Suche löschen...
Auerthal-Zeitung : 18.08.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189708184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18970818
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18970818
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-08
- Tag 1897-08-18
-
Monat
1897-08
-
Jahr
1897
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 18.08.1897
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
!k. Lebensjahr; er feierte damit zugleich sein fünfundzwanzig- jährige» Jubil' Kslittsche U««dsch<m. Lentschlnn». Da» Salserpaar ist von Siel kommend I« wtlhelmShöhe eingetroffeu. *Der Saiser wird, wie man der Frenz- Ztg.' aus Budapest mitteilt, nachdem er in der ersten Hälfte de» September den Maaövern bet TotiS in Ungarn belgewobnt hat, nach einem kurzen Besuch der ungarischen Hauptstadt sich nach Bukarest zum Besuch des König» von Rumänien begeben. * Prinz Heinrich vonPreußen voll endete am 14. d. sein 35. Lebensjahr; er feierte damit -ugleich sein fünfundzwanzig jähriges Jubiläum der Zugehörigkeit zm Armee und zur Marine. »Ein Wiener Blatt berichtet aus Athen, die griechische Kronprinzessin werde Mitte August in WilhelmShöhe erwartet, wo die angeblich von der Kaiserin Friedrich ver- mtttelte Versühnung zwischen ihr und Kaiser Wilhelm stattfinden soll. (?) * Das kanadische Zoll-Ministerium hat, wie der .Reichsanzeiger' mitteilt, angeordnet, daß auch die nach Kanada direkt importierten deutschen Waren bis -um 1. August 1898 die bisher nur den englischen Waren einge- räumten Vorzugszölle deS kanadischen Gegenseitigkeitstarifs genießen sollen, und daß der fest dem 22. April d. auf direkt importierte deutsche Waren erhobene Mehrzoll auf Antrag von den kanadischen Zollbehörden zurückgewährt werden wird. — Hiermit hat die kanadische Regierung nur eine selbstverständliche Forderung deS Völkerrechts erfüllt. »In einzelnen Blättern ist davon die Rede, daß die Arbeiten an der Herstellung eines neuen autonomen Zolltarifs be schleunigt und demnächst beendet werden sollen. Die ,B. P. N.' schreiben dazu: Selbstver ständlich ist die Meldung in dieser Form un richtig. Die Fertigstellung deS neuen Zolltarifs wird Jahre in Anspruch nehmen, sonst hätte man auch nicht jetzt schon mit den diesbezüg lichen Arbeiten begonnen. »Als Nachfolger BödikerS wird in den Kreisen deS RerchS-Versicherungs- Amtes mit großer Bestimmtheit der Pastor v. Bodelschwingh genannt. * Zu dem Eisenbahnbau in Deutsch- Südwestafrika hört man, daß von der ganzen Bahn bis Windhoek zunächst eine Teil strecke von etwa 100 Kilometer erbaut werden soll, deren Fertigstellung immerhin einige Monate in Anspruch nehmen wird. Landeshauptmann Major Lcutwein ist schon vor einiger Zeit tele graphisch angewiesen worden, Mannschaften der Schutztruppe und eine größere Anzahl von ein geborenen Arbeitern in Swakopmund zur Ver fügung der etwa am 10. September dort ein treffenden Eisenbahnbaukommisfion bereit zu halten. Die Entscheidung über den Weiterbau der Bahn bis nach Windhoek werde dem Reichs tag bei Beginn der nächsten Session in einer Vorlage anheimgestellt werden. Mit der Eisen bahn soll zugleich eine Telegraphenlinie ver bunden werden. Oesterreich-Ungarn. »DaS inHermannstadt erscheinende rumänische Parteiblatt ,Tribuna' bringt eine Nachricht, die geeignet ist, daS größte Aufsehen zu erregen. In Bistriz (der Hauptstadt Siebenbürgens) hielten dieser Tage ein Bataillon deS 25. In fanterieregiments im Verein mit zwei Bataillonen deS 16. Honvöd-Jnf.