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Auerthal-Zeitung : 31.03.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id173565485X-189703319
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id173565485X-18970331
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-173565485X-18970331
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auerthal-Zeitung
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-03
- Tag 1897-03-31
-
Monat
1897-03
-
Jahr
1897
- Titel
- Auerthal-Zeitung : 31.03.1897
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Vslttische K«»dsch<«. Deutschlnnd. « DerKaiser ist zurBeiwohnung der Bet- fetzungSfeterlichketten nach Weimar abgereist. «Der .ReichSanzeiger* veröffentlicht einen Dankerlaß der Kaisers für die groß artige Teilnahme des gesamten deutschen BolkeS an der Hundertjahrfeier Kaiser Wil helms des Großen. «Die ,B«rl. N. Nachr.* find in der Lage, die Meldungen über den Gesundheits zustand deSFürsten Bismarck durch die Mitteilung zu ergänzen, daß ein stärkerer Anfall gastrisch-nervöser Verstimmung den Fürsten seit einigen Tagen länger al» sonst an daS Bett fesselt und Schonung im Verkehr empfiehlt. Be drohlich ist der Zustand nach ärztlicher An ficht nicht. «Der Admiral Hollmaun hat einem Parteiführer gegenüber erklärt, er bleibe auch nach der 3. Lesung deS MarineetaS im Amte. «Die OsterferiendeSReichstagS werden nach vorläufigen Dispositionen am 7. April beginnen. «Dem Reichstage ist die allgemeine Rechnung über den Reichshaushalt pro 1893/94 nebst den dazu gehörigen Spezial rechnungen, einem Vorbericht und den Bemer kungen deS Rechnungshofs sowie die Rechnungen über den Haushalt der Schutzgebiete von Kamerun und Togo sowie des südwestafrikani schen Schutzgebiets pro 1892/93 und 1893/94 behufs Entlastung zugegangen. «Der deutsche Landwirtschaftsrat hat in einem an den Reichskanzler erstatteten Gutachten sich für das Verbot des Wurst- färbens ausgesprochen. « Der Hannoversche Kurier* schreibt, Krupp werde die beiden abgelehnten Kreuzer auf der Germaniawerft auf eigene Rech nung und Gefahr bauen, natürlich in der Erwartung, daß das Reich sie später übernimmt. Sollte das aber nicht der Fall sein und der Reichstag überhaupt keine Kreuzer mehr be willigen, so würden sich für zwei gute Schiffe des neuesten Typus gewiß Käufer finden. China und Japan haben Bedarf, und eine leistungs fähige Weltfirmo werde gutes Kriegsmaterial in der heutigen Zeit immer loS. «Der Statthalter der Reichs lande hat das fernere Erscheinen der ,Kol- marer Ztg.' und des Mühlhäuser Volksblatt* verboten, well beide Blätter zur Hundert jahrfeier unter der Ueberschrist „Wir machen nicht mit" einen Artikel brachten, der das Andenken Kaiser WUHelms herabsetzte. Frankreichs * Der allerdings nicht sehr verläßliche .Figaro* meldet, der Marineminister Besnard habe durch den Obermarinerat eine Vorlage ausarbeiten lassen, nach der die Seemacht Frank reichs um 45 große Kriegsschiffe und um 175 Torpedoboote und Torpcdojäger vermehrt werden soll. Die Arbeiten sollen auf 8 Jahre verteilt werden, doch soll in den ersten 5 Jahren der größere Teil des Projekts, namentlich in betreff der Panzer-Kreuzer und Torpedojäger, durchgeführt werden. Die Verteilung des Arbeitsprogramms erfolgt lediglich im Hinblick auf die begrenzte Leistungsfähigkeit der Staatsarsenale und der Privatetabliffements. Die Kosten für die neuen, als unerläßlich erachteten 220 Gefechts einheiten werden auf 600 Millionen ver anschlagt. «Die Erwartungen und Befürchtungen, die sich in Frankreich an die neue Untersuchung der Panama - Angelegenheit knüpften, scheinen durchaus in Erfüllung zu gehen. Die Regierung läßt offenbar das gerichtliche Ver fahren mu aller Strenge durchführen, und daß unter den Opfern „Personen sein würden, an die man kaum gedacht" hätte, beginnt sich bereits zu bewahrheiten. Aus Avignon wird gemeldet, daß ein Polizeikommissar in der Wohnung des ehemaligen Deputierten Saint Martin zu Carpentras eine Haussuchung vor nahm. Saint Martin ist wahrscheinlich von Naquet rechtzeitig gewarnt worden und muß Frankreich bereits verlassen haben. Naquet Leidenschaft und Liebe. 