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Voltttfche LUmdscha». Deutschland. * In finniger Weise hatte Kaiser Wilhelm die Enthüllung des Kaiser Friedrich» Denkmals bei Wönh auf den Geburtstag seines BaterS, den 18. Oktober, festgesetzt. Der Kaiser hatte tagS zuvor auch Gravelotte besucht. Von bayrischer Seite nahm eine Depu tation, an deren Spitze der Krieg-minister steht, an der EnthüllungSfeierlichkeit teil. * Im Anschlüsse des Bundesrates finden jetzt täglich Sitzungen behufs Durchberatung des BürgerlichenGesetzbucheS statt, lieber das neue Gesetzbuch sollen auf Anordnung des Kultusministers an der Berliner Universität Vor lesungen gehalten werden. Amtsrichter Dr. Crome aus Frankfurt a. M. wurde unter Ernennung zum außerordentlichen Professor beauftragt, in diesem Halbjahr bereits damit zu beginnen. * Dem Kolonialrat soll auch eine Vor lage über das Auswanderungswesen zugehen. Der Kolonialrat hat schon im vorigen Jahre, als dem Reichstage ein Entwurf über die Auswanderungsfrage zugegangen war, dazu Beschlüsse gefaßt. Diese gingen in der Haupt sache dahin, daß die Auswanderung nach unseren Schutzgebieten nicht mit der Auswanderung nach fremden Ländern auf gleichem Fuße behandel! werden sollte. * Amtlicher Nachweisung zufolge hat die Ein nahme von Wechselstempelsteuer im Deutschen Reich für das erste Halbjahr des laufenden Etatsjahres 4198 463,05 Mark (152 895,80 Mark mehr als im gleichen Zeit raum des Vorjahres) betragen. (Gehen die Ge schäfte besser oder wird statt der Barzahlung mehr mit Wechseln gearbeitet?) * Aus parlamentarischen Kreisen verlautet, daß verschiedene Parteien in bezug auf den Fall Hammer st ein angeblich noch wichtige Enthüllungen in Vorbereitung haben und mit diesen nach Eröffnung der parlamentarischen Saison hervorzutreten willens seien. (Da wer den solche Leute, die den Skandal lieben, volle Befriedigung empfinden.) * Zur Landesverrats-Angelegen heit schreibt die ,Leipz. Gerichtsztg.', die sich bisher in dieser Sache gut unterrichtet gezeigt hat, folgendes: Von zweien der infolge der Verhaftung des französischen Ingenieurs Paul Schoren gleichfalls verhafteten deutschen Reichs angehörigen männlichen Geschlechts ist der eine ein ehemaliger Ingenieur und der andere ein ehemaliaer Büreaubeamter deS Etablissements Krupp-Gerson. Der dritte der verhafteten In genieure, Pfeiffer, ist Angestellter einer öster reichischen Maschinen- und Waffenfabrik. Durch diese Leute gelangte Schoren in den Besitz von Zeichnungen, Entwürfen, Photographien und Modellen von Kriegsmaterialien, welche in jenen Fabriken, sei es im Auftrage von Kriegsmini sterien, sei es auf Veranlassung der Erfinder an- gefertiat wurden. — Da die Verhandlung vor dem Reichsgericht demnächst stattfindcn dürfte, wird man auf volle Aufklärung nicht mehr lange warten brauchen. Oesterreich-Ungar«. * Des Grafen Ta affe Zu st and soll trostlos sein. Die Gräfin ist nach Ellischau abgereist, um dem Kranken in seinen letzten Tagen beizustehen., *Jn Agram haben während der Anwesen heit des Kaisers Franz Joseph sehr ernste Ruhestörungen statlgefunden. Die Kroaten fordern Unabhängigkeit und riefen deshalb dem Kaiser als „König von Kroatien" ihre Hochs zu. Auch wurde auf offener Straße die un garische Nationalfahne verbrannt. Frankreich. *Der ,Tcmps' bringt einen Leitartikel über den Besuch des Fürsten Lobanow in Berlin. Das Blatt, das gewöhnlich die Meinung der französischen Negierung ausdrückt, sieht in dem Besuch nur eine durch die inter nationale Kourtoisie gebotene Höflichkeitsvisite. Der ,Tcnws' glaubt auch nicht, daß die Wiener Blätter recht haben, welche meinen, Frist Loba now erstrebe den Hinzutritt des Dreibundes zu den drei in der armenischen Frage gemeinsam Auf Mmwegen. 