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Auerthal-Zeitung : 02.02.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189802022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18980202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18980202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-02
- Tag 1898-02-02
-
Monat
1898-02
-
Jahr
1898
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 02.02.1898
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D.littfchr »»»dfch««. Leutschl««». »Ueber die Feier des GeburtstageS des Kaisers Wilhelm liegen zahlreiche Berichte auS allen Orten Deutschland» vor; au» dem AuSlande find Meldungen darüber einge laufen auS Bern, Rom, Paris, London, Peters burg, Moskau, Bukarest, Belgrad, Konstantinopel, sowie aus vielen überseeischen Orten. »Der Kaiser hat bestimmt, daß das neuerworbene Kiaotschau-Gebiet der Marineverwaltung zu unterstellen ist. »Der deutsche Botschafter in Madrid, Herr v. Radowitz, erwähnte in seinem Trintspruch bei der Kaiser-Geburtstagsfeier, daß er auS eigener Wissenschaft und ohne ein Geheimnis zu verraten, sagen dürfe, die Besitz-Er greifung in China sei auf des Kaiser » eigenste Initiative -urückzuführen. »Die Uebereinkunft -wischen dem Reiche und Großbritannien über den gegenseiti gen Schutz der Rechte an Werken derLitte- ratur und Kunst ist, nachdem sie in Groß britannien die staatsrechtliche Wirksamkeit ver loren hat, auch deutscherseits außer Kraft gesetzt worden. Dasselbe ist der Fall mit den Vertrügen zwischen Preußen und Groß britannien über den Schutz der Autorenrechte gegen Nachdruck und unbefugte Nachbildung. »Das neue Programm der masuri schen Volkspartei enthüll, wie auS Lyck berichtet wird, 14 Punkte. Unter den wirtschaft lichen Forderungen befindet sich auch ein An trag auf Aufhebung der Majorate und ein anderer auf Parzellierung der Domünen, die an Bauern verpachtet werden sollen. Andere Punkte fordern gerechtere Verteilung der Schullasten rc. Außerdem fordern die Masuren Erhaltung der Muttersprache. Schutz der Vereins- und Versammlungsfreiheit, direkte geheime Wahlen zum Landtag» Diüten für die Reichstags abgeordneten u. s. w. »Einer Meldung aus Kamerun zufolge ist dort am 23. Dezember King Bell ge storben. („König" Bell war einer der Duallahüuptlinge, von denen die Hamburger im Jahre 1884 durch Vertrag die Hoheitsrechte über Kamerun erwarben, die sie dann an das Deutsche Reich abtraten. Der andere Häuptling war King Akra.) Oesterreich-Ungarn. »In Oesterreich scheint die Erklärung de» Dr. Ebenhoch und die Wahrscheinlichkeit der Sprengung der bisherigen Mehrheit des Reichsrats auf die Tschechen erstarrend gewirkt Ml haben. AuS dem „goldnen Prag» hört man keine neuen frischen und fröhlichen Bubenstreiche gegen die Deutschen, und die Lage scheint sich so gebessert zu haben, daß man den Wieder besuch der deutschen Vorlesungen empfehlen zu dürfen glaubt. Das Rektorat deS Polytechnikums forderte die Studentenschaft in einer Kund machung auf, eingedenk ihrer Pflichten und Interessen am Montag vollzählich in den Hör- sülen zu erscheinen. * Der niederösterreichischeLand- tag nahm nach längerer Debatte einstimmig den Dringlichkeitsantrag Scheicher an, welcher die Regierung auffordert, die Sprach en - Verordnungen sofort aufzuheben, und die Ueberzeugung ausspricht, daß die Sprachenfrage auf gesetzlichem Wege nur im Reichsrate gelöst werden könne; zugleich wurden Zusatz anträge angenommen, welche die Festsetzung der deutschen Sprache als Staatssprache ver langen und den Wunsch nach Wiederherstellung geordneter parlamentarischer Zustünde ausdrücken, damit den sozialen Reformbedürfnissen in jeder Beziehung endlich Rechnungkgetragen werde. Frankreich. »Die steigende