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Auerthal-Zeitung : 29.10.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189710293
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18971029
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18971029
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-10
- Tag 1897-10-29
-
Monat
1897-10
-
Jahr
1897
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 29.10.1897
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Volttll-chr N«»dschaa. De«tiöv>>n,d. *D« Empfang de» Reich-ranzler- Lei« Zaren wird um so mehr bemerk, ai- letzterer in Darmstadt offenbar zu seiner Er holung wellt und diese Tage daher in möglich ster Zurückgezogenheit »»erbringt. Wenn auch besondere politische Unterredungen nicht ge pflogen sein mögen, so fällt doch diele de« deutschen Reich-langer erwiesene Aufmerksamkeit für die Beurteilung der allgemeinen Lage und Stimmung in- Gewicht. Fürst Hohenlohe ist nach Baden - Baden weitergereist mü> gedachte von dort unmittelbar nach Berlin -urückzukehren. * Da» Zarenpaar verläßt Deutschland am Freitag; da der russische Kaiser den ersten November den Sterbetag seine- Vater-, im eigenen Lande und in Zurückgezogenheit zu- bringen will, die Reise nach Livadia, die eine Zeillang in Aussicht genommen war, aber fünf Tage beansprucht, so ist vorauSzusetzen, daß sich Zar und Zarin wohl direkt nach Petersburg begeben werden. *Auf eigenartige und nicht gerade erfreu liche Verhältnisse läßt der Hofbericht vom Sonn tag in der .Karlsruher Ztg.' schließen. Der Zarhate- nämlich abgelehnt, den Groß herzog von Baden zu empfangen. Dazu verlautet nach den Blättern folgende»: ES unterliege keinem Zweifel, daß dem Zaren die Absicht ferngelegen hat, dem hochverdienten Fürsten eine Kränkung zuzufügen, aber die That- fache der öffentlichen Mitteilung dieser Ab lehnung beweise, daß der Beschluß de- Zaren in Karlsruhe als eine Kränkung empfunden wurde. Jedenfalls bleibe die auffällige Form zu beklagen, die gewählt wurde, nm einem reinen HöflichkeitSakt aus dem Wege zu gehen. Der Vorfall sei nicht anders zu erklären, als daß er auf einer Verstimmung beruhe, die zwischen den beiden benachbarten Höfen von Lessen und Baden bestehe. Der Kaiser von Rußland habe Rücksicht zu nehmen aus die Wünsche deS Hofes, dessen Gastfreundschaft er zur Zeit genieße und der dem badischen Besuche abgeneigt gewesen sein muß. *Zur Beseitigung der Mißstimmung zwischen dem hessischen und badischen Hofe, die angeblich die Ablehnung deS Be suchs des GroßherzogS von Baden durch den Zaren herbeigeführt hat, sind, wie eS heißt, bereits Schritte gethan worden: Prinz Adolf von Schaumburg-Lippe ist Dienstag vor mittag nach Baden-Baden abgereist. Aus Darm stadt wird hierzu noch weiter gemeldet: Der Obersthofmarschall v. Westerweller hatte Diens tag vormittag eine längere Besprechung mit dem Grafen Murawiew und dem General v. Richter. Graf Murawiew wurde darauf vom Zaren empfangen. "Die Nichtveröffentlichung der Marinevorlage hatte bei einem Berliner Berichterstatter der Wiener ,N. Fr. Pr.' die Vermutung aufkommen lassen, daß in dieser Fraae zwischen den höheren Instanzen Meinungs verschiedenheiten bestehen. Demgegenüber ver sichern die ,Berl. N. Nachr.' „daß Meinungs verschiedenheiten an keiner irgendwie in Betracht kommenden amtlichen Stelle bestehen, und daß die beabsichtigt gewesene Veröffentlichung nur auf die in der betreffenden Sitzung deS preußi schen Sia-tsministerium im Inleresse der Vor lage selbst geltend gemachten Anschauungen hin unterblieben ist." *Die Ablehnung von Neuaufnahmen junger Leute