Suche löschen...
Auerthal-Zeitung : 03.12.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189712033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18971203
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18971203
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-12
- Tag 1897-12-03
-
Monat
1897-12
-
Jahr
1897
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 03.12.1897
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
V-litifchr K»«dscha». Deatscblau». Kaiser «öffnete am Dienstag de» Reichttag in Person, nachdem er tag» zuvor in» Nene« Palais noch UnterrÄungen «ft den Spitzen d« Marinebehvrden gehabt hatte. * Unmittelbar nach verles«« der Thronrede hielt der Kaiser an die versammelt«« noch folgende kur* Ansprache: .Meine Herren l Ich knüpfe Hiera» noch folgende Worte: vor fast zwei Jahren habe Ich an dies« Stelle auf da» ruhmreiche Feldzeichen Meine» ersten Garde- Regiments zu Fuß den Eid geleistet: da», wa» der in Sott ruhende Kais« Wilhelm der Große geschaffen, za «halten und da» Ansehen und die Ehre d« Reiche» überall zu schirmen. Sie haben bewegten Herren» und feuchten Auge» diesen Ad entgegengenommen und find dadurch Meine Eideshelfer geworden. Im Angesichte Gotte» de» Allmächtigen und im Andenken an den großen Kais« bitte Ich Sie, Mich durch Ihre Mithilfe auch fernerhin in den Stand zu" fetzen, diesen Meinen Eid zu halten und Mir beizustehen, de» Reiche» Ehre nach außen, für deren Erhaltung Ich nicht gezögert habe, Meinen einzigen vruder einzusetzen, kräftig zu wahren." "Herzog Ernst Günther wird noch mehrere Tage völlig« Ruhe bedürfen. Die Krankheit nimmt, nach dem ärztlichen Bericht, einen normalen Anlauf. "Da» Flottengesetz nimmt für die Wahrnehmung d« Seemterefsen deS Reiche» im AuSlande im ganzen drei große und zehn kleine Kreuzer in Aussicht, die fich ans die wichtigsten Stationen in Ostafien, Ost- und Westafrika und Südamerika verteilen. Ihre A«dhl erscheint notwendig, um ähnlichen Fällen wie in Haiti in Zukunft vorbeugen zu können, wo Deutschlands Ehre und Ansehen her au »gefordert werden. Für den k> eimischen Küstenschutz werden 17 Schlachtschiffe ge- fordat, was angesichts der notorischen lieber- legenheft der französischen und englischen Flotte gewiß nicht als zu hcch gespannt erachtet werden kann. Für AufklärungSzwecke zur See werden 6 große und 16 kleine Kreuzer gefordert. * Im Monat Oktober d. haben 2130 Schiffe (gegen 2329 Schiffe im Oktober 1896) mit einem v elto-Raumgehafl von 265 085 Registertons (1896: 248 949 RegiftertonS) den Kaiser Wilhelm-Kanal benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden ElblootSgeldes, an Gebühren 147 053 Mark (1896: 131 227 Mk.) entrichtet. "Die Kommission für Arbeiter statistik ist am Montag vormittag im ReichSamt deS Innern unt« dem Vorfitz deS Ministerialdirektor» Fleck zusammengetreten. Auf d« Tagesordnung stehen die Vernehmungen d« Angestellten im Müllergewerbe. Den Mit gliedern ist «in sehr eingehenderFragebogen behufs Erledigung d« Tagesordnung zugegangen. " D« Gesetzentwurf zum Schutz d« Bau handwerker ist nach d« .Schles. Ztg.' nun mehr fertig gestellt. Er wird, ehe er an den Bundesrat kommt, veröffentlicht werden, um den beteiligten Interessentenkreisen Gelegenheit zur Meinungsäußerung zu geb-m. In Kraft treten soll er erst gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Die Zivilprozeßordnung wird nächste Woche vom Bundesrat zu Ende beraten werden. Die bisher vorgenommenen Abänderunge, find