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Pslttifch, U»«tzsch«z. Le»tschl««d. *Nach Beendigung der Kieler Regatten und vor Antritt derNordlandSreise wollte fich der Kais« r noch auf einen Tag zum Besuch des Reichskanzlers nach Schillingsfürst begeben. * Der .ReichSanzeiger* veröffentlicht die Ge nehmigung deS Entlassungsgesuches des StaatSsekretLrS v. Bötticher unter Be lassung deS Titels und Ranges eines Staats- Ministers, ferner die Ernennung deS Staats» sekretörS Grafen PosadowSkh -um Staatssekretär deS Innern, zum preuß. StaatSminifter unk Mitglied deSStaats- ministeriumS, unter Beauftragung mit der all» gemeinen Stellvertretung deS Reichs kanzlers, und des Generals v. Pod- bielSki zum Staatssekretär deS Reichs» Postamtes, sowie die Ernennung deS Staats- ministerS Dr. v. Miquel zum Vizepräsi denten deS Staatsministeriums. *Am Donnerstag stattete der Groß» Herzog von Sachsen-Weimar in Friedrichsruhe dem Fürsten BiSmarck einen Besuch ab. *Der Herzog »Regent Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin hat eine Verfügung erlassen, welche in weiten Kreisen mit Freuden begrüßt werden wird. Sie lautet: „S. H. der Herzog-Regent hat es mißfällig be» merkt, daß in amtlichen Schriftstücken ohne zwingenden Grund lateinische uud andere fremd sprachige Ausdrücke zur Verwendung gelangen. Die großherzoglichen Behörden werden docher angewiesen, sich im amtlichen Verkehr unter Weglassung aller nicht unumgänglich notwendi gen Fremdwörter nur der deutschen Sprache zu bedienen. Zu beachten wird hierbei sein, daß durch Ersetzung von Fremdwörtern durch deutsche Ausdrücke keine Unklarheit oder Zweideutigkeit entstehen darf, auch gesetzlich festgelegte Aus drücke unangetastet bleiben müssen." * Fürst Hohenlohe ist auf Urlaub nach Schillingsfürst abgereist. *Die,Nat.-Ztg.' erörtert die Gründe, aus denen Herr v. Miquel die Ernennung zum Vizekanzler aufgegeben habe. Sie kommt zu dem Schluß, daß ein Mann in der mächtigen Stellung deS preuß. Finanzministers diese wohl gegen die formell dem Reichskanzler unter geordnete deS „Stellvertreters" desselben ver tauscht, wenn er annehmen kann, als solcher mit einem ihm bekannten, gleichfalls in höherem Lebensalter stehenden Kanzler noch für längere Zeü zu thun zu haben — aber nicht, wenn er fich auf einen demnächstigen neuen, verhältnis mäßig jungen Reichskanzler gefaßt zu machen hat. *Wie ein parlamentarischer Berichterstatter verschiedenen Berliner Blättern mitteilt, wäre -um Neichsschatzsekretär thatsächlich der Regierungspräsident in Düsseldorf, Frhr. von Rhein baden, früher vortragender Rat im preußischen Finanzministerium, ernannt worden. *Der Bundesrat hat die Hand werkervorlage in der Fassung deS Reichs tagsbeschlusses angenommen. * Von Zeit zu Zeit taucht in den Blättern die Nachricht auf, daß der Entwurf zur re i ch s- gesetzlichen Regelung des Apo thekenwesens der endgültigen Feststellung nahe sei. Es ist keine Frage, daß recht viele Bestimmungen der Apothekenordnung, die aus dem Anfänge des laufenden Jahrhunderts stammt, einer Aenderung bedürfen, so lange man jedoch eine solche Revision mit einer Steuerregelung des Konzessionswesens verquicken will, trägt man in die Materie eine Schwierig keit, deren Bewältigung nicht so leicht erfolgen kann. Bisher hat man von dieser Verquickung nicht abgesehen, es ist auch nicht sehr wahr scheinlich, daß dies