sein letztes Werk waren Erinnerungen auS dem Berlin der vierziger und fünfziger Jahre; voll Leben und Frische bekundeten fie, daß sich der Greis des Geistes Jugend erhalten hatte. Kinder wegen darauf, Ihrem Gatten von dem Vorgefallenen Mitteilung zu machen. Meine Verachtung ist vielleicht Strafe genug für Sie! — Mit äußerster Strenge verlange ich aber, daß Sie Hauptmann Mallow ein reuiges Ge ständnis Ihrer Schuld ablegen; eS darf kein Makel an Lisa Braunau haften bleiben. Ver stehen Sie?' „Ich will Ihrem Befehle nachkommen," meinte Frau Blant trotzig. „Der Hauptmann wird sich trösten. LisaS Erkrankung teilte ich ihm bereits umgehend mit und bat ihn, geduldig zu warten, bis diese selbst ihm Kunde von fich geben würde. Inzwischen empfahl ich ihm den Verkehr mit einer mir bekannten Familie in der Nähe seines Gutes. Dort find heiratslustige Töchter genug und eine Mutter, deren Fang armen er nicht entgehen wird." „Sie müssen den Brief an Hauptmann Mallow in meine Hände legen," beharrte Wellmer kalt. „Ich kann an Ihre Wahrhaftig kett nicht mehr glauben. — Nun fort auS dieser erstickenden Luft! Wo finde uh Lisa? Meine Lisa?" «rüffel. Schon fett Monaten ist die bel- gische Südpolexpedition verschollen und mit Be sorgnis harrt man in Brüssel und Antwerpen auf Nachrichten über ihren Verbleib. Die Be sorgnis wird noch erhöht, weil das Postamt in Punto Arenas im Feuerlande alle für die Mit glieder der belgischen Südpolexpedition einge gangenen Postsachen als unbestellbar nach Ant werpen zurückgesendet hat. Man weiß auch dort nichts über den Verbleib dieser Expedition. Gent. Der hiesige General Van Eeckhoudt stürzte vorige Woche in Blankenberghe vom Zweirad und zog sich anscheinend nur leichte Verletzungen zu. Allmählich aber stellten sich starke Kopfschmerzen ein, die ihn nötigten, nach Gent zurückzukehren. Am Mittwoch ist er an den Folgen des Unfalles gestorben. Kopenhagen. Prinz Georg von Griechen land hat fich beim Aussteigen aus dem Waged auf Schloß Bernstorff den Fuß verrenkt unn muß längere Zeit das Bett hüten. Kuntes Allerlei. Ein Paradies der Frauen scheint das Charkowsche Gouvernement in Rußland zu fein. Im Eisenbahndienst, in den Kanzleien der Be hörden, Privatkontoren, den Kanzleien der Kreis chefs und der Gemeindeverwaltungen, kurz, über all sind Frauen und Mädchen angestellt. Ja sogar bei den Friseuren rasieren die Frauen Männer mit feinem Chik. Das alles haben die Frauen dem Gouvernementschef zu verdanken, der das alte Vorurteil vernichtet hat. Das erste Haus von Papier in Ruß land wurde dieser Tage auf einem Gute in Ssarinowka in Podolien eingeweiht. Das Haus ist in New Jork gebaut, hat 16 Zimmer und kostet 80 000 Rubel. Der amerikanische Ingenieur, der es in Ssarinowka aufstellte, ver sicherte, daß es länger vorhalte als ein steinernes Haus. Das ganze Möblement besteht gleich falls aus Papierstoff. Zart gegeben. Prinz: „Nun, wie ist der letzte Aufsatz meines Sohnes ausgefallen?" — Erzieher: „O recht gut; nur können Hoheit immer noch nicht ganz von der Gewohnheit lassen, die schönsten Gedanken zu verschweigen." Die Neugierige. Student A.: „Weshalb willst du schon wieder umziehen?" — Student B.: „Meine Wirtin ist mir zu neugierig. Sie will immer wissen, wann ich meine rückständige Miete bezahlen will." Immer aktuell. „Kaufen Sie das Neuste — Abrüstungskravatten!" — „Wieso — Mb- rüstungskravatten?" — „Sie schießen nicht!" Ein Ziel. „Seien Sie doch vernünftig! Stecken Sie doch endlich einmal dem über mäßigen Trinken ein Ziel!" — „Thu ich ja; ich bin aber meistens schon betrunken, ehe ich's erreiche." . an dem Herzen deS Geliebten, fie hörte be rauschende Worte von seinen Lippen — wachte fie? War'S ein schöner Traum? „Vergib mir — vergib!" hatte Erich ge beten. „Steh, ich bin furchtbar