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v»d«prst. In der Maschinenfabrik von Ganz u. Komp, exp odierte ein neuer Kessel, der zum ersten Male probeweise geheizt »orden war. Ein Arbeiter wurde getötet, jünf schwer verletzt. Luzern, von einem vielseitigen Mann schreibt da- hiesige »Vaterland': Soeben er halten wir die Nachricht vom Tode des Gerichts« Präsidenten dcS Kreises Rothenburg, SanitätsratS Xaver Schnieper. Schnieper, ein rüstiger Mann, erst KV Jahre alt, ist nach lehr kurzem Kranken« lager einer heftigen Lungenentzündung erlegen. Noch am letzten Montag war er seinen Ge schäften nachgegangen. Eine Erkältung, die er sich bet Ausübung seines Berufes als Tierarzt -»gezogen, scheint die Krankheit verursacht zu haben, die nun so unerwartet rasch den «ästigen Mann tnS Leichentuch gehüllt hat. (Also Tierarzt, SanitätSrat und Gerichtspräsident, alles in einer Person.) Paris. Doktor Cabot, wohnhaft in Berk» fur-mer, kam nach Paris, um der medizinischen Akademie mitzuteilen, er habe eine Methode er« sunden, Bucklige zu heilen; bei 37 Kindern sei ihm seine Kur geglückt; keines sei gestorben, alle, wären gerade geworden. Seine Methode schsägt in die Art deS Dr. Eisenbart: er drückt den chloroformierten Patienten die Auswüchse «in, worauf er Geradehalter anlegt, bis die Natur daS ihrige beiträgt. Cabot wurde hier von so unzähligen Panier Verwachsenen be lagert, daß er fluchtartig abreiste. Lyon. Die Polizei verhaftete einen Falsch münzer, einen Korsen, auf Anzeige seiner Ge liebten. Als diese, die an hysteriichen Anfällen litt, die Verhaftung ihres Geliebten sah, fiel sie lot nieder. Verviers. Hier tötete sich eine Witwe D. in ihrer Wohnung mit KohlengaS. Die Selbst mörderin halte selbst alle Vorkehrungen für die Aufbahrung ihrer Leiche getroffen. Diese lag, einen Rosenkranz in der Hand, auf einem mit frischer Leinwand überzogenen Bette; auf dem Nachttisch stand ein Kreuz mit zwei Kerzen, davor ein Weihwaffcrkcssel mit einem BuchS- baumzweig. Auf einem Tische fand sich eine Menge Briefe, in denen die Lebensmüde ihre Verwandten um Verzeihung bittet. Einer der Briefe enthielt das Geld für das Begräbnis, daS ein christliches sein solle. Alle Ritzen an den Fenstern und Thüren waren sorgfällig mit Watte verstopft. Witwe D. war im vorigen Monat wegen eines in Belgien nicht seltenen Verbrechens verhaftet, wegen mangelnder Be weise aber wieder entlassen worden. Brüssel. Seit einigen Tagen herrscht auf der Schelde so dichter Nebel, daß die ganze Schifffahrt unterbrochen ist. AuS Hauswecrd meldet der Draht, daß der deutsche Dampfer «Otto Fürst Bismarck" in Vlake dicht bei der Eiscnbahnbrücke gescheitert ist. Zwei Bngsicr- schiffe haben mehrere Stunden hinvurch daran gearbeitet, ihn wieder flott zu machen. Auch der niederländische Dampfer „Ariadne" ist ge scheitert, konnte aber wieder flott gemacht wer den. Der regelmäßige Dampferdicnst zwischen Antwerpen und Harwich kann nicht durchgcführt werden — kurz, die ganze Schiffahrt stockt. Auch auf der Maas, besonders bei Huy, herrscht dichter Nebel. Kopenhagen. In Kopenhagen erregt in aristokratischen Kreisen ein großer Skandal pein liches Aufsehen. Der junge Graf Tanneskjold- Samsö, der einer der vornehmsten Adclsfamilien deS Landes angehört, hat sich in Arhuus, wo er die Osfizierschule besucht, mit einer Variötö- Sängerin verlobt. Die Fam lie ist entrüstet, und der alte Graf hat erklärt, seinen Sohn enterben zu wollen. Der junge Mann erregte übrigens schon vor einigen Jahren Aussehen, indem er längere Zeit