-RegtS. militärische Uebungen ab. Bei einem Angriff der Sol daten deS gemeinsamen Heeres sollen nun die HonvödS (ungarische Landwehr) mit scharfen Patronen aus die Gegner geschossen und viele Infanteristen schwer verwundet haben. Die Angelegenheit wird sehr geheim gehalten; eine militärische Untersuchung wurde eingeleitet, viele HonvÄs sollen bereits verhaftet worden sein. Man erwartet eine entschiedene Wider legung festens der maßgebenden Behörden. Frankreich. »Zum bevorstehenden Besuche des Präsidenten Faure erklärt die ,Nowoje Wremja' aus erster Quelle die Meldung der Blätter für unrichtig, wonach die Tochter saures den Präsidenten nach Petersburg be- «letten werde. *Da» Duell Wischen dem Prinzen Hein rich von Orleans und de« Neffen de» Königs Humbert, dem Grafen von Turin,, hat am Sonntag früh in einem Hölzchen bet Pari» stattgefunden. Der Kampf auf Tod und Leben dauerte 26 Minuten. Der Graf von Turin wurde leicht an der Hand, der Priuz Heinrich ebenfalls leicht an der Hand, zugleich aber auch schwer am Unterleib verwundet. In dessen scheint die Verwundung nicht lebensge fährlich zu sein. »Cornelius Herz hat die Dreistigkeit besessen, an daS amerikanische Staatsdepartement eine Beschwerde zu richten, in welcher er von der französischen Regierung für die ungesetzliche Einsperrung seiner Person Schadenersatz verlangt. Obgleich Her» seine Eigenschaft als amerikanischer Bürger anruft, hat die amerikanische Regierung eS jedoch verständigerweise abgelehnt, bei der französischen Regierung dieserhalb einzu schreiten. Malte«. »Drei Anarchisten wurden in Mai land verhaftet; dem Vernehmen nach ist eine Bombe bei ihnen beschlagnahmt worden. Die Verhaftungen scheinen von großer Bedeu tung zu sein, weil sie, wie man glaubt, mit dem K o mplott Acciarito S, deS Attentäters gegen den König Humbert, in Zusammenhang stehen. Ferner wurden Waffen und Briefschaften beschlagnahmt, darunter mehrere von Caserio, Lega, Acciarsto und anderen Anarchisten. Svaaie». »Die trostlose Witwe CanovaS' hatte erst schreckliche Anfälle, und man glaubte, sie würde in Raserei verfallen, dann versank fie in dumpfes Brüten. Keine erlösenden Thränen be netzen ihre Augen. Sie hat (wie drahtlich ge meldet) die geplanten Ehrenbezeugungen bei der Beisetzung abgelehnt. Die Leiche wird im Erb begräbnis der Familie auf dem Kirchhof des heiligen Jfidor zu Madrid beigesetzt werden. »Die Regierung beschloß, der Witwe CanovaS' den Titel einer Herzogin mit dem Range der Granden erster Klasse zu ver leihen und ihr eine Pension von 30 000 Pesetas zu gewähren. Balkanstaaten. »Den türkischen Blättern ist verboten wor den, die Verleihung deS bulgarischen Alexander-OrdenS an den Sultan zu veröffentlichen. (Damit gibt der Sultan zu erkennen, daß er den Fürsten Ferdinand voll ständig als Vasallen behandelt wissen will, so daß dessen Unabhängigkcitsgelüste ihm für län gere Zeit vergehen werden.) * Die Morningpost' fragt mit vollem Recht, wann die Botschafter endlich mit ihren Frie densverhandlungen zu einem Resultat kommen werden. Die Lage werde mit jedem Tage unerträglicher. Die ,Times' sagen, die kleinen Staaten würden einen netten Begriff von der Wirksamkeit des Schutzes der Groß mächte bekommen. »Ein außerordentliches türki sches Kriegsgericht hat die schon im vorigen Jahre wegen Beteiligung an jungtür kischen Umtrieben (d. h. Zugehörigkeit zum Komitee, Bezug oder auch nur Lektüre jung türkischer Schriften) verhafteten Seekadetten, Marineakademie-Schüler,Militärakademie-Schüler und Medizinschüler abgeurteilt. Die Zahl der Verhafteten betrug ursprünglich 25 und stieg dann auf 32. Im Laufe der Untersuchung wur den, zum Teil infolge der Aussagen der Ange klagten, wettere Verhaftungen von Zöglingen dieser Schulen und einigen Offizieren vorgenom men, so daß die Gesamtzahl der Angeklagten sich bis auf 94 erhöhte. Außerdem standen noch verschiedene Verdächtige unter strenger Ueberwachuna. 