Suche löschen...
Auerthal-Zeitung : 03.04.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189804035
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18980403
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18980403
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-04
- Tag 1898-04-03
-
Monat
1898-04
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 03.04.1898
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Tagesbefehl des preuß. Ministers des Innern über die Aufgaben der Polizei. Den Polizei-Exekutiv-Beamten, welche der am 1. April d. ins Leben tretenden könig lichen Polizei-Direktion in Kiel überwiesen worden sind, wurde durch den zum Leiter der dortigen königlichen Polizei-Direktion bestimmten Landrat v. Puttkamer folgender Tagesbefehl des Henn Ministers des Innern beim Appell be kannt gemacht: Am 1. April d. Js. wird die bisherige städtische Polizei-Verwaltung zu Kiel in die Hände deS Staats übergehen. Das Jnsleben« treten der neuen Behörde gibt mir Veranlassung, auf diejenigen wichtigeren Gesichtspunkte hinzu weisen, welche ich von den bei derselben ange stellten Beamten, insbesondere denjenigen des Außendienstes, in ihrem dienstlichen Verhalten beachtet zu wissen wünsche. Die Polizei hat die Aufgabe, für die Auf rechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung Sorge zu tragen; hierin ist zu gleich ihre Verpflichtung eingeschlossen, dem Publikum im allgemeinen, wie dem einzelnen im besonderen Schutz angedeihen zu lassen, so fern und soweit ein solcher polizeilicherseits ge währt werden kann. Bei Erfüllung der ihnen hiernach zufallenden Obliegenheiten werden die Beamten jederzeit mit Ernst, Festigkeit und Ent schiedenheit aufzutreten, in gleichem Maße aber auch Ruhe und Besonnenheit zu bewahren haben. Zwangsmaßregeln find nur anzuwenden, soweit dies die Umstände des Falles erforderlich machen. Jede unnötige Härte und Schroffheit ist hierbei, wie überhaupt bei der Ausführung dienstlicher Verrichtungen zu vermeiden. Ebenso haben sich die Polizeibeamten jedes durch die Sachlage nicht gebotenen Einschreitens zu enthalten, vor kleinlicher Verfolgung und Chikane sich zu hüten und ihren Ehrgeiz nicht darin zu suchen, durch möglichst viele Anzeigen von Ueber- tretungen ihren Diensteifer bethätigen zu wollen; vielmehr werden sie durch Belehrung und Warnung dahin zu wirken haben, daß Ueber« tretungen der polizeilichen Verordnungen nach Möglichkeit vermieden werden. Im Verkehr mit dem Publikum haben die Beamten sich eines höflichen und zuvorkommen- _ i befleißigen; insbesondere werden die Posten und Patrouillen auf den Straßen die von ihnen erbetene Auskunft bereitwilligst zu erteilen und an sie gerichteten Gesuchen, so weit dies ohne Beeinträchtigung anderweiter dienstlicher Interessen irgend angängig ist, nach- zuges abgestürzt ist auf der Ostbahnstrecke in der Nähe von Loppow ein etwa dreijähriger Knabe aus Berlin, der in Begleitung seiner Mutter in der Neumark wohnende Verwandte besuchen wollte. Nachdem durch Anziehen der Karpenterbremse der Zug sofort zum Halten ge bracht worden war, eiuen der Zugführer und der Schaffner mit der zu Tode erschrockenen .Mutter zur Unfallstelle zurüL wo sie das Kind völlig unversehrt auf dem Nebengeleise liegend auffanden. Emden. Der Magistrat erläßt folgende Bekanntmachung: „In hiesiger Stadt find fett einiger Zett kleine amerikanische Schinken — sog. Picknickschinken — in den Handel gebracht worden, die nach sachverständigem Gutachten «ine bedeutende Menge Borsäure enthalten. Da die Borsäure nach ärztlichem Gutachten als ein Gift wim, dessen Genuß schon in kleinen Mengen die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist, so nehmen wir Veranlassung, vor dem Ge nüsse solcher