verschwunden war und schließlich in Beilin in einer lustigen Gesellschaft gefunden wurde. New Uork. Der Staatsanwalt von New Nork veröffentlicht einige Einzelheiten, die sich bei der Untersuchung gegen den kürzlich verur teilten Brandstifter Isaak Zucker ergeben haben. Zucker war das Haupt einer Brandstifterbande, die in den letzten Jahren mehr als 300 Brand schäden verursachte und infolge hiervon ändert- > h' b Mill. Dollar In berüge« Ischen Versichern»« g u er'chlich, 25>t Feuer wurden von den Ver« -brechern in großen Winhäuicrn angelegt, welche dnich ing von armen Lcnten belohnt wircn, Durch die'e Verbrechen wurde» nicht weniger al» 2üo ooo Menschen gefährdet. Bombay. Die Flucht der eingeborenen Bevölkerung, einschließlich der Arbeiter und deren Fa nisten, dauert fort. Die Flnchiliugc be geben sich auf das Land, wo beieitS großer Mangel an Lebensmitteln herrscht. Bi» jetzt haben etwa 325 000 Einwohner die Stadt ver lassen. Gerichlshalle. Berlin. Wegen Bcleidignna deS Oberhof» meistcrS der Kaiserin, Grafen Mirbachs sind der Schriftsteller Schwennhagen zn 1 Jahr, der Re dakteur Sedlatzeck zu 4 Monat Gefängnis ver urteilt worden. Düsseldorf. Zur Warnung für Haus besitzer diene folgender Fall. DaS hiesige Land gericht verurteilte einen Hausbesitzer zur Zahlung einer beträchtlichen lebenslänglichen Reute an «men Ke'chäftsreisenden. Der Hausbesitzer hatte nämlich daS Haus gekauft nnd vcimietct, ohne sich weiter um dasselbe zu bekümmern. Der Reisende wollte nun eines Tages ein leeres Fäßchen zum Einmacbcn von Bohnen in den Keller bii gcn und rollte daS Fäßchen vor sich her, während er die Kellertreppe hinabging. Dabei verlor er das Gleichgewicht und griff nach dem Treppengeländer, welches aber nachgab, so daß der Rettende ninabstürzie und schwere Ver letzungen erlitt, die ihn dauernd arbeitsunfähig machten. Der Verunglückte hatte eine einmalige Entschädigung von 30 000 Mk. gefordert, welche der Hausbesitzer aber nicht zahlen wollte. Leipzig. Der Flcischcrgeselle Voigt auS Markranstädt hatte durch allzu schnelles Fahren ein Kind in Lebensgefahr gebracht und wurde dafür vom hiesigen Landgericht mit drei Monat Gefängnis belegt. Volkstümliche Hochschulkurse in Berlin. Unter dem Weihnachtsdatum deS JahreS 1896 haben die Professoren DameS, Delbrück, DielS, Ti'thcy, Gierke, Harnack, Heubner, Hir'chfeld, Kaftan, Kleinert, Möbius, Nagel, Oertmann, Paulsen, Schmollcr, Sering, Ad. Wagner und Waldcyer an den akademischen Senat eine Eingabe gerichtet, in der sie den selben bitten, er möge: 1) zur Einrichtung und Leitung volkstüm licher Hochschulkurse, die in den verschiedenen Stadtteilen in geeigneten Räumlichkeiten abzu halten wären, einen ständigen Auslchuß unier dem Ehrenvorsitze Seiner Magnifizenz des Rek tors etwa in der Weise bilden, daß in denselben für je drei Jahre einige Mitglieder von dem hohen Senat und je ein Mitglied von den ein zelnen Fakultäten zu wählen sein würden, in dem aber auch den außerordentlichen Professoren und Privatdozentcn, sowie den Lehrern anderer hiesiger Hochschulen eine Vertretung einzuräumen sein würde; 2) beim Henn Minister für geist liche, Unterrichts- und Medizinal-Angelcgenbeiten um eine jährliche Unterstützung von etwa 15 000 Mark zum Zwecke der Ausführung der vorge schlagenen Veranstaltung einkommen. Gegenstand der volkstümlichen Hochschulkurfe würden, so heißt es in der Eingabe, alle Wissens gebiete sein, die sich zur volkstümlichen Dar stellung eignen, jedoch unter Ausschluß von Vor trägen über solche Fragen, auf die sich die