30 der Angeklagten, deren Un schuld erwiesen wurde, sollen enthaftet worden sein. Von den übrigen 64 wurden 14 zum Tode verurteilt. Die Strafe soll jedoch wahrscheinlich in Verbannung oder mehrjährigen Kerker umgewandelt werden. »Zu der erfolgten Abberufung des österreichisch-ungarische»! Gesandten au» Sofia wird gemeldet, daß die öster reichische Regierung von Bulgarien unbedingt eine offizielle Entschuldigung wegen der Be- leidigungen StoilowS verlange. Fürst Ferdi nand selbst müsse ohne jeden Vorbehalt die Taktlosigkeiten seine» Ministerpräsidenten des avouieren und diesen auf einen Posten ver setzen, wo Oesterreich-Ungarn nicht mehr not wendig habe, mit ihm in offizieller Form zu verkehren. Nmerik«. * Die Geschwätzigkeit des Staatssekretär» Sherman wird offenbar in Washington sehr peinlich empfunden. Seine Ausfälle gegen Spanten und Deutschland, die gewisse Anschläge auf Cuba und Samoa nur sehr notdürftig verdecken, find ja nur der AuSstuß dessen, was man in den maßgebenden Kreisen denkt; aber daß eS offen, sehr zur unrichtigen Zeit ausgesprochen wurde, ist unbequem. Prüft- dent Mac Kinley hat den auf Urlaub in Ohio befindlichen Unter-Staatssekretär Day aufge fordert, sofort nach Washington zu kommen, um die Pflichten seines Amtes wieder zu über nehmen. Die Aufforderung steht ohne Zweifel in Verbindung mit dem indiskreten und unge schickten Auftretens ShermanS. Die Aerzte haben den alten Herrn bereits aufgefordert, eine Erholungsreise anzutreten; aber vergebens. Der Kranke fühlt sich gerade in Washington sehr behaglich. Asien. »Die Verhältnisse an der indischen Nordwestgrenze gestalten sich für die Engländer immer bedenklicher, da die Un ruhen nach Afghanistan übergreifen. Der Kadrort Santa Agueda war in Europa unbekannt, bis die Ermordung deS spanischen Ministerpräsidenten CanovaS de Castillo ihn in aller Mund gebracht hat. Im .Figaro' beschreibt ein Berichterstatter die Ein drücke, die er bei dem Besuch der Mordstätte empfangen hat. Er schreibt: Wenn man diesen ganz isoliert liegenden Ort betrachtet, der so ganz weltverloren daliegt, so ist man wie vor den Kopf geschlagen, daß die Ueberwachung keine bessere war, und daß der Mörder dort ankommen und umhergehen konnte, ohne den mindesten Verdacht zu erregen, Santa Agueda ist nämlich nicht einer der größeren Badeorte Spaniens, auch kein besuchter Sommeraufenthalt. Man geht nicht nach Santa Agueda, um sich zu amüsieren: eS ist ein ernsthaftes Bad, wo man nur seiner Gesundheit lebt. Seine Schwefelquellen, die seit dreihundert Jahren be kannt, genießen einen gewissen Ruf. Auch ein eisenhaltiges Wasser findet sich vor, daS ge trunken wird. Man gebraucht daS Bad von Santa Agueda namentlich gegen chronische Katarrhe und partielle Lähmungen. Das Wasser ist in der Tiefe von vier Meter etwa im Felsboden gefaßt. Das Badeetablissement, das früher aller Bequemlichkeit entbehrte, ist fett einigen Jahren vergrößert worden. ES zählt auch heute nur erst vierundzwanzig Bade zellen; die Zahl der Badegäste beträgt etwa sechshundert im Jahr. Die Saison beginnt im Juni und endet mit dem September. Santa Agueda gehört zu der etwa vier Kilometer ent fernten kleinen Stadt Mandragra. Der in den