Parteinahme der russi schen Presse für Zola ruft in den französischen Regierungskreisen großes Be fremden hervor. Unter den Zuschriften, die Zola bisher zukamen, befinden sich mehrere Hundert, die von russischen Gesellschaften und Vereinen herrühren. — Wie verlautet, hat die österreichische Regierung dem Sekretär der österreichischen Botschaft und dem Militür-Attachö untersagt, vor dem Asstsenhof zu erscheinen und auf den Antrag Zola» dort Zeugnis abzulegen. — Die Prozeßverhandlung gegen Zola beginnt am 7. Februar und wird voraussichtlich drei Tage dauern. Zola hat über 100 Zeugen vor geschlagen. »Oberst Ptcquart dürfte nächsten Mitt woch vor dem Disziplinargerichte er scheinen. General de Saint Germain wird der Lerbandlung präsidieren. Die gegen Picquart erhobenen Anschuldigungen lauten aufIndiS - kretion im Dienste und Mitteilung ge heimer Schriftstücke an den Advokaten LebloiS. »Die Deputlertenkammer nahm am Freitag da» HeereSbudget, sowie einstimmig einen Gesetzentwurf an, durch welchen ein nationaleSAmt für den auswärtigen Handel geschaffen werden soll. Belgien. »Größte» Aufsehen erregt in Belgien eine Ansprache de» Kronprinzen Albert an die Offiziere des Grenadier-Regiments, worin er die Einführung des persönlichen Heer dt e n st e 8 als unabweisltche Notwendigkeit be zeichnete. Schweden-Norwegen. » Das schwedisch - norwegische Unionskomitee hat seine Sitzungen ge schlossen, ohne eine Uebereinstimmung erzielt zu haben. Nnstland. »Rußland bietet jetzt den Chinesen die große Anleihe zu gleichen Bedingungen an wie England. * Im Kommunikations-Ministerium wird auf Grund der zum Abschlüsse gebrachten vorbe reitenden Erhebungen ein Projekt beraten, welches die Herstellung einer für die VerkehrS- verhültnisse außerordentlich wichtigen Wasser straße zwischen dem Schwarzen Meere und der Ostsee mittels einer entsprechenden Regulierung des Dniepr und der Dwina be zweckt. Balkankaaeen. »Zwischen den Kabinetten findet ein leb hafter Notenwechsel statt über die Kandidatur deS Prinzen Georg für denGouVerneur posten von Kreta; die Entscheidung liegt beim Dreibund. * Daß auf der Balkanhalbinsel sich so mancherlei vorfindet, woraus nur zu leicht und rasch eine Bedrohung des Friedens erwachsen kann, beweist eine Meldung aus Konstantinopel, der Kriegsminister habe die Weisung erhalten, achtzig Regimenter für den Dienst in Rumelien bereit zu hatten. Die Haltung der Bulgaren in Macedonien errege nämlich Besorgnis bei der Pforte, die auch bereits Vorstellungen bet der bulgarischen Regierung erhoben habe. Afrika. »Die Aufmerksamkeit Europas hat sich auf kommende Ereignisse in Marokko zu richten. Nach Dieldungen aus Madrid ist es nicht richtig, daß die Verhandlungen mehrerer Mächte über die Schaffung einer wirksamen Küstenpolizei behufs Unterdrückung der Piraterie in den marokkanischen Gewässern abgebrochen worden seien. Sie nehmen ihren Fortgang, allerdings in einem sehr langsamen Tempo, was in Madrid bedauert werde. «ften. »Ein russisches Blatt erführt aus angeblich zuverlüsstger Quelle, daß in Teheran eine VerschwörunggeaendasLebendeS Schahs von Persien entdeckt worden sei, welche den Zweck hatte, Musaffer-Eddin zu beseitigen und durch seinen jüngsten Bruder zu ersetzen. Die Entdeckung der Verschwörung hätte aber auch ergeben, daß in Persien zahl reiche revolutionäre Komitees bestehen, welche mit dem Regime Musaffer-Eddins unzufrieden find und das Volk gegen ihn aufreizen. Diese Zustünde seien von den Engländern dazu benützt worden, um die am Südufer des persischen Meerbusens gelegene Ortschaft Keren-Kader zu besetzen. Au» dem Reichstage. Der Reichstag erledigte am Freitag in Fortsetzung der Beratung des Etats des Reichsamts deS Innern das Kapitel „Reichsgesundheitsamt". Die