für den Postdienst wird sich, wie mehrere Zeitungen melden, auf mindestens dreijährige Frist erstrecken. Etwaige Vormerkungen für den späteren Ein tritt in die Postkarrstre finden, entgegengesetzt dem im Publikum wett verbreiteten Glauben, nicht statt. * Dr. H ammach er, der seit 1863 dem Abgeordnetenhaus«, fest 1868 mit Ausnahme der Jahre 1873/75 auch dem Reichstage angehörte, hat seinen Wählern angezeigt, daß er wegen seines hohen Alters — er steht im 74. Lebens jahre — seine Mandate niederlege und sich aus dem politischen Leben zurückziehc. Die natiünalliberale Partei verliert in ihm einen ihrer hervorragendsten Vertreter. * In der bayrischen Abgeordnetenkammer begann am Montag die Beratung de» Mivtär- etatS, bei welcher Gelegenheit die Abgeordneten Dr. Schädler und Dr. Orterer die Frage der Militärstrafprozeßordnung zur Sprache brachten und lebhaft betonten, daß der oberste Ge- richtShof ein Reservatrecht Bayern set. Wenn man au» der jüngsten Erklärung deS Krieg-Minister» im Finanzausschüsse heraus- lesen dürfL daß die bayrische Regierung für die volle Wahrung dieses Reservatrechtes eintrete, dann würde da- ganze Volk hinter dem Minister stehen. Oesterreich-Ungar«. *AuS Wien wird eine neue Ueberraschung gemeldet: Der zur Partei Dipault gehörige Präsident deS österreichischen Abgeordneten hauses Kathrein hat seine Präsident, schäft nieder gelegt. Dieser Schritt und noch mehr seine Begründung find geeignet, in und außerhalb Oesterreichs die größte Sen sation zu erregen. Kathrein selbst gab zwar keine Gründe für seinen Schritt an, aber eS ist kein Geheimnis, daß sein Rücktritt erfolgte, weil ihm zugemutet worden war, gegen die deutsche Opposition energischer vorzugehen. Er erklärte, nicht der Sturmbock gegen Deutsche sein zu wollen, er sei selbst ein Deutscher. Kathrein war der deutschen Opposition niemals unsympathisch gewesen und er hatte stets in konzilianter Weise präsidiert. In deutschen Kreisen wird nun der Verdacht ausgedrückt, Kathrein» Abgang bedeute den Beginn der Gewaltanwendung gegen die Opposition durch den polnischen Vizepräsidenten Abrahamowicz und den zweiten jungtschechischen Vizepräsidenten Kramarz." * Im ungarischen Abgeordnetenhause hielt am Montag der Ministerpräsident Baron Banffy eine Rede, in der «r sich gegen eine eigensüchtige Ausnutzung der parlamentarischen Schwierigketteil Oesterreichs durch Ungarn auS- sprach und eine verfassungsmäßige Erledigung deS Ausgleichs in beiden Reichshälften erhoffte. Sv«men. * AuS Havana wird gemeldet, die Partei der Intransigenten sei entschlossen, trotz der gegenteiligen Befehle zu Gunsten Wey- lerS Kundgebungen zu veranstalten, die Gegner der Autonomie suchten der Thätigkeit Blancos Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Die militärische Lage sei die gleiche wie seit einem halben Jahre, die Operationen stockten, 40 000 Soldaten seien erkrank. Die Finanz- und Handelslage sei sehr übel. Die Regierung hat nachdrückliche Maßregeln getroffen, um einen etwaigen Zusammenstoß in Havana bei Gelegen heit der Abreise Weylers zu verhindern; Weyier erhielt den Befehl, die Ankunst BlancoS zu er warten. «alkauktaatei,. *Der luxemburgische Oberst Scheffer ist zum Genera lgouverneur von Kreta ausersehen und hat sich nach Paris begeben, um mit Hanotaux zu beraten. *Die griechische Regierung beschäftigt sich mit der Ausarbeitung der Gesetzvorlage über die Finanzkontrolle. Die Minister des Krieges und der Marine bereiten ein Gesetz vor, durch welches den Offizieren mit einem niederen Grade als dem eines Obersten der Eintritt in dieKammer untersagt wird. *Die Frage