unerheblich. Der Entwurf soll nach der Annahme durch den BundeSrat gleich an den Reichstag gelangen. "Zur lippischenThronfolgefrage wird gemeldet: Der Anspruch der Weißen feld« Linie geht nicht von dem Grasen Ferdi nand auS, sondern von einem andern Mitglieds der Linie. Anen besondern Protest hat auch Prinz Wilhelm von Schaumburg-Lippe, ein Oheim deS regierenden Fürsten, d« Vater der Königin von Würtemberg und der Fürstin von Waldeck eingereicht. "Da in d« DiSziplinarsache gegen den Kriminalkommissar v. Tausch daS Hauptverfahren eröffnet ist, hat das Berlin« Polizeipräsidium nunmehr seine Suspension vom Amte verfügt, v. Lausch, der bt»b« al» be urlaubt geführt wurde, bezieht vom Tage sein« SuSpenfion an um da» halb« Gehalt. Die Suspension ist nicht ungewöhnlich; fie entspricht am de« bisherigen Brauch. vest-rretch-U«,«». "Da» neueMtutstertu« Gautsch ist gebildet. Gautsch selbst übernimmt da» Prä sidium und die Leitung de» Innern, v. Wels«»- hetmb ist Minister für Landesverteidigung ge blieben. Sonst ist e» ein reine» Beamten ministerium. "In vielen Ortschaften Deutschböh men» dauert die Erregung fort, da die Tschechen Gegendemonftrmtonen gegen die Entlassung vadeni» in» Wen zu setzen suchen. Ane solche fand auch in Prag statt, verlief ab« ziemlich unbedeutenv. All mählich wird auch in Böhmen völlige Ruh« eintreten. Frankreich. "Der ,Matin' will wissen, Oberstleutnant Picquart habe in der Untersuchung darge legt, daß der Major Esterhazy den Spionen- dienst deS KriegSminifteriums hintergangen und gleichzeitig vom französischen, vom deutschen und vom italienischen .Kriegsministerium Geld ge nommen habe, daß es zwei Schuldige gebe, Esterhazy und einen Mann, d« ihm im Genera- stab al» Vermittler diente. " Ane Note der halbamtlichen .Agence HavaS' besagt: Die dem General Pellieux in der Affäre Esterhazy-Dreyfus anvertraute Unter suchung näherte fich bereits ihrem Abschlüsse, al» der Briefwechsel Esterhazys mit dritten Per sonen in einem Morgenblatt veröffentlicht wurde. General Pellieux prüft jetzt diese Schriftstücke mif ihre Echtheit. Sobald er diese Srkeü, d« er alle Sorgfalt zuwendet, beendet haben wird, wird « selbst mit vollständig« Unabhängigkeit und Unparteilichkeit alle Maßnahmen treffen, die die Lage erheischt, oder er wird den Gouverneur von Paris dämm angehen, dies zu thun. D« Ehre d« Armee, d« Gerechtigkeit und Wahr heit wird Genüge geschehen. "Die Meldung von einem französisch englischen Zusammenstoß in Nikki (im Nigergebiet) bestätigt fich nicht. Nach ein« Depesche deS Londoner Neuterschen Büreaus aus Lagos entbehrt das Gerücht von einem Zusammenstoß zwischen Engländern und Fran zosen in Nikki jeglicher Begründung. Fran- zöfi'cherseitS wird folgendes Dementi »«breitet: „Die letzten vom 26. v. datierten Meldungen auS Dahomey, welche dem Ministerium für die Kolonien zngegangen find, lauten dahin, daß daS Gerücht von einem Zusammenstoß zwischen Franzosen und Engländern der Begründung ent behre. Die Franzosen hätten Nikki ohne Kampf besetzt, während die England« in ihren Quartieren blieben." England. * Die englische Besetzung von Kass ala wird bereits ins Werk gesetzt. Nach einem Telegramm auS Massauah ist dortselbst Kttchener Pascha mit 25 Offizieren und 825 Mann eingetroffen. Während Kttchener Pascha wird« nach Suez abreiste, gehen die Truppen nach Saati weft«. Spanien. "Die Autonomie auf Cuba stößt in Spanien auf zahlreichen Widerspruch. Die Karlisten haben beschlossen, gegen die Auto nomie