11s Original-Roman von Alice v. Hahn. (Fortsetzung.) „Der Rausch verflogen?" knüpfte Paul daher bei Wandas letzten Worten das Gespräch an, „der Rausch? — Meine Liebe zu meiner Frau kann nicht schwinden, doch hindert mich nichts, Ihnen ebenfalls zu sagen, daß ich nicht erst heute, son dern schon viel früher mir die heftigsten Vor würfe über meine Handlungsweise Ihnen gegen über gemacht habe. Ich glaube, dies Geständnis wird Sie nicht ganz unbefriedigt lassen, und ist dies der Fall, so reichen Sie mir Ihre Hand zur Versöhnung; wir werden unS dann in Zu kunft ruhiger gegenüber treten können." Der Zweck, den Wanda verfolgte, ließ sie nicht dazu kommen, die Enttäuschung sehen zu lassen, die Pauls Worte ihr bereiteten; glaubte sie doch hören zu müssen, daß die Ehe Paul Heinrichs ebensowenig glücklich sein könne, wie die ihrige. Forschend sah sie daher Paul ins Gesicht, um zu ergründen, ob er die Wahrheit sprach, aber nichts in Pauls Benehmen ließ darauf schließen, daß seine Worte nicht ernst gemeint waren, und doch hätte sie sich sagen müssen, daß Paul auf keinen Fall ihr mitteilen würde, wie wenig glücklich er war. Mit mög lichster Ruhe sagte sie daher zu ihm: „Ich will glauben, daß eS Ihnen Ernst ist mit einer Ver söhnung zwischen unS, und nehme die mir in Freundschaft gebotene Hand an." Paul blickte überrascht seine Begleiterin an. So schnell hatte er nicht geglaubt zum Ziele zu gelangen; waS mochte sie wohl für Zwecke ver handelnden Mächten. Die heutige Gruppierung der Mächte sei gerade vorteilhaft zur Lösung der armenischen Schwierigkeiten, da der Drerbund gerade als Reserve wertvoll sei. *Jn der Budget - Kommission wurde das Marine-Budget um sieben und eine halbe Million Fränk herabgesetzt. *Der Regierung nahestehende Blätter teilen mit, daS wesentliche Ergebnis der großen Feld übungen sei die Erhaltung SaussierS im obersten BefehldeS Heeres. Dies mache den äußerst bedauerlichen heftigen Be mühungen verschiedener Nebenbuhler um seine Stelle ein Ende, unter denen in letzter Zeit das Wohl deS Heeres zu leiden hatte. Saussier habe verschiedene taktische Neuerungen von großer Bedeutung ersonnen, die sich bei den Feld übungen erprobt hätten, und er habe sich körper lich allen Aufgaben eines Höchstbefehlenden ge wachsen erwiesen. Jtatt«. * General Baratieri meldet auSMassauah: Die Truppen - Abteilungen, die zur Verfolgung des Feindes entsandt waren, haben die letzten Abteilungen desselben auseinander gesprengt. General Arimondi ist in Ambaelagi eingetroffen und hat sich mit Ras Sebat vereinigt, der sich mit ihm nach Antalo begeben wird, um dem General Baratieri seine Huldigung darzubringen. Ras Mangascha ist in südwestlicher Richtung geflohen. Ueber den Vormarsch der Truppen aus Schoa ist noch nichts Genaues bekannt. Belgien. *Am Congo ist die Lage gegenwärtig ziemlich ernst. Nach neueren Nachrichten soll die Zahl der aufrührerischen Neger gegen 1000 Mann betragen. Sie veranstalten eine förmliche Jagd auf die belgischen Offiziere Peltzer, Shaw, Bolen, Lassaux und Cassart. Die drei ersteren wurden zu Tode gemartert und furchtbar verstümmelt, Cassart blieb drei Tage nahrungslos im Dickicht verborgen. Die Lage am Congo ist gefährlich, da man den Verrat der übrigen Negersoldaten befürchtet. Spanten. * Die Gesamtzahl der auf