poli tischen, religiösen und sozialen Kämpfe der Gegenwart beziehen oder deren Behandlung zu Agitationen Anlaß geben könnte. Für den Fall, daß die Kanzlei- und Kassengeschäfte nicht von den Organen der Universität mitübernommen werden könnten, würde sich voraussichtlich die Zentralstelle für Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen bereitfinden lassen, diese Aufgaben zu über nehmen. Zur Abhaltung der Kurse gegen Honorar würden von dem Ausschüsse in der j Regel, aber nicht ausschließlich, Professoren,' Privatdozenten und Assistenten der Universität ! und anderer hiesiger Hochschulen aufzufordern sein. Wir bemerken einstweilen nur, daß hier mit der erste prakiische Schritt gethan ist, die Volkrhochschu bewegung aus der angelsächsischen und ttandinavijchen Welt auf deutschen Boden zu übertragen. Tie Mchrheil des Senats an der Beniner Universität steht dem Verlangen obne Zweifel mißgünstig gegenüber. Die An bänger jener Bewegung befinden sich hauvisäch- lich unter den VollSwirtschastern und den jungen To.einen. Gartenarbeiten tnr Januar. Obstgarten: Bei frostfreiem Wetter werden die Obstbaume auSgeputzt, die Beeren« obsistiäucher beschnitten, gedüngt und der Dünger untergegraben. Ebenso find die Formenbäume zu beschneiden. Edelreiser und Stecklinge sind zn schneiden; erstere schlägt man an schattiger Stelle deS ÄartenS in die Erde ein, letztere werden gebündelt, in flache Gruben gelegt und ganz mit Erve bedeckt. MooS und abgestorbene Rindenschuppen sind von den älteren Obst bäumen sorgfältig abzukratzen, der Stamm und die stärkeren Neste find mit einem Anstrich von Kalk zu versehen. Die Obstlager sind wenig stens alle acht Tage durchzusehen, faulende Früchte werden entfernt, die in der Tafel am weitesten vorgeschrittenen verspeist. Gemüsegarten: Ist daS Arbeiten im Freien möglich, so wird daS Gemüseland rajolt, gedüngt und gegraben; Spargelbeete werden vorbereitet, indem man die Erde aushebt, düngt und Komposterde zuführt. Bei starker Kälte ist eS nicht zweckmäßig, Mistbeete anzulegen, soll es aber doch geschehen, so beschränke man sich a f solche für daS Treiben von Karotten, Radies, Gartensalat, Blumenkohl und Gurken. Gemüse pflanzen werden erst im Februar und März auSgeiäct. Die im Januar anzulegenden Mist beete find sehr warm anzulegen; man benutze nur reinen, frischen Pferdedung, und gebe auch starke Umsätze von solchem. Die Beete sind mit Strohmatten und Brettern zu decken, doch so, daß dem sich entwickelnden Dunste Raum zum Abzug bleibt. Erst nachdem sich derselbe nicht me r entwickelt, können Pflanzen im Mistbeete gedciben. Die eingcschlagenen und gedeckten Gemüse find bei warmem Wetter und Sonnen schein zu lüften, vor Abend aber, oder wenn Frost auftritt, wieder zu decken. Im Keller in Sand eingcschlagene Gemüse sind zeitweilig leicht mit Wasser zu überspritzen, sonst verwelken sie. Steckzwiebeln find in Beuteln oder Netzen in der Nähe des warmen Ofens aufzuhängen, denn dadurch bewahrt man sie vor der Ent wickelung von Samenstengcln; Speisczwicbeln, die nicht in frostfrcien Räumen lagern, sind bei Frost leicht zu decken, bei mildem Welter aber auf,«decken. Ein leichter Frost schadet ihnen nicht, wenn man es vermeidet, sie in gefrorenem Zustande zu berühren. Man bestelle sofort seinen Bedarf an Gemüsesamen in reellen Samen handlungen, dann kann man auf gute Bedienung rechnen. Blumengarten: Bei gelinder Witterung kann man noch Knollen von Anemonen, Ra nunkeln, ebenso Hyacinthen- und Tulpenzwiebeln im Garten auspflanzen. Primeln und