Cubas zu protestieren. * Nach offiziellen Berechnungen find von den Landbewohnern auf Cuba, die vom General Weyler zur Erleichterung sein« Ver wüstungstaktik in den Städten zusammengepfercht wurden, 176 000 gestorben — das ist etwa ein Zehntel der gesamten kubanischen Bevölkerung. In der besonders schwer heimgesuchten Provinz Pinar del Rio beträgt die Zahl der Bevölkerung jetzt wenig« als ein Drittel d« vor dem Be ginn des Krieges vorhandenen! Diese Daten werfen ein schauerliches Licht auf die KriegS- führung Weylers. Balkauftaaten. "Die griechische Militär-Kom- Mission zur Untersuchung der Borgänge im Kriege, die unt« dem Vorfitz deS General» Mauromichalt» tagt, hat eine« Artilleriemajor, der zmn Generalstabe de» Kronprinzen gehörte, den Abschied «teilt und verschiedene andere Offiziere, die d« Pflichtverletzung beschuldigt worden, DtLzipltnar-Gerichteu zur Aburteilung überwiesen. "Setten» d« Militärbehörde ist feftgeftellt worden, daß während de» Kriege», namentlich in den letzten Wochen derselben, nahezu an 10000 griechische Soldatenfich d« Fahnenflucht schuldig gemacht haben. ES sei jedoch wahrscheinlich, dem gerade wegen d« enormen Zahl d« Fayueuflüchtigen von einem kriegsgerichtlichen Vorgehen gegen dieselben ab gesehen werden wird. "Die letzten Nachrichten au» Albanien lauten äußerst ernst. Li« Dörfer haben bereit» zu den Waffen gegriffen. Die Bewegung dehnt sich auf ganz Albanien au», und mau befürchtet, daß in den nächsten Tagen etwa 250 0OO Mann unt« Waffen stehen werden. Mmertka. "Die Unruhen in Uruguay dauern an; ein Telegramm aus Montevideo meldet: An zu Gunsten d« Kandidatur CueftaS' ver anstaltetes große» Meeting von Eingeborenen und Fremden gab Anlaß zu Unruhen. Ver schiedene Pnsonen wurden getötet, mehrere ver wundet. Deutscher Reichstag. Am SO. v. fand die erste ReichStagSsitzuna statt. Der Präsident der vorigen Session Frhr. v. Buol übernimmt auf Grund der Geschäftsordnung dm Vorsitz und beruft zu provisorischen Schriftführern die Abgg. Braun (Zentr.), Kropatschek (kons.), Pieschel (nat.-lib.) und Hermes (fr. Vp.). An Vorlagen sind eingegangm die Marinevor- laae, der ReichShauShaltsetat nebst Schuldentilgungs gesetz pro 1898 99 und eine Reihe dazugehörig« Rechnungssachen. Seit der letzten Tagung sind in daS Haus neu eingetreten die Abgg. Wintermeyer, Schulz (ft. Vp.), Heim (Zentr.), v. Thungeln (kons ). Der Namensaufruf «gibt die Anwesmheit von 174 Mitgliedern, das HauS ist also nicht beschluß fähig. Präsident Frhr. v. Buol beraumt hierauf die nächste Sitzung auf Mittwoch an und setzt auf die Tagesordnung die Wahl de» Präsidiums. Aus Wien geht dem ,B«l. L-Anz.' vom Sonntag folgen der Bericht zu: Gegen Abend sofort nach Rück kunft deS Kaisers wurde ein Ministerrat abge halten, in welchem der Beschluß gefaßt wurde, den RcichSrat zu vertagen, wa» in dem kaiser lichen Handschreiben heute morgen durch eine Extra-Ausgabe d« .Wiener Zeitung' unter d« Bevölkerung verbreitet wurde. Auf den Entschluß deS Kaisers hat jedenfalls der vom verfassungs treuen Großgrundbesitz veröffcnflichte Protest gegen die Abändemng der Hausordnung stark eingewirkt. Man hat ab« in der Bevölkerung die Vertagung als einen neuen Beweis deS Vertrauens für den Grafen Badeni angesehen, indem diesem in die Hand gegeben wurde, alle Schwierigketten nach eigenem Gutdünken zu ordnen. ES lag also kein Grund zu einer Beruhigung vor, sondern die Aufregung erreichte den höchsten Grad, als namentlich bekannt wurde, welche ernste