spanischer Seite seit Beginn des Cuba-Feldzuges infolge Krankheit Gestorbenen und in den Gefechten Ge fallenen beläuft sich nach amtlichen Angaben auf 185 Offiziere und 1810 Soldaten. (Ob da die am Tropenfieber Verstorbenen mitgezählt sind ?) Russland. *Nach einer Petersburger Meldung ist die westliche Strecke der sibirischen Eisen bahn bis zum Obflusse fcrtiggestellt. Es ist dies in der Luftlinie, von Tjumen an gerechnet, eine Strecke von etwa 1350 Kilometer, etwas mehr als der »vierte Teil .der ganzen Bahn, welche bekanntlich von Osten her, nämlich von Wladiwostok aus, ebenfalls schon seit einigen Jahren in Angriff genommen worden ist. Nach einer neuen Meldung aus Petersburg steht die Eröffnung des Bahnverkchrs auf der westlichen Strecke der sibirischen Eisenbahn bis Krasno jarsk noch in diesem Jahre zu erwarten. Kras nojarsk liegt von Tobolsk in der Luftlinie etwa 306 Kilometer entfernt. Balkanstaater«. * Es wird jetzt als wahrscheinlicher betrachtet, daß der Sultan den armenischen Neformplan an nimmt. — Der in einzelnen Blättern aufgetauchten Nachricht, daß die Verhandlungen über die Reform in Armenien aus dem Zusammenschluß der drei Initiativ mächte auf das europäische Konzert übertragen seien, wird eben dorther versichert, daß über diese Frage nur die Botschafter Englands, Rußlands und Frankreichs verhandeln. * Die Bildung eines liberalen Kabi netts in Rumänien ist ain Dienstag voll zogen worden. Demeter Sturdza ist Prä sident und Minister des Auswärtigen. Das Hauptverdienst des abtretenden Kabinetts Catargiü besteht bekanntlich darin, daß cs den endgültigen Anschluß Rumäniens an den Dreibund herbei geführt hat. Da dieses unter Zustimmung aller politischen Kreise Rumäniens geschah, so ist von dem neuen Kabinett keinerlei Wechsel in den aus wärtigen Beziehungen zu besorgen. folgen, daß sie ihren Groll, den sie doch wohl im Herzen gegen ihn hegte, zurückdrängtc und, ohne weitere Empfindlichkeit zur Schau zu tragen, die ihr gebotene Freundschaft annahm? Doch auch darüber sollte ihm bald Klarheit werden. Eine Weile ging Wanda schweigend, gesenkten Hauptes neben ihm her nnd überlegte, wie sie am besten ihren Wunsch erfüllt sehen könnte, dann hob sie ganz unvermittelt an: „Sie haben mir Ihre Freundschaft angcboten, und da will ich gleich erproben, ob Sie auch im Ernst daran festhalten, wenn ich Sie um einen Freund schaftsdienst bitte." Im Innern war Paul erfreut, daß Wanda sogleich auch seine Freundschaft sich zu nutze machen wollte; war dies doch ganz seinen Wünschen entsprechend. Welche Vorteile hatte er da in der Hand! Wenn es irgend ging, wollte er das Verlangen Wandas erfüllen. „Gewiß", sagte er daher, „stellen Sie mich nur auf die Probe." Etwas zögernd, ob auch Paul ihren Wunsch erfüllen würde, begann sie: „Mein Bruder ver langt Geld, er braucht eS unbedingt; meine Eltern haben es nicht und fordern, ich soll meinen Mann darum bitten. Mir ist dies furcht bar peinlich, und ich bin auch fest überzeugt, daß es nutzlos wäre, von ihm Geld zu verlangen. Strecken Sie eS mir vor!" Ein eigentümlicher Zug spielte einen Moment um Pauls Lippen, als Wanda geendet hatte und bittend zu ihm aufsah, dann aber fragte er: „Wie viel brauchen Sie?^ .Sechshundert Mark", antwortete sie zögernd. Paul war über die Höhe der Summe über Dr. v. Kötticher «brr sein Uer- HSttni» ?