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Auertyal -Zeitung Sonntag, den 29. November 1896 9. Jahrgang. No. 142 Von auswärts waren die Meteorologisch«» dichtgedrängte Menschen- Die Kauflust war zwar Summe günstiger Bedingung mitbringt, äußere Fertig keiten in verblüffender Vollkommenheit der Mechanik anerziehen kann. Aber Kinder dieser Art, wie sie sich während der Abrichtung völlig passiv verhielten, geben diese Passivität selbst dort nicht aus, wo sie den Schein : der Aktivität für sich in Anspruch nehmen, wo sie in ihren Kunstfertigkeiten sich zeigen. Der productive Zug fehlt-ihnen in demselben Maße, wie er einem mechani schen' Spielwerk, einer Spieldose etwa fehlt. Ganz anders Koczalski. Dieser Knabe verhält sich nur in der Phase des Lernens passiv, in welcher er die Gedankenwelt.eines Kunstwerks aus seine Seele wirken läßt. Aber in dem Moment» da di- künstlerische Empsängniß sich vollendet hat, beginnt für Koczalski die Production; bietet uns die mechanische Dressur nur ausschließlich die äußeren Formen des Kunstwerkes, gleichsam leere Schalen, so füllt Koczalski mit seinem productivem Genie diese Formen aus; cr durchdringt sie mit musikalischem Leben, mit Geist und Empfindung. Es bleibt bemerkenswerth, daß der Knabe aus äußere künstlerische Eindrücke durchaus verschieden reagirt. Wir möchten hier als Beispiel Vie durchaus verschiedene Art auführen, in welcher er Beet- Hoven und Chopin interpretirte. Die Beethooen'sche 0- woü-Sonate op. 10 und Chopins L-moll-Scherzo, welch' ein Unterschied in Inhalt, Stimmung und Form! WS Llavierstück betrachtet, bietet die Sonate Beethovens weit weniger'Schwierigkeiten wie das Scherzo Chopins, sie ist bei Weitem einfacher, schlichter als das Werk Cho pins; dort deutscher Ernst, hier die schrankenlos sich er gießende Leidenschaftlichkeit einer romantischen Natur, ein« blühende Gefühlswelt, Passionsblumen der Em pfindung. Man muh annehmen, daß das Einfache leich ter als das Zusammengesetzte einem kindlichen Empfinden sich assimilirt. Aber Koczalski verkehrte diese Annahme in ihr Gegentheil: es war gerade die schwärmerische, überquellende, seelisch complicirte Musik des Romanti kers Chopin, welche die Seele des Knaben bis in ihre tiefsten Tiefen erregt zu haben schien. Er spielte das L-nwU-Scherzo mit erstaunlicher Vollendung. Den schmerzlichen Schreien dieser Musik, ihrem süßen Schwel gen in Stimmungen einer wonnigen Extase, ihren großen Schmerzen war der Knabe ein Dolmetsch, in dessen Uebertragung die Sprache Chopins ihren vollen Zauber bewahrte. Es war rührend, mit welchem Ausdruck der Kleine die wunderbare Oos-llur-Melodie spielte. Alles Kindliche, alles Unreife fiel hier von dem Knaben ab: in diesem innigen, tiefempfundenen Spiel offenbarte sich ein Genius. Daß Koczalski in der That seinem Landsmann Chopin wesensverwandt, daß er auf den Grundton Chopins abgestimmt ist, davon überzeugten auch die Compositionen des Knaben, namentlich eine Mazurka in I'-moll, die in ihrer seltsamen Mischung von Grazie und Melancholie lebhaft an die Art Chopins gemahnt. Sehr reizvoll, mit pianistischer Eleganz spielte der Kleine eine Caprice von Gluck-Saint-Saeens und die Friska einer selten gehörten Liszt'schen Rapsodie (Nr. 113). Immer wieder überraschen sein fein schat- tirter Vortrag, das heiße Temperament und der feurige Schwung seines Spiels. Kirchcu-Uachrichten für Ktösterleiu-Acke Am 1. Advent vorm. Uhr Beichte. 8 Uhr Haupt-Gottesdienst m. h. Abmdmahl. Kirchengesang: „Du Hirte Israel", Motette von BortnianSky. Nachm. 