14j Roman von E. Belmar. <Aorii«?ung.» „Hoffentlich wird ihm das einsame Leben hier wenig zusageu," meinte die Rätin in gemäßigterem Tone. „Doch Oskar, all' diese Demütigungen und Sorgen hätten unS erspart werden können, wenn Konrad -"** „Mutter!** Er legte seine Hand bittend auf ihren Arm. „Ich hätte von Konrad kein Opfer angenommen. Lassen wir daS." Die Rätin konnte es nicht über sich ge winnen, Volkmann willkommen zu heißen, sie schützte Unwohlsein vor und verließ ihr Zimmer volle acht Tage nicht; Melitta blieb eS allein überlassen, die fehlende Hausfrau zu repräsen tieren und sie unterzog fich dieser Pflicht mit einer Art scheuer, schüchterner Anmut, die ihr einen eigenen Liebreiz verlieh. Sie war blaß und traurig geworden; tiefe Schwermut hatte daS sonst so lebhafte Mädchen befallen, kein Lachen tönte mehr von ihren Livpen, still und schweigsam saß fie da, mit heißer Angst dem Tage entgegensetzend, da fie wieder nach der Residenz mußte. Dort gab eS tausend Erinnerungen für fie an Cornaro; mit Schaudern dachte sie an die Möglichkeit, ihn dort zu sehen, mit ihm verkehren zu müssen — alle», alles, nur dies nicht! Die beständige Angst, Onkel OSkar könne etwa» von ihrem Verhältnisse zu Cornaro er fahren und die Vorwürfe, die fie fich selbst machte, wirkten schädlich auf ihren zarten Orga nismus ein. Sie wmde krank; zwei Tage be- selbst hielt fich fett acht Tagen in Nizza auf und dürfte zur Zeit schon die italienische Grenze überschritten haben. — Anderweitigen Mel dungen au» Paris zufolge ist dagegen Naquet bereits vor mehreren Tagen nach London ge flüchtet. «nglaud. «3m englischen Unterhause erklärte der Par- lamentS-UnterstaatSsekretär deS Auswärtigen Curzon, der britische Botschafter in Konstanti nopel sei angewiesen worden, keine Gelegenheit zu versäumen, um auf die Zurückziehung der türkischen Truppen aus Kreta zu dringen. Ein solches Verfahren würde durch die Zurückberufung der griechischen Truppen sehr er leichtert werden. Wetter betonte Curzon, eS be stehe kein Kriegszustand zwischen England und der Türkei oder zwischen England und Griechen land. Die Blockade sei eine Art Polizei- maßregel, um weitere Kämpfe auf Kreta zu verhindern. Die Frage wegen Kriegskontrebande entstehe nicht. (Also liegt keine GeschästSstöruna vor, waS wohl für England die Haupffache ist.) Gpoie». «Zu den Vorgängen auf den Philip pinen meldet man, daS Leberleiden deS Generals Polavieja habe fich plötzlich so ver schlimmert, daß er drahtlich um seine Ent lassung gebeten hat. Sein Nachfolger Primo de Rivera wird fich in Barcelona ein schiffen und dann in 40 Tagen in Manila ein treffen. Ruftlaud. «Russischen Blättem zufolge hat von den in russischem Kriegsdienst stehenden, in Odessa in Garnison befindlichen bulgari schen Offizieren kein einziger von der den Emigranten seitens der bulgarischen Negie rung gewährten Amnestie Gebrauch gemacht. Balkanftaaten. «Die Mächte „beraten** über ein neues Ultimatum an Griechenland, in welchem mit Blockierung der griechischen Häfen gedroht werden soll. — Der griechische Kronprinz ist zur Armee an die Grenze abgereist, worüber in Athen unbeschreiblicher Enthusiasmus herrscht- * Die Blockad e Kretas, die zur Be ruhigung der Insel eingeleitet wurde, hat neues Unheil gezeitigt. Die aufs äusserste gebrachten Insurgenten, die in der Blockade eine Maß- regel zu gunsten der