über die Heimkehr der flüchtigen Thessalier ist nunmehr zwischen Edhem Pascha und den griechischen Delegierten dahin geregelt worden, daß zuerst die Bewobner der von den türkischen Truppen besetzten Dörfer, darauf die flüchtigen Bewohner der Städte zurückkehren sollen. *Der jüngste serbische Minister wechsel hat in Konstantinopel einen Men Ein druck gemacht. Als Gesandter bei der Pforte hat der jetzige Ministerpräsident sich als ein chauvinistischer Heißsporn ersten Ranges gezeigt. In der UeSküber Kirchenfrage schlug Giorgiewitsch einen hochfahrenden Ton an, der die türkischen Staatsmänner mit großem Unwillen erfüllte. Wenn unter den Gründen, die zum Rücktritt Simitschs geführt haben, auch seine Mißerfolge in jener Kirchenfrage genannt worden find, so hat anscheinend die schroffe Haltung, die Giorgiewitsch in der nämlichen Sache ein genommen hat, den König Alexander in erster Reihe dazu veranlaßt, seinen einstigen Leibarzt mit der Führung der Geschäfte zu betrauen. Die Ernennung de- Dr. Giorgiewitsch betrachtet die hohe Pforte daher al- eine Mahnung, mit noch wachsamerem Auge al» bisher die alt serbischen Grenzbezirke zu beobachten. A«ertk«. *Dte Regierung der ver. St aalten hat ihren Berliner Botschafter angewiesen, bet der Berliner Regierung Schritte zu thun, um eine Zürücknahme de» deutscherseits erlassenen Einfuhrverbot- gegen lebende» Rindvieh und frisches Rindfleisch zu ver anlassen. Bekanntlich haben folgende Staaten gegen die handelspolitische Haltung der Ver. Staaten Einspruch erhoben: Oesterreich-Ungarn, Großbritannien, Italien, Belgien, Dänemark, die Türkei, China und Japan. Einige dieser Länder, darunter daS Deutsche Reich, haben zugleich mit diesem Protest angekündigt, daß sie im Falle der Wirkungslosigkeit desselben Wiedervergeltungs maßregeln treffen und hohe Zölle auf amerikani sches Schweinefleisch, Rindfleisch, Getreide und andere amerikanistüe Erzeugnisse legen würden. AngefichtS dieser Sachlage ist daS jetzige Ver langen der Ver. Staaten eine Anmaßung, die hoffentlich richtig beantwortet wird. *Die Konferenz zwischen den Delegierten der Ver. Staaten, Rußlands und Japans zur Beratung der Frage der Robbenfischerei im BeringSmeer ist am 23. d. in Washington eröffnet worden. Nach der formellen Sitzung begleiteten die Delegierten den Staats sekretär Shermann nach dem Weißen Hause, wo sie dem Präsidenten Mc. Kinley vorgestellt wurden. Uo« Kriege. Unter Bezugnahme auf ein kürzlich er schienenes statistisches Werk von dem öster reichischen Hauptmann Otto Berndt — ,Die Zahl im Kriege' — schreibt ein feuilletonistischer Mitarbeiter der »Neuen Fr. Presse': „Die Ver luste der Kriegsherr« bilden ein interessantes Bild in den Diagrammen unseres Statistikers. Er geht bis auf den siebenjährigen Krieg zurück. Damals blieben auf österreichischer Sette vor dem Feinde 32 600 Mann, an Wunden und Krankheiten gestorben find 93 400 Mann, ver mißt sind 19600 Mann, gefangen 78 400 Mann, desertiert 62 200 Mann, invalid entlassen 17 400 Mann. Solche Resultate find in der Gegen wart zur Unmöglichkeit geworden, und der Wandel der Zetten tritt ohne Kommentar jedem vor Augen. Mehr als die Waffcnwirkung dezimieren Krnnkheiten und Strapazen die Heere. Die große Armee ist im nordischen Winter von 1812 beinahe aufgericben worden. Die fran zösische Hauptarmee zählte beim Einmärsche in Rußland 363 000 Mann, die den Riemen über schritten ; nach fünf Monaten kamen 8000 Mann über den Riemen zurück. Enorm waren die Opfer der epidemischen Krankheiten in Diebitsch' Balkan-Armee. Gar beredt find die Zahlen auS dem Krimkriege. ES gab im Kampfe 