schon in nächster Zeit ge schehen wird. So lange dies aber der Fall ist, ist an ein Zustandekommen der Vorlage schwer lich zu denken. Oesterreich-Unaar». *Dem Streik der deutschen Ge- Der Schmied von Merborn. Lj Roman von E. v. Borgstede. (Fortsetzung., Gundula näherte fich geräuschlos und blieb wie festgebannt stehen. Da lag in dem Schatten der breitästigen Buche ein fremder, schlanker Mann im Grase. Auf seine Hohe, weiße Stirn fielen schwere, braune Locken, ein Bart von gleicher Farbe umschloß ein geistvolle», energisches, aber totenblasses Antlitz. Gundula Strandow starrte den Unbekannten an wie eine Vision oder wie jemand, dem fich plötzlich das Märchenland austhut. Er war so fein gekleidet, ein Vagabond war eS jedenfalls nicht, und das Mädchen trat noch einen Schritt näher. O, wie blaß, wie furchtbar blaß er war, sollte er tot sein? Nun stand sie dicht neben ihm, er regte fich nicht, nun kniete sie neben ihm nieder und betrachtete ihn aufmerksam, Hans und Berti standen angst voll, mit vorgestreckten Köpfchen hinter ihr, und nun legte sie ihre warme, weiche Hand auf die seine. Da schlug der Mann im Moose seine Augen auf, zwei lichtvolle, tiefe Augen, und blickte das Mädchen an, das da, holde Scham und Verwirrung in dem süßen Gesicht, mit ver wirrten Locken, den Hut mit Blumen gefüllt, neben ihm kniete; dann begann er zu lächeln und richtete fich ein wenig aus seiner liegenden Stellung empor. „Ich habe," sagte der Fremde mit seiner weichen, zum Herzen sprechenden Stimme, .nie an Wunder und Märchen geglaubt: aber hier ist eines. Habe ich Sie erschreckt?" fuhr er fort, als Gundula ihn noch immer angst- > met «den in Oesterreich schließen fich immer neue Bezirke an. wie das.Fremdeoblatn meldet, beschlossen auch die Gemetndevorfteher des Niemeser Bezirkes einstimmig die Anstellung der Arbeiten in dem übertragenen Wirkungskreise. Rrankretch. "Zur bisher noch immer sagenhaften Prü- sidentenretse läßt fich jetzt die halbamtliche ,Agence HavaS* in einer Note vernehmen. Danach hat Faure i« Minifterrate «itgetellt, er habe vom Kaiser von Rußland ein Schreiben deS Inhalts bekommen, eS würde dem Kaiser zur Befriedigung gereichen, den Präsidenten in diesem Jahre in Peterhof zu empfangen. Faure fügte hinzu, er beabsichtige dieser Einladung in der zweiten Hälfte des August Folge zu leisten. Weiter besagt die Note der ,Agence Havas', es werde in der Deputiertenkammer unverzüglich die Bewilligung der erforderlichen Kosten beantragt «erden. (Also doch!) * P a nam a und kein Ende I Der neu ernannte parlamentarische Unter suchungsausschuß ist aus Mitgliedern aller Parteien nach dem Verhältnis ihrer Stärke zusammengesetzt. Trotzdem meint man, daß die Sache im Sande verlaufen wird. England. "Die Mitwissenschaft deS Staatssekretärs Chamberlain am Jamesonschen Ei »fall wird durch die nunmehr in den Händen deS südafrikanischen Untersuchungs-Aus schusses befindliche Depesche der Miß Flora Shaw völlig erwiesen. Diese Depesche ist jetzt entziffert worden und bildet, wie der .Daily Chronicle' sagt, die größte Enthüllung, die die Untersuchung bisher zu Tage gefördert hat. Belgien. "Einer Nachricht aus Paris zufolge be schäftigen fich die dortigen Blätter angelegent lich mit dem angekündigten Besuche des Kaisers Wilhelm in Brüssel. Ein in Paris weilender belgischer Staatsmann ant wortete auf die Frage, ob der Besuch eine politische