2 Uhr Kindergottesdienst. Aus dem AuerlhaL und Umgebung. MtttheUuutze» von locale» Interesse find der «edactton stets »turomme«. Der diesmalige Jahrmarkt, welcher gestern zu Ende gegangen ist, hatte namentlich am Donnerstag einen Verkehr auszuweisen, wie er in dieser Lebhaftigkeit seit langem nicht dagewesen ist. Jahrmarktsbesucher äußerst zahlreich erschienen, sodaß auf den Verkaussplätzen eine "" menge durcheinander wogte. nicht besonders rege, doch dürften die Geschäftsleute und besonders die Verkäufer von Wtnterwaaren mit ihrem Erlös zum größten Theil zufrieden gewesen sein. Das Wetter, welches sonst unfern Jahrmärkten in der Regel nicht günstig war, war diesmal sehr gut. Folgende günstige Besprechung über Herrn Raoul Koczalski bringen die „Hamburger Nachrichten": Raoul Koczalski, der kleine Wundermann, gab sein zweites Loncert, das-war über das Gen:« des gottbe gnadeten Knaben keine neuen Aufklärungen brachte, aber das Phänomen feinet, Begabung abermals im glänzend- sten Lichte erscheinen'ließ. Koczalski.ist als Claoterspteler mit den unbefangensten Mienen gegenüber, sind auch im ein productives Genie; in diesem Zuge seines Küustler- stande, stundenlange Gardinen- lind Schmollpredigten vluu Naturells gipfelt das Außerordentliche seiner Begabung. Zittern oder Angstgefühl über sich ergeben zu lassen. Hält Es ist zweifellos- daß man einem Kinde, das eine gewisse man diese medizinisckeu Mittel und die 26-Ceulimetrr-Schnell scuer-Kanonen von Knipp Mammen, so wird man an dem Fortschritte des MenschengeschechlS und dec Kultur nickt mehr gut z>'eiseln können. — Obwohl wir kalendermäßig noch im Herbste sind, richtet sich, wie das alljährlich der Fwl ist, der Winter ein, um seine allgemeine Hernchast aiizntreten. Der spezifische Sommcrspvrt bat mit dem Pferderennen sein Ende gefunden, welche bekanntlich der Entwickelung der Pferdezucht dienen sollen eine Bemäntelung der großartigsten Tier quälerei, die man sich im Inter:sie des guten Tones gefal len lassen muß. Aber da in diesem Falle die Flagge Kon- trebande decken soll, hat man sich beim Sport überhaupt vor- znsehen. Bei all den gesnndbeitssördernden und stählenden Arten des modernen Sportes tritt neben dem genannten Zwei te mich immer bald die Sportjokelei in die Erscheinung, die den Zweck allmählich weit überragt, ja den Sport und seine Bethätignng zum Selbstzweck macht. Auf des „Isthmus krv- uenreichen Festen", die man gern ins deutsche übertragen möchte winkte den Sieg-rn der Lorbeer, heute ist eS die Me daille oder blanker Geldgewinn, der da reizt. Allen andern iw Sport voran stehen die Eirgländer, und baß Kaiser Wi Helm seine Jachten an der englischen Küste mitsegeln läß hat ihn eine Zeitlang bei den Söhnen Albion» populär ge macht, bis di« deutsche «aiserjacht allzuoft zu siegen sich er dreistete. Da» verletzt« das englische Nationalgesühl vielleicht noch mehr wie die Depesche an den Präsidenten Krüger, die Lord Lonsdale dieser Tage in einer Tischrede zu verteidigen unternahm. — Italien hat seinen Frieden mit deut NeguS von Abessinien gemacht und ist dabei ziemlich glimpflich weg- gekomimn. Das beste daran ist, daß die Gefangenen endlich frrigrkommen, von denen überdies rin Drittel in der Wild nis der abessinischen gelsenwüste umgekommen zu 'ein scheint, Menelik ist ein vollendeier Heuchler, wie schon sein Brief au Papst Leo zeigt, und es ist Mir zu wünschen, daß er bei Ausführung der Fricdensbedingnisse keine neuen Spähne macht; denn bekanullich ist weder eme Grenze festgesetzt, noch die Summe genannt, die die Italiener als Ernährungsgeld für die Gefangenen ersetzen