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Vslitifche K»«dsch«». Dentschland. *Der große Neujahrsempfang beim Kaiser wurde durch das Blasen einer Choral» im kal. Schloßhof eingeleitet, woran sich das .große Wecken^ und (im Lustgarten) 101 Kanonen» Müsse al» Salut anschlossen. In der schwarzen Adlerkammer begrüßte das Kaiserpaar die könig liche FamUie, in deren Kreis sich auch Prinz Arnulf von Bayern befand, wogegen man den sonst nie fehlenden Prinzen Georg von Sachsen vermißte. An die Generalität hielt der Monarch eine Ansprache, die sich auf das Parolewort „Königsberg-Berlin" bezog. *AuS Bayern wird berichtet, daß der Prinz-Regent nunmehr die Instruktionen für die bayrischen BundeSratS-Bevollmächtigten betreffs der Reform deS Militärstrafver- fahrenS genehmigt habe. In Uebereinstim- mung mit dieser Meldung weiß die ^Germania' zu berichten, daß unter den verbündeten Regie rungen in allen grundsätzlichen Fragen eine Ver ständigung erzielt sei; auch die Einrichtung eines obersten Gerichtshofes -» unter Wahrung deS Begnadigungsrechtes testens der obersten Kriegs herren — als Revifionsgericht sei gesichert. Die Frage, ob Berlin als Sitz dieses obersten MUi- tärgenchtShofes auSersehen sei, ist dem leitenden ZcntrumSblatt zufolge noch unentschieden. *Jm Auswärtigen Amt ist am Donnerstag mit dem niederländischen Gesandten ein Aus lieferungsvertrag zwischen dem Reich und den Niederlanden unterzeichnet wor den. Bisher war der Gegenstand mit den Niederlanden nur für einzelne Bundesstaaten durch zumeist ältere Verträge geregelt. * In den nächsten Wochen werden in Berlin Verhandlungen zwischen Kommissaren der deutschen und der belgischen Regierung über schwebende Eisenbahnfragen, an denen beide Staaten beteiligt find, stattfinden. *Das p r e u ß i s ch e StaatSministerinm hat nach der .Schles. Ztg.' beschlossen, die Verpflich tung zur Einholung des EhekonsenseS für die Staatsbeamten durch eine bloße An zeig e p f l i ch t von der vollendeten Thatsache der Eheschließung zu ersetzen. *Jm Etat für 1893/94 war eine erste Rate für die Vervollständigung der wichtigeren Festungsbanten gefordert und bewilligt worden, deren Gesamtkosten auf 33 540 000 Mk. veranschlagt wurden. Davon entfielen 24 720000 Mark auf Bauten und 8 820 000 Mk. auf artilleristische Ausrüstung. Für den ersten Zweck wurden 1893/94 und 1894/95 je 2,5 Millionen Mark, 1895/96 und 1896,97 je 4 Mill. Mark, im ganzen also bisher 13 Millionen Mark be willigt. Für den zweiten Zweck wurden in den Etats für 1895/96 und 1896/97 je 2 Millionen Mark ansgeworfen, im ganzen also 4 Millionen Mark. Auf den Restbedarf von 16 540 000 Mark find im Etatsvoranschlage für 1897/98 6 Millionen Mark angesetzt, nämlich 4 Mill. Mk. für Bauten und 2 Mill. Mk. für artilleristische Ausrüstung. *Mit Rücksicht darauf, daß, u. a. zur Ver meidung der Hinterziehungen von Beiträgen zur JnvaliditätS- und Altersversiche rung, den Versicherungsanstalten des öfteren die Uebertragung der Einziehung der Beiträge an Krankenkassen, Gemeindebehörden oder eigene Hebestellcn empfohlen ist, dürste es von Inter esse sein, feftzustcllcn, daß im Jahre 1895 sich 5014 Krankenkassen, 2939 Gemeindebehörden und eine von einer Versicherungsanstalt einge richtete Hebestelle dieser Aufgabe unterzogen haben. Es ist gegen das Jahr 1894 eine Ver mehrung der Krankenkassen um 195 und der Gemeindebehörden um 13 eingetreten. Fsrankreich. * Der Kaiser von Rußland hat an den Präsidenten Faure folgendes Tele gramm gerichtet: „Anläßlich deS Jahreswechsels ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen meine auf richtigen Glückwünsche darzubringen und Ihnen meinerseits wie im Namen der Kaiserin die besten Wünsche für die Wohlfahrt Frankreichs auszusprechen. Unter den angenehmsten Erinne rungen des eben verflossenen Jahres wird die jenige an die paar reizvollen Tage, die ich in Ihrem schönen Vaterlande verlebt habe, unaus löschbar bleiben. Nikolaus." Die Hrauerrose. 