militärische Maßregeln man getroffen hatte, die alle früheren weit über ragten. Schon um 9 Uhr wogte eine mit Kornblumen, roten und weißen Nelken ge schmückte Männerschar vor dem Parlament auf und ab. ES gab keine Partei-Unterschiede, alle wollten dasselbe. Das Parlament und die umliegenden Straßen waren von der Polizei in großer Anzahl besetzt. Berittene Schutzmänner patrouillierten in den Alleen, auf d« Ring straße und sogar auf den Trottoirs. Jede Ver stärkung derselben wurden mit Pfui - Rufen be grüßt. Von den demonstrierenden Studenten hatten viele verbundene Köpfe, die Arme in Schlingen — Anzeichen der Kämpfe des vorher gehenden Tages. Sie wurden mit Heilrufen begrüßt. Nach 10 Uhr kamen die Arbeit« aus den Versammlungen und schlossen fich an die Studenten an. Vor dem Burgtheat« umjubelte eine tausendköpfige Menge den Arbeiterführer h-lizei l" Um 11 Wr «reicht die Erregung der Menge ihren Höhepunkt. La» Arbeiterlied wird gesungen und Lausende au» den Lor- flädten lassen die Renae immer «ehr an schwellen. Die Polizei schritt eigentlich wenig ein; fie «hielt nur fortgesetzte vewegung in den Massen, ließ fie ab« ruhig schimpfen. Da trennte fich eine Rieseumasse von etwa 8000 ab, alle» Studenten und Sozialisten, und zog zum LandeSgerlcht, um dort für Wolf zu demon strieren. Lor dem Landetgericht wird die Wacht am Rhein und da» Arbrtterlied gesungen. Da sprengt berittene Polizei herbei und zerstreut die Menge mit rücksichtsloser Energie, haut mit dem blanken Säbel et«, so daß viele zu Boden stürzen und verwund« Wacken. Die Verletzten, meistens Studenten, werden in Cafö» und Gast häuser gebracht, wohin die Rettungsgesellschaft gerufen wird, die fie »«binden. Wer kann, kehrt auf den Ring zurück. Bor dem Landes gericht «scheinen plötzlich Husaren, welche die Demonstranten endgültig zerstreuen. Unterdessen haben die Studenten und Sozialisten vor dem Parlament den mit roten Fahnen vorüberfahren den sozialistischen Abgeordneten eine Ovation gebracht und es soll nun auch hi« Ordnung z geschaffen werden. Eine AbteÜung acht« Husaren sprengt heran und reit« unaufhaltsam über den Ring, alles vor fich in wildester Flucht hertreibend. Dabei stürzten Männer und Frauen zu Boden. Viele wurden verletzt und mußten inS Parlament getragen werden. Ein Ab geordnet«, d« Zeuge dies« Szene war, sagte zu den Verwundeten, von denen zwei als schwer verletzt inS Spital gebracht wurden: „Ich bin zur Audienz beim Kais« berufen; ich werde Sr. Majestät die Augen öffnen und ihm sagen, wer ihn angelogen hat." Nach zwei Uhr wurden das Militär und die berittene Polizei zurückge zogen, ab« die Erregung nahm nicht ab, bis um 4 Uhr in einem Fiaker Bürgermeister Lueger erschien und an drei Stellen mit laut« Stimme verkündete, d« Kais« habe die Demission Badems angenommen und Gautsch mit der Bil dung eine» neuen Ministeriums betraut. Eine zweite Extra-Ausgabe d« «Wiener Zeitung' wurde bald darauf verteilt. Die Wachleute wurden beauftragt, dem Publikum mftzuteilen, wie fich die Ereignisse gestaltet hatten, und nun war der Anblick der Straßen plötzlich umge wandelt. Die erregte und empörte Menge ver- wandelte fich sofort in eine freudig bewegte. Von Zett zu Zeit ertönte ein Hoch von Tausen den von Stimmen. Nach Hause ging auch jetzt noch niemand. So kam eS, daß auch in der Dunkelheft alle Straßen noch vollgedrängt waren. Um 9 Uhr wurde Wolf auS der Haft entlassen. Er fuhr sofort mit seinem Verteidiger und einem Studenten zu sein« Frau nach