Debatte drehte sich um Erörterungen über Maßnahmen zur Be- Kompetenz«« halten. Verantwortlich für die be- kämpfung der Maul» und Klauenseuche. Bon den , sprochcne Maßnahme ist der Reichskanzler oder sein sonstigen Fragen, die beim Kapitel „Reichsgesund- Stellvertreter. Letzterer bin ich, ' " " ' ' hcitsamt" zur Sprache kämm, war von besonderem die volle Verantwortlichkeit für Mo« Nah «nd Fern. Norderney. In Norderney find am West rande der Insel neuerdings starke Erdsenkung« hervorgetreten, an welchen wahrscheinlich die Sturmflut vom Februar 1896 die Hauptschuld trägt. An einer Stelle haben die Tiefenverhält nisse bereits einen so gefahrdrohenden Charakter angenommen, daß schleunigst Sicherungsmaß- nahmen getroffen werden mußten. Um dm Strand gegen wettere Angriffe des Meeres thunlichst zu schützen» sollen iu den nächsten Jahren umfassende Buhnenbauten vorgenommen werden. Die Buhnen, die, aus Faschinen und Steinschüttungen bestehend, wett in das Meer hineinragen, sollen verhindern, daß Flut- und Ebbestrom den Strand berühren, der dann stets, ausgenommen bei sehr hoher Flut, von ruhigem Wasser umspült wird. Die Kosten der Schutz bauten, die zur Erhaltung der Insel notwendig sind, find auf 1350 000 Mark veranschlag' worden. Pr-ntzitch»» landlos. Im Abgeordnetenhause begann am Freitag die Beratung des Etats des Landwirtschaftsministcnums. Abg. v. Mendel verlangt völlige Sperrung der Grenze gegen die Vieheinfuhr. Der Landwirtschafts minister betonte zwar zunächst, daß die Landwirte in der Forderung nach StaatShilfc nicht zu weit gehm, sondern auch Selbsthilfe auf genossenschaft lichem Wege üben sollten, gab aber nachher aus Wunsch deS Abg. Graf Limburg-Stirum namens der Staatsregierung die Erklärung ab, daß bei künfti gen Handelsverträgen die Landwirtschaft besonders berücksichtigt werden sollte. In der am 29. Januar fortgesetzten Beratung deS Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung wurden mehrere landwirtschaftliche Spezialfragen erörtert. Von konservativer und nationalliberaler Seite wurde dem Minister für die Zusage gedankt, die Landwirt schaft bei Abschluß künftiger Handelsverträge be sonders berücksichtigen zu wollen. Der Landwirt- schaftSminister teilte mit, daß die preuß. Negierung an den Bundesrat einen Antrag eingebracht habe, der die Einfuhr von Rindvieh nach vetärinären Grundsätzen regelt. und ich bi» bereit, ... , meine Anordnung zu übernehmen. Abg. Fischbeck ksr. Dp.) nimmt die Bevnfi»- genossenschasten gegen den Vorwurf in Schatz, baß sic aus Prinzip Renten herabminderten. In der Einpfeklung der Halleschen Schriften liege deShatzb ein Mißgriff, weil darin ein Versuch liege, die BerusSgenossenschaften im Parteikampf mit zu ver wenden. Dagegen müßten seine Freunde protestieren. Abg. Bebel (Soz.) hält e» für sehr erklärlich, daß dem Zentralverband deutscher Industrieller der Kamm schwelle, da derselbe von der Regierung mit größter Zartheit behandelt werde. Die Empfehlung der Hülleschcn Schriften sei geradezu ein AmtSmiß- brauch. DaS Amt verpflichte dm Staatssekretär zur Erfüllung der Gesetze, nicht zu Vorschriften, die darauf hinauSlaufm, die BevölkerungSklassen gegen einander zu verhetzen. Abg. v. Salisch (kons.) bemerk, er kenne die Hülleschen Schriften nicht, er nehme aber an, daß sie vorzüglich seien. Er billige eS, daß Schriften verbreitet würden, durch die christliche Gesinnung verbreitet und daS monarchische Gefühl erhalten werde. Staatssekretär Graf PosadowSky erklärt nochmals, er übernehme die Verantwortung für dm Erlaß. Daß er sein Amt mißbraucht habe, müffe er bestreiten, denn er habe die Anschaffung der Hülleschen Schriften nur nach Maßgabe des jewei ligen Bedürfnisses empfohlm. Abg. Frhr. v. Stumm (freikons.) dankt dm sozialdemokratischen Rednern für die Reklame, die sie den Hülleschen Schriften hätten zu teil werden lassen. Abg. Bebel (soz.) hält den Vorwurf des Amts» mißbrauchS aufrecht. DaS Kapitel Reichsverstcherungsamt wird be willigt. Beim Kapitel „Physikalisch-technische Reichs anstalt" wird ein Antrag Schmidt- Elberfeld (srcis. Vp.) und Paasche mat.