Türkei erblicken, erstürmten am Donnerstag das Fort Malaxa und machten 54 Mann der Besatzung nieder, die überhaupt nur aus 60 türkischen Soldaten bestand. In folgedessen griffen die europäischen Kriegsschiffe ein und schossen das Fort vollständig in Trümmer. Auch die „Kaiserin Augusta** beteiligte fich mit 13 Schuß an dem Bombardement. «Immer wieder taucht das Gerücht auf, daß der Sultan eine Verständigung mit Griechenland anzubahnen sucht. Neuerdings wird hinzugefügt, daß sich der Groß herr des russischen Botschafters Nelidow als Vermittlers bediene; dieser wolle erst die übrigen Mächte befragen. «Wie unglaublich schlecht auf Kreta von den Großmächten alles durchgeführt wird, zeigt die Thatsache, daß die in Sitia gelandeten Franzosen ihre Vorräte von den Insur genten unter der Bedingung kaufen müssen, der verhungernden türkischen Garnison nichts zukommen zu lassen. «Von einem Balkanbund weiß die ,Now. Wremja' Mitteilung zu machen. Danach seien zwischen Serbien, Bulgarien und Montenegro folgende Bestimmungen fest gesetzt: 1) im Falle von schweren Verwicklungen auf der Balkanhalbinsel nichts ohne gegenseitige Verständigung zu unternehmen und 2) für jedes gemeinschaftliche Zusammenwirken vorher die Einwilligung Rußlands nachzusuchen. Es sei aber Vorauszusehen, daß Serbien und Bulgarien bei einer eventuellen Teilung Macedoniens in Streik kommen müßten. In Belgrad sei Ende > Februar ein TeilunqSvrojekt ausgearbeitet worden, nach welchem Salonichi und Umgebung neutral bleiben, das übrige Macedonien zwischen i Serbien und Bulgarien geteilt werden sollte. Die Bulgaren hätten diese» Projekt aber nicht angenommen, sondern in einem Kontreprojekt die Schaffung eine» autonomen Makedoniens vorgeschlagen, da fie diese» vermittel» de» bul garischen Exarchen ganz in ihre Einflußsphäre ziehen könnten. An* dem Reichstage. Der Reichstag trat am Freitag in die dritte Lesung de» Etat» ein. Beim Sondcretat de» Reiche tag» wurde wieder der Antrag Ancker u. Gen. (ft. Vp.) auf Gewährung von Diäten an die ReichS- tagSmitglieder angenommen. Beim Etat de» Aus wärtigen Amte» verlangte Abg. Bebel (soz.) ein Einschreiten de» Reiche» für einige in Barcelona verhaftete deutsche Anarchisten und Auskunft über die kretische Frage, wa» beide» vom StaatSseketär v. Marschall abgeschlagen wurde. Beim Kolonial etat wurde mitgeteilt, daß die mündliche Verhand lung gegen Dr. Peter» auf den 24. April anbe raumt ist. Am 27. d. wird die dritte Etatsberatung fort gesetzt beim Extraordinarium de» Militär- Etat». Hier liegt zunächst folgende in zweiter Lesung von der Budget-Kommission beantragte, damal» aber zurückgcstellte Resolution vor: „Die Erwartung aiiS- zusprechen, daß bei Beschaffung der Kasernements für die zwei neuen württembergischen Infanterie- Regimenter, die in Weingarten vorhandenen Bauten verwendet und dadurch eintretende Ersparnisse an der hier (für Ulm) geforderten Bedarfssumme zurück gerechnet werde." Württembergischer Kriegsminister Frhr. Schott von Schotten st ein bittet, diese Resolution nicht zum Beschlüsse zu erhebm. Ju Weingarten würde zunächst der Kasernenumbau schon mehr kosten als der in Ulm erforderliche, dann müßte ein neue» Lazarett in Weingarten errichtet werden, vor allem aber seien militärische Rücksichten dafür maß gebend gewesen, daß man da» ganze Regiineul nach Ulm und nicht ein Bataillon nach Weingarten, da andere nach Ulm verlegt hat. Nachdem dir Abgg. Frhr. v. Gültlingen (ft. kons.) sich gegen, Ra ui bald (Ztr >, Galler (südd. Vp.) und Gr öb er(Ztr.) für die Resolution ausgesprochen, und der württ. Kriegsminister Frhr. Schott v. Schottcnsteinsie nochmal» be kämpft, wird die Resolution mit 135 gegen 99 Stimmen angenommen. Zur Beschaffung von Feldbahnmaterial sind im Etat 