11 000 Tote, 58 300 Verwundete, von denen 6200 ihren Wunden erlagen. Dagegen erkranken 362 700 Mann, davon starben 69200 Mann. Während also im Kampfe ungefähr der vierzigste Mann siel, erlag jeder sechste Mann einer Krankheit. Aber auch auf Seite der Russen war jeder neunte Mann an Krankheit gestorben. Im böhmischen Feldzuge, wo die Cholera wütete, fielen 59 Prozent aller Toten der preußischen Armee Krankheiten zum Opfer. Am Schluffe der Belagerung von Metz waren 40 000 Mann auf deutscher Seite in ärztlicher Behandlung. Die fünfzehn größten Schlachten deS Jahr hunderts find: Leipzig, Königgrätz, Wagram, Gravelotte, Dresden, Solferino, Bautzen, Borodino, Sedan, Waterloo, Groß-Görschen, an der Lisaine, MarS-la-Tom, Ligny und Aspern. Berücksichtigt man die Zahl der Kämpfer, so muß Leipzig- an erster Stelle genannt werden (472 000 Mann). Bei Leipzig standen sich numerisch ungleiche Gegner in dreitägigem Ringen gegenüber. Intensiver, großartiger und blutiger war die Schlacht bei Königsgrätz, sie wurde innerhalb acht Stunden durckgekämpft (von 430000 Mann). Nur diese zwei Schlachten haben 400 000 Kämpfer vereinigt, Gravelotte und Wagram nur 300000, sechs andere Schlachten etwas mehr als 200000 Mann; die anderen wurden vou weniger Streitern auSgefochten. In den Sch achten der Zukunft wird die Ge- samtftretterzahl eine wett größere sein. Freilich ist die Schwierigkeit der Bereinigung ebenso ge- wachsen. Von Mollwitz bis Plewna siegte in 40 Fällen der numerisch Stärkere, aber auch der numerisch Schwächere in 33 Fällen. Die größte Zahl der Reiter war in der Schlacht bet Leipzig anwesend — 78 000, dann kommt Boro dino, wo 70 000, dann Königgrätz, wo 51 000 Retter zugegen waren. Wie hat sich die Zeit geändert l In den schlesischen Kriegen kam auf je zwei bis vier Infanteristen ein Reiter, im Kriege von 1870 auf 14 Fußsoldaten ein Reiter. Die Infanterie ist heutzutage die Königin aller Waffen, sie schlägt und entscheidet die Schlachten. In allen folgenden Kriegen wird dieses Ver hältnis sich notwendig noch mehr zu Ungunsten der Reiterei verschieben. Auffallen muß die Thatfache, daß die durchschnittliche Dauer der Schlachten im Laufe der Zeiten gestiegen ist, obwohl man bei der VerntchtungSwirkung der neuen Waffen das Gegenteil vermuten könnte. Bemerkenswert ist ferner die Thatiache, daß so wohl die Gesamtverluste, wie desgleichen die blusigen Verluste abgenommen haben und in den letzten großen Kriegen nur die Hälfte jener betragen, welche die Schlachten de» sieben jährigen Krieges aufweisen. Die Schlachten find also im Laufe der Zeiten weniger mörderisch geworden. Auffallend ist, daß in den Kriegen der jüngsten Vergangenheit der Sieger relativ mindestens ebensoviel Leute durch tue Waffen wirkung des Feinde» verliert als der Besiegte. No« Uah rmst Zern. Hamburg. Der Senat hatte den Fürsten BiSmarck als den jetzt einzigen Ehrenbürger Hamburgs zur Teilnahme an der Feier der Einweihung des neuen Rathauses eingeladen. Darauf ist folgende an Herrn Bürgermeister VerSmann gerichtete Antwort des Fürsten ein gegangen: „FriedrichSruh, 15. Oktober. Euerer Magnifizenz gefälliges Schreiben vom 13. d. habe ich zu erhalten die Ehre gehabt und mich herzlich gestellt über die mir damit von der Nachbarstadt erwiesene Auszeichnung. Leider aber ist mein Gesundheitszustand nicht günstig genug, um der bedeutenden Feier beiwohnen zu können. Ich bitte Euere Magnifizenz, für die mir durch die Einladung erzeigte Ehre meinen verbindlichsten Dank entgegennehmen und einem hohen Senate übermitteln zu wollen. In aus gezeichnetster Hochachtung bin ich Euerer Magni