getäuscht worden und konnte wohl an dir zweifeln. Sah ich nicht mein hehreS Götterbild im Staub der Straße, — fand ich nicht die LWe auf dem Antlitz, das mir bisher wie die Wahrhaftigkeit erschienen war?" „Erich!" konnte sie nur antworten. „Ich habe dich wieder? Ich bin nicht mehr verstoßen au» deinem Herzen? Laß uns den Wahn ver gessen, der uns geträumt hat l — Die Menschen gedachten eS böse mtt unS zu machen — Gott aber hat eS gut gemacht. Ihm wollen wir die Ehre geben." „Ja, Ihm, der alles herrlich hinauSsührtl — Noch vor wenig Stunden schien mir das Leben ein wüstes Gaukelspiel zu sein — hielt ich die Menschheit für Schauspieler, die unter Possen den inneren Schmerz und die Leer« ihres Daseins verbergen wollen. Nun erkenne ich, daß dem Guten auch auf Erden der Steg wird — daß un» die Schuld vergeben werden kann, die wir in Demut bereuen. — Auch du ver gibst mir, meine süße Rose! Ich werde dich hegen, al» da» köstlichste Kleinod, welche» mb: der Höchste beschert hat, damit du da» Leid vergißt, daS ich dir beretten konnte. . . Sprich, Lisa! Trennt un» nun nichts mehr?" „Nicht«, Erich l Wo Vertrauen ist. da ist auch Liebe und Glück — wir wolle« beider fest hatten bl» ans Ende." s i» Ende. „Hier!" sagte der Offizier tonlos und zog ein zerknittertes Papier aus seiner Brusttasche. Hier steht: „Wo du hingehst, will ich auch hingehen; wo du bleibst, bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist auch mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden, der Herr thue mir dies und das, der Tod nur muß mich und dich scheiden." Schrill lachte die junge Frau auf: „Wie naiv von dem Hauptmann, Ihnen daS Blatt zu geben! Ha, ha, ha — Ich glaubte eS mtt einem klügeren Menschen zu thun zu haben. — So allerdings mußte ich über kurz oder lang daS Spiel verlieren." „Wer weiß!" sprach Wellmer ernst. „Ich gehe nach Berlin — Lisa verläßt ebenfalls den Ort — Ohne Gottes Fügung wäre Ihr schänd licher Plan gelungen." „Ihm sei Dank!" atmete die Professorin auf. „Wie wenig kannten Sie Lisa, daß Sie an solchen Verrat glaubten, Herr von Wellmer." „Sie war dem Tode nahe durch meine und Ihre Schuld, Frau Blant," sprach der Ange redete düster. „Hat Ihnen Ihr Gewissen nicht Vorwürfe gemacht? Konnten Sie mir nicht eher Aufklärung geben?" „Niemals hätte ich dies gethan," rief fie leidenschaftlich. „Ich gönnte Sie dem Tugend spiegel von Mädchen nicht! Es war ver messen von Lisa, die Augen zu Ihnen zu er heben!" Sie warf fich in einen Sessel und schluchzte bitterlich. Rauh berührte er ihre Schulter: „Frau Braunau und ich verzichten Ihrer Theodor Fontane, der greise Sänger und Schildere! der Mark Brandenburg, der Meister in der Kunst jener Erzählung, die darstellen will, wie die Menschen handeln, denken und sprechen, ist am Dienstag abend in Berlin plötzlich verstorben. Ein Herz schlag hat den nahezu Neunundsicbzigjährigen getroffen, schmerzlos ist er aus dem Leben ge schieden, in dem ihm Schaffensfreude bis zur Neige zu teil geworden ist. Theodor Fontane wurde am 30. Dezeniber 1819 in Neu-Ruppin geboren; der Vater war Apotheker und für den gleichen Beruf bereitete sich der Sohn vor und gelangte auch in die Praxis, der ihn aber bald litterarische Neigungen entführten. Seine Thätig- keit als Schriftsteller war schon in den vierziger Iahen eine vielseitige, er dichtete, schrieb Kritiken und lieferte Neiseschilderungen. Am meisten zog ihn die Mark an, er wußte wie kein anderer, die Reize ihrer Seen, Wälder, Burgen und Edelsitze zu finden und zu schildern; man kann sagen, daß er litterarisch der Kolumbus dieser Landschaft gewesen ist. Von 1860—70 war Fontane in der Redaktion der.Kreuzztg.' als Feuilletonist und Theaterkritiker thätig; 1870 schloß er sich als Berichterstatter dem Heere an, geriet aber an der