912 000 Mk. gefordert worden. Auf Antrag der Budgetkommission sind von diesem Bettag in der zweiten Beratung 312 000 Mk. gestrichen, also nur 600 00«> Mk. bewilligt worden. Aus Antrag des Abg. Bachem (Zentr.) wird ohne Debatte dieser Bettag auf 762 000 Mk. erhöht. Der Rest des Militäretat» wird ohne Debatte er ledigt. ES folgt der Marineetat. Staatssekretär Hollmann tritt auf Grund einaesorderter Berichte den von sozialdemokratischer Sette in der zweiten Lesung erhobenen Beschnldi- gnngen entgegen, daß die Lberwerftdircktion in Wil helmshaven Arbeiter wegen ihrer politischen Gesinnung auS der Arbeit entlassen habe. Abg. Liebermann von Sonnenberg (Antis): Und wenn ich mit Engelszungen redete, ich würde die Mehrheit wohl nicht mehr überreden können, die Forderungen für die Marine zu be willigen, die sie in zweiter Lesung abgelchnt hat. Aber ich ergreife doch da» Wort, um festzustellen, daß hinter der Mehrheit nicht die Mehrheit des Volkes steht. Die Mehrheit des Volke« ist begeistert für bie Einigkeit Deutschlands, sie ist auch bereit, die Lasten aus sich zu nehmen, für eine Flottenver- mehrung in vernünftigen Grenzen. Die Auf gaben unserer Flotte sind eben andere ge worden durch die Entwickelung des Handels und durch die Kolnonialpolitik. Wir müssen aber auch Wert darauf legen, daß den Deutschen im AuSlandc ihre Nationalität erhalten bleibe. Die Verstärkung der Flotte ist möglich ohne eine Mehrbelastung unseres Volkes. Das Geld ist vorhanden. Hätte eine weise Politik eS verhütet, daß so viel deutsches Kapital ins Ausland ging, nach Griechenland und Argentinien, wir könnten eine Flotte bauen, so groß wie die englische und noch größer. Man könnte die Tabak- und Branntweinsteuer erhöhen, eine Wehr steuer cinsührcn, ein Fnseraten-Monopol schaffen, das doch sicher in den Händen des Staates jedem sympathischer sein müßte als daS jetzige Monopol in den Händen der Juden. Eine Mehrheit würde die Regierung schon bekommen, wenn fie sich zu einer Auflösung des Reichstages entschlösse und als Wahlparole ansgäbe: Schutz der Landwirtschaft, Schutz des Handwerks und des Mittelstandes unter Aufhebung der Juden-Emauzipation. / Abg. Legien (soz.) bringt Beschwerden der Kieler Werftarbeiter zur Sprache. Dieselben sollten sich jeder Agitation enthalten, die Direktion aber agitiere selbst gegen die Sozialdemokratie, indem sie die Lorenzensche Broschüre über bie Sozialdemokratie verteilen lasse. Redner vlaidiert ferner für eine Verkürzung der Arbeit»,eit mit Rücksicht auf die weiten Entfernungen, welcht die Arbeiter von den Bororten bi» Kiel -upückzultgen hätten. StaatSseketär tzoklmann erwidert, daß er gegen die Verteilung der Lorenzenschen Schriften nicht» rinzuwenden habe. E» werde aber niemand gezwungen, die Schrift zu lesen. Zur Errichtung weiterer Arbeiterwohnungen fehle e» an Fonds: zur Beförderung der in den Vororten wohnenden Arbeiter werde ein Dampfer bereit gestellt. Generell könne die Arbeitszeit nicht verkürzt werden, wohl aber in einzelnen Fällen. Abg. Frhr. v. Stumm (sreikons.) spricht dem Arbeiter Lorenzen für seine Bekämpfung der Sozial demokratie seine Anerkennung au» und findet cS ganz in der Ordnung, daß die Marinevrrwaltung Lorenzen» Schrift verteilen lasse. Die Debatte wird geschloffen und die „dauernden Ausgaben" de» Marine-Etat» unverändert ange nommen. Bei den einmaligen Ausgaben kommt Staats sekretär Hollmann aus die abgelehnten beiden Kreuzer zurück. Seit der Abstimmung sei ihm die Aeußcrung eine» sehr hohen Herrn aber die Bc- deulung unserer Flotte zur Hand gekommen. Prinz Friedrich Karl habe vor j.877 geäußert, in der künftigen Marine liege die Zukunft Deutschlands, sie müsse die Stellung festkalten, die die Armee für das Deutsche Reich geschaffen habe, den