1) Eine Sage von A. Schilling.*) Wer kennt sie nicht, die poetische duftige Blume, die ihren zarten Kelch wie trauernd zur Erde senkt. Ihre Blätter von durchsichtigem Weiß, so rein, daß man sie fast farblos nennen könnte, bergen die glänzenden Thautröpfchen, daß sie wie schmerzliche Thränen langsam herab rollen, den schweren Perlen gleich. Wir pflanzen diese ernste Blume auf die Gräber unserer Geliebten und nennen sie die Trauerrose. Und man erzählt sich von ihrem Entstehen eine liebliche kleine Geschichte. ES war einstmals ein strenger, harter Winter über unsere Erve gekommen, so eisig kalt, daß alles umher fast gefroren. Die allen Leute konnten nicht zur Thür hinaus, denn es gab nur eine sp,egelglatte Eisfläche; sie konnten sich kaum an den Häusern entlang schieben und fielen bei jedem Schritte. Die Jugend aber schlitterte mit Lust und Geschick und flog dahin wie durch die Lüste. Wer es erschwingen konnte, der schaffte sich Schlittschuhe an, die noch vor so garnicht langer Zeit erst erfunden waren. Arm und Reich, Groß und Klein, alles fuhr über die spiegelglatte Fläche tausend dahin. Das war eine Lust! — So kam Weihnachten heran. Die ganze Landschaft weit umher war in Schnee gehüllt. Der lange und breite Teich deS kleinen Dörfchens war vornehmlich der Tummelplatz der fröhlichen Jugend. Wie im Sommer auf dem *) Unberechttater Nachdruck wird verfolgt. *Auf das Telegramm deS Kaisers von Rußland hat Präsident Faure mit folgender Depesche geantwortet: „Ich bin tief gerührt von den Worten, in denen Ew. Majestät Ihre Beglückwünschung aussprechen. Ich danke Ew. Majestät ebenso wie Ihrer Majestät der Kaiserin für die Gefühle, welche. Sie für Frank reich zum Ausdruck bringen. Auch wir rufen uns mit lebhafter Bewegung die so kostbare Erinnerung an Ihre Anwesenheit unter un wach und ich bitte Sie, die Wünsche entgegen- zunehmen, die wir für das Glück Ew. Majestät und Ihrer Majestät der Kaiserin hegen, wie für das der Großfürstin Olga und für die Größe Rußlands." * Ueber das neue F eld geschütz hat man sich in Frankreich noch nicht entschieden; auch daS Marineprogramm dürste erst im Früh jahr reif zur parlamentarischen Behandlung sein. Die Pariser Blätter thun sehr aufgeregt über angebliche deutsche Kriegsvorbe reitungen. ,L'echo deS mineS' bringt «inen Bericht über von der deutschen Kriegsverwaltung bestellte 7500 Waggons, lieferbar zwischen dem 1. April und 30. September, mit höchstmöglichem FasfungSraum. Ein Boulevardblatt fragt: „Ist das der Krieg?" (Die ganze Nachricht ist — absichtlich oder unabsichtlich — ein« Verwechslung mit len vom preuß. Eisenbahnministerbestellten Güterwagen, die dem Wagenmangel in den Jndustriebezirken abhelfen sollen.) Italien. * Kardinal Sanfelice ist am Sonntag früh in Neapel gestorben. Svanien. * Die Königin-Regentin unterzeichnete mehrere Erlasse, durch welche Reformen bezüglich der Verwaltung und der Politik auf Portorico bewilligt werden. * Der .Jmporcial', ein Madrider Oppositions blatt, veröffentlicht einen heftigen Artikel gegen die Militärverwaltung auf Cuba und verlangt, daß General Weylcr sofort durch