Aurikeln werden mit recht gutem Erfolge in Kästchen ausgesäet, deren Oberfläche mit Schnee bedeckt wird. Bei strenger fchnecloser Kälte decke man alle Beete mit Blumenzwiebeln und Stauden mit lockerem Laub, oder durch Ueberstreucn mit Lohe, oder durch Tannenreis. Ebenso schütze man die Ueberwinterungskästen durch Umschläge und Strohdecken. Die Rasenflächen sind mit Kompost zu überziehen, die Komposthaufen um zusetzen, alle unbcstandenen Beete umzugraben und in rauher Furche liegen zu lassen. Bei günstiger Witterung blühen Selvdoruo nixsr und LraiMis b^emalis im Freien. Auszusäen sind Cyclamen; im Laufe des MonatS: Knollen begonien, Gesneriaceen, Palmen, ölimosa puäioa und Farne, letztere auf Torfstücken in Schalen, in welchen immer etwas Wasser steht, welche man mit Glasscheiben deckt. Ende Januar oder Anfang Februar vermehrt man aus Stecklingen neu angetriebene Pflanzen: Fuchsien, Heliotrop, gefüllte Petunien, Verbenen, Bauvardien, Lan- tanen, Cupheen, Abutilen, Gnaphelien, Santo- linen x. Such di« Blumensämerrien find «ög- lichst zeitig zu bestellen. Aüerlek. «nf allen deutschen Universitäten find in diesem Winter 29 937 Studenten immatri kuliert; davon besuchen Berlin 5620, München 3706, Leipzig 3126, Bonn 1655, Halle 1501, BreSlau 1427, Würzburg 1361, Tübingen 1170, Erlangen 1074, Fresburg 1065, Göttingen 1017, Straßburg 1013, Heidelberg 1001, Marburg 871, Greifswald 793, Jena 705, Königsberg «91, Gießen 626, Kiel 548, Rostock 499, Münster 468. Jede Berufsgenofsenschaft ist nach einer neuen Entscheidung deS Neichsverstcherungs- Amtes verpflichtet, die Kosten für ärztliche Honorarforderungen auS der Behandlung Unfall verletzter auch dann zu tragen, wenn sie den Auftrag zur Behandlung nicht erteilt, der Ver letzte vielmehr von selbst den Arzt zu Rate ge zogen hat. Natürlich muß überhaupt ein cnt- schädigungspflichtigcr Unfall vorlicgen und die in Rechnung gestellten Kosten angemessen sein. AuS dieser Entscheidung darf indes nicht ge folgert werden, daß der Verletzte auf Kosten der Genossenschaft sich anderweit behandeln lassen kann, wenn er zu dem von dieser ihm zugewiesenen Arzt kein Vertrauen hat. Holzpostkarte« wurden neulich von einer Straßburger Firma in den Handel gebracht, daS eine Muster mit dem Bild des Münsters, daS andere mit dem einer Elsässerin in Ho zbrand- Malerei geziert. Bei dem Sammeleifer, der auf dem Gebiet der Ansichts-Postkarten heutzutage herrscht, stand der neuen Merkwürdigkeit vor aussichtlich auch ein großer Absatz bevor. Die Post aber weigerte sich nach kurzer Zeit, die Karten zu befördern, da sie nicht von Papier seien und stellte sie den Absendern zurück. Sie wurden darauf mit 10 Pfennig - Marken als Briefe versandt, aber auch in dieser Form wieder bald sistiert. Jetzt hat der Erfinder die Auf schrift „Postkarte" auf der Vorderseite getilgt und Kouverts mit dem Aufdruck „Drucksache" zu den Karlen Herstellen lassen; die Namens-Unter schrift ist ja bei solchen Sendungen zulässig. Einen seltenen Fisch hat, nach der,Pro- vinzial-Ztg.', der Fischdampfer „Diana" von der Bugsiergeiellschaft „Union" aus der Nordsee mit gebracht. Er wurde gefangen aus 54 Grad 30 Nin. nördli.tzer Breite 7 Grad 10 Min. östlicher Länge. Der Fisch ist ein sog. Mondfisch. Der Fisch hat eine stumpfciförmige Gestalt und mißt in der Länge 1 Nieter 50 Zentimeter. Eine eigent liche Schwanzflosse hat der Fisch nicht; an dem bogig gezackten Schwanzende fitzen zu beide« Seiten zwei dreieckige, je 50 Zentimeter lange Flossen; zwischen diesen mißt der Fisch noch 