Schinken hiermit zu warnen." H Arnsberg. Einen schweren Verlust hat ein Gvldwarenreisender auf der Fahrt von Arnsberg nach Menden erlitten; es find ihm nämlich drei Musterkoffer im Werte von 120 000 Mark ab handen gekommen. Die angestellten Nach forschungen üb«r den Verbleib der Koffer waren erfolglos. Suhl. Der Arbeiter Hermann Müller hat seinen Bruder Eduard im Streite mit der Axt erschlagen. Der Mutter, die den Streik schlichten wollte, versetzte Müller ebenfalls einen Hieb über den Kopf, der aber glücklicherweise nicht lebensgefährlich ist. Der Mörder stellte sich selbst der Polizei. Paris. Der Pariser Stadtrat hat eine Summe von 40 000 Frank ausgeworfen für einen pomphaften Umzug durch Paris, der 21 Bilder aus der Geschichte der französischen Ho"ptstadt darstellen und am 14. Juli stattfinden soll. An der Spitze wird ein junges Weib schreiten, in der Hand die Fahne in den National- färben, gefolgt von den ersten barbarischen Be wohnern der allen Lutetia. Die zweite Gruppe zeigt dann die römische Zell. Cäsar auf gold gezäumten Pferde, von jubelnden, römischen Soldaten begleitet, erscheint in der Seinestadt. Und so geht es in der geschichtlichen Entwickelung fort: ein Bild reiht sich an das andere, eines immer farbenprächtiger und vollendeter als das andere. Die Jungfrau von Orleans kommt auf dem Zelter dahergeritten, die Hugenotten mit dem Herzog von Guise, die französische Revo lution, Szenen aus der Belagerung von Paris während des deutsch-franzöfischenKrieges werden sich anschließen. Das letzte Bild stellt eine Ver herrlichung der französischen Poesie dar: Victor .Hugo, umgeben von Lamartine und Balzac. Den Schluß des Zuges bilden französische Waffen und Schiffe aus den verschiedenen Jahr hunderten und 17 Jungfrauen zu Pferde in lilienbestickten Kleidern, die Mauerkrone von Paris auf dem Haupte. — Der ,Voss. Zeitung' wird über das furchtbare Verbrechen in Nassandres gemeldet: Der 35jährige Landstreicher Caillard erschoß aus einem Garten durchs Fenster den Werkführer einer Zuckerfabrik Leblond, der in seinem Zimmer am Familientisch saß und seine Zeitung las, und seine neben ihm fitzende Frau, hierauf den neun- und den siebenjährigen Sohn des Ehepaares, die auf das Knallen der Schüsse ins Zimmer stürzten. Dann drang Caillard ins Haus, schnitt dem ihm entgegenkommenden vier jährigen Töchterchen der Ermordeten den Hals ab, schoß der zu Bette gegangenen Mutter der Frau Leblond eine Revolverkugel in den Kopf, stahl einige Franken und verließ nach dem sechsfachen Raubmord ruhig das HauS. Er wurde in Lifieux, wohin er mit der Bahn fahren war, verhaftet. Nizza. Selbstmorde find wegen Monte Carlos an der Riviera so häufig, daß man von ihnen nur selten Notiz nimmt, besonders wenn es sich um einen Spieler handelt. Aber ein Selbstmorddrama, das sich im Hotel Windsor abspielte, ha: doch die ganze Stadt mit Ent setzen erfüllt. Ein englischer Herr, Mr. Stuart, der sich mit seinem Bruder und einer Kranken wärterin aus Gesundheitsrücksichten in Nizza Peking. In Peking hat «an sich jetzt auch für den Bau einer elektrischen Straßenbahn ent- schloffen. Diese Thatsache ist für unS Deutsche um so erfreulicher, als eine Firma unserer heimischen Industrie, die Aktiengesellschaft Siemens und Halske in Berlin beauftragt ist, hier den ersten Schritt zur Einführung deS elektrischen Bahnbetriebes zu unternehmen. Siner der Vororte der chinesischen Hauptstadt Peking ist Ma-chta-pu. Hier endigt z. Z. die von der Hafenstadt Tientsin in das Innere deS Lande» neu mneingeführte Eisenbahn. Die geplante elektrische Straßenbahn soll nun den Verkehr -wischen Ma-chta-pu und Peking Herstellen. Vorerst verkehren auf der Dampfeisenbahn in beiden Richtungen nur je zwei Züge. Die elek trische