Bedeutung habe, der König und die Regierung hielten darauf, selbst bezüglich der einfachsten Höflichkeitsakte die Freundnachbar lichkeit gegenüber Deutschland und Frankreich deutlich zu markieren. Demgemäß erfolgte gleich zeitig eine Einladung an Faure, Brüssel zu be suchen. Auf Grund eines Mißverständnisses hieß es dann, Kaiser Wilhelm und Faure würden gleichzeitig Brüssel besuchen, woran nie mand denkt. Svanie«. "Die immer mehr anwachsenden Geldver legenheiten, in welche der spanische Staatsschatz durch die Ausgaben für den Kolonialkrieg auf Cuba und den Philippinen versetzt wird, haben die Einführung eines zehn prozentigen Zollzuschlages auf sämtliche nach Spanien cingeführten Waren notwendig gemacht. Diese Zollerhöhung ist schon mit dem 1. d. in Kraft getreten und vorläufig auf ein Jahr berechnet. "General Weyler auf Cuba verlangt vierzigtausend Mann Verstärkung! Balkanftaaeen. * Zu den ziemlich langweiligen Friedens- verhandlungenin Konstantinopel verlautet aus englischer Quelle, daß Tewfik Pascha In- struktioneu erhalten habe, sowohl auf die von den Brächten vorgeschlagene Grenzlinie in Thessalien wie auch auf die Kriegs - entschädigung einzugehen, die auf vier Mill. Pfund erhöht worden sei. Dagegen aber solle er in der Frage der Kapitulationen nach wie vor ernstlich Widerstand leisten. "Den russischen Protesten gegen den früheren schweizerischen Bundespräsidenten Droz als Gouverneur von Kreta scheint fich jetzt auch die Pforte anzuschließen, well Herr Droz als besonders griechenfreundlich gilt. UebrigenS ist seine Ernennung keineswegs so fest beschlossene Sache gewesen, wie man in der letzten Zeit berichtet hat, und ebenso wenig seine Zustimmung. Amerika. "Die fünf mittelamerikanischen Republiken Guatemala, Costarica, Hon duras, Nicaragua und San Salvador find zu Uah «aß Fern. München. Der Prinz-Regent verlieh dem Intendanten der bayrischen Hoftheater, Hofschau spieler Ernst Possart, den Verdienstorden der Zur braunschweigischen Throu- frage. Von besonderer Seite schreibt man der ,Wes. Ztg.': Die Welfen machen neue Anstren gungen, um die Aufmerksamkett wieder einmal auf fich zu lenken und im Lande den Glauben zu erwecken, als ob fich für ihre Bestrebungen irgend welche Ausficht auf Erfolg böte. Am 4. Juli soll in Har-burg eine Versammlung von Vertrauensmännern der sogenannten „reichs treuen" braunschweigischen Welfenpartei jüngerer Richtung stattfinden, zu der fich Mitglieder der welfischen Preßkommisfion, sowie Vertreter aller im Herzogtum vorhandenen jungwelfischen Ber einigungen einfinden werden. Der Hauptzweck der Versammlung soll die Beratung und Fest stellung einer Adresse sein, in der die «elfische Thronfolge in Braunschweig aufs neue an geregt wird. Unerfindlich ist, was fich angeb lich reichstreue Männer bei einem solchen Schritte denken und wie fie fich einen Erfolg von ihm versprechen können, wenn nicht an genommen werden müßte, daß eine von «el fischer Sette begünstigte Legende auch Eingang und Glauben in ihren Kreisen gefunden hätte. Wiederholt hat die welfische Presse fich in der letzten Zeit in Andeutungen ergangen, als ob der Kaiser neuerdings geneigt wäre, unter ge wissen Bedingungen in die Thronfolge, wenn nicht des Herzogs von Cumberland, so doch eines seiner Söhne einzuwilligen, sobald dieser das volljährige Alter erreicht. Nachrichten dieser Art sind früher bereits