sollen. Auch ist über die Beschlag nahme des holländischen Schiffes mit abessinischen Waffen nicyls bestimmt worben. Das sind alles noch Punkte bei de nen der Negus drücken kann und die Geiseln hat er ja in Händen. - In Spanien ist die neue innere Anleihe von 400 Millionen Pesetas geglückt, ja es sind noch hundert Mil lionen mehr gezeichnet worden, und da man nicht weiß, wo- ,u es gut ist, hat die Regierung auch das mehrangebvtene Geld genommen. Die Nachrichten von Cuba und den Pbi- npplnen lau'en in der That besser, wie bisher, aber die Per le der Antillen ist zur Wüste geworden und es werden Jahr- .ehnle. vergehen, ehe sie dem Mutterland« wieder Einkünfte bringt. Die „Havanna'-Zigarle wird eme Rarität werden; sie war's eigentlich immer schon und ist unschuldig an dem vielen Kraul, das unter ihrem ehrlichen Namen durch die Welt läuft. So schwer eine echt« Havana auch brennt, die cubanlschen Insurgenten haben es fertig bekommen, fast sämmt- liche Havanaplantageu in Braud zu setzm. Nun scheint ih nen aber doch endlich die Pfelfe auszugehen, wenngleich ih- nen Henri Rochefort zur Hilfe kommt und die Spanier auf- fordert, nicht nur die Republik Cuba anzuerkennen, sondern auch daheiin bei sich die Republik einzuführen. Da er aber keine bessere republikanische Probe vorweifen kann, als Frank- reich selbst, so werdet» die biederen Spanier die Sache wahr scheinlich noch sehr reiflich überlegen. Drwd. Advent. „Wie soll ich dich empfangen Und wie begegn' ich dir. O aller Welt Verlangen, O meiner Seele Zier!" Die alten, lieben Adventslieder erklingen wieder und läu ten sckon das hol'- seligst« der ckristlicken Feste, Weihnachten, ein. Advent, die Rüstezeit auf Weihnachten, wird schon durchleuch tet von den Strahlen des fernher schimmernden WeihnachtS- baumes, sie läßt die Herzen der Kinder «nd mit ihnen dir der Eltern sckon freudiger klopfen. Jetzt, in diesen letzten Wochen vor Weihnachten, steigt in allen Werkstätten der Drang der Arbeit aufs höchste, wird Vic Arbeitskraft am schärfsten angespannt, aber ein Strahl himmlischen Lichtes in den Gemüthern der Christen verklärt die arbeitsreiche und mühevolle Zeit. Advent, die Wartezeit auf Weihnachten, ist ein Abbild je ner langen Wartezeit auf Christi Geburt. „Die Völker ha ben dein geharrt, bis daß die Zeit erfüllet ward." Aber der Stem der Hoffnung, das tröstliche Licht der Weissagung hat auch den Vätern und Propheten des alten Bundes ge leuchtet. Dieser Verheißung haben sie sich getröstet und die- se Hoffnung mit sich ins Grab genommen Der Gebetsruf des sterbenden Erzvaters Jacob ist das Losungswort der Alttestamentlichen Zeit gewesen: „Herr, ich warte aus dein Heil". Wer auf Gott wartet und hofft, wird nicht zu Schanden werden. Wir Christen freuen uns, daß die »feit erfüllet ist und da» Heil in Jesu Christo uns geschenkt ist Daher ha ben unsere Väter die Jahre nach Christi Geburt „Jahre deS Herrn" oder „Jahre des Heils" genannt. Das eme Jahr, da der Heiland der Welt geboren ist, hat einen solchen lieber- schuß des Heils auf alle kommenden Jahre gegeben, daß auch da» schlimmste und traurigste Jahr seitdem doch immek noch ein „Jahr des Herrn" und «in „Jahr des Heils" ge blieben ist. Und doch ist im anderen Sinne auch diese Zeit der Erfül- tnng noch imme r ein Advent, eine Wartezeit. Noch immer bekennt die Christenheit: Wir warten des Heilandes, Jesu Christi, des Herrn", der da kommen wird zu richten die Lebendigen u. die Tobten. „Wir »varten eines neuen Himmel- und einer neuen Erde nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnet." Wir warten