Loire in die Hände der Franzosen und wurde nach der Insel Oleron gebracht; erst nach einigen Monaten erhielt er die Freiheit. Nack dem Kriege war er fast zwanzig Jahre für die ,Vossische Zeitung' thätig; in seinen Händen lag namentlich die Kritik des königlichen Schauspielhauses. In den Tagen des Alters entwickelte er eine große dichterische Fruchtbarkeit, namentlich im Roman. Er hatte auf diesem Gebiet als Schüler von Willibald Alexis begonnen, er erwuchs im Laufe eines Jahrzehnts zum eigentlichen Schöpfer des „Ber liner Romans", der getreuen und darum realistischen Schilderung des gesellschaftlichen hatte, anscheinend in einem Anfalle von Geistes störung, den Entschluß gefaßt, seine Frau und seine zwei Kinder ums Leben zu bringen. Auf seine Frau feuerte er einen Revolverschuß ab, der glücklicherweise fehlging, worauf diese sich mit dem älteren Kinde flüchtete. Der Mann ergriff hierauf einen Schusterhammer und zer trümmerte damit dem anderen zweijährigen Kinde den Schädel, so daß das arme Kind bald seinen Geist aufgab. Dann versuchte Dienert, fich selbst zu erhängen, woran er jedoch gehindert wurde. Mittwoch Morgen fand die Polizei in der Wohnung einen Brief, aus dem hervorging, daß B. auch dem ersten Staatsanwalt Haarmann und dem Polizei-Inspektor Blavert nach dem Leben trachtete, weil diese ihn angeblich aus seiner Stellung gedrängt hätten. Aachen. In dem Stationsamtszimmer des hiesigen Jülicher Eisenbahnhofes wurde in der Nacht zum Mittwoch die Stationskasse erbrochen und ihres gesamten Inhalts beraubt. Der Be ttag des entwendete!, Geldes wird durch die stattfindende Kassenrevision und durch die ge richtliche Untersuchung festgestellt werden. Die Thäter haben noch nicht ermittelt werden können. Andernach. Ein Familiendrama spielte sich in dem Rheinorte Leutesdorf ab. Ein von seiner Frau getrennt lebender Mann kehrte dieser Tage hierher zurück und gab auf seine Frau drei Revolverschüsse ab, von denen einer das Rück grat verletzte. Dann lief er nach dem Rhein, feuerte eine Revolverkugel gegen seinen Kopf und stürzte in den Strom. Der Mann hinter läßt zwei kleine Kinder. Westhofen. Wohlthätig ist des Feuers Macht; aber hier bei uns wird es dennoch in den Straßen nicht einmal an der Zigarre ge litten. Wer hier mit einer brennenden Zigarre über die Straße geht, bekommt ein Stafmandat über drei Mark. Das ist noch eine Einrichtung aus der guten alten Zeit, wird aber wohl in nächster Zeit die Stichprobe, ob sie im jetzigen Zeitalter noch Berechtigung hat, vor Gericht be stehen müssen. Zwei Herren haben nämlich in einer Straße geraucht, sind angezeigt worden und wollen gerichtliche Entscheidung beantragen. Esten. Mittwoch abend ereignete sich auf dem Hauptbahnhof ein bedauerlicher Unfall. Der erste Wagen eines Zechenzuges, der mit Röhrenkesseln beladen war, geriet aus bisher unbekannter Ursache aus dem Geleise und riß noch einige folgende Wagen nach sich. Ein aus Steele gebürtiger Bremser, der im Brems häuschen des ersten entgleisten Wagens saß, versuchte fich durch einen Sprung in Sicherheit zu bringen, geriet aber dabei zwischen den ent gleisten und den im Nebengeleise stehenden Wagen und wurde auf der Stelle zermalmt. Auch der Materialschaden an zertrümmerten Wagen und aufgerissenen Schienen dürfte be deutend sein. Pasta«. Major Frhr. v. Pechmann, der eben mit dem 16. Infanterie-Regiment aus dem Manövergelände zurückgekehrt war, wurde kurz darauf, auf einer Bank sitzend, an der Jnn- promenade tot aufgefunden. Der Major dürfte sich unwohl gefühlt und auf der Bank Platz genommen haben, wo er vom Schlage getroffen wurde. Wien. Der in Berliner Sportkreisen sehr bekannte Jockei James Taylor, der auch dort mehrfach in unliebsamer Weise mit den Gerichten in Berührung gekommen war und s. Z. in