«m Fürste» Kismarck. Im vergangenen Jahre, kurz nach der Ent lassung des Grafen Caprivi, hatte ein Journalist eine Unterredung mit dem Staatssekretär Dr. v. Bötticher. Der.Berliner Lokal-Anzeiger' teilt nunmehr die damaligen Aeußerungen des Herrn v. Bötticher mit; dieselben lauten im wesent lichen also: Die schwerste Zeit meines Lebens war die, als Fürst Bismarck aus dem Amte schied. Man hat mir vorgeworfen, daß ich an dieser Verab schiedung die Schuld trüge. Sehr zu unrecht! Zu meinem tiefsten Bedauern hat Fürst Bismarck selbst, ich weiß nicht wodurch veranlaßt, die Meinung gefaßt und trotz aller meiner Be mühungen daran festgchalten, daß ich an der Herbeiführung des Abschlusses seiner amtlichen Thäligkeit beteiligt gewesen sei. Das konnte um so weniger der Fall sein, als ich in der kritischen Zeit vier Wochen lang durch einen Fall von Scharlach in meiner Familie an das Haus ge bunden war und dem Kaiser nicht einmal für die Verleihung des Schwarzen Adler-Ordens danken konnte. Als ich die Kette zum Schwarzen Adler-Orden erhalten sollte, schickte der Kaiser erst seinen Leibarzt zu mir, um festzustcllen, ob auch wirklich schon alles in Ordnung sei. Ich habe im Gegenieil das mögliche gethan, was irgend in meinen Kräften lag, um zu verhüten, was dann freilich unausbleiblich wurde. In häufiger Wiederholung bin ich schon vor Jahren bei dem Fürsten Bismarck vorstellig geworden, —, er solle doch dem Andrängen des Reichrags nach j hüben und drüben nicht mehr. Was Fürst Erweiterung des Arbeiterschutzes nachgeben, sei' Bismarck zur Erklärung feines Beharrens in der es durch eia umfassenderes Verbot der Frauen-, oppositionellen Stellung angeführt hatte, das Kinder und Nachtarbeit, sei es durch Ausdeh- ! war als eine Zustimmung aufgefaßt worden, nung der Sonntagsruhe. Der Fürst war dafür! Als die Entscheidung getroffen war, begab ich nicht zu haben. Er blieb unerschütterlich bei mich zum Fürsten Bismarck, um mich von ihm seiner Meinung, soviel ich ihm auch zuredetc, j zu verabschieden. Es war wohl die schwerste ganz im Gegensatz zu der wohlwollenden Nach- j Stunde meines Lebens. Thränenden Auges giebigkeit, die er mir gegenüber früher in zahl- > küßte ich ihm die Hand, dankte ihm für alles reichen Fällen an den Tag gelegt. Ich kam Wohlwollen, das er mir bewiesen, und bat ihn, ganz ausgezeichnet mit ihm aus, besser als einer zu glauben — eS waren mir schon allerhand meiner Vorgänger, Delbrück und Hofmann, und Gerüchte zu Ohren gekommen — daß ich nie als die Staatssekretäre im Auswärtigen Amt, ' etwas gethan, was mit der Treue gegen ihn mit denen er sich auch nicht immer recht vertrug. - nicht vereinbar wäre. Er antwortete mir, er Mehr als einmal ist es vorgekommen, daß ich ' setze auch gar nicht voraus, daß ich einen Treu- im Reichstag unvorbereitet zu einer eben auf- bruch gegen ihn begangen hätte oder eines geworfenen Frage Stellung nehmen mußte, ohne Treubruchs fähig wäre; aber er müsse doch daß ich mich vorher über die Intentionen des sagen, daß ich ihn in dem Kampfe gegen den Fürsten Bismarck vergewissern konnte. Ich sprach Kaiser nicht so unterstützt hätte, wie ich wohl dann so, wie ich vermutete, daß es den Ansichten gekonnt. Hierauf konnte ich nichts erwidern, des Fürsten gemäß sei. Fragte ich ihn nach denn sonst hätte ich erklären müssen, daß es für * AuS Bukarest wird gemeldet, die Polizei sei einem Mörder StambulowL, der sich in Rumänien aufhalte, auf der Spur; eS sei der Macedonier AthansaS, der als gefähr licher Agitator unter dem Spitznamen Halu bekannt sei. Auch gegen Tufektschiew hätten sich neue Verdachtsmomente ergeben; gegen diesen würde zweifellos die Untersuchung von neuem eingeleitet worden. Amerika. * Von