-lib.f nach kurzer Debatte, nachdem sich der Staatssekretär zustimmend ausge sprochen hatte, angenommen. Danach soll dem Reichstage eine Vorlage wegen Herstellung geeignet« Einrichtungen für das Materialprüfungswesen durch das Reich gemacht werden. Der Etat wird debattelos bis Kap. 13a be willigt. Hierauf wird die Weiterberatung vertagt. heitSamt" zur Sprache kämm, war von besonderem Interesse eine Mitteilung des Staatssekretärs, daß der vom Reichsamt de« Innern ausgearbeitet« Apothekengesetzcntwurf dem preußischen Mnisterium zur Prüfung vorgelegt sei. Ferner soll noch eine Kommission behufs Revision der AuSführungSbe» stimmungcn des Jmpsgcsetze» entsprechend den Fort schritten der Wissenschaft einberusen werden. Am 29. d. wird die zweit« Etatsberatung beim Reichsamt de» Innern fortgesetzt. — Beim Kapitel „Patentamt" bemerkt Abg. Hammacher (nat.-lib ), e» sei erfreulich, daß diese» Amt sich fortdauernd in aufsteigcndcr Richtung bewege. Er empfehle dem Staatssekretär, im nächsten Etat eine weitere Vermehrung de» Personals eintreten zu lasten, damit die Klagen über Verzögerung der Entscheidungen vermindert würden. Redner fordert weiter eine Regelung der Stellung der Patentanwälte. Sodann bedauert Redner, daß Deutschland noch immer nicht der internationalen Patent-Union beigetreten sei, der nun schon fast alle Staaten angehörtm. Staatssekretär Graf PosadowSky erwidert, die Regierung habe bereits jetzt eine stärkere Ver mehrung des Personals im Patentamte Vorschlägen wollen, au» finanziellen Gründen aber davon ab gesehen. Sollte da» Bedürfnis nach einer weiteren Vermehrung hervortreten, so werde ihr Rechnung getragen werden. Bezüglich der Stellung der Patent anwälte schwebten Erwägungen, ob man entweder dem Präsidenten des Patentamts größere Befugnisse einräumen, oder ob man zur gesetzlichen Regelung schreiten solle. Er glaubt, die Negierung werde letzteren Wetz einschlagcn und er hoffe, dem nächsten Reichstage eine bezügliche Vorlage machen zu könnm. Ueber den Beitritt Deutschlands zur Union sei sich die Regierung noch nicht schlüssig. DaS Kapitel wird darauf bewilligt. Beim Kapitel „Reichsversichcrungsamt" rügt Abg. Molkenbuhr (soz.) die Empfehlung der Hülleschen Schriften seitens des Versicherungs amts an die BerusSgenossenschaften. Die Schriften 'cien vrotestantischer Tendenz; sie katholischen Kranken in die Hand zu geben, sei eine Gefühlsrente. Redner tadelt weiter die Unterlassung der Wiedereinbringung der Novelle zu den Unfallversicherungsgesetzen, die dringend der Reform bedürften. Die Arbeiter seien sehr unzufrieden, weil die Zahl der bewilligten Voll renten inimer geringer werde. Der Zentralverband deutscher Industrieller habe vor allem gegen die so dringend notwendige Herabsetzung der Karenzzeit Einspruch erhoben mit 'Rücksicht auf die Belastung der Industrie. Diese Belastung sei aber keineswegs so groß, wie man es darstcllc. Direktor im Reichsamt deS Innern v. Wödtke lehnt cs ab, auf die Hülleschen Schriften, die ge nügend erörtert seien, emzugchen. ES sei eine Be leidigung deS Untcrnehmerstande», wenn man ihm nachsage, er wolle die Renten der Arbeiter ver kürzen. Wenn der Durchschnitt der Rente herunter gehe, so komme dies von der Zunahme der Unfälle überhaupt und von der Hinzurechnung der vielen kleineren Unfälle. Die Zahl der schweren Unfälle dagegen habe entschieden abgenommen. Daraus