einem großen Sensationsprozesse eine bedenkliche Rolle spielte, ist hier als Taschendieb verhaftet worden. Er zählte zu den 20 Langfingern, welche der Wiener Polizei in die Hände fielen, als sie das Gedränge bei den Leichenfeierlichkeiten für die ermordete Kaiserin Elisabeth zu Raubzügen aus nützen wollten. Taylor, der 42 Jahre alt, in Montreal in Kanada geboren und nach New Jork zuständig sein will, scheint gleichzeitig mit mehreren anderen Verhafteten einer internationalen Diebes- und Hochstaplerbande anzugehören. Budapest. Jni Grauer Komitat befinden fich zur Zeit zahlreiche italienische Arbeiter. Die Polizei glaubt, daß unter denselben ein anarchistisches Koniplott bestehe, dessen Ziel die Ermordung von Staatsoberhäuptern sei. Es werden weitestgehende Ermittelungen angestellt. Lille. Durch fünf Revolverschüsse wurde am Mittwoch mittag ein Hauptwanst, namens Delable, auf der Straße von einem gut gekleideten jungen Menschen verwundet. Der Angreifer ist der 24 Jahre alte Tischlerge selle Wadin, ein exaltierter, Übel beleumundeter Mensch. Mailand. In Aquila wurde der Kassierer Vie hatte dm Friedhof verlassen und war den schmalen Pfad gegangen, der mm Hügel hinaufführt«. Ermüdet ließ fie fich auf der Rasenbank unter dem Nußbaum nieder: fie betrat -um ersten Male den Platz fett jenem unvergeßlichen Abend, da Wellner hier mit ihr gesprochen. Der Frühling hatte diese» Fleckchen Erd« überaus lieblich geschmückt. Die prächtige Wiese, als Ihr Eigentum bezeichnete. Wie die Dame dem Wachmann bekanntgab, sei ihr der Vogel vor zwei Monaten entflohen, und fie habe den im Besitz LoberS befindlichen Pavagei bestimmt als den ihrigen erkannt. Der Bogel wurde in polizeilichen Gewahrsam genommen, und mit Rücksicht auf daS der Pflege bedürftige vorpu, äoUott stellte die Polizei an den Vertreter der Staatsanwaltschaft daS Ersuchen, raschestenS die Verhandlung anzuordnen. Der Angeklagte stellte entschieden m Abrede, den Vogel gestohlen zu haben, er sei bereits ein Jahr in seinem Besitz. Richter: „Was spricht er?" — Angell.: „Frau, gib Zucker" oder „Papa, hol' den Doktor," und was sonst noch ein Papagei spricht. Der Angeklagte erzählt weiter, er sei mit seiner Frau, der er den Vogel zur Zerstreuung gekauft habe, vor einem Monat nach Wien ms Spital ge fahren ; vorgestern sei diese gestorben. Er beruft sich auf zwei Zeugen, die den Vogel schon früher gesehen haben, und diese bestätigen auch seine Angabe. Der Zeuge Oskar Ulmann gab jedoch im Namen seiner Mutter an. daß dieser Vogel seit 18 Jahren im Besitze der Familie sei. — Richter: Was spricht er? — Zeuge: Er ruft alle Kinder mit Namen, schreit „Du Lump, du!" oder „Coco hat Hunger, Coco will Kaffee!" — Richter: Ich werde den Vogel bringen lassen, und wir werden sehen, ob er mit Ihnen spricht. Der herbeigeschaffte Papagei wird nun von dem Zeugen Ulmann ausgefordert, das „Pratzerl" zu geben, schickt fich jedoch an, in die Hand des Zeugen zu hacken. — Zeuge: Coco, willst du Zucker? — Der Papagei ant wortet mit einem unverständlichen Laut. — Zeuge: Ja, er ist uns schon entwöhnt. — Richter: Wenn Sie ihn achtzehn Jahre haben, dann ist dies nicht gut möglich. (Zum Ange klagten) : Sprechen Sie jetzt mit dem Vogel. — Angell.: Lora, soll ich den Viktor holen? — Der Papagei: Ja. — Angell.: Lora, willst du zur Frau gehen? — Der Papagei: Ja. — Angell.: Lora, gib mir einen Kuß. — Der Papagei thut es. — Richter (zum Zeugen Ulmann): Es scheint doch ein Irrtum vorzu liegen. Der Mann wollte den Vogel nur ver kaufen, weil seine Frau vorgestern gestorben ist. Der Richter sprach nun den Angeklagten frei. In der Begründung heißt es, auch aus dem Benehmen des Vogels gehe hervor, daß er seit langem Eigentum Lobers gewesen sei.
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