Santiago auf Cuba ist die Draht nachricht in New York eingetroffen, daß am 2. d. der schon oft von den Spaniern totgesagte Maceo nach fünfstündigem heftigen Kampfe die Spanier unter Navarro bei Linares voll ständig schlug. Spanischerseits wurden fünf Offi ziere getötet, zehn verwundet und 380 Soldaten getötet und verwundet. Asien. * 70 deutsche Offiziere, die der Vizekönig von Nanking als Jnstrukteurederchine- fischen Truppen engagiert hat, gaben ihre Entlassung, well der Vizekönig kontraktbrüchig geworden ist. * Also mit der Beschießung der „türkischen" Stadt Zabara am persischen Meerbwen ist eS nichts. Erstens gehört Zabara dem Sultan von Maskat, geht also die Türken nichts an; zwei tens ist Zabara auch gar nicht bombardiert worden. Es handelt sich bei der Meldung wahr scheinlich um ein Vorkommnis vom Ende August, zu welcher Zeit auf der Insel Bahrein Unruhen stattfanden, wobei englische Kriegsschiffe eingriffen. beendeter ReichStaaSfitzuug, wie er über die Sache denke, so zeigte eS sich mehrfach, daß ich eine ganz andere Auffassung vertreten hatte. Immer aber erklärte der Fürst ohne Zögern, daß eS selbstverständlich bei dem, WaS ich gesagt, sein Bewenden behalten müsse. Mit dem Kaiser stand Fürst Bismarck anfangs ganz ausgezeichnet. Der Kaiser blickt« förmlich zu ihm auf und er kannte seine Autorität willig an, wie ich über haupt allezeit gefunden habe, daß der Kaiser sachlichen Gründen, die angemessen vorgetragen werden — und auf einen solchen angemesseneu Vortrag hat er natürlich als Kaiser Anspruch — in ausgezeichneter Weise zugänglich ist. Der Kaiser hat ein erstaunlich schnelles und durch dringendes Auffassungsvermögen. Wenn man ihm Vortrag hält, so genügen einige Worte, um ihn sofort erkennen zu lassen, worauf eS eigent lich ankommt. Das ist ein großer Vorzug. Fürst Bismarck verstand eS nun nicht, die Dinge so vorzutragen, daß die Vorstellungen bei dem Kaiser Eingang fanden. Der Fürst, der eine grolle Autorität bei dem Kaiser genoß, sprach zum Kaiser autoritativ, und so mußte eS denn kommen, daß dem Kaiser dies nicht gerade gefiel und die Meinung in ihm in den Vordergrund trat, er sei doch nun einmal von Gott an die Stelle gestellt, an der er stehe, um nach seinen Gaben und Kräften und nach seiner- Auffassung die Regierung zu führen. So kam eS, wie es kommen mußte: der Kaiser und Fürst Bismarck verstanden sich schließlich nicht mehr. Ver geblich stellte ich dem Fürsten Bismarck vor, daß es notwendig sei, dem lebhaften Wunsch des Kaisers in Sachen des Arbeiterschutzes, der übrigens meinen Ansichten völlig entsprach, nach zugeben. Es war kurz vor der Katastrophe, daß mir von einem Kollegen berichtet wurde, der Kaiser und Fürst Bismarck hätten eine Aus sprache miteinander gehabt, die zu einer vollen Verständigung und einem lückenlosen Einver nehmen geführt hätte. Ich war hocherfreut darüber, und da der Kaiser sich zum Frühstück bei mir angesagt hatte, ging ich zum Fürsten Bismarck, um ihn zu fragen, ob er mich gleich falls mit seiner Anwesenheit beehren wolle. Ich wollte dem Fürsten Bismarck meine herzliche Befriedigung über das aussprechen, waS ich ge- hört hatte. Ich fand aber den Fürsten in bösester Laune, und aus meine ersten Worte hin fragte er, ob ich denn wirklich glaubte, daß er zu den in Rede stehenden Maßregeln seine Zustimmung geben würde! Er werde in den Staatsrat kommen — diese Teilnahme deS Fürsten an der Staatsratssitzung hatte man mir als die Be siegelung des Einvernehmens hingestellt, — aber nicht um zuzustimmen, sondern