Bergen gelegene Ort ist von zwei Seiten zu gänglich; von der Station Zumaragua, wenn man von Norden kommt, von der Station Vitoria für Reisende auS Madrid und BurgoS. Diesen letzteren Weg bat der Mörder Angiolitto genommen; da er in der Station SaineS auS- stieg, mußte er eine Reihe von kleinen Bade orten passieren; und eS ist auffallend, daß er in diesen Ortschaften, wo jedermann sich kennt, nach der eigentümlichen Art seiner Erscheinung der Polizei nicht auffiel. Er hatte nur wenig Gepäck und machte den Eindruck eines gebildeten, aber herabgekommenen Individuums. Nichts destoweniger stieg er im Badhaus ab, das nur von wohlhabenden Leuten besucht wird, während für Wenigbemittelte nebenan zwei Gasthäuser vorhanden find. Es mußte daher auffallen, daß ein Reisender von mehr als bescheidenem Aussehen ein solches Absteigquartier gewählt hatte. Auch fiel natürlich diese Erscheinung von wenig anziehend« Physiognomie ver schiedenen Personen auf, die auch wiederholt über den Fremden sprachen. CanovaS selbst hatte gefragt, w« denn dies« Fremde sei, den « auf Schritt und Tritt auf seinem Wege fand. L»steht fest, daß Angiolitto anfang» versucht hltt, sein »«chrechen außerhalb de» Hotel» zu vollziehen, um sich nach vollbracht« That flüchten zu können. CanovaS bevorzugte von den pittoresken Spaziergängen de» Orte» be sonder» den, der nach d« Grotte von San Valerio führt. Er machte diese Ausflüge aber stet» in größerer Gesellschaft, wie die» in Bädern üblich ist. Erft alL Angiolitto sich überzeugen mußte, daß CanovaS me allein promenierte, entschloß sich Angiolitto, die That im Hotel selbst zu begehen. Aber auch hl« mußte Angiolitto, um keiner Störung zu begegnen, die LebenS- gewohnheiten seine» Opfers genau studieren. Bei jeder Begegnung grüßte « CanovaS sehr respettvoll. „Wer ist denn die» Individuum?" so fragte der Ministerpräsident am Abend vor dem Verbrechen seinen Sekretär. Der Sekretär, d« sich auf dem Büreau de» SotelS «kündigt hatte, erklärte, e» sei ein Redakteur ein« römischen Zeitung. Man war' daher über die Nationalität deS ManneS orientiert, der so weit herkam, um ein in der Welt ganz unbekanntes Bad zu gebrauchen, dessen Aussehen und Auf treten verdächtig war. Der Polizei-Inspektor Puebla, der speziell zum Schutze von CanovaS in Santa Agueda war, beachtete aber dies alles nicht Wetter. Sein Rechtfertigungsversuch ist mindestens originell. Er soll gesagt haben: Der Mörder hat sich unter dem Namen Rinaldi, Buchhalter und Korrespondent deS römischen ,Popolo' eingeschrieben; dies« Name findet sich aber nicht in den Registern der Polizei. Ich hatte also keinen Anlaß zum Mißtrauen." - Don Mast «ad Fern. Berlin. Eine „Rückkompanie" im Cylinder- Hut arbeitete dies« Tage in der Putbuserstraße. Ein dort wohnend« Geschäftsmann war von dem gestrengen Wirt mit der Bitte um Lösung deS Mietsvertrages abgewiesen worden. Bekannte wollten sich seiner annehmen und wählten dazu eine sehr günstige Gelegenheit. In dem Hause wurde eine Hochzeit gefeiert, zu der auch der Hauswirt geladen war. Da zahlreiche Hoch zeitsgäste eintrafen, so fiel eS nicht auf, daß auch ungeladene Personen daS HauS betraten, zumal da fie festlich gekleidet waren. Während nun oben der Wirt mit seiner besseren Hälfte einen langsamen Walz« tanzte, hatten die Freunde deS bedrängten Geschäfts mannes die Festkleidung mit der Arbeitsbluse vertauscht und sich an den Auszug gemacht. Die durch die Hochzeitsfeierlichkeit angelockten Zuschauer merkten bald, um waS eS sich handelte, und griffen sofort thatkräftig ein. Auch