Bahn ist zunächst für nicht große Leistun gen in Aussicht genommen. Doch ist eS zweifellos, daß eine beträchtliche Verkehrssteigerung bald eintreten wird, sobald sich die Bevölkerung wie in anderen Ländern an das neue Betriebs mittel gewöhnt und dessen Annehmlichkeiten näher kennen gelernt hat. Gericht-Halle. Posim. Die Strafkammer des hiesigen Land gerichts verurteilte den Hilfsweichensteller Kluck wegen Majestätsbeleidigung zu 3 Monat Gefängnis. Mir«. Der wegen Ausschreitungen bei Räu mung des Abgeordnetenhauses in der letzten Session zu 14 Tagen Arrest verurteilte Wachmann Glaß wurde vom Berufungssenat freigesprochen. Das Urteil begründet, daß Glaß gewaltsam handeln mußte, um angesichts eines ergangenen Befehls nicht unthätig zu erscheinen. aufhielt, wurde während des SssenL von eine» Magenkramvf befallen. Der Bruder wollte einen Arzt herbeiholen und ließ den Kranken mit der Wärterin allein. Mr. Stuart eilte zum Fenster, um sich auf die Straße hinauszustürzen. Di« Wärterin hielt ibn fest und schrie um Hilfe, wurde aber von dem Kranken überwältigt. In dem Augenblick, da er zum Fenster hinaus- springen wollte, kam der Besitzer deS Hotels herbei und faßte den Selbstmörder am Arme. Mr. Stuart sprang trotzdem ab und hing nun, drei Stockwerke hoch, an der Hand deS Hotel» befitzerS. Zwischen beiden entspann sich ein grausiger Kampf. Mr. Stuart hatte eine Gabel in der Hand, mit der er seinem Retter Stich über Stich in den Arm versetzte. Bom Zimmer aus bemühten sich andere Personen vergeblich, dem Hotelbesitzer zu Hilfe zu kommen. Aus der Straße sammelte sich eine schreiende Menge. Auch der Bruder des Selbstmörders mußte das entsetzliche Schauspiel von unten auS mit an sehen. Schließlich erschöpfte sich die Kraft des Hotelbesitzers. Mr. Stuart stürzte auf das Stratzenpflaster und zerschmetterte sich Schädel und Rückgrat. Er war auf der Stelle tot. — Dieser Tage wurden die zwölf Pferde der Prinzessin Louise von Koburg versteigert. Der Erlös reichte hin, um die Schulden zu be zahlen, die von der Prinzessin bei ihrer plötz lichen Abreise nicht beglichen worden waren, und dem Dienstpersonal der Villa „Paradiso" die Rückkehr nach Wien -u ermöglichen. Prinz Philipp von Koburg, der Gemahl der Prin zessin Louise, hatte sich geweigert, den Gläubigern und der Dienerschaft seiner Frau auch nur einen Centime zu zahlen. In Nizza spricht man von der Prinzessin Reißaus, wie sie der Volkswitz getauft hat, mit großer Nachsicht, da sie sich an der Riviera viele Sympathien erworben hatte. Es ist bekannt, daß ihr Gemahl, der über ein Vermögen von mehr als 100 Millionen Frank verfügt, sie recht knapp hielt, so daß sie zu ihrem Lebensunterhalt im wesentlichen auf die Rente angewiesen war, die sie von ihrem Vater, dem König der Belgier, erhielt. Die Prinzessin Louise zählt 40 Jahre und hat einen Sohn von 20 und eine Tochter von 16 Jahren. Sie ist eine hohe, stattliche Dame von üppiger Schönheit. London. Prinzessin Louise von Sachsen- Koburg-Gotha hat sich mit dem österreichischen Oberstleutnant Natacius-Keglevich von Paris nach London begeben, ohne daß eS ihr gelungen ist, die beabsichtigte Geldanleihe aufzunehmen. Für den Leutnant Keglevtch wurde es Zeit, den französischen Boden zu verlassen, da er wegen des mit dem Namen des österreichischen Bot schaftssekretärs Grafen Berchtold getriebenen Mißbrauchs sich nach französischem Gesetze der Gefahr der Verhaftung ausgesetzt und, an die österreichische Grenze befördert, dort vie Ver haftung wegen Urlaubsüberschreitung zu er warten hatte. Die Prinzessin war in einem Privathause in den ChampS-ElyseeS abgestiegen. Ihre Abreise nach London erfolgte, ehe es dem belgischen Gesandten Grafen d'Anethan gelungen war, die Aufträge der Eltern der