Azharraga ersetzt werde. * Nach einer Depesche aus Havana hat Oberst Segura bei Rio Hondo (Provinz Pinar del Rio) die Aufständischen unter Rivera, dem Nachfolger Maccos, geschlagen. Die Verluste der Aufständischen find bedeutend; die Spanier hatten 2 Tote und 17 Verwundete. (Pinar del Rio ist die westlichste Provinz Cubas.) «alkanftaate». *Die Lage im Orient ermutigt zwar nicht gerade zu einer besonders rosigen Auf fassung, doch wird man vom Standpunkte der europäischen Interessen und Bestrebungen mit einer gewissen Genugthuung davon All nehmen dürfen, daß die Londoner.Times' so wenig mit dem Stande der Dinge in Konstantinopel zu frieden ist, daß sie dafür eintritt, dem Sultan durch „wirkliche", mit physischer Macht unter stützte Drohungen zu imponieren. Wenn es im Orient nach den sattsam bekannten Wünschen Englands ginge, so möchten die festländischen FriedenSsrcunde immerhin auf ihrer Hut sein. Da das Cityblatt so übellaunig ist, so darf man sich wohl der Hoffnung hingeben, daß die diplomatische Aktion der großmächtlichen Diplo matie auf glitem Wege ist und ihre Zwecke er reichen wird, ohne zu dem von einer so ver dächtigen Seite wie die ,Times' empfohlenen Zwangsmittel ihre Zuflucht nehmen zu müsse». *Die erste Amtshandlung des neuen serbischen Kabinetts ist radikal. In der Sitzung der Skupschtina vom Donnerstag verlas der Minister des Innern Gcorgiewitsch eine» Ukas des Königs, durch welchen die Skupschtina aufgelöst wird. Die Fortschritts partei beschloß, sich vollständig aufzulösen. *Ein Erlaß des Fürsten Ferdinand von Bulgarien begnadigt diejenigen Offiziere, welche an der Entthronung des Für st en Alexander mitgcwirkt haben. * Das Urteil im Mordprozeß Stam- bulow ist natürlich die gleiche Farce, wie die ganze Verfolgung dieses politischen MordeS. Der Angeklagte Georgiern wurde ftcigesprochcu; dagegen Tüffkllchicw für schuldig, Waffen ge liefert zu haben, und Atzow der Beihilfe zum Tanzboden, galt es jetzt auf dem spiegelglatten Eise seine Kunstfertigkeit zu zeigen. Es gab viele vorzügliche Läufer unter der jugendlichen Schar, aber was wollte das bedeuten gegen einen einzigen unbekannten Jüngling, der alle über- flügeite und weit hinter sich zurückließ. Memand kannte den schönen Fremdling. Er war erschienen, man wuKe nicht woher. Er flog wie ein Vogel, ja schneller wie ein Gedanke, über die weite Fläche dahin. Aller Augen schauten ihm voller Bewunde rung und Entzücken nach. Die Füße berührten nicht den Boden; es war etwas unsagbar Wunderbares in der ganzen rätselhaften Erschei nung und in dem überirdischen Ausdruck der ernsten stillen Züge. Man wich ihm scheu aus, nahte er sich den munteren Burschen, und die jungen Mädchen flüsterten untereinander und schauten ihm der«, stöhlen nach. Er aber fuhr dahin unbekümmert um die ganze Umgebung, als fühle er nicht die Blicke der reizendsten Mädchen voll Bewunderung auf sich ruhen. Unter den jungen Dörflern gab es aber damals eine, welche die reizendste Dime weit umher war. Zart und schlank wie ein junges Reh zeichnete sie sich vor allen Gespielinnen durch ihr liebliches Gesicht und die Geschmeidig keit ihrer Glieder au». Wie sie für die beste Tänzerin im Dorfe galt, war sie bald auch die gewandteste Schlittschuhläuferin und wurde von ihren Freundinnen scherzweise die EiSkünigin genannt. Jedenfalls aber war ihr gleich von einer anderen Welt, denn auf Erden besaß sie Verbrechen durch Stellung eine» Wagen» /für schuldig erklärt. Der Gerichtshof verurteilte Tüfektschiew und Atzow zu je drei Jahren ein facher