ein Fensterputz« war mit dabei; er stellte sich, als ob er daS Fenster putzen wollte, löste aber dabei von seiner Letter aus die Markise ab und brachte fie in Sicherheit. AlS bei d« Hochzeit eine Fackelpolonäse aufgespielt wurde, übergab ein Dienstmann dem verdutzten Hauswirt die Geschäfts- und Wohnungsschlüssel deS gerückten Mieters. Celle. Zwischen Celle und Eschwege ist in der Nacht zum Sonntag der Durchgangszug Hannover-Hamburg entgleist. Leider find der Katastrophe 7 Menschenleben zum Opfer ge fallen. Außerdem wurden 20 Personen schwer und 40 leicht verletzt. Die Verletzten wurden nach Celle gebracht. Gerolstein. Das Kriegsministerium hatte den beim Gerolstein« Eisenbahnunglück ver unglückten Reservisten aufgegeben, wegen ihrer Ansprüche gegen die Eisenbahnverwaltung selbst, ständig vorzugehen. Da dies zu der Auffassung Anlaß gegeben Hal, daß die Reservisten gericht lich vorgehen sollen, macht die Eisenbahndircktion in Saarbrücken jetzt darauf aufmerksam, daß bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen die Eisen bahnverwaltung die Erledigung der Angelegen heit nur erschwert und »«zögert werde. Es liege im Interesse der Leute, wenn fie sich mit ihren Ansprüchen vertrauensvoll unmittelbar an die Eisenbahndirektion wendeten. Wmitta. 6j Nach dem Englischen der Ouida v. A. Röhl. (F-iN-tzung.) ES war spät in der Nacht, als der Wagen in d« Heimat anlangte. Das ganze HauS lief in Angst und Neugier zusammen. Die Kühe muhten in den Ställen nach ein«, die sie ver- mißten, und der Hund fing nach kurzem Bellen, als ob er wüßte, was geschehen, zu winseln an. ES war eine traurige Heimkehr. Donna Rosa ließ sich auf ihrem Holzschemel am Herd nieder, zog sich ihren Shawl üb« den Kopf und fing von neuem an, bitterlich zu weinen. „Ich hätte nie früher geglaubt, daß ich daS Mädchen so lieb habe," sagte fie zu ihren Töchtern, auf sich selbst ärgerlich. Unbemerkt schlich Netttna sich auS dem Zimmer und eilte in die Hütte ihres Vaters. Sie hatte ihre Rache, ab« ihre Freude darüber war jetzt keine ungemischte mehr. Der Mond stieg höher und höher, die Nachtigallen schlugen, die Herbstnacht rückte vor — und Umttta saß im Gefängnis. Am Morgen bat Netttna ihren Bat«, sie zur Stadt zu fahren. Dn biedne Mann sah sie groß an. Den Mädchen auf den Bergen kommt eS so wenig in den Sinn, zur Stadt zu wollen, wie den Tannen, sich verpflanzcn zu lassen. Wenn sie Braut find, gehen sie vielleicht einmal hinunter, sich die Ausstattung zu kaufen, doch sonst fällt ihnen solch ein Wunsch nie mals ein. Indes Netttna war des alten ManneS Lieb ling und Stolz. Sie sprach ihm von allerhand nötigen Dingen, die sie brauche, und Wünschen, die sie sich nur in der Stadl erfüllen lassen könnte, und so nahm er sie endlich noch in der selben Woche, als der Markttag herankam, mit des Priesters alt«, achtzigjähriger, stocktauber Haushälterin dahin mit. In der Stadt angelangt, stellte Netttna die alte Frau an, an einer Bude des Marktes bunte Taschentücher für fie auszusuchen und stahl sich inzwischen rasch an daS Pult eines Briefschreibers in der anderen Budenreihe hinüber. „Schreiben fie das für mich," flüsterte fie dem runzeligen Schreiber zu und diktierte ihm: „Deine schöne Umilta hat Perlen gestohlen und fitzt jetzt dafür im Gefängnis. Jemand, der dir wohl will, glaubt dir Glück wünschen zu dürfen, daß du dir von ihr einen Korb geholt hast." „Wetter nichts?" fragte dn alte Schreib« ent täuscht, denn er liebte, eine Art Advokatschreiber wie er war, ellenlange Phrasen, Umschreibungen und Andeutungen