Prinzessin, des Königs und der Königin der Belgier, an sie auszurichten. In London soll sich die Prinzessin am Freitag nach Amerika eingeschifft haben. Sie soll über das Scheitern ihrer An- leihepläne sehr enttäuscht gewesen sein, da sie als Tochter des Königs Leopold auf einen größeren Kredit gerechnet hatte. Charkow. Die hiesige Polizei sucht einen gewissen Adam Kruschinski, 28 Jahre alt, der in kurzer Zeit sich mit sechs Frauen hat trauen lassen und unter Mtnahme der Mitgift ver schwunden ist. Erkennungszeichen: „Netter Mensch", hoher Wuchs, feine Manieren, sympa thische Stimme, singt Romanzen und Arien. — Dieser Herzenbethörer hat, von Kleinigkeiten ganz zu schweigen, einer Juwelierswitwe Dia mantschmuck im Werte von. mehr als 25 000 Rubel abgeschwindelt und einem ältlichen Fräulein von 57 Jahren, dem er seine Hand und seinen Namen gab, mehr als 70000 Rubel abgenommen, . Er muß also wirklich verstanden haben, sich sehr .den Tones zu »nett" zu machen. New York. Musikdirektor Anton Seidl, der bekannte Wagner-Dirigent, ist an einer Blut vergiftung, die er sich durch Fischgenuß zuge zogen hatte, am Montag gestorben. zukommen haben. Verunglückten, Mosen und gebrechlichen Personen ist jeder thunliche Bei stand zu leisten, wie auch im Falle augenblick licher Not und Gefahr zum Schutze deS Publi kums oder der einzelnen nichts zu unterlassen ist, was zur Abwendung oder Beseitigung der Gefahr geschehen kann. Nur bet Befolgung dieser Grundsätze wird in erwünschter Weise er reicht werden, daß auch dar Publikum in vor kommenden Fällen den Organen deS Exekutiv« dienfteS seine HUfe nicht versagt. Mit beson derer Vorsicht iß zu verfahren, wenn eS sich um Sistierungen oder Verhaftungen, für welche nicht bereits ein bestimmter Befehl vorliegt, handelt. Der Beamte wird sich hierbei gegenwärtig ßu halten haben, ob die von ihm zu ergreifende Maßnahme in den thatsächlichen Umständen auch ihre Begründung findet, und infolgedessen nur dann zur Sistierung schreiten dürfen, wenn aus reichende, thatsächltche Anhaltspunkte hierzu nötigen. ES muß die Forderung erhoben wer den, daß die Beamten sich zu diesem Behufe den erforderlichen Takt und einen sicheren Blick anzueignen suchen, damtt Mißgriffe, die seiner und der übrigen Beamten Autorität Eintrag zu thun geeignet sein könnten, vermieden werden. Ist die Sistierung geboten, so ist bei der Aus führung derselben in jedem Falle mit möglichster Schonung des Sistierten zu verfahren. Ich spreche die bestimmte Erwartung auS, daß die Beamten der neuen Polizei-Direktion zu Kiel in unverbrüchlicher Treue gegen Se. Majestät den Kaiser und König im schuldigen Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten sich die genaue Beachtung dieser Weisungen angelegen sein lassen und sich durch ihre gesamte Amtsführung dasjenige Ansehen und Vertrauen erwerben werden, ohne welches die gedeihliche Ausübung einer amtlichen Thätig- keit nicht möglich ist. Zu besonderer Pflicht mache ich es ihnen hierbei, sich auch mit den Organen der städtischen Verwaltung in Fühlung zu erhalten und jeder an sie gerichteten Auf forderung derselben zur Unterstützung und Hilfe leistung in entgegenkommender Weise zu ent sprechen. gez. Frhr. v. d. Recke. Kunte» Allerlei. Spiritus-Glühlicht. Aus den Kreisen der Interessenten, welche die Verwertung von Spiritus als Leuchtmaterial betteiben, ist der Wunsch hervorgetteten, den Leucht-Spiritus mit der Post versenden zu dürfen. Ebenso ist es der Wunsch dieser Interessenten, daß die Zusätze zum Spiritus, welche demselben seine Leuchtkraft verleihen, gleichzeitig als Denaturierungsmittel gellen dürfen. Hierdurch würde eine wesentliche Verbilligung des Leucht-Spiritus herbeigeführt werden. Zwei Ordensanekdoten von Bismarck