SefängniShaft, von denen drei Monate auf die Untersuchungshaft angerechnet werden. Afrika. *Jn Marokko, und zwar diesmal zur Abwechselung i« Süden de» Lande», ist wieder ein Aufstand ausgebrochen. Nach Meldun gen au» Tafilet hat sich die dortige Bevölkerung gegen die Behörden empört. Der Sultan hat 3000 Mann Truppen nach Tafilet gesandt. — Ein Spanier ist wegen Verdachte» der Er» mordungdes deutschen Kaufmann» Säßner verhaftet worden. Die früher unter demselben Verdachte verhafteten Personen find wieder frei gelassen worden. In Kapstadt ist am Donnerstag der Un ruhstifter und ehemalige Ministerpräsident der Kapkolonie Cecil Rhodes feierlich einge zogen und von einer großen Menschenmenge begeistert empfangen worden. Die Engländer selbst fangen feit seiner agitatorischen Rede in Port Elisabeth an, die Demonstrationen und deren prahlerischen Gegenstand mißtrauischer zu betrachten und die Verdienste von Rhodes, nicht zu deren Vorteil, genauer zu prüfen. Man wird ihm hoffentlich nicht auch m London bei seiner Ankunft Triumphpforten bauen. Nach Ostafie«. Ueber die nach Ostasien zu entsendende Kom mission von gewerblichen Sachverständigen steht nunmehr folgendes fest: Das Komitee für die Angelegenheit wird nach wie vor unter Leitung des Reichsamts deS Jnnem stehen und hat sich in seiner letzten Sitzung konstituiert; der Vorsitz wird von dem Geh. Rat Wermuth geführt. Außerdem gehören dem Komitee an: Geh. Ober-Rcg.-Rat v. Jon- quiöres, Landtagsabgeordneter Bueck, General sekretär des Zentralverbandes Deutscher In dustrieller, als stellvertretender Vorsitzender und geschäftssührendes Mitglied des Komitees, Land tagsabgeordneter Kommerzienrat Moeller in Brackwcde, als weiteres geschäftsführendes Mit glied des Komitees, Geh. Kommerzienrat Vogel in Chemnitz, Vorsitzender des Verbandes der Texttlindustriellcn in Chemnitz, Kommerzienrat H. Scyffardt in Krefeld, Vorsitzender der Han delskammer in Krefeld, Geo. Plate, Präsident der Bremer Baumwollbörse und des Aufsichts rats des Norddeutschen Lloyd in Bremen, Kommerzienrat Fr. Dietel in Coßmannsdorf, Vorsitzender des Vereins Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner in Coßmannsdorf; ferner ein Vertreter des preuß. Ministeriums für Handel und Gewerbe und ein Vertreter deS sächs. Ministeriums des Innern. Das Komitee wird seinen Sitz in Berlin haben. Für die Expedition find bis jetzt folgende Sachverständige gewonnen: Für die sächsische Industrie, besonders für die speziellen Zweige der Textilindustrie in dem betreffenden Bezirk Herr Moritz Schanz in Chemnitz; für die Baum wollspinnerei und Weberei, den Äaumwollhandel und den Handel mit Rohbaumwolle, sowie für die Interessen der Reederei Herr Goertz in Mülfort; für die Seidenindustrie die Herren Keuffcn und Jores in Krefeld; im Interesse der Scidcnindustrie wird sich auf seine Kosten noch anschließen Herr Crons aus Krefeld; für die Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei Ingenieur Hartig in Dresden; für die Lederindustrie und die Leder verarbeitenden Industrien Herr Rein hart jun. von der Firma Doerr u. Reinhart in Worms. Als Schriftführer wird vr, jur. Schu macher-Berlin die Expedition begleiten. Es ist noch nicht gelungen, einen geeigneten Sach verständigen für die Maschinen- und Metall industrie zu gewinnen. Die betreffenden Inter essentenkreise sowie das Komitee bleiben bemüht, einen geeigneten Vertreter dieser bedeutenden Industriezweige zu gewinnen. In der betreffenden Sitzung des Komitees wurde weiter beschlossen, daß für die