fizenz ganz ergebenster Diener v. Bismarck." Dresden. Ein eigentümlicher Zwischenfall, der sich auf dem hiesigen Hauptbahnhofe zuge- tragen haben soll, nnrd gegenwärtig in den Kreisen der hiesigen Staatsbeamten viel be sprochen. Mit der Begründung, daß sie dienst lich überbürdet seien, weigerten sich mehrere Beamte deS Zugpersonals, den Dienst anzu treten. Die Weigerung wurde von ihnen zu Protokoll erklärt. Von anderer Seite wird hier zu gemeldet, die betreffenden Beamten hätten nur gebeten, vom Dienst entbunden zu werden. Die Untersuchung ist eingeleitet. Derartige Vor kommnisse wären bei der Art und Weise, wie die Eisenbahnunfälle in der Presse vielfach be handelt wurden, nicht verwunderlich. — Der Verein für Arbcitcrkolonien im Königreich Sachsen hat für 195 000 Mk. daS Rittergut Liesst bei Kamenz angekauft und vor einigen Tagen für seine Zwecke in Benutzung genommen. Liesst ist die zweite Arbetterkolonie in Sachsen. Die erste Kolonie, Schneckengrün, besteht 12 Jahre und hat in dieser Zeit, neben den eigenen Erträgen, noch 143 397 Mk. Zu schuß erfordert. Seit ihrer Eröffnung haben in dieser Kolonie 3486 Arbeitslose Aufnahme gefunden. Gotha. Die Leiche Grillenbergers ist hier am Sonntag verbrannt worden. Die sozial demokratische ReichstagSfraktton war durch die Abgeordneten Bebel, Liebknecht und Singer ver treten. Bei der Trauerfeier hielt Liebknecht eine Ansprache, in welcher er den nunmehr Dahin geschiedenen als Parteimann feierte. Jatsches Geld. 7j Kriminal-Novcllc von E. v. Lippe. Ich sah, Wichtiges war nicht mehr von Fcilner zu erfahren, ich ließ ihn ins Gefängnis znrückbringcn und machte mich mit einigel: Be- ltMien an die Durchsuchung seiner beiden Wohnungen, welche, wie ich erwartet hatte, voll ständig rcsultatlos verlief. Einige Stunden später stand ich meinem Chef in seiner Privatwohnung gegenüber, über den ganzen Fall Bericht abstattend. Als ich mit meinem Vortrage zu Ende war, fragte der Chef: „Und Sie möchten hinter die Leute her und dieselben abzufassen versuchen? Wird es Ihnen gelingen?" „Ich hoffe eS," gab ich zur Abtwort. „Nun, e» mag sein. Diensteifer brauche ich Ihnen nicht zu empfehlen, aber zu großer Eifer schadet auch ost; gehen Sie ruhig und kalt vor. Sie haben unzweifelhaft mit sehr gewiegten Gaunern zu thun." ES war 7 Uhr abends, al» der Fiaker, der mich vom Bahnhof in die Stadt gefahren, in Wien vor dem Hotel hielt. Ermüdet von der Meise, beschloß ich, mich frühzeitig zur Ruhe zu begeben; al» ich mich aber vom Staub ge reinigt und die Kleider gewechselt hatte, fühlte ich »sich so frisch, daß ich nicht im Hotel zu bleiben vermochte. Planlos dur.'schlenderte ich mehrere Straßen, als ich mich bald vor dem Burgtheater befand; schnell entschlossen „Ist ein Kriminalbeamter hier im Theater?" „Ja, gewiß," erhielt ich zur Antwort. „Wollen Euer Gnaden einen sprechen?" setzte der Mann, mich neugierig anschauend, hinzu. Ich nickte bestätigend. „Schauen's, Euer Gnaden, dort unten im Gange, der keine Herr, der dort steht und die Zeitung liest, daS ist em Kriminalbeamter." Ich sah dort hin und erblickte einen einfach gekleideten, fast reduziert aussehenden Mann mit einer Brille auf der Nase, deren plumpe Silber fassung wahrlich nicht dem Träger ein vorteil haftes Ansehen gab; ich möchte sagen, die ganze Erscheinung des dort Stehenden machte den Eindruck eines verkommenen Menschen, der mit Not und Sorgen zu kämpfen, kein Licht zu Hause und hier ein Plätzchen gesucht habe, wo er bei dem Scheine einer Theaterlampe eine Zeitung lesen könne. „Ich möchte einen höhergestellten Kriminal beamten sprechen," gab