erzählt Dr. Max Oberbreyer, der Herausgeber des Ordensbüchleins, wie folgt: Als Bundes tagsgesandter wohnte Bismarck 1854 einer Parade bei München bei, wo auch ein öfter- - reichischer General zugegen war. Bismarck trug . auf seiner Leutnantsuniform alle ihm wegen seiner Stellung auS Höflichkeit von den Fürsten der Bundesstaaten verliehenen Orden. Ironisch fragte die österreichische Exzellenz den Leutuant- Gesandten: „Schaun's die vielen Orden! Alle vorm Feinde erworben?" ... „Jawohl," war Bismarcks schlagfertige Antwort, „alle vorm Feinde, in Frankfurt am Main!" — Einst sprach Bismarck im Freundeskreise von Ordensver leihungen und erzählte dabei, daß sein erster Orden die Rettungsmedaille gewesen sei, dann aber hätten sich die Adler gesammelt. Kriegs minister v. Roon, nicht selten witzig, knüpfte daran die etwas boshafte Frage: „Ist das im biblischen Sinne zu verstehen?" ... Eine An spielung auf Matthäi 24,28: „Wo aber ein Aas ist, da sammeln sich die Adler" ... Ein opulente? bisenbahnzug, der in ganz Europa an Luxus und Komfort seines gleichen sucht, wird, dem ,Garashdaniw zufolge, zweimal im Monat auf der Moskau-Tomsker Eisenbahn verkehren. Im Zuge befinden sich außer den Schlafwaggons eine Wannenvor richtung, eine Vorrichtung für gymnastisches Turnen, eine Bibliothek, ein Speisezimmer, ein Eiskeller und ein Weinbüffett. Die Beleuchtung ist elektrisch. ».»7. <»>« Heimat", kam es mit einem Auflug von Spott über seine Lippen. Unwillkürlich öffnete er daS Paket, es enthielt Briefe von veralteter Form nnd Schreibweise. Mit verfinstertem Geflchtsausdruck langte er' nach einem weiteren, nur lose zusammcn- gesalteten Paket. Mit stockendem Murmeln las er: „Letzter Wunsch und Wille Johann Wolfgang Leopolds, gerichtet an seinen Sohn Christian Gotthold Leuthold, genannt Brown. Mein Sohn l Wenn Du diese Zeilen lesen wirst, bin ich nicht mehr, möge mein Geist Dich umwehen, daß Du meinen letzten Wunsch und Willen ehrst. Schwerwiegende Gründe bewogen mich, nach meiner Auswanderung aus dem Heimat lande meinen Vaternamen abzulcgen und den Familiennamen Deiner Mutter anzunehmen. Um allen Nachforschungen aus Deutschland zu entgehen, vertauschte ich später das deutsche Braun mit Brown, auf welchen letzteren Namen Du auch getauft wurdest. — Umgebung und Erziehnn, sollten einen eckten Amerikaner auS Dir machen. Der Urwald war Deine nächste Umgebung: Amerika wurde Deine Heimat, die meine aber blieb im Herzen Deutschlands. Ich krankte vom blühendstcn ManneLalter bis in die späteste Zeil an diesem unsagbar schmerzlichen Gefühl. Auch mein Weib siechte an diesem Ge fühl und wenn wir am Tage im Schweiße uw eres Angesichts unser Brot gegessen, abends ermüdet unser karges Lager anssnchten, netzten oft Thräncn die stille Nachtbitte um ein Zurück führen in das alte Vaterland. Unsere Arbeit stützte mit der Zeit Gottes Gegen. AuS dem Blockhaus wurde eine An siedelung, aus der Ansiedelung durch vielfachen Zuzug eine große, blühende, verkehrsreiche Stadt. Ich stzwst wurde zu allen Ehrenämtern berufen. Amerika hat mir Reichtum, Achtung, Wohlleben verschafft — undankbar wäre, ich, würde ich das nicht zugestehen — doch Frieden und inneres Glück nimmermehr, denkt der Fluch 'Liner schlechten Handlung verfolgte uns und wird es thun bis an unsern Lebensabend. Nun vernimm, mein Sohn, die Schuld, die mich so sehr bedrückt. Ich bin aus Sachsen gebürtig und war schon frühzeitig darauf angewiesen meine eigene Kraft zu erproben; das kleine, reizvoll an der Elbe gelegene Landgütchen meines. Vaters ging auf den ältesten Sohn über; und für mich blieb nur eine Summe, groß genug, um ein Geschäft zu erlernen — ich wurde Kaufmann. Mein Sinn stand in die weite Welt, doch mein Herz war an die Heimat gcfessellt — liebte ich doch ein holdes, schönes Mädchen, die Tochter unseres nächsten Gütsnachbarn, mit dem meine Ange hörigen in inniger Freundschaft verbunden waren. Martha — so hieß das Mädchen — erwiderte meine Neigung und wir verlobten unS mit dem Versprechen ewiger Treue. Eine Welt voll Seligkeit und Hoffnung im Herzen tragend, trat ich in einen Wirkungskreis, der mich für Jahre von der Heimat trennte. Ein Jahr nach meiner Abreise starben meine Eltem rasch nacheinander und mein Bruder übernahm das Anwesen. Anfang» schrieb er mir häufig und herzlich, später wurden seine Briefe seltener und merklich kühler. Mißliche Verhältnisse aller Art wirkten zusammen, so daß ich nach dreijähriger Abwesenheit den Entschluß faßte, in die Heimat zurückzukehren. Mein Bruder hatte mir seit zwei Jahren nicht mehr geschrieben und auch Martha seit langer Zeit auf all' meine Briefe keine Antwort gegeben — noch immer hoffte ich das beste. Ich war ihr treu geblieben," las Mister Brown Wetter, „hatte emsig gearbeitet, gedarbt und ängstlich gespart, um in den Besitz einer größeren Summe zu gelangen, um das Mäd chen meines Herzens heimführen zu können. Es kam anders, als ich ersehnt, erstrebt. Das Anwesen meines Bruders war durch Miß ernten heruntergekommen und stark verschuldet, meine so treu geliebte Braut fand ich als seine Frau. Dem Drängen ihrer Eltem und seinem heißen, ungestümen Werben nachgebend, hatte sie mir ihr Wort gebro hen und war meinem Bruder zum Altar gefolgt. Mein Herz war von Bitterkeit erfüllt, doch als ich ihren Kummer, ihr leidendes, sorgenvolles Antlitz sah, unter drückte ich die Verwünschung, die auf meine Lippen sich gedrängt, gab ihnen all' mein Hab und Gut, um dem Verfall zu steuem, und ging aufs neue hinaus, einer dunkeln, ungewissen Zukunft entgegen. In Dresden fand ich gute Stellung, allein kaum war ich einigermaßen zur Ruhe gelangt, als ich einen Brief von MartyaS Hand erhielt, der mir ihr ganzes Unglück schilderte. Mein Bruder war durch da» Mißgeschick gleichgültig und unthätig geworden und hatte sich dem Trunk ergeben. Die Wirtschaft ganz verkommen lassend, setzte er den ruhigen Vorstellungen seiner Gattin die roheste Behandlung entgegen. Ihre Eltern hatten sich des erst vor kurzem geborenen Kindes angenommen. Um einem Weiterleben mit dem Verhaßten zu entgehen, schrieb sie, bleibe ihr weiter nichts übrig, als ihr trauriges Dasein zu bendigen. Die unwürdige Behandlung, die mein Bruder dem Mädchen meiner Liebe widerfahren ließ, er weckte mein Mitleid und dieses Gefühl steigerte sich zur alten Liebe; ich schrieb ihr und bot ihr meine Hilfe an. Sie antwortete wieder und wieder und allmählich sprach der alte vertrau liche Ton aus unsern anfangs nur freundschaft lich beratenden Briefen. Meine ehrliche Natur sträubte sich gegen diesen Betrug; was konnte, was durfte mir das Weib meines Bruders sein, welcher der Vater ihres Kindes war? Indes durch tausend täuschende Scheingründe brachte ich mein Ehrgefühl zum Schweigen. Noch immer standen wir uns fern, noch immer lag die Un treue nur in Gedanken. Da eines Abends kam sie zu mir nach Dresden gereist — bleich, verhärmt, ein Schatten ihres früheren JchS. Durch den leichtsinnigen Lebenswandel meines Bruders war das Gut unter den Hammer gekommen, er hatte sie und sich erschießen wollen. Bei Nacht und Nebel war Martha dem grausamen Familienzwist ent flohen und flehte nun auf den Knieen um meine HUfe. Ich liebte sie noch immer und zog sie an mein Herz. Die Hälfte meiner geringen Ersparnisse de» letzten Jahres sandte ich an meinen Bruder, mit der andern Hälfte reiste ich mit Martha nach Hamburg ab, von dort nach Amerika, wo wir nn» zivilrechtlich verbanden. S» i» (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)