Expedition, abgesehen von der Zeit der Hin- und Rückreise, ach: Monat in Aussicht zu nehmen sind und daß die Expedition ihre Thätigkeit auf China und Japan zu beschränken hat. Es wurde ferner ein Etat ausgestellt, welcher ergab, daß die Kosten voraussichtlich au» dem vorhandenen Fond» gedeckt werden können, daß aber ein Reservefond» nicht verbleibt; ein solcher ist jedoch notwendig, da e» au» nahe liegenden Gründen unmöglich ist, die entstehenden Kosten mit Sicherheit vorher zu veranschlagen. ES ergibt sich daraus die Notwendigkeit noch weitere Mittel aufzubringen. Die vorläufige Balanzie- rung de» Etat» ist nur möglich gewesen infolge der großen Liberalität de» Norddeutschen Lloyd, der sein Anerbieten, der anfang» auf vier bis fünf Mitglieder berechneten Expeditton freie Hin- und Rückfahrt auf seinen Dampfem zu/ge währen, auch auf die vermehrte Zahl der Mit glieder ausgedehnt hat. Da» Komitee beschloß weiter, eine Instruktion auszuarbeiten, die dem- nächst festgestellt werden wird. Ne« Mah «ad Ferm. GevelSberg. Bon den 23 Stadtverord neten haben 17 in einer Erklärung an das Bürgermeisteramt ihre Mandate niedergelegt, weil die Regierung e» abgelehnt hat, die Be schlüsse der Kommunalsteuersätze zur Umlage zu genehmigen. Aachen. Bei Aachen fand am Dienstag zwischen einem Offizier deS 40. Regiment» und einem hiesigen Polytechniker ein Pistolenduell statt. Die Bedingungen waren die schärfsten. Der Offizier blieb tot. Dem Gegner wurde der Atm zerschmettert. Posen. Der Kanonier Winkler vom 20. Artillerie-Regiment hatte abends einen kleinen Wortwechsel mit drei Dienstmädchen, die vor dem General-Kommando standen. Da Winkler ziemlich laut sprach, so erschien der in der Nähe stehende Posten, der ihn aufforderte, weiter zu gehen. Dies that Winkler jedoch nicht, worauf der Posten ihn ins Schilderhaus steckte. Winkler entfloh; der Posten verfolgte ihn und stieß ihm das Bajonett in den Rücken. Winkler brach zusammen und liegt jetzt schwer im Garnison-Lazarett danieder, Nordhausen. Ein sogenannter armer Reisender- sprach dieser Tage in Worbis um kleine Gaben an. Er erklärte — Scharfrichter zu sein, fände aber in seiner Branche wegen Arbeitsmangels keine Beschäftigung. Seine vor gelegten Legitimationspapiere bestätigten diese Angaben. Inhalts derselben war er unter dem früheren Scharfrichter Krauts in Berlin erster Gehilfe gewesen und sucht nun auf der Wander schaft „vassende" Beschäftigung. Köln. Auf der rheinischen Eisenbahnstrccke des Vorortes Kalk wurde Dienstag die gräßlich verstümmelte Leiche eines 22 jährigen Mannes aufgefunden, der, wie äußere Anzeichen ergeben, ermordet worden und später aus den Bahnkörper gelegt worden war, woselbst ein Eisenbahnzug die Leiche in zwei Teile zerschnitt; der Kopf der Leiche wies mehrere Messerstiche auf. Die GenchtSbehörde ordnete eine sofortige Unter suchung an. Frankfurt a. O. Einen seltenen Fund hat der Schlächtermeister Schubert in Malsdorf im Biagen einer Kuh gemacht. Als er das Tier zwei Tage vor dem Weihnachtsfeste schlachtete, 'and er in dessen Magen eine silberne Taschen- uhr. Ein hinzugezogener Uhrmacher konstatierte, daß das Werk uoch gut erhalten war, und die Ihr noch ziemlich neu gewesen sein muß, als' sie in den Magen der Kuh geriet. Die Kuh ist bei cineni Bauern in einem benachbarten Dorfe gekauft worden, doch erinnert sich der Borbefitzer nicht, daß auf seinen» Gehöft eine Uhr vermißt worden wäre. Es bleibt nur die Annahme übrig, daß ein Schlafbursche gelegentlich in einer Heumiete oder auf dem Heuboden genächtigt