könne man nm schließen, daß die Versicherung in Verbindung mit der Unfallverhütung dies Resultat herbeigeführt habe. Abg. Frhr. v. Stumm (sreik.) bedauert das Scheitern der vorjährigen BcrstcherungSnovelle und weist die Angriffe auf den Verband der Industriellen zurück. Der Rückgang der Vollrcnten sei auch auf die Verbesserung des Heilverfahrens zurückzuführen. Abg. Singer (soz.) bedauert, daß der Staats sekretär die Gepflogenheit seines Amtsvorgängers beibehalten, dm Präsidenten des Reichsversicherungs- amteS zu den EtatSberatungcn nicht hinzuzuzichcn. Die Empfehlung der Hülleschen Schriften sei angeb lich auf Wunsch des Kaisers erfolgt. Graf Posci- dowsky und Präsident Gäbel hätten nur der Not gehorcht und nicht dem eigenen Triebe. Der Reichs tag stehe hier wieder vor einem Akt des persönlichen Regiments. Diese Hülleschen Schriften mit ihren Beleidigungen und Verleumdungen wurden auf Wunsch des Kaisers verbreitet. Ueber die Berechtigung dazu wolle er sich nicht auslassen. Das Volk werde jeden falls die Antwort darauf geben bei den Wahlen. Abg. Hitze (Zcntr.) erklärt, auch seine Freunde wünschten daS Zustandekommen der Novelle zum Unfallversicherungsgesetz, daS ja für die nächste Session wieder in Aussicht gestellt sei. Was die Hülleschen Schriften betreffe, so seien seine Freunde der Meinung, das Reichsverstcherungsamt sollte alles vermeiden, was einer Parteinahme mit irgmd einer Richtung ähnlich sehe. Staatssekretär Graf PosadowSky: Abg. Singer ist wieder auf dm Fall Hülle gekommen und hat zu Kombinationen Anlaß genommen, die bereits durch die Zeitungen bekannt geworden. Ich glaube, im Interesse de» Hauses zu handeln, wmn ich dem gegenüber rate, daß wir uns an die staatsrechtlichen Wola SpinoMma. 3j Ein Heide-Idyll von A. v. d. Osten. lFortlrruu«., Onkel Bernhard hatte sein Vergnügen daran, er blinzelte schlau zu dem Erbosten hinüber und strich wohlgefällig seinen schönen Bart mit der von Brillanten blitzenden Hand. „Hm, hm, Vetter — na, und ich? WaS meinst du S Wirst du mich auch —" er wies auf die Treppe und lachte. Christoph brummle und sann. „Am Ende," kalkulierte er, „ist's das beste, ich verlobe sie gleich mit Bernhard, dann bin ich vor dem andern sicher." Laut aber sagte er mit der Miene eines besonnenen ManneS: „Ueberlegen, Vetter, überlegen! Für heute Gute Nacht, morgen ist auch noch ein Tag." Bernhard lächelte vor sich hin. „AVer Fuchs l Na, sicher ist sie mir ja." Erika floh in dieser Zeit deS gefährdeten Gleichgewichts daS Zusammensein mit Erwin nicht allein, sondern mit allen ihren Angehörigen. ES war ihr unheimlich in dieser bangen Atmo sphäre, denn der auSgereiste Dulderfinn ihrer Mutter war noch richt der ihre. Ihr Gesang schmetterte nicht mehr durch das HauS, still und scheu zog sie sich in ihr Zimmerchen zurück, und traf fie Erwin einmal allein, sah sie, wie er rasch den ersehnten Augenblick zu einer Zwie sprache benutzen wollte, dann wich fie ihm ängstlich auS, hielt seinen traurig fragenden Augen nicht stand und schnitt eine rasche ver stohlene Frage wohl gar durch «ine herbe Ab weisung ab. Endlich, endlich entschloß sich Onkel Bernhard, nachdem er vergeblich wohl zum hundertsten Mal gefragt hatte, ob Erika nicht gleich mitkommen wolle, zur Abreise. Er ermahnte das Mädchen aber eindringlich, ja ihre Studien nicht mehr allzulange zu versäumen, kniff fie dabei wieder zärtlich in die Wangen und sah fie bedeutungs voll an. Unwillig errötend kehrte fie ihm den Rücken, und er stieg darauf mit ihrem Vater in die ave Kalesche und fuhr davon, zur großen Erleichterung der Zurückbleibenden. Christoph Haidegger kam bei guter Zeit auS der Stadt zurück und hatte noch an demselben Abend mit Frau und Tochter eine bewegte Unterredung, vor