aufgetaucht, aber fie sind jetzt wie früher nichts als leere Vermu tungen ohne jeden thatsächlichen Untergrund. Vielmehr besteht, wie versichert werden kann, an maßgebender Stelle auch heute noch die An schauung, daß fich an den Voraussetzungen, die zu dem bekannten Bundesratsbeschlusse vom 2.Juli1885 geführt haben, nichts geändert hat, daß vielmehr die wichtigen, damals von Preußen gegen den Regierungsantritt des Herzogs von Cumberland in Braunschweig geltend gemachten Gründe für die preußische Regierung auch heute noch bestimmend find und es ihr unmöglich machen, der Successton eines seiner Söhne im Herzogtum zuzustimmen. einem einzige« Bundesstaat zusammen getreten. Klkrtk«, " Dr. Ia « eso « ist am Sonntag morgen nach Südafrika »urückgereist. Seine Freund« hatten Fürsorge getroffen, daß die Abreise nicht bekannt wurde. Dr. Jameson begab fich des halb in aller Frühe in Southampton an Bord deS südafrikanischen Dampfers. (Soll der Rummel da unten von neuem loSgehen?). «fie». "Die Beziehungen zwischen Siam und Frankreich sollen wiederum sehr gespannte geworden sein. 100 Siamesen haben mehrere Dörfer ausgeraubt. Hab und Gut verbrannt und die Leute ins Gefängnis geschleppt. Der französische Priester Emanuel in Paschin wurde von siamesischen Soldaten verwundet. Der internationale Gerichtshof weigerte fich, die französischen Reklamationen entgegen zu nehmen. Im Herrenhause wurde am Mittwoch das Ver einegesetz nach den Vorschlägen der Kommission mit 128 gegen 22 Stimmen angenommen. Der Referent der Kommission Graf Stolberg erklärte, daß die Kommission sich auf diesen Bodm gestellt habe, weil er die Chance der Zustimmung des Abgeordneten hauses biete. Der Minister de« Innern gab, durch den Kommissionsreferenten dazu aufgesordert, die Erklärung ab, daß die Staatsregierung unter prin zipieller Aufrechterhaltung ihres bisherigen Stand punktes die HerrenhauSbeschlüsse acccptiere und im Abgeordnetenhause vertreten werde, weil sie hoffe, auf dieser Grundlage «ine Uebereinstimuiung sämt licher Faktoren der Gesetzgebung herbeiführen zu können. Die nochmalige Abstimmung erfolgt am 22. Juli. bqmiscken Kur»«,, «omit der persönliche Adel verbunden ist. «log»». DaS ganze Vermögen eines wohlhabenden Berliners, der drei Häuser und eine reichhallig« Bibliothek besaß, ist jetzt einer kleinen schlesische» Dorfgemeiiche «»gefallen. Der kürzlich verstorbene Rentier Johann Gottfried Sucker hat seinen Geburtsort, die Dorfgemeinde Priedemoft testamentarisch zur Universalerbin eiu- gesetzt, und zwar sollen die Einkünfte aus deut vermögen zur Verbesserung der Lehrmittel der » dortigen Dorfschule, zür Anschaffung vop Dwff» geräten, zur allmählichen Ansammlung «wer» Schulbibliothek, sowie insbesondere zur Unter stützung armer, aber fleißiger und begabter Schulkinder von Priedemoft verwendet werden. Kinder, die auf höhere Schulen übergehen, sollen Stipendien von 300 bis 500 Mk. jährlich während ihrer ganzen Schul- und Studienzeit erhalten. Am Sterbetage deS Erblasser» sollen je drei Knaben und Mädchen Prämien im Werte von je 10 Mk. erhallen, und alljährlich am Todestage soll jeder OrtsarNie von Priede moft mit einem Geschenk von 20 Mark bedacht werden. Jauer. Der in der hiesigen Strafanstalt inhaftierten Strafgefangenen Karoline RaczynSka aus Schildberg in Posen, welche wegen Kindes mordes zum Tode verurteilt, sodann aber zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden war, ist, nachdem fie zwölf Jahre ihrer Strafe verbüßt, kürzlich infolge ihrer guten Führung im Gnadenwege der Rest Strafe erlassen und sie selbst sofort in Freiheit gesetzt worden. Hamburg. Durch Kurzschluß entstand am Dienstag abend ein Brand in den hiesigen Elektrizitätswerken. Das ganze Gebäude stand in Flammen. Sämtliche Straßenbahnen stockten, da die Stromzuführung aufhörte. Gegen 2 Uhr nachts wurde das Feuer durch zahlreiche Dampf spritzen bewältigt. Man hält die wertvollen Maschinen durch Feuer und Schwefelsäure sch: vollständig vernichtet. Der Betrieb der elektri schen Straßenbahn wird nur geringe Störung erleiden, da der Strom aus einer andern Zentrale zugeleitet wird. Menschenleben find nicht zu beklagen. Der Schaden soll eine Viertelmillion betragen. — Der Hamburger Postdampfer „Argentina" überrannte in der Nordsee den belgischen Fischerkutter „Ostende 20", welcher sofort sank, wobei ein Mann ertrank. Oldenburg. In einem Abteil eines Wagens des Nachtzuges von Bremen nach Oldenburg wurde in der Montagnacht ein Reisender zu Tode gemißhandelt. Auf der Station Schierbrok, wo der Zug hielt, hörte ein Beamter deS Zuges aus einem Wagenabteil 3. Klaffe Hilferufe. Er ging hinzu und gewahrte, daß zwei bis drei Insassen des Abteils dasselbe schleunigst ver ließen und dann querfeldein die Flucht ergriffen. In dem Abteil fand er einen Reisenden blut überströmt. Dieser hatte mehrere bedeutende Wunden an dem Kopfe, die anscheinend von einem scharfen Gegenstände herrührten. Sein langer Bollbart war dem Bedauernswerten halb auSgerissen. Unter den Händen des Beamten verlor der Mann das Bewußtsein, so daß er über die Thäter und die Ursachen der That nichts aussagen konnte. Neumünster. Nach Verübung bedeutender Unterschlagungen ist der Magistratssekretär Schlie mann von hier entflohen. Weimar. Ein hiesiger Kaufmannslehrling, der nach Unterschlagung von 4400 Mk. durch gebrannt war, hat jetzt 3000 Mk. an seinen be stohlenen Lchrherrn wieder zurückgesandt, und zwar mit dem Bemerken, daß er auch mit dem Rest auskäme. Letzteren werde er übrigens „gelegentlich" gleichfalls wieder erstatten, so daß also das Gericht ihm gar nichts „anhaben" könne. Sollte fich da der junge Mann nicht doch ein wenig im „Rechtsirrtum" befinden? Jnowrazlaw. Ein furchtbares Brand unglück ereignete fich in der Nacht zum Mitt woch in Lischkowo. Ein von zwei Familien bewohntes Haus ist vollständig niedergebrannt. Die eine Familie, bestehend auS Mann, Frau und einer zehnjährigen Tochter, fand den Tod in den Flammen; von der anderen Familie verbrannten sämtliche drei Kinder, während die Ellern lebensgefährliche Brandwunden erlitten. voll und errötend anschaute. „Das sollte mir leid thun." „Verzeihung," hauchte Fräulein Strandow, „ich— ich, ach, ich war ein thörichteS Mädchen und hielt Sie für tot und nun, und nun, was müssen Sie von mir denken," mW plötzlich füllten fich ihre Augen mit Thränen. „Ach," entgegnete der Fremde mit leichtem Lächeln, „Sie weinen, daß ich noch lebe? Me grausam Sie find." Gundula schüttelte mit feuchten Augen lächelnd das Köpfchen. „Sie mißverstehen mich völlig; ich bin nm beschämt, mich Ihnen so dreist genähert zu haben." „Das galt ja dem Toten, und der Lebende wird das nie vergessen." Der Mann hatte eine wunderbare, be« ruhigende Art, Gundulas Angst schwand immer