fremden Völkern zeigen, daß Deutschland im Frieden Handel und andere kulturelle Arbeit entwickeln wolle. Da ein Antrag aus Wicdcreiustellnng der ge strichenen Kreuzer nicht vorlicgt, verbleibt eS einfach bei dem Beschluß zweiter Lesung. Nachdem noch Abg. Hahn (wildkons.) dem StaatSsckresär Hollmann namen« der deutschen Küstenfahrer dafür gedankt, daß derselbe in Wil- helmsbafeu eine Schleuse mit Schleppdampfer zum Durchschleusen der Küstenschiffe errichtet habe, wird der Rest des Marineetats ohne weitere erhebliche Debatte genehmigt. Beim Etat der Reichs-Justizverwaltung, speziell beim Reichsgericht beschwert sich Abg. Schön lank (soz.) darüber, daß ein ReichSgcrichtSrat in einem Prozeß gegen einen sozialdemokratischen Re dakteur wegen Gotteslästerung bei Verlesung der Urteils erster Instanz gesagt habe, „Ter Mann sei billig wcagekommen." Redner rügt es ferner, daß ein elsässischer OberlandeSgerichtSrat, der beim Ab schluß einer Versicherung ein schweres Herzleiden verschwiegen, nun in gleicher Stellung versetzt worden sei. StaatSseketär Nieberding: Der erste Fall sei ihm völlig unbekannt. Es wurde ihm auch eine Kritik einer in einem Reichsgerichtssaal gefallenen Aeußerung nicht zustehcu. In dem anderen Falle handle es sich um einen Landrichter. Da gegen den selben ein rechtskräftiges Disziplinarurteil ergangen sei, so sei die Sache damit erledigt. Abg. v. Cuny (nat.-lib.) fragt, welche Schritte bisher zur Befriedigung der Banhandwerker wegen des hypothekarischen Voreintraguug-rechts gethan seien. StaatSseketär Nieberding erwidert, daß im preußischen Justizministerium eine Kommission zu- sammengetrcten sei, um die Sache zu prüfen. Zu einem bestimmten Ergebnis sei dieselbe noch nicht gekommen: die Stimmung gehe aber dahin, den Handwerkern gegenüber der Eintragung von Lcili- kepitalshypotheken ein Vorzugsrecht einzuräumen. Abg. Peus lsoz.) wünscht ein einheitliches SttasvollzngLgesetz für ganz Teutschland. Staatssekretär Nieberding entgegnet, die Regelung deS Strafvollzuges für daS Reich sei in Vorbereitung, eS lasse sich aber noch nicht sagen, wann die Vorlage an den Reichstag gelangen werde. Nach weiterer unerheblicher Debatte wird der Etat der Neichsjustizverwaltung auch in drttter Lesung bewilligt. Da» Abgeordnetenhaus nahm am Freitag die Vorlage betr. Verbesserung der Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbe amten in dritter Lesung debattelos an. Entsprechend dem Kommissionsbeschluß wurden auch die Vorlagen betr. Eingemeindung von Burtscheid in Aachen und Eingemeindung der Breslauer Vororte Pöpelwitz und Kleinburg in die Stadt Breslau angenommen. Am 27. d. erledigte das Abgeordnetenhaus in dritter Lesung unverändert die Vorlagen betr. die Regelung der Richtergehälter, bett, die Vereinigung von Burtscheid mit Aachen und betr. Eingemeindung von Breslauer Vororten. Sodann wurde die zweite Etatsberatung fortgesetzt. Beim Etat der Ansiede- InngSkonimission für Westpreußen und Posen wird ein Antrag der Polen um Aushebung deS Ansiede- lungsgesctzeS abgelchnt. vor sic nach der Residenz reisen sollte, um ihre Studien wieder aufzunehmcn, befiel fie ein heftiges Fieber, das mit großer Heftigkeit auf trat und sogar für ihr Leben fürchten ließ. MS fie nach langem Krankenlager wieder in der Mitte der Ihren erschien, glich fie nur einem Schatten ihrer selbst. Onkel Oskar, noch mehr aber Vollmann, umgaben sie mit der zärtlichsten Fürsorge; selbst die Großmama hatte hier und da ein freund liches Wort für fie. Die alte Dame schmiedete schon wieder neue Pläne, bei denen diesmal Melitta die Hauptrolle spielte. Sie hatte nur zu bald bemerk, daß Volk mann ein lebhaftes Interesse für Melitta empfand; während ihrer Krankheit war seine Zuneigung zu dem jungen Mädchen