und die Uhr dabei verloren oder aber sie im Heu versteckt hat, und daß sie dann mit dem Futter n den Magen der Kuh geriet. Rochlitz. Eil» bedauerliches Vorkommnis, bei dem durch Uebcrlassung der Kleider an Diphthcntis verstorbener Kinder an eine Leichen» Wäscherin diese Krankheit in die Familie der be treffenden Frau übertragen worden ist, veranlaßt die hiesige Amtshauptmannschaft, darauf hinzu weisen, daß das Verschenken von Kleidern solcher Personen, die an ansteckenden Krankheiten ge- torben sind, unstatthaft, vielmehr die Vernich tung derartiger Kleider geboten ist. keine Glücksgüter und ging der armen Blutter fleißig zur Hand, wenn dieselbe emsig ihre Nadel führte, um die Garderobe der reichen Bäuerinnen »nstandzusetzen. DaS Tanzen und Schlittschuhlaufen war daher auch nur ein be schränktes Vergnügen der kleinen Eva, wozu sie sich die Stunden abstahl von der anstrengenden Arbeit. Dann aber glühte ihr zartes Gesicht und sie fühlte sich selig wie im Himmel, unbekümmert um Armut und Entbehrung. Auch heute glitt sie dahin, losgelöst von allen, ganz allein. Bald hatte sie die Gcfähr- linnen weit hinter sich gelassen, als ihr plötzlich der eine Fuß umknickte, sie fiel zu Boden und vermochte sich nicht wieder zu erheben. Da sauste es auf einmal durch die schneeige Luft, ein Flimmern, ein wunderbares Leuchten umgab sie und neben der Hingesunkenen stand die schöne Gestalt des fremden Schlittschuh läufer». Schnell beugte er sich zu der kleinen Eva und hob das zarte Mädchen leicht wie eine Feder empor. Dann flog er mit der lieblichen Last schnell wie der Wind in die ihm bezeichnete Wohnung. Hier tröstete er liebreich die er schrockene Mutter und sprach der vor Schmer leise Weinenden Mut zu, nachdem er den leidenden Fuß genau untersucht. Er legte EiS auf die geschwollene Stelle und von dem Augen blick an hörten die Schmerzen sofort auf. Eva blickte still entzückt ihrem freundlichen Arzt in die tiefen, ernsten Augen. -Wer bist du?" fragte sie schüchtern. Der Jüngling beugt« sich sanft zu der reizenden Dime und sagte ruhig: „Die Menschen nennen mich das Neujahr. Nur einmal im Laufe der zwölf Monate komme ich auf eure Erde. Schnee und EiS ist mein Element, in dem ich lebe, und in meinem Gonen wachsen gar wunderliebliche Blumen. Einst wirst du meine schöne nlora auch sehen, denn ich habe dich lieb gewonnen und will für dein Glück sorgen. Bleibe fromm und gut, bis wir uns wieder sehen!" Damit beugte er sich tiefer und küßte Eva sanft auf die Stirn. MS das kleine Mädchen die Angen erhob, war der rätselhafte Fremde verschwunden. Bald hellte EvaS verletzter Fuß. Noch ehe der Winter vergangen und der Schnee von den warmen Sonnenstrahlen hinweggeküßt war, eilte sie wie früher leichtfüßig wie eine Gazelle durch Wald und Feld und suchte an dem lief- blaueu See die Stelle auf, wo sie damals ge fallen und der schöne Fremde sie liebreich auf gehoben. Man sprach noch lange in der ganzen Gegend von der wunderbaren Erscheinung, die kein menschliches Auge je wieder gesehen. Man gedachte des rätselhaften Schlittschuhläufers nur mit abergläubischer Scheu. Eva ward mit Fragen überschüttet, von ihrem Beschützer näheres zu erzählen, aber daS kleine Mädchen schwieg hartnäckig und wollte von nichts wissen, und durchstreifte immer allein Feld und Wald. Sie ward immer sinniger und ernster, immer träume rischer und schwermütiger, wenn auch freundlich und liebreich gegen jedermann. Sie klagte nie über körperliches Leid, aber dennoch sah alle/ Welt, wie ihre schlanke Gestalt immer zarter