Hause. Dan Matz ««» Fern. Berlin. Ein Mord ist in d« Nacht zu« Montag im Hause Möckernftraße 85 an dem 22jLhrigm Dienstmädchen Margarete Wiese verübt worden. Der Mörder ist ein früh«« Verlobt« des Mädchens, d« Pferdehändler Wilhelm Kleemann auS Altona. DaS Motto deS Verbrechens soll verschmähte Liebe sein. Die Unthat geschah, während sich die Herrschaft zu einem Ball begeben hatte. Mainz. Der Reichstagsabgeordnete Ahl- wardt hatte fich an den hiesigen Magistrat mit dem Ersuchen gewandt, ihm zur Abhaltung ein« großen Volksversammlung die Stadthalle zur Verfügung zu stellen. Die Stadthallen - Kom mission hat jedoch den Antragsteller abschlägig beschicken. Torgau. Bürgermeister Girtb ist am Sonntag früh auf Anordnung de» Reichsgericht» zur Aburteilung seiner Strafthaten vor dem Schwurgericht in Göttingen nach dort überführt worden. Girth hat im hiesigen Untersuchungs gefängnis nicht ein einziges Mal seine Zelle verlassen; sein Gesundheitszustand soll zu wünschen übrig lassen. Nach Verbüßung seiner Strafe gedenkt « ins Ausland zu gehen. Viertel des zweiten, während Wanda die Schülerin des ersten Meisters der Geige ge wesen war. Sie hatte in dieser Zeit vollständig zurückgezogen gelebt, jeder Gesellschaft entsagt und jede Stunde des Tages außer den not wendigen Speisestunden und einem Spazier gange fich ihrem Studium hingegeben. Es war, als hätte ihre Natur seit jeher auf diese Zett d« Vertiefung in ihre Arbeit ge wartet ; wie der lechzende Wand«« aus den Becher Weines wartet, um ihn bis auf den letzten Tropfen zu leeren und keinen einzigen davon zu verlieren, so durstig sog fie die Be lehrung ein, und die unermüdliche Anstrengung war ihr nichts als eine Stillung ihre» Hungers nach Vollendung in ihr« Kunst. Die treue Tante Rest hielt die Vereinsamung, die fie hierdurch traf, Geduldig auS und warnte nur zuweilen, daß Wanda ihrer Gesundheit nicht zu viel zumuten möge. „Ach, laß mich nur, Tantchen, ich muß! Ich hafte eS auS, ich bin ja glücklich. Weißt du, Tantchen, daß ich jetzt ost ein üb«, strömendes Mitleid mit meinem ganzen Geschlecht empfinde?" „Ab« warum denn?" fragte Tante Rest etwas verwundert. „Nun, weil eS viele, viele geben mag, die wie ich den Ruf empfinden, d« Kunst oder ein« anderen hohen Aufgabe, der Arbeit, d« Wissenschaft ihr Leben zu weihen, und die nicht frei find eS zu thun wie ich, ihren »«zehrenden Durst nicht stillen können, sondern unt« dem Druck unser« staatlichen, gesellschaftlichen od« privaten Einrichtungen schmachten und ver ¬ kümmern, vergehen, dahinwelken müssen, ohne zur Entwickelung ihres inneren Menschen zu gelangen." Zu Ende des Oftob« trat Wanda zum ersten Mal in einem von Künstlern ersten Ranges arrangierten Konzert auf. Die Kreise d« kunstfinnigen Wett sahen ihrem Debüt mit großer Spannung entgegen, denn trotz ihrer Zurückgezogenheit, oder vielleicht gerade wegen derselben, war ihr Name längst in aller Munde. Unbefangen und von kein« Kritik ihr« Person in ihrer elementaren Hingebung an die Kunst, an die hohe, einzige, für die fie einst mit Herbert zusammen fich begeistert hatte, beeinträchtigt, trat Wanda vor daS erwartungs volle, den ganzen großen Saal bis aus das letzte Stehplätzchen füllende Publikum und ver neigte fich, ihre Geige in der Hand, mit freiem Anstande. Die schlanke Gestatt im schwarzen, mft lebendigen, rötlich-gelben Rosen garnierten Damastlleid, das ausdrucksvolle Gesicht mft dem ernsten anziehenden Lächeln und in den großen schwarzblauen Augen machte