deutlich an den Tag getreten — wenn Melitta seine Frau wurde, dann war der Lindenhof gerettet. Mit eigensinniger Beharrlichkeit hielt die Rätin an ihrem Wunsch fest, der Lindenhof mußte in der Wellendorfschen Familie bleiben! Melitta selbst nahm die Aufmerksamkeiten Volkmanns mit der ihr eigenen kindlichen Un befangenheit entgegen; fie hatte keine Ahnung davon, wie innig und zärtlich sie der junge Mann liebte, der ihr in der schwersten Stunde ihres Leben» entgegengetreten. Sie lauschte gern dem weichen, vollen Klang seiner Stimme, sie freute fich, wenn er kam, fie wünschte ihn herbei, wenn er fern von ihr war, aber jenes berauschende, betäubende Gefühl, da» sie stets in Cornaro» Gegenwart empfunden, hatte fie nicht. Oft, wenn fie daran dachte, wie leidenschaftlich fie den jungen Künstler ge- j liebt, sagte fie sich selbst mit Wehmut und Trauer: das alles ist in mir erstorben, so kann ich nicht mehr lieben, mein Herz ist kalt und starr geworden. Von einer Wiederaufnahme der Studien Melittas konnte für dieses Jahr keine Rede mehr sein. Sie war noch sehr schwach und mußte geschont werden. Sic selbst wünschte nicht mehr in die Residenz zurückzukehren, allein fie hatte nicht den Mut, diesen Wunsch gegen Onkel Oskar auSzusprcchen, obschon der Onkel in letzter Zeit freundlicher und liebevoller zu ihr geworden war. Die wenigen sonnenhellen Tage, welche der Oktober bot, wurden benutzt, um die Rekon valeszentin ins Freie zu führen. Melitta saß oft stundenlang in einem Lehn stuhl unter hem mächtigen Lindenbaum, von dem der Lindenhof seinen Namen hatte. Ein Buch in der Hand, in dem fie nicht la», blickte fie träumerisch ins Weite, horchend und lauschend, ob Bolkmann noch nicht käme, um mit ihr zu plaudern und ihr von den Fortschritten zu er zählen, die er unter Onkel OSkarS Leitung im Fache der Landwirtschaft machte. Er brachte ihr einen riesigen Strauß Feld blumen mit, den er für sie gepflückt, und wäh rend fie ihr Gesicht über die mit vieler Sorgfalt geordneten Blüten neigte, sah er mit strahlen- den Blicken auf da» junge Mädchen herab, dessen Wangen bereits ein leises Rot zu färben begann. Wenn fie dann dankbar kächelnd zu ihm aufbltckte, geschah. «» wohl zuweilen, daß er ihre Hand ergriff, um fie mit warmem Drucke in der seinen festzuhalten, bis Melitta sie ihm errötend entzog, um ihn zu fragen, wie er denn Zeit gefunden, bei seinen vielen Geschäften noch diese Unmasse Blumen zu sammeln. Diese Szene hatte fich oft vor den beobach tenden Blicken der Großmama abgespielt und immer hatte die alte Dame gehofft, heute werde es zu einem entscheidenden Resultate kommen; aber ihr Wunsch war bisher noch un erfüllt geblieben. Die Fenster de» von der Rätin bewohnten Zimmers gingen in den Garten hinaus. Der Lindenbaum, unter welchem Melitta saß, befand fich auf einem freiem Platze deS Gartens, man konnte daher vom Fenster genau beobachten, was unter dem Baume vorging. Die Rätin verließ daher nie daS Fenster, sobald fie Volkmann an Melittas Sette wußte. Sie fürchtete, Melitta könnte im stände sei», VolkmannS Werbung abzuweisen, und das wollte die Rätin um jeden Preis vermieden haben, fie glaubte die Macht zu besitzen, im Notfälle daS junge Mädchen zu zwingen, sein Jawort zu geben, und fie war fest entschlossen, diese Macht auch auSzunüten. An einem schönen Nachmittage hatte die alte Dame einen Spaziergang in den Garten ge macht, mit HUfe eine» Stocke» ging fie lang- sam aber ziemlich sicher; Melitta saß schon seit einer Stunde an ihrem LieblingSplätzchen, fie hatte eine kurze Promenade unternommen und lehnte nun müde in ihrem Stuhle, mit Unge duld die Zett herbeiwünschend, da Lolkmann kommen würde. Die Großmama ging unbesorgt weiter;
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