deren Beginn er Erwin ohne große Höflichkeit ersuchte, seine Nase gefälligst in die freie Lust, aber nicht in diese intime Familienangelegenheit zu stecken. In den Garten, in welchem der empörte Gast auf und abwanoeüe, drang aber doch seine laute Stimme in Ausdrücken, die jenen heftig beunruhigten. Er macht« sich Vorwürfe — welch' ein Zauderer und Träumer war er gewesen! Er wollte keinen Augenblick länger zögern, Erika seine Liebe, die fie ja längst erraten haben mußte, zu ge stehen und bei ihrem Vater um fie zu werben. Er fürchte sich vor dem Alten nicht, im Gegen teil, er dürstete vor Begier, dem alten Drachen kampfbereit entgegenzutreten und ihm die Tochter aus den Krallen zu reißen. Am andern Morgen beim ersten Frühstück bestärken Erika» rotgeweinte Augen ihn in diesem Vorsatz. DaS geliebte Mädchen leiden zu sehen, — welch ein Stachel für sein Herz und seinen Thatendurst! Beide» schwoll zu aber es klang doch wie eine Thräne in ihrer Stimme. Erwin neigte sich, um ihr unter den Hut zu sehen. Da lachte fie plötzlich auf und entfloh. Die Bewegung entfachte seine Thotcn- lust, und auch er versuchte die Schnelligkeit seiner Füße. Sie flog wie ein Vogel vor ihm her, aber am Eingang in den Föhrenwald er haschte er fie und umschlang fie kühn mit beiden Armen. Sie riß sich los und sah ihn stolz und finster an. „Fürchten könnte ich mich vor Ihnen, wenn Sie nicht so schön wären," flüsterte er wie be rauscht. Hastig ging fie Wetter, um ihn nicht zu hören, aber ihr Herz schlug mit betäubendem Schlag. Erwin folgte ihr, traumhaft sinnend, wa» er jetzt ihr sagen wolle. Er fühlte fick nach dem abgeschlagenen Sturm so hilflos, ungeschickt. „Wollen Sie wirklich noch immer Bühnen sängerin werden, Erika?" Nun blieb fie stehen und sah isim voll ms Gesicht. Warum nicht gleich lieber alles sagen? ES war vielleicht das beste. „Ja, freilich — nein, nicht mehr!" „Enka!" rief er jubelnd, aber der ftane Ausdruck ihres Gesichts erstickte seine Freude. „Ich studiere auS, aber nicht für die Bühne, sondern fürs Haus, für mein HauS. Gerade so, wie Sie eS meintm. Und in zwei Jahren, denn jetzt bin ich noch zu jung, werde ich Onkel Bernhards Frau, und er — gibt dafür eine große Summe Geld an Papa, damit der daS Gut Haven kann, und stellt auch einen Ver walter in Schloß Hardegg au. Dann ist aste» schön geordnet, »nd Papa ist jetzt sehr vergnügt." mächtigen Wogen an. Mit einem Blick seiner in tiefer Erregung blitzenden Augen ihre Gestalt umschlingend, fragte er in seinem weichsten Tone fast zärtlich: „Wollen wir heut wieder einmal zusammen in die Heide gehen, Erika?" „Nein," antwortete fie beinahe schroff. „Und warum nicht?" rief er gekränk. AIS fie schwieg, fuhr er noch bewegter sott: „Erika, warum sind Sie jetzt immer so un freundlich, ja abstoßend gegen mich? Habe ich Ihnen etwas zuleide gethan? Bin ich — schon zu lange hier?" Sie wandte sich heftig ab, Thränen sollte er nicht sehen l Aber antworten konnte fie nicht. Die Mutter suchte zu vermitteln. „Geh doch mit, Erichen, es wird dir gut thun l Sieh, wie herrlich der Morgen ist. Mir zuliebe, Kind!" „Liebe Mutter!" Erika fiel ihr um den Hals. „Dir zuliebe, ja! So kommen Sie, Erwin." Draußen gingen fie schweigens dahin. Die Lerchen stiegen, und ihr jubelndes Lied Vang herab durch die glänzend klare Lust. „Singen Sie nicht auch einmal wieder, Erika?" bat Erwin. „Nein." Derselbe harte, gepreßte Ton, der seine Opposition weckte. „Warum nicht?" fragte er, um eine Schattierung schärfer. „Weil ich nicht mag. Ist da» nicht Grund genug?" „Erika — Sie find nicht liebenswürdig." „Ist da» denn nötig?" „Sie find dornig, hart, stachlicht." „Roso Spinofisfima!" antwortete fie spöttisch,
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