sichtlich einen vorteilhaften Eindruck. Die Teilnahme stieg; man harrte mft Ungeduld auf den ersten Bogenstrich, und schon nach der ersten Piece war der großartigste Erfolg entschieden, den man seft lange erlebt hatte. In einer d« vordersten Seitenlogen saß eine Gruppe von älteren, modisch gekleideten Herren. „Nun also, eS freut mich, daß ich euch nicht zu viel gesagt habe," bemerkte ein« d« Bon vivants. „Ihr wolltet mk nicht glauben, nun seht Ihr'» ja selbst." Im Weich der Höne. 12s Novelle von A. v. d. Osten. «Schlitz. Mit stillem, ernst-traurigen Blick sah KlemenS der jungen Witwe in die glänzenden, thaufeuchten Augen. „Sie haben recht," sagte er, „der Geistes- beruf deS Menschen ist sein wahre», einziges Leben; ihn zu erfüllen ist seine Pflicht und seine Erlösung. Lassen Sie unS denn scheiden, und gehen Sie mft Gott — da eS sein muß." „Und Sie?" fragte Wanda atemlos. „Auch ich habe noch große Aufgaben vor mir," rief KlemenS leuchtenden Auges, „auch ich will das Höchste ««eichen in meinem Beruf. Nach Beendigung meiner hiesigen Arbeit winkt mir fern von hier bereits andere; auch ich «achte nach Lorberen, um fie " Er brach ab und reichte ihr die Hand: „Leben Sie wohl, Ich darf nicht sagen: auf Wiedersehen?" „O gewiß, wk sehen unS wird«," ant wortete Wanda mft zitternden Lippen, „und ver gessen Sie nicht: nicht alles, waS für eine Zeftlana vnlassen wkd, ist vnloren. Leben Sie wohl!" Sie winkte ihm zu, und er «' hinaus, die Augen unverwandt aus anda mft zitternden Lippen, „und nicht: nicht alles, was für eine Zett ging langsam >f fie geheftet, traurig, ernst und doch voll unergründlich« Hoffnung-tiefe. Ihr Traum! So hatte fie ihn gesehen, scheiden sehen, ab« nicht auf immer. Und nun o ich all« Kummer von ihr, und eine prahlende Sonne ging in ihrem Herzen auf, die in ihr und um sie her alle» mit lichte« Glanz «füllte. 8. Ein Jahr war vergaugeu mck da» erste „So waS findet man auch zu selten," ant wortete ein anderer; und ein dritter fiel ein: „Na, wartet nur «ft ab, wie lange der Zaub« dauert. Wenn fie «ft ordentlich in daS Leben hineinkommt, wird es ihr nicht anders gehen als allen. Ihr fehlt wohl noch alle Erfahrung." „Offen gesagt," nahm ein vierter, zu dem ersten gewendet, das Wort, „wenn sie diese frische Rose schon lange und näh« kennen, wie Sie fich rühmen, Nesselrott, so begreife ich nicht, wie Sie fich fie haben entgehen lassen können." Graf Nesselrott zuckte lässig die etwas ein gesunkenen Schultern. „Ich war ein Freund ihres Mannes, das sagte ich Ihnen ja. Nach her" — er lächelte faunisch — „hätte ich sie wohl haben können, wollte mich aber nicht binden, voilü taut. Nun, wk werden fie ja nachher sehen!" Etwas tief« im Saale auf verborgenen Seftenplätzen saßen zwei junge Männer, d« eine von kräftiger, männlich« Schönheit, d« andere mft einem zarten, durchgeistigten Gesicht. ES war eben wieder ein Vortrag der Kon-ertgeberin zu Ende, als dieser letztere zu . dem ersteren mit einem herzlichen Lächeln sagte: „Zweimal habe ich dich schon angeredet, Fritz, ab« du scheinst d« Wett entrückt zu sein, denn du hörst mich gar nicht. Willst du jetzt nicht einmal deine Augen von Frau Wanda auf mich richten? ES ist zwar viel »«langt, allein in anbetracht mein« wichtigen Frage * D« Angeredete legte '«ne Hand auf dick anderen Arm. „Lnzeih, Wilhelm, ja ich war entrückt, und kannst du uttr'S verdenken? Sie hat ihr Schicksal erfüllt, al» ein Stern schwebt
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)