des Heilandes, und doch ist- er auch bei uns. alle „Tage bis an der Welt Ende." Je der Advent ruft uns ja zu: „Freue -dich sehr; siehe, dein König kommt zu dir sänftinütlg." Jedes Kirchenjahr führt neu an uns vor über die Reihe der großen Thaten der Erlösung! wir knieen an der Krippe, wir beten an unter dem Kreuze, wir jubiliren mit am Ostermorgen, wir danken für die Geistesgabe des zur Rechten Gottes erhöhten Herrn. In der Advent- und Rüstzeit dieses CrdenlebenS wandeln wir im Glauben und nicht im Schauen, aber die Hand des Heilandes wird uns führen auf rechter Straße zu dem Jerusalem, das droben ist. Da wird ein ewiger Christtag anbrechen; nicht mehr an der Krippe des Christ kindes werden wir knieen, sondern am Thron der Herr lichkeit Gottes. Aus Letzter Woche. Der deutsche Reichstag hat eine „große Woche" hinter sich. Montag bis Donnerstag nahmm die Interpellationen wegen der Huniburger Enthüllungen, des DuellunwrsenS und des Falles Brüsewitz in Anspruch und die Oppositionspartei en führten ihre besten Rednerin-Gefecht; manches harte, aber leider nur allzuwahre Wort wurde da geredet, häufig aber auch über das Ziel geschossen, wie da» in einer Versamm lung von fast fünfhundert Gesetzgebern nicht anders ist. Al- lerdings sind ja nicht immer alle beisammen nnd besonders am Dienstag war da» trotz der Wichtigkeit des Gegensinn- des nicht der Kall. Viele der Ei wählten deS Volke» waren nach Hause gereist, um den Mittwoch, der für ganz Nord Deutschland, außrr den beiden Mecklenburg „Bußtag" ist bei Muttern zuzubringen- Selbstverständlich haben auch un sere Abgeordneten Buße notwendig, denn das Leben in Ber lin setzt sie, die berusemäßlgeu Strohwitwer, doch nianuig fachen Anfechtungen aus und die Beichte daheim mag nicht immer lercht sein. La hat nun aber jüngst ein Londoner Arzt ein Mittel gegen da» Lampenfieber der Schauspieler und Sänger gesunde»: einige Tropfen eines Laudamuins ge nügen, um den Leuten du» Gefühl völliger Sicherheit zu gebe». Ferner hat ein amerikanischer Arzt — und das find - ja bekanntlich die tüchtigsten von der Welt I — «in Mittel für Studenten entdeckt, die in» Examen steigen wollen und i die vor Furcht zuweUen kein Wort hervorbrmgen können. Beide Mittel wurden auch bei uns al- propa» befunden und 1 Leut«, di« in B«rlin warrn, tr«t«n jrtzl zu Haus« chrrr Frau! «ittw-»s, SlÄW u. «.uueugs Mil 3 Aamilttnötättern: Iroystnn, Kute Krister, Zettspiegel. Ad»u««W«utS»reiS in«, der 3 werthpoklenPeilaaen vierteljährlich »«antwortllcher Redakteur: «mtl -«-«uRfter in « u. (Erzgebirge). mit vekgerkhn L «k. Redaktion Expedition «tu«. Marktstraß«. ' durch .dte Post 1 Mk. ' ! Kirchliche Nachrichten von Aue 1: Advent. Früh Uhr Stille Kommunion: Diac. Oertel. Vorm. S Uhr Hauptgottesdienst Predigt über Mich. 21,1—S: C. Thomas. Kirchen musik: „Freue dich sehr" Original-Composition v. Rud. Palme. Nachm. >/,2 Uhr: Kindergottesdienst k. Thomas. Abend« 8 Uhr: Ev.-lnth. JünglingS-Berein. Allgemeiner Anzeiger für die Stadt Ane, Zelle u. Umgebung Juferate Vie emjpaltig« Eorvuszeile^LV^Pf. amtlich« Inserat« 2!) Pfg. die EorpuS-Zeile, Reklamen pro Zeile 20 Pfg. Alle Postanstalten und Landbriefträger nehmen Bestellungen an. Ivarsuwwrftar»» am Früh 7 Uhr. N« veu A iber Wetterhäuschen aus der König- ; Albert-Brücke. Sehr trocken 750—M Bestand, schön Schön Wetter —W Veränderlich ^20-^ Regen (Wind) . - Viel Regen Sturm 710 I Wi—750 Temperatur n. Celj. am 27. Novbr. — 7," W-740 "2«' "7-2,-- - » ... * , Windrichtung -M-73O am 27. Ndvbr, S.-O. »28. „ - S. W-720 " am 27. Rvvbr. Bewölkt. 710 . „ 28. „ Trüb.