durch die Blume hindurch. „Weiter nichts," sagte Toinetta, d« die Röte in ihr kleines, nervöses Gesicht schoß — „und nun stecken Sie die» in einen festen Umschlag hinein, und schicken Sie e», deutlich geschrieben, an Signor Virginia Donaldi, Unteroffizier in d« Arm« de» König» und in dem Bersagliere ge heißenen Regiment zu Turin!" D« Schreib« that, wie ihm befohlen worden, und Netttna brachte den Brief eigenhändig zur Post. Jetzt «st fing fie endlich an, Freude an ihrer Rache zu haben. So lange « e» nicht wußte, schien fie ihr zwecklos zu sein. „Und wann wird d« Brief nach dem Ort kommen, den fie Turin nennen?" fraate sie fieberhaft auf der Post. Und als fie ihr sagten: „Schon morgen," hätte fie in ihrer grausamen Freude laut aufjauchzen können. Morgen würde er es wissen! Sie lief und sprang und tanzte so närrisch üb« das Trottoir, daß die alte, taube Serafina Aergerni» daran nahm, fie beim Rockärmel zog und ihr zuraunte: „das schickt fick doch aber nicht — hi« auf der Straße. Wie m der Kirche mußt du dich hier gebärden — zwischen all den schönen Läden ringS um dich herum." Allein Netttna achtete ihrer kaum. Sie triumphierte. Am nächsten Morgen würde er es wissen, und keine Menschenseele würde je erraten können, daß d« Brief von ihr he» stammte, war « doch ohne Unterschrift abtze- gangen. DeS Priesters halbblinde Haushälterin aber hatte sie weder an den Stand deS Brief- schreiberS herantreten noch daS Schreiben in den Kasten stecken sehen. Netttna hatte eines von den Halstüchern gekauft — ein prächtige», in allen Regenbogenfarben schillerndes Stück mit dem Bild eine» PfauS und eines Chinesen zwischen Hellen gelben Rosen darauf — und hatte eS Serafina zum Präsent gemacht, die voll de» Lobes über die Jungfer und ihr Be nehmen war, wie fie vor d« Carmine-Kirche, wo NettaS Bat« auf fie gewartet, in den rumpeligen Gtellwagen stkgen, der fie »t» zu seiner ersten Station an die Vingone-Brü« am Fuß d« Berge bringen sollt«, von wo aus fie den Rest deS langen Heimweges zu Fuß weit« machten. Netta konnte die ganze Nacht vor Freude über den Gedanken, wie schlau fie gewesen und wie grausam Virginia am nächsten Morgen aufgeweckt werden würde, kein Auge zuthun. Jetzt erst dünkte ihr ihre Rache in Wirklich keit süß. Den Brief «hiev Virginio Donaldi gnade, wie er seinen Säbel in seinem Kasernen-Zimmer putzte. Er hatte mehr zu thun, al» Briefe zu lesen, daher steckte er ihn einfach in seine Lasche und ging aus seine Tagesarbeit, ließ seine Leute exerzieren und hatte kein Auge für seine Brief schaft, bis er abends seinen Dienst hinter sich hatte, vor einem Kaffeehaus saß und in der Abend-Dämmerung ein Glas frisch« Limonade schlürfte. Als er den kurzen Brief durchflog, sprang er unter zornigem Fluch hochauf, dann begab er sich geradeswegs zu seinem Kapitän und bat ihn um Urlaub. „Du bist erst vor einem Vierteljahr auf Urlaub gewesen. Ist d« Fall denn so dringend?" fragte sein Vorgesetzt«, d« ihn „du" und „mein Sohn" nannte und ihn gern hatte. Virginias Antlitz flammte dunkel auf. So dringend, daß wenn d« Hohe Herr Kapitän mich nicht fortlaffen wollte, ich mich auf die Gefahr hin, alS Deserteur «schossen zu werden, entfernte," antworte er rasch mit sprühendem Auge. Der Kapitän lächelte. Er war ein Mann, der seine Soldaten seine Kind« nannte und mit ihnen nachsichtig wie strenge zu sein verstand. „Da wir allein find, will ich dich für diese Sprache nicht zur Rechenschaft ziehen. Und nun reise, ich gebe dir drei Tage Urlaub."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)