ich nach einigen Augen blicken zurück. „Ja schau'ns, Euer Gnaden, der Herr ist ein hochgestellter Beautter, gehen'» nur ruhig zu ihm hin; können sich auf ihn schon verlassen." „Kennen Sie den Herrn genau?" mußte ich noch fragen. „Gewiß, ich muß doch solche Herren wohl kennen," erhielt ich fast verletzt zur Antwort. „Er kommt fetten hierher, aber wenn er sich hier blicken läßt, dann hat'» auch in der Regel was zu bedeuten," setzte der Logendiener hinzu. Ich konnte nicht ander», ich mußte der er haltenen Versicherung Glauben schenken. Ich durchschritt eilig den Korridor, immer dabei den mir Empfohlenen musternd; er las ruhig seine Zeitung, so ungeniert, als befände er sich in seiner Wohnung. Als ich vor ihm stand, sah er flüchtig auf, und wie mechanisch fragte er: „Womit kann ich dienen, Euer Gnaden?" „Mein Herr, ich bin zu Ihnen gewiesen; Sie find Kriminalbeamter?" fragte ich. „Sie lind halt recht berichtet," erhielt ich zur Antwort, „und was hat'S?" erwiderte der kleine Herr, weiter lesend. „Erlauben Sie dann, daß ich mich Ihnen vorstellen darf, mein Name ist T.; ich bin Kriminal-KommiffariuS in Berlin; wünschen Sic ' meine Legitimation zu sehen?" Der Herr hatte, während ich gesprochen, sehr , bedächtig seine Zeitung zusammengefaltet und i sorgsam in der Brusttasche seines fadenscheinigen i RockeS untergebracht; jetzt blickten mich über die Brille fort zwei Nuge Augen forschend an. ! „Ist hatt nit nötig," gab er zur Antwort, und mit der linken Hand seine Brille abnehmend; reichte er mir die rechte zum Gruße. „Nun, ! da sollen'S mir von Herzen willkommen sein, lieber Kolleg'," fuhr er sichtlich erfreut fort. ; „Sie find den Russen nachgereist, die da oben , in der Loge fitzen," sagte er dann, mich schall- ' hast ansehend, „nichtswürdig schlaue Kerle," fügte er nach einer Pause hinzu. Ich fühlte, daß mir da» Blur ins Gesicht > schoß. Ja, ich war den Verbrechern nachgereist; kaum angekommen in Wien, läßt mich mein Glücksstern sie finden, um in der nächsten Minute mir sagen zu lassen, daß die Russen entdeckt, so gut wie verhaftet find. ging ich hinein; ich hatte Zerstreuung für den Abend und konnte doch dem Körper eine gewisse Ruhe geben. Als ich meine Loge betreten hatte, durchlief mein Auge gewohnheitsmäßig den Raum und — mir gegenüber erblickte ich in einer Loge den Herrn Vicomte de Nochat und neben ihm — saß unzweifelhaft der Herr van Habermciftcr, während in einer etwas entfernteren Loge die Dame und der Herr, die der Fremdenführer Winkelmann bei Kroll gesehen und mir be schrieben hatte, saßen. Ich glaube, daß kein Verbrecher, der seine Verhaftung befürchtet, wenn er einen ihm be kannten Beamten sieht, sich schneller und ängst licher zu verbergen sucht, als ich, indem ich die Thüre der Loge zu erreichen suchte und durch diese verschwand. Eine dunkle Vorstellung, der Vikomte habe mich vielleicht im Friedrich - Wilhelmstädsischen Theater oder sonst wo in Berlin gesehen und erfahren, wer ich sei, war über mich gekommen, und instinktiv hatte ich mein HinauSgehen so vorsichtig wie möglich bewerkstelligt. Aber jene Herrschaften hatten mit keinem Blick nach meiner Loge gesehen, ihre Aufmerksamkeit war voll der Bühne zugewandt gewesen; mit einer Ruhe saßen die Leute da, als hätten sie daS reinste Gewissen, nur die linke Hand der Dame war in fortwährender ruheloser Geschäftigkeit, wa» w Fremdenführer Winkelmann mir unter „Be- .ondere Kennzeichen" angegeben hatte. MS ich auf dem Korridor stand und der Logendiener die Thür schloß, mußte ich hoch anfatmen, ehe ich fragen konnte
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