mehr, ja, fie blickte ihn schon ganz mutig und forschend an und erhob fich von den Knieen. Dabei entsank der Hut ihrer Hand und schüttete seinen duftigen Inhalt über den Fremden aus. „Ach, unsere schönen Blumen!" riefen die Knaben wie aus einem Munde. „Nun kannst du uns keinen Kranz machen, Tante Gundula!" „DaS ist wahr; dmn nun find all' diese Blüten mein," sagte der Unbekannte mit feinem, gütigen Lächeln, „und ich nehme fie mit nach Hause." „Wo bist denn du zu Hause?" fragte Berti keck. „Mr wohnen be» Tante Ulrike, Mama auch." „Weißt du, wo Berghaus liegt, »nein Junge? Nun, dort bin ich her, eS ist also garnicht wett von dir," entgegnete der Herr und Gundula wurde so rot wie eine Rose. Der neue Besitzer, mit dem fie fich so ost in ihren Träumen beschäftigt hatte, stand also auf einmal vor ihr, o, und wie schön, freundlich und hochgewachsen er war. Er überragte fie bei weitem, als er nun neben ihr stand. Er hielt den Hut in der Hand und bat: „Ich habe auch im Walde verirrt, mein Fräulein; ich weiß, es ist sehr unbescheiden von mir, und dennoch möchte ich Sie bitten, mir den Weg zu zeigen, mein Name ist von Laurin." Er hatte die Anemonen in der Hand und schien fie mit nach Hause nehmen zu wollen, dann schritten Gundula und Herr von Laurin vorwärts. „Ich war lange sehr krank," begann er Plötz- lich, „nun haben fie mich hierher geschickt in die Berge und in die Einsamkeit zur Erholung und ich habe zu allem ja sagen müssen." Gundula schaute ihn mitleidig mit den schönen, braunen Augen an, dann sagte fie zu versichtlich : „In unseren Bergen werden Sie gewiß ganz gesund werden, eS ist so herrlich hier." „Da haben Sie ruht; eS gibt so viele schöne Plätze auf dieser Erde, daß einem die Wahl schwer wird." „Ich kenne nm Sllerborn," kam eS lachend von Gundulas Lippen; .Tante Ulrike erlaubt mir nie eine größere Reise. Gewiß, wenn ich hinaus käme m die Well, ginge eS mir wie jenem Almanach, den die Wachen am Stadtthor abwiesen." Es lag doch etwas wie leiser Schmerz in dem Ton, und über ihr strahlendes Antlitz flog ein Schatten. „So find Ihre Ellern tot?" fragte Herr v. Laurin sanft. „Schon lange, und seitdem leben Susanns und ich bei Tante Ulrike." „Wissen Sie auch, daß ich diese Tante Ulrike bereits kenne?" „So wissen Sie also auch meinen Namen, nicht wahr ?" uud Gundula wurde rot, fie wußte selbst nicht, weshalb. „Ach, die Leute sprechen nicht gut von der Tante; ich kann Ihnen aber- viel besser sagen, wie sie eigentlich ist, man muß nur nicht glauben, daß Tante Ulrike alles so meint, wie sie spricht." „DaS klingt ja ganz philosophisch, gnädiges Fräulein; aber jedenfalls finde ich eS hartherzig. Sie in diese Einsiedelei einzuschließen." „O, das dürfen Sie nicht sagen, auch daS thut die Tante auS Liebe, ich soll nicht so un glücklich werden wie die arme Susanns," ent gegnete Gundula ernst. „Ich glaube auch, Tante Ulrike hat ganz vergessen, wie es der Jugend zu Sinn ist; wenn ich die Welt schön, nenne, lacht fie jedesmal ein wenig spöttisch. Aber dort liegt das ForsthauS, dcts ist schon Ihr Grurw um Boden, Herr p. Laurin." Hier kreuzte der Waldbach ihren Weg, sprudelnd uud zischend hüpfte er daher über große, spiegelglatte Steine, seinen silbernen Schaum wett hinaufwerfend auf den Waldes boden. Hohe« Farnkraut, üppige Schachtel halme begrenzten seine Ufer, und dazwischen blühten blaue, großblumige Vergißmeinnicht.