um seine ent- gcgenstehende Meinung zu vertreten. Als ich nach Hause kam, war der Kaiser, der sich ver früht hatte, schon da. Der Kaiser war in fröh lichster Stimmung. Auch er erzählte, daß er mit dem Fürsten Bismarck zu voller Verständigung gekommen sei. Ich konnte es nicht übers Herz bringen, ihm geradezu zu sagen, daß er sich in einem Irrtum bezüglich des Fürsten Bismarck befinde. Ich erwähnte bloß, daß der Fürst in den Staatsrat kommen wolle. Der Kaiser ver nahm das mit größtem Erstaunen, denn der Fürst, meinte er, hätte ihm gesagt, er werde dem Staatsrat fernbleiben. So war daS Mißver- ständnis unheilbar geworden, man verstand sich rascht, doch ließ er dies nicht merken und sagte nur, daß er das Geld an ihre Eltern schicken werde. Wanda war damit nicht gedient, sie sagte daher schnell: „Nein, bitte nicht zu meinen Eltern! Schicken Sie das Geld zu mir, mein Mann hat heute Nachtdienst, er ist heute abend nicht zu Hause." Paul versprach noch am Abend das Geld zu ihr zu schicken und dann trennten sie sich. „Endlich ein Lichtblick!" dachte Wanda, als sie ihrer Wohnung zuschritt. Eine leise Regung, ob sie auch recht gethan, wollte sich bemerkbar machen, doch gewaltsam unterdrückte sie die unan genehme Mahnung, war sie doch nun der Ver legenheit überhoben, mit ihrem MannL sprechen zu müssen. Paul Heinrich schritt eilig seinem Hause zu, während er mit triumphierendem Lächeln vor sich hinmurmcltc: „Wie leicht und gefahrlos werde ich jetzt zu wissen bekommen, was ich bisher auf Umwegen in Erfahrung bringen mußte!" Beim Eintritt in sein Gehöft kam Teresa ihm freundlich entgegen. „Wie schmal und bleich doch ihr Gesichtchen ist!" dachte Paul, als sie ihm zu herzlichem Kuß ihre Lippen entgegenreichte. „Wie schmächtig bist du doch, Kind!" sagte er, seinen Gedanken Worte gebend, indem er sie umfaßte. WaS ihn vor kurzem noch an ihr ent zückt hatte, ihre biegsame graziöse Figur, das nannte er jetzt zerbrechlich. Wie schnell war der Rausch verflogen, der ihn so mächtig ge fesselt l „Wie ich mich freue," rief Teresa beglückt, „daß du heute so früh nach Hause kommst! Wie ich mich freue, den Abend in deiner Ge sellschaft zu verleben!" Sich liebevoll an seine Schulter lehnend, blickte sie zärrlich zu ihm auf, als sie nun die Schwelle des Hauses über schritten. „Ein paar Stunden haben wir jetzt für uns, Schatz," sagte er, lächelnd ihre Wangen streichelnd, „später muß ich dich aber verlassen, ich werde heute die ersten Nachtstunden auf dem Anstand zubringcn." „O, diese böse Jagdlust," rief sie schmollend, „sie ist es, die mir mein Glück nicht gönnt! Ich wünschte, es gäbe auf der ganzen Welt weder Hasen noch anderes Wild!" „Nun, kleines Närrchen, wer weiß, welch' anderer und vielleicht bedenklicherer Passion ich dann huldigte," entgegnete er mit leichtem Lächeln. „Du mußt mich schon so hinnehmen, wie ich bin, liebes Kind," fuhr er fori, „ändern werde ich mich wohl kaum. Es thut mir leid, daß du so viel allein bist." — Plötzlich schoß ihm der Gedanke durch den Kopf: „Wie wäre eS, wenn Teresa den Verkehr mit Bossarts wieder aufnehmen könnte! Es würde mir dann noch leichter sein, meinen Plänen nachzugebcn." Er sagte daher in seiner bisherigen freundlichen Art: „Nimm doch die Bekanntschaft mit Wanda wieder auf! Du wirst sicher Gefallen finden an ihrem lebhaften Tempcrainent, und vielleicht pro fitierten, munterer werden, auflcbcn." Mit weit geöffneten Augen hatte sie seine Worte angehört, dann fragte sie erstaunt: , .Paul, ist das dein Ernst? Es würde mir