85 Zentimeter. Der Durchmesser an der dickste« Stelle beträgt etwa 50 Zentimeter. Sein Ge wicht beträgt 310 Pfund. An dem Kopfe fitzt ein rundes, kinderfaustgroßcs Maul mit hornigen Rändern. Auch am Schwanz ende und Rucken ist die Haut körnig rauh. Auf der Ober- und Unterseite sitzt je ein Auge. Die Farbe ist oben dunkel, unten Heller. Der Fisch ist, wie gesagt, für die Nordsee eine große Seltenheit, er kommt sonst nur in den Tropen und auch in den gemäßigten Meeren vor und kommt meist nur bis an die Südküsten Englands und nach Irland. Im Ozcan finden sich Exemplare bis zu zweieinhalb Meter Länge. Der Fisch wurde an das Museum in Franksurt am Main verkauft. In Deutschland besaß bis her nur das Museum in Hildesheim ein Exem plar dieses Fisches. Er wird auch an der West küste Amerikas in sehr großen Exemplaren an getroffen und hat eine außerordentlich große Leber, welcher einen vorzüglichen Leberthran liefert: letzterer gilt an der amerikanischen Küste als ein ausgezeichnetes Mittel gegen Rheuma tismus. Im Omnibus. Fritzchen zählt jetzt fünf Jahre und sitzt mit sorgenvoller Mine auf dem Schoß seiner Mutter, als der Kondukteur in das Innere des Wagens steigt und das Fahr geld einsammelt. Als der Mann an Fritzchen vorübergeht, bemerkt derKleine mit lauter Stimme: „Mama, wann soll ich denn sagen, daß ich noch nicht vier Jahre alt bin?" und die Knaben zankten sich und spielten ihr allerhand Possen. Das wußte Frau Dewall, und deshalb erwirkte sie schließlich dem Mädchen auch noch die Erlaubnis, die Stunden nach dem Atzcndbrod bei ihr zu verweilen. War das für Essic, die nie ein trauliches Familienleben kennen gelernt, eine schöne, glückliche Zeit l Kaum min ier schön aber dünkten ihr die klaren regenfreien Abende, an denen, sie auf WillS Aufforderung mit ihm in den Garten ging und Würmer suchen half. „Würmer suchen" ist in der Gärtnerei eine gar wichtige Beschäftigung. An schönen Abenden gingen beide mit einer Laterne an den Eisen bahndamm vor der Stadt hinaus. Dort hatte Herr Dewall mit Butter bestrichene Kohlblättcr auf seine Blumenbeete und unter seine Glas kasten gestreut. Will trug die Laterne und Esfie eilten Krug mit Seifen wasser darinnen. Sie hoben die B älter und nahmen die Würmer und die Schnecken ab, die in dem Dunkel aus ihren Löchern gekrochen waren, und warfen sie in den Krug. Dann sahen sie die Ohrwürmer-Falle nach, Blumentöpfe mit nassem Heu darin; und die Ohrwürmer, die sich ge sammelt, wanderten zu den Schnecken in daS Ecifenwasser. „Schau!" meinte Will eines Sommerabends, „schau her, Essie l" Er hob dabei seine Laterne hoch, daß daS Licht auf eine Pflanze mit schwerem goldgelben Blattwerk fiel. „Weißt du, wie diese Blume heißt? Goldlacke heißt sie bei uns. Und sehe ich sie, Eisic, denke ich immer an dich — «egen deines schönen, goldgelben Haare- l" ' Will hatte nie eine Schwester gehabt, und dieser beständige Verkehr mit El sie weckte in ihm eine warme brüderliche Neigung für das Mäd chen, das unter so trüben Verhältnissen in daS Gärtnerhaus gekommen war. Essie war durchaus gerade nicht schön. Um schön zu sein, war sie zu blaß. Zudem hatte sie, wenn auch feine, doch keine regelmäßigen Züge, doch ihre Augen waren blau wie Vergiß meinnicht, und ihr Haar war von selten schöner Farbe und Fülle. Eines Tages — es war EsfieS Geburtstag — war sie bei den Dewalls zum Mittagessen eingeladen. Der Tag fiel in dem Jahr auf einen Sonntag, und sie gingen zusammen zur Kirche. Voran schritt Herr Dewall in blauem, langschößigen Frührock, den Regenschirm, ohne den er nie die Kirche betrat, unter dem Arm; ein Stück hinter ihm her folgten Will und Essie, Frau Dewall war zur Zubereitung des Mittag essens dahcimgcblieben. Offenbar beschäftigte etwas außerordentlich seine Gedanken, und er schien in sehr gehobener Stimmung zu sein. „Ah," meinte er endlich, außer stände, seine Erregung länger zu bemeistern, „wir werden ja sehen, was wir sehen werden." „Wo, Will?" „Zu Hause, waS es da gibt!" „WaS denn? Meinst du Hammelbraten und gebackene Kartoffeln?" „Warte nur ab, noch west Prächtigeres wirft du vorfinden!" Nach der Kirche gingen sie in umgekehrter Reihenfolge zurück. Jetzt gingen die jungen Leutchen voran. Will war zu sehr im Eifer, um hinter dem Vater herzuplaudern. Sr zog Die Dinge waren in dieser Weise ein paar Jahre lang gegangen, als ein Ereignis Platz griff, daS eine vollkommene Veränderung aller Verhältnisse mit sich brachte. Dies Ereignis war Henn Dewalls Tod. Er siel eines Tages, wie er im Garten über ein Resedabeet gebeugt stand und «beitete, plötzlich vornüber, und als man ihn aufhob, war er tot wie ein Stein. Der Schlag kam so plötzlich und so unerwartet, Essie mit sich vorwärts, riß weit die Ladenthkr auf, sprang die zwei Stufen in daS Hintcrzimmer hinan, wieS nach dem Fenster und riet trium phierend : „Nun — und was sagst du dazu?" Am Fenster hing ein Transparent auS zwei aufeinander gelegten Glasscheiben, die von einem Stück Goldpapier zusammcngehalten wurden. Und zwischen dem Glas sah man, vollkommen aus Blumen gemacht, das Bild eines Mädchenkopfes. Die Wangen waren aus weißen Geranien, der Mund war auS roten Nelkcnblättern, Hals und Schultern bildete weißer Flieder, Vergißmeinnicht stellten die Augen dar, und üppig umflutcten Kopf, Hals und Büste gelbe Goldlocken als Haar. Und über diesem duftigen Bild stand in bunten Lettern der Name deS Geburtstagskindes und darunter in kleineren Buchstaben gleichwie m Parenthese: „Goldlocke!" „Dal" rief Will fteudig, „daS habe ich alles selber gemacht. Das soll dein Ge burtstagsgeschenk sein von mir, liebe Goldlocke mein l" daß Frau Dewall vor Schreck fast ihre Denk fähigkeit verlor. Nach dem Begräbnis ging einige Zeit alle» seinen alten, gewöhnlichen Gang, und Frau Dewall fing an, sich allmählich aus der Art Betäubung, in der ihr Schmerz sie gestürzt, zu erholen, als Will eines Abends zu ihr meinte: „Ich fürchte, es wird dir nicht recht sein, Mutter, was ich vorhabe, indes ich kann nicht anders. Ich habe die Sache reiflich erwogen, und ich bin überzeugt, ich habe mich zum besten entschieden. Du weiß», in einem gewissen Punkte war ich mit dem Vater nie einig. Er baute seine Gemüse und züchtete seine paar einfachen Blumen dazu, und er hatte für die höbere Gärtnerei absolut keinen Sinn. Ich denke jedoch anders darüber, ich habe Ehrgeiz und möchte vorwärts kommen im Leben, und ich sehe nicht lein, warum die Rosenzüchtung allein in Frank reich gedeihen soll; warum ein intclii icntcr, Mann die Gärtnerei in England nicht auf die selbe Höhe bringe» kann, auf der sie sich jen seits des Kanals befindet. Und darum, Mutter, will ich eine Zeitlang nach Frankreich gehen, in den Gärten eines der bekannteren Noscnzuchter drüben Arbeit nehmen und setzen, was ich itznen ablcrnen kann, um eines TagcS selbst ein nam hafter Züchter von Rosen zu werden." Frau Dewall war fast ebenso entsetzt über diese Mitteilung, wie seiner Zeit über die Kunde von dem Tode ihres Mannes. Sie